„Bilderverbot im Islam“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Siyer-i Nebi 151b.jpg|miniatur|Mohammed vor der [[Kaaba]] (türkische Buchmalerei, 16. Jahrhundert). Sein Gesicht wird nicht dargestellt.]]
[[Datei:Siyer-i Nebi 151b.jpg|mini|Der Prophet [[Mohammed]] vor der [[Kaaba]] (türkische Buchmalerei aus dem ''[[Siyer-i Nebi]]'', 16. Jahrhundert). Sein Gesicht wird nicht dargestellt.]]


Das '''Bilderverbot im Islam''' ist das Ergebnis einer in der [[Hadith|islamischen Traditionsliteratur]] und [[Fiqh|Jurisprudenz]] kontrovers geführten Diskussion über die Legitimität bildlicher Darstellungen von Menschen und Tieren sowohl im [[profan]]en als auch im religiösen Bereich. Der arabische Begriff für bildliche Darstellungen ist {{arF|صورة ، صور |w=sura, Pl. suwar |d=ṣūra, Pl. ṣuwar |b= Bild, Zeichnung, Figur, Statue}} und {{arF|تمثال , تماثيل |w=timthal, Pl. tamathil |d=timṯāl, Pl. tamāṯīl |b=bildliche Darstellung, Statue}}, Letzteres meistens dreidimensional.
Ein '''Bilderverbot im Islam''' (vor allem im [[Sunniten|sunnitischen]] [[Islam]]<ref>Christoph Sydow: [http://www.spiegel.de/politik/ausland/islam-mohammed-bilder-sind-im-koran-nicht-verboten-a-1014492.html Mythos Bilderverbot]</ref>) ist das Ergebnis einer in der [[Hadith|islamischen Traditionsliteratur]] und [[Fiqh|Jurisprudenz]] kontrovers geführten Diskussion über die [[Legitimität]] bildlicher Darstellungen von Menschen und Tieren sowohl im [[profan]]en als auch im religiösen Bereich. Die [[Arabische Sprache|arabischen]] Begriffe für eine bildliche Darstellung sind {{ar|صورة&lrm;|sura|DMG=ṣūra|de=Bild, Zeichnung, Figur, Statue}} und {{ar|تمثال&lrm;|timthal|DMG=timṯāl|de=bildliche Darstellung, Statue}}, letzteres meistens dreidimensional.


== Der Koran und bildliche Darstellungen ==
== Der Koran und bildliche Darstellungen ==
Der [[Koran]] enthält kein [[Bilderverbot]]. Die älteste erhaltene Abbildung des islamischen Propheten [[Mohammed]] (* 570er Jahre; † 632) stammt aus dem Jahr 1250.<ref>Christoph Sydow: ''[https://www.spiegel.de/politik/ausland/islam-mohammed-bilder-sind-im-koran-nicht-verboten-a-1014492.html Muslime, holt die Buntstifte raus! Mythos Bilderverbot.]'' In: ''Der Spiegel.'' 25. Januar 2015.</ref> In einigen Koranversen wird Gott (arabisch: [[Allah]]) als der größte Bildner und Schöpfer dargestellt: [[Sure 3]], Vers 6;<ref>„Er ist’s, der euch bildet in den Mutterschößen, wie Er will. Es gibt keinen Gott außer Ihm, dem Mächtigen, dem Weisen.“ (Übersetzung Max Henning)</ref> [[Sure 7]], Vers 11;<ref>„Und wahrlich, Wir erschufen euch; alsdann bildeten Wir euch; […]“ (Übersetzung Max Henning)</ref> [[Sure 40]], Vers&nbsp;67.<ref>„Er ist’s, der euch erschuf aus Staub, alsdann aus einem Samentropfen, alsdann aus geronnenem Blut, alsdann läßt Er euch als Kindlein hervorgehen. […]“ (Übersetzung Max Henning)</ref> In [[Sure 59]], Vers 24, wird er als „der Schöpfer, Erschaffer und Gestalter“ gepriesen. In der [[Koranexegese]] werden die obigen Koranstellen nicht mit einem Bilderverbot in Zusammenhang gebracht, es geht um göttliche [[Attribut (Philosophie)|Attribute]] (''ṣifāt Allāh'') und allmächtige Schöpferkraft.
Der [[Koran]] enthält kein [[Bilderverbot]]. In einigen Koranversen wird Gott als der größte Bildner und Schöpfer dargestellt: Sure 3, Vers 6; Sure 7, Vers 11; Sure 40, Vers 67. In Sure 59, Vers 24, wird Gott als „der Schöpfer, Erschaffer und Gestalter“ gepriesen. In der [[Koranexegese]] werden die obigen Koranstellen nicht mit einem Bilderverbot in Zusammenhang gebracht, es geht um Gottes [[Eigenschaft|Attribute]] und seine allmächtige Schöpferkraft. Ein Anspruch auf ein Bilderverbot ist daraus nicht abzuleiten. Wirksamkeit und Einhaltung des islamischen Bilderverbots sind dennoch bis in die Gegenwart vorhanden. „Speziell im sakralen Bereich, d.&nbsp;h. in den Moscheebauten sowie in den Koranhandschriften, finden sich so gut wie gar keine Bilder von lebenden Wesen.“<ref>Rudi Paret: ''Symbolik des Islam.'' In: Ferdinand Herrmann (Hrsg.): ''Symbolik der Religionen.'' Anton Hiersemann, Stuttgart 1958, S. 13</ref>


In dem Zusammenhang auch in islamischer theologischer Literatur häufiger zitiert werden zudem [[Sure 5]], Vers 90,<ref>„O ihr, die ihr glaubt, siehe, der Wein, das [[Glücksspiel|Spiel]], die Bilder und die Pfeile [die beim Losen gebraucht werden] sind ein Greuel von Satans Werk. Meidet sie; vielleicht ergeht es euch wohl.“ (Übersetzung Max Henning)</ref> und [[Sure 6]], Vers 74,<ref>„Und (gedenke,) als Abraham sprach zu seinem Vater Azar: ‚Nimmst du Bilder zu Göttern an? Siehe, ich sehe dich und dein Volk in offenkundigem Irrtum.’“ (Übersetzung Max Henning)</ref> die sich jedoch offensichtlich nicht gegen Bilder an sich als vielmehr gegen ihre Verehrung und damit gegen [[Polytheismus]] und [[Götze]]ndienst richten.<ref>Oleg Grabar, ''The Formation of Islamic Art'', Yale University Press, New Haven, 1987, S. 79.</ref> Wirksamkeit und Einhaltung des islamischen Bilderverbots sind dennoch bis in die Gegenwart vorhanden, leiten sich jedoch grundsätzlich eher aus den Traditionssammlungen denn aus der Offenbarungsschrift ab. „Speziell im sakralen Bereich, d.&nbsp;h. in den Moscheebauten sowie in den Koranhandschriften, finden sich so gut wie gar keine Bilder von lebenden Wesen.“<ref>Rudi Paret: ''Symbolik des Islam.'' In: Ferdinand Herrmann (Hrsg.): ''[[Symbolik der Religionen]].'' Anton Hiersemann, Stuttgart 1958, S. 13.</ref>
== Bilderfeindlichkeit bzw. -verbot in der Hadith-Literatur ==
Der erste schriftlich überlieferte Beleg gegen bildliche Darstellungen ist erst in der [[Hadith]]-Literatur im späten 8. Jahrhundert, im Muwaṭṭaʾ {{arF|الموطأ |w=al-Muwatta'}} des [[Malik ibn Anas]] nachweisbar. Als [[Umm Habiba]] und [[Umm Salama]] – zwei [[Familie Mohammeds#Frauen Mohammeds|Ehefrauen Mohammeds]] – über die Māriya-Kirche [[Kaiserreich Abessinien|Abessiniens]] und über die dortigen bildlichen Darstellungen dem Propheten, kurz vor dessen Tod berichteten, soll er der Tradition zufolge geantwortet haben:


Bishr Farès schließlich wies darauf hin, dass etwa der islamische Gelehrte [[al-Qurtubī]] in seinem Korankommentar ''[[Koranexegese|Tafsīr]] Aḥkām al-Qurʾān'' behauptet habe, das Verbot der Herstellung von Bildern sei aufgrund einzelner koranischer Geschichten wie jener, nach der [[Salomo]] sich von den [[Dschinn]] Bildwerke habe fertigen lassen und [[Jesus]] Tauben aus Ton gebildet habe, um sie anschließend zum Leben zu erwecken, nicht unumstritten gewesen.<ref>Bishr Farès, ''Philosophie et jurisprudence illustrées par les Arabes'', in: ''Mélanges Louis Massignon'', Bd. 2, Damaskus: Institut Français de Damas, 1957, S. 101ff.</ref>
{{Zitat|Wenn unter denen ein frommer Mann stirbt, bauen sie über seinem Grab eine Gebetsstätte und bringen darin diese Bilder an. Solche Leute sind vor Gott am Tage der Auferstehung die schlechtesten Geschöpfe.|ref=<ref>Rudi Paret: ''Die Entstehung des islamischen Bilderverbots''. In: Kunst des Orients, XI 1/2 (1976–1977), S. 162. Franz Steiner Verlag. Wiesbaden; In der Muwatta'-Rezension von Abū Muṣʿab, Bd. 2. Nr. 1974. 2. Auflage. Beirut 1993.</ref>}}


== Bilderfeindlichkeit und -verbot in der Hadith-Literatur ==
Mit der Entstehung der [[Al-Kutub as-sitta|kanonischen Hadith-Sammlungen]], deren Verfasser zwischen 870 und 915 gestorben sind, kamen auch weitere Aussprüche Mohammeds in Umlauf, die seine persönliche Abneigung gegenüber bildlichen Darstellungen zum Ausdruck brachten. Eine genau beschriebene und geforderte Bestrafung für die Herstellung und Benutzung bildlicher Darstellungen im Diesseits ist allerdings auch im Hadith nicht überliefert; die nur im Jenseits angedrohte Höllenstrafe soll den Menschen von der Bilder- und Skulpturenherstellung bzw. vom Besitz derselben abschrecken. Der deutsche Orientalist [[Rudi Paret]] hat einige Hadithe mit ähnlichem, bilderfeindlichem Inhalt zusammengestellt<ref>''Das islamische Bilderverbot und die Schia.'' In: Erwin Gräf (Hrsg.): Festschrift Werner Caskel. Brill, Leiden 1968. S. 224–238. Nachträge dazu in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), Bd. 120 (1970), S. 271–273.</ref> und in einer dieser Frage gewidmeten Studie die mögliche Entstehungszeit der Diskussionen über Bilderverbot in islamischen Gelehrtenkreisen dargestellt.<ref>Rudi Paret: ''Die Entstehung des islamischen Bilderverbots.'' In: Kunst des Orients. Bd. XI, 1/2 (1976–1977). Franz Steiner Verlag, Wiesbaden. S. 158–181</ref> Anhand der kanonischen Traditionssammlungen stellt er vierzehn Überlieferungsvarianten zusammen, die mehr oder weniger für ein Bilderverbot, bzw. für die Diskussionen darüber sprechen.
Der erste schriftlich überlieferte Beleg gegen bildliche Darstellungen ist erst in der [[Hadith]]-Literatur im späten 8. Jahrhundert im [[Al-Muwatta|Muwaṭṭaʾ]] {{arF|الموطأ&lrm;|al-Muwatta'}} des [[Mālik ibn Anas]] nachweisbar. Als [[Umm Habiba]] und [[Umm Salama]] – zwei [[Familie Mohammeds#Frauen Mohammeds|Ehefrauen Mohammeds]] – über die Māriya-Kirche [[Kaiserreich Abessinien|Abessiniens]] und über die dortigen bildlichen Darstellungen dem Propheten kurz vor dessen Tod berichteten, soll er der Tradition zufolge geantwortet haben:

{{Zitat
|Text=Wenn unter denen ein frommer Mann stirbt, bauen sie über seinem Grab eine Gebetsstätte und bringen darin diese Bilder an. Solche Leute sind vor Gott am Tage der [[Auferstehung]] die schlechtesten Geschöpfe.
|ref=<ref>Rudi Paret: ''Die Entstehungszeit des islamischen Bilderverbots''. In: Kunst des Orients, XI 1/2 (1976–1977), S. 162. Franz Steiner Verlag. Wiesbaden; In der Muwatta'-Rezension von Abū Muṣʿab, Bd. 2. Nr. 1974. 2. Auflage. Beirut 1993.</ref>}}

Mit der Entstehung der [[Al-Kutub as-sitta|kanonischen Hadith-Sammlungen]], deren Verfasser zwischen 870 und 915 gestorben sind, kamen auch weitere Aussprüche Mohammeds in Umlauf, die seine persönliche Abneigung gegenüber bildlichen Darstellungen zum Ausdruck brachten. Auch in den ''[[al-Kutub al-arbaʿa|vier Büchern]]'' der [[Zwölfer-Schia|Zwölfer-Schiiten]] lassen sich bilderfeindliche Überlieferungen finden.<ref>Rudi Paret, ''Das islamische Bilderverbot und die Schia'', in: [[Erwin Gräf]] (Hrsg.): ''Festschrift Werner Caskel. Zum siebzigsten Geburtstag 5. März 1966 gewidmet von Freunden und Schülern'', Brill, Leiden, 1968.</ref> Eine genau beschriebene und geforderte Bestrafung für die Herstellung und Benutzung bildlicher Darstellungen im Diesseits ist allerdings auch nicht im Hadith überliefert; die nur im Jenseits angedrohte Höllenstrafe soll den Menschen von der Bilder- und Skulpturenherstellung und vom Besitz derselben abschrecken. Der deutsche Orientalist [[Rudi Paret]] hat einige Hadithe mit ähnlichem, bilderfeindlichem Inhalt zusammengestellt<ref>''Das islamische Bilderverbot und die Schia''. S. 224–238. Nachträge dazu in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), Bd. 120 (1970), S. 271–273.</ref> und in einer dieser Frage gewidmeten Studie die mögliche Entstehungszeit der Diskussionen über ein Bilderverbot in islamischen Gelehrtenkreisen dargestellt.<ref>Rudi Paret: ''Die Entstehungszeit des islamischen Bilderverbots.'' In: Kunst des Orients. Bd. XI, 1/2 (1976–1977). Franz Steiner Verlag, Wiesbaden. S. 158–181.</ref> Anhand der kanonischen Traditionssammlungen stellt er vierzehn Überlieferungsvarianten zusammen, die mehr oder weniger für ein Bilderverbot sprechen und die Diskussionen darüber dokumentieren.


Bei der zeitlichen Einordnung der Hadithmaterialien ergeben sich aus den dort geschilderten Begleitumständen einige historisch verwertbare Fixpunkte, die in den Datierungsfragen der Diskussionen von Bedeutung sind. Den folgenden [[Hadith qudsi]] aktualisiert man während des Besuchs im Haus von [[Marwan I.|Marwan ibn al-Hakam]], in dem Bilder angebracht wurden. Daraufhin zitierte der [[Sahaba|Prophetengefährte]] [[Abū Huraira]] († 679) den Spruch:
Bei der zeitlichen Einordnung der Hadithmaterialien ergeben sich aus den dort geschilderten Begleitumständen einige historisch verwertbare Fixpunkte, die in den Datierungsfragen der Diskussionen von Bedeutung sind. Den folgenden [[Hadith qudsi]] aktualisiert man während des Besuchs im Haus von [[Marwan I.|Marwan ibn al-Hakam]], in dem Bilder angebracht wurden. Daraufhin zitierte der [[Sahaba|Prophetengefährte]] [[Abū Huraira]] († 679) den Spruch:
{{Zitat
{{Zitat|Und wer ist frevelhafter, als wer sich anschickt, so zu schaffen, wie ich [Gott] schaffe…}}
|Text=Und wer ist frevelhafter, als wer sich anschickt, so zu schaffen, wie ich [Gott] schaffe…}}


Dieser Anschauung, nach der eine solche Schöpferkraft allein Gott eigen sei, ist im islamischen Schrifttum mehrfach dokumentiert;<ref>Ignaz Goldziher: ''Zum islamischen Bilderverbot.'' In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), Band 74 (1920), S. 288 ([http://menadoc.bibliothek.uni-halle.de/dmg/periodical/titleinfo/92794 Online])</ref> ihr liegt der Koran zugrunde, in dem Gott zu Jesus spricht:
Dieser Anschauung, nach der eine solche Schöpferkraft allein Gott eigen sei, ist im islamischen Schrifttum mehrfach dokumentiert;<ref>Ignaz Goldziher: ''Zum islamischen Bilderverbot.'' In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), Bd. 74 (1920), S. 288 ([http://menadoc.bibliothek.uni-halle.de/dmg/periodical/titleinfo/92794 Online])</ref> ihr liegt der Koran zugrunde, in dem Gott zu Jesus spricht:
{{Zitat
{{Zitat|Text=und (damals) als du mit meiner Erlaubnis aus Lehm etwas schufst, was so aussah wie Vögel, und in sie hineinbliesest, so daß sie mit meiner Erlaubnis (schließlich wirkliche) Vögel waren …|Autor=Sure 5, Vers 110|Quelle=Übersetzung: Rudi Paret}}
|Text=und (damals) als du mit meiner Erlaubnis aus Lehm etwas schufst, was so aussah wie Vögel, und in sie hineinbliesest, so daß sie mit meiner Erlaubnis (schließlich wirkliche) Vögel waren…
|Autor=Sure 5, Vers 110
|Quelle=Übersetzung: Rudi Paret}}


Das Haus des Marwan – von 662 bis 669 und von 674 bis 677 [[Statthalter]] von [[Medina]] – ist bekannt und seine Baugeschichte literarisch belegt.<ref>Rudi Paret, op. cit. 165 und Anm. 7 </ref>
Das Haus des Marwan – von 662 bis 669 und von 674 bis 677 [[Statthalter]] von [[Medina]] – ist bekannt und seine Baugeschichte literarisch belegt.<ref>Rudi Paret, op. cit. 165 und Anm. 7</ref>
In die gleiche Zeit führt auch eine weitere Tradition:
In die gleiche Zeit führt auch eine weitere Tradition:
{{Zitat

{{Zitat|Diejenigen, die diese Bilder verfertigen, werden am Tag der Auferstehung bestraft werden. Man wird zu ihnen sagen: 'Macht lebendig, was ihr geschaffen habt!' …}}
|Text=Diejenigen, die diese Bilder verfertigen, werden am Tag der Auferstehung bestraft werden. Man wird zu ihnen sagen: 'Macht lebendig, was ihr geschaffen habt!' …}}
Dieser Spruch soll den frühen Koranexegeten [[Mudschāhid ibn Dschabr]] (†722) veranlasst haben, sogar die bildhafte Darstellung von Früchte tragenden Bäumen für verwerflich zu erklären und seine Ansicht mit dem obigen Hadith ''qudsi'' zu begründen: „Und wer ist frevelhafter, als wer sich anschickt, so zu schaffen, wie ich (Gott) schaffe …“<ref>Rudi Paret, op. cit. 166–167; zum Hadith siehe ebd. S. 162</ref>
Dieser Spruch soll den frühen Koranexegeten [[Mudschāhid ibn Dschabr]] (†722) veranlasst haben, sogar die bildhafte Darstellung von Früchte tragenden Bäumen für verwerflich zu erklären und seine Ansicht mit dem obigen Hadith ''qudsi'' zu begründen: „Und wer ist frevelhafter, als wer sich anschickt, so zu schaffen, wie ich (Gott) schaffe …“<ref>Rudi Paret, op. cit. 166–167; zum Hadith siehe ebd. S. 162.</ref>


Eine weitere Tradition, die in den kanonischen Traditionssammlungen mehrfach überliefert wird, ist inhaltlich mit dem obigen Hadith verwandt:
Eine weitere Tradition, die in den kanonischen Traditionssammlungen mehrfach überliefert wird, ist inhaltlich mit dem obigen Hadith verwandt:
{{Zitat
{{Zitat|Von demjenigen, der ein Bild macht, wird am Tag der Auferstehung verlangt werden, daß er ihm Lebensodem (rūḥ) einhaucht. Das wird er aber nicht tun können.|ref=<ref>Ignaz Goldziher (1920), S. 288 nach [[Ahmad ibn Hanbal]], [[Mālik ibn Anas]] u.&nbsp;a.</ref>}}
|Text=Von demjenigen, der ein Bild macht, wird am Tag der Auferstehung verlangt werden, daß er ihm Lebensodem (rūḥ, siehe auch [[Ruach]]) einhaucht. Das wird er aber nicht tun können.
Der [[Melkiten|melchitische]] Theologe [[Theodor Abū Qurra]] († um 820) zitiert diesen Spruch fast wörtlich.<ref>Rudi Paret, op. cit. 162 und Anm. 4</ref>
|ref=<ref>Ignaz Goldziher (1920), S. 288 nach [[Ahmad ibn Hanbal]], [[Mālik ibn Anas]] u.&nbsp;a.</ref>}}
Der [[Melkiten|melchitische]] Theologe [[Theodor Abū Qurra]] († um 820) zitiert diesen Spruch fast wörtlich.<ref>Rudi Paret, op. cit. 162 und Anm. 4</ref>


Insgesamt bieten die erörterten Hadithe somit Anhaltspunkte dafür, die Diskussionen über das Verbot bereits in den letzten Jahrzehnten des 7. und zu Beginn des 8. Jahrhunderts anzusetzen.<ref name="RP: EdIB 177">Rudi Paret, op. cit. 177</ref> „Dem steht nicht entgegen, daß Einzelheiten der Ausführungsbestimmungen erst in der späteren juristischen Literatur erörtert und entschieden worden sind, so etwa die Frage, von welchem Grad der Zerstörung an das Bild eines Lebewesens nicht mehr unter das Verbot fällt.<ref name="RP: EdIB 177" />
Insgesamt bieten die von Paret erörterten Hadithe somit Anhaltspunkte dafür, die Diskussionen über das Verbot bereits in den letzten Jahrzehnten des 7.&nbsp;und zu Beginn des 8.&nbsp;Jahrhunderts anzusetzen.<ref name="RP: EdIB 177">Rudi Paret, op. cit. 177</ref> Dem stehe „nicht entgegen, daß Einzelheiten der Ausführungsbestimmungen erst in der späteren juristischen Literatur erörtert und entschieden worden sind, so etwa die Frage, von welchem Grad der Zerstörung an das Bild eines Lebewesens nicht mehr unter das Verbot fällt“.<ref name="RP: EdIB 177" /> [[Keppel Archibald Cameron Creswell|K. A. C. Creswell]] und [[Oleg Grabar]] setzen den Beginn der Diskussion um ein Bilderverbot hingegen erst in der späten zweiten Hälfte des 8.&nbsp;Jahrhunderts an.<ref>K. A. C. Creswell, ''The Lawfulness of Painting in Early Islam'', in: ''Ars Islamica'', Bd. 11–12 (1946), S. 160f.</ref><ref>Oleg Grabar, ''The Formation of Islamic Art'', S. 83.</ref>


== Historische Dokumentation ==
== Historische Dokumentation ==
Der berühmte Historiker [[at-Tabarī]], dessen Wirken in das späte 9. Jahrhundert fällt, berichtet nach älteren Quellen, dass nach der [[Futuh|arabischen Eroberung]] von [[Ktesiphon]] (al-Mada'in) der Feldherr Sa’d ibn Abi Waqqas den verlassenen, prachtvollen Palast des [[Sassanidenreich|sassanidischen]] Herrschers (Kisra) betrat und durch das Rezitieren einer Koranstelle (Sure 44, Vers 25–26) seine Bewunderung über die Säulenhallen zum Ausdruck brachte.
Der berühmte Historiker [[at-Tabarī]], dessen Wirken in das späte 9. Jahrhundert fällt, berichtet nach älteren Quellen, dass nach der [[Futuh|arabischen Eroberung]] von [[Ktesiphon]] (al-Mada'in) der Feldherr [[Saʿd ibn Abī Waqqās]] den verlassenen, prachtvollen Palast des [[Sassanidenreich|sassanidischen]] Herrschers (Kisra) betrat und durch das Rezitieren einer Koranstelle ([[Sure 44]], Vers 25–26<ref>Koran, Sure 44, Vers 25–26: „Wie viele Gärten und Quellen verließen sie, <sup>26</sup>Und Saatgefilde und edle Stätten.“ (Übersetzung Max Henning)</ref>) seine Bewunderung über die Säulenhallen zum Ausdruck brachte.


{{Zitat
{{Zitat|Dann verrichtete er dort das Morgengebet, nicht das Gemeinschaftsgebet, sondern betete acht Körperverbeugungen ([[Rukūʿ]]) nacheinander. Er machte den Ort (somit) zu einer Gebetsstätte, worin sich Gipsfiguren, Fußvolk und Reiter befanden. Weder er noch die (anderen) Muslime haben daran Anstoß genommen, sie beließen (die Figuren) wie sie waren. Sa'd vollendete das Gebet am Tage als er die (Stadt) betrat, da er dort residieren wollte. Das erste [[Freitagsgebet]], das man im Irak für alle (Muslime) durchführte, war in Ktesiphon im Safar des Jahres 16“ (März 637).|ref=<ref>Rudi Paret: „Das islamische Bilderverbot“. In: J. Iten-Maritz (Hrsg.): ''Das Orientteppich-Seminar''. Heft 8 (1975).</ref>}}
|Text=Dann verrichtete er dort das Morgengebet, nicht das Gemeinschaftsgebet, sondern betete acht Körperverbeugungen ([[Rukūʿ]]) nacheinander. Er machte den Ort (somit) zu einer Gebetsstätte, worin sich Gipsfiguren, Fußvolk und Reiter befanden. Weder er noch die (anderen) Muslime haben daran Anstoß genommen, sie beließen (die Figuren) wie sie waren. Sa'd vollendete das Gebet am Tage als er die (Stadt) betrat, da er dort residieren wollte. Das erste [[Freitagsgebet]], das man im Irak für alle (Muslime) durchführte, war in Ktesiphon im [[Safar]] des Jahres 16 (März 637).
|ref=<ref>Rudi Paret: „Das islamische Bilderverbot“. In: J. Iten-Maritz (Hrsg.): ''Das Orientteppich-Seminar''. Heft 8 (1975).</ref>}}


Diesem Bericht zufolge gab es um die Zeit der ersten Eroberungen gar kein Bilderverbot. Denn nicht einmal die Überlieferer dieses Ereignisses scheinen daran Anstoß genommen zu haben, dass ihre Vorfahren aus einem Ort mit bildlichen Darstellungen eine islamische Gebetsstätte geschaffen haben. Die erst später belegbare Scheu vor bildlichen Darstellungen ist unter den ersten [[Umayyaden]] nicht dokumentiert; unter dem Kalifen [[Muʿāwiya I.|Mu'awiya I.]] – regiert zwischen 661–680 – finden sich Herrscherportraits auf arabischen Münzen. Erst mit der Münzreform in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts setzt sich eine bilderfeindliche Haltung allmählich durch. Während die letzte umayyadische Münze – unter sassanidischem Einfluss – mit dem Bild des Kalifen [[Abd al-Malik (Umayyaden)|Abd al-Malik]] aus dem Jahre 703 stammt, tragen die Münzen der Folgezeit nur noch arabische Inschriften.<ref>Philip Grierson: „The Monetary Reform of 'Abd al-Malik“. In: Journal of the Economic and Social History of the Orient (JESHO), 3 (1960), S. 241–264; bes. 243 und 246.</ref>
Diesem Bericht zufolge gab es um die Zeit der ersten Eroberungen gar kein Bilderverbot. Denn nicht einmal die Überlieferer dieses Ereignisses scheinen daran Anstoß genommen zu haben, dass ihre Vorfahren aus einem Ort mit bildlichen Darstellungen eine islamische Gebetsstätte geschaffen haben. Die erst später belegbare Scheu vor bildlichen Darstellungen ist unter den ersten [[Umayyaden]] nicht dokumentiert; unter dem Kalifen [[Muʿāwiya I.|Mu'awiya I.]] – regiert zwischen 661 und 680 – finden sich Herrscherporträts auf arabischen Münzen. Erst mit der Münzreform in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts setzt sich eine bilderfeindliche Haltung allmählich durch. Während die letzte umayyadische Münze – unter sassanidischem Einfluss – mit dem Bild des Kalifen [[Abd al-Malik (Umayyaden)|Abd al-Malik]] aus dem Jahre 703 stammt, tragen die Münzen der Folgezeit nur noch arabische Inschriften.<ref>[[Philip Grierson]]: „The Monetary Reform of 'Abd al-Malik“. In: Journal of the Economic and Social History of the Orient (JESHO), 3 (1960), S. 241–264; bes. 243 und 246.</ref>
[[Datei:Panel hunters Louvre OA 6265-1.jpg|miniatur|links|Darstellung von Jägern auf einer fatimidischen [[Elfenbein]]schnitzerei (Ägypten, 11./12. Jh.)]]
[[Datei:Panel hunters Louvre OA 6265-1.jpg|mini|links|Darstellung von Jägern auf einer fatimidischen [[Elfenbein]]schnitzerei (Ägypten, 11./12. Jh.)]]
Die bildliche Darstellung von Menschen erfolgte vor allem in zwei Phasen der islamischen Geschichte: Während die erste die Umayyaden- und frühe [[Abbasiden]]herrschaft zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert umfasst, begann die zweite unter den [[Fatimiden]] im 10./11. Jahrhundert und erreichte ihren Höhepunkt in der [[Buchmalerei]] des späten 12. und 13. Jahrhunderts im islamisch geprägten [[Mesopotamien]].<ref> Eva Baer:''The human figure in early islamic art: some preliminary remarks.'' In: Muqarnas 16 (1999), S. 32</ref>
Die bildliche Darstellung von Menschen erfolgte vor allem in zwei Phasen der islamischen Geschichte: Während die erste die Umayyaden- und frühe [[Abbasiden]]herrschaft zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert umfasst, begann die zweite unter den [[Fatimiden]] im 10./11. Jahrhundert und erreichte ihren Höhepunkt in der [[Buchmalerei]] des späten 12. und 13. Jahrhunderts im islamisch geprägten [[Mesopotamien]].<ref>Eva Baer: ''The human figure in early islamic art: some preliminary remarks.'' In: Muqarnas 16 (1999), S. 32–41, hier 32.</ref>


Auf 'Abd al-Malik geht auch die Initiative zum Bau des [[Felsendom]]s in Jerusalem zurück, der sich im Innenraum durch reichhaltige Rankelemente und Mosaiken nach byzantinischem Vorbild auszeichnet.<ref>Myriam Rosen-Ayalon: ''The Early Islamic Monuments of the al-Haram al-Sharif''. An Iconographic Study. Qedem. Monographs of the Institute of Archaelogogy. The Hebrew University of Jerusalem. 28 (1989). Bes. Colour Plates I–XVI. ohne Abbildungen von Mensch oder Tier.</ref>
Auf 'Abd al-Malik geht auch die Initiative zum Bau des [[Felsendom]]s in Jerusalem zurück, der sich im Innenraum durch reichhaltige Rankelemente und Mosaiken nach byzantinischem Vorbild auszeichnet.<ref>Myriam Rosen-Ayalon: ''The Early Islamic Monuments of the al-Ḥaram al-Sharīf''. An Iconographic Study. Qedem. Monographs of the Institute of Archaelogogy. The Hebrew University of Jerusalem. 28 (1989). Bes. Colour Plates I–XVI. ohne Abbildungen von Mensch oder Tier.</ref>
[[Datei:Arabischer Mosaizist um 735 001.jpg|miniatur|Jagdszene im Hischam-Palast]]
[[Datei:Arabischer Mosaizist um 735 001.jpg|mini|Jagdszene im [[Hischam-Palast]]]]
Seine Nachfolger [[Hischam (Umayyaden)|Hischam]] und [[al-Walid II.]] regierten zwischen 724 und 744 und waren die Bauherren der prachtvollen Khirbat al-Mafdschar {{arF|خربة المفجر |d= Ḫirbatu ʾl-mafǧar}} – ''„Hischam-Palast“'' genannt – bei [[Jericho]], eines Wüstenpalastes, der wiederum mit seinen großzügigen Darstellungen in Mosaiken und Skulpturen zu den schönsten Zeugen islamischer Baukunst aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts zählt. Viele der Skulpturen, der Kalif, halbnackte Frauen, Jagdszenen, allesamt unter byzantinischem – oder [[Nabatäer|nabatäischem]] – Einfluss stehend, ferner Teile der Gebetsstätte [[Musallā]] {{arF| المصلى|d= al-muṣallā}} sind heute im [[Rockefeller-Museum]] in Jerusalem ausgestellt.<ref>''The Encyclopaedia of Islam.'' New Edition. Bd. 5. S. 10.</ref> Ein weiteres Beispiel stellt [[Qusair 'Amra]] mit seinen Fresken unbekleideter Frauen aus derselben Zeit dar.<ref>''The Encyclopaedia of Islam.'' New Edition. Bd. 1. S. 608; Eva Baer: ''The human figure in early islamic art: some preliminary remarks.'' In: Muqarnas 16 (1999), S. 33-34</ref> [[al-Hakam II.]] (gest. 976) ließ in [[Madīnat az-zahrāʾ|Madinat az-zahra']] {{arF| مدينة الزهراء|d= madīnatu ʾz-zahrāʾ}} bei [[Córdoba (Spanien)|Córdoba]] einen mit menschlichen Figuren ausgeschmückten Brunnen aufstellen.<ref>Siehe: E. García Gómez (1967) – Index.</ref>
Seine Nachfolger [[Hischam (Umayyaden)|Hischam]] und [[al-Walid II.]] regierten zwischen 724 und 744 und waren die Bauherren der prachtvollen [[Khirbat al-Mafdschar]] {{arF|خربة المفجر&lrm;|DMG=Ḫirbatu ʾl-mafǧar}} – ''Hischam-Palast'' genannt – bei [[Jericho]], eines Wüstenpalastes, der wiederum mit seinen großzügigen Darstellungen in Mosaiken und Skulpturen zu den schönsten Zeugen islamischer Baukunst aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts zählt. Viele der Skulpturen, der Kalif, halbnackte Frauen, Jagdszenen, allesamt unter byzantinischem – oder [[Nabatäer|nabatäischem]] – Einfluss stehend, ferner Teile der Gebetsstätte [[Musallā]] {{arF|المصلى&lrm;|DMG=al-muṣallā}} sind heute im [[Rockefeller-Museum]] in Jerusalem ausgestellt.<ref>''The Encyclopaedia of Islam.'' New Edition. Bd. 5. S. 10.</ref> Ein weiteres Beispiel stellt [[Qusair 'Amra]] mit seinen Fresken unbekleideter Frauen aus derselben Zeit dar.<ref>''The Encyclopaedia of Islam.'' New Edition. Bd. 1. S. 608; Eva Baer: ''The human figure in early islamic art: some preliminary remarks.'' In: Muqarnas 16 (1999), S. 32–41, hier 33–34.</ref> [[Al-Hakam II.]] (gestorben 976) ließ in [[Madīnat az-zahrāʾ|Madinat az-zahra']] {{arF|مدينة الزهراء&lrm;|DMG=madīnatu ʾz-zahrāʾ}} bei [[Córdoba (Spanien)|Córdoba]] einen mit menschlichen Figuren ausgeschmückten Brunnen aufstellen.<ref>Siehe: E. García Gómez (1967) – Index.</ref>


Auch im Innenraum der [[Kaaba|Ka'ba]] waren Skulpturen aufgestellt, die der im Jahr 736 verstorbene mekkanische Gelehrte 'Ata' ibn Abi Rabah<ref> Über ihn siehe ausführlich: Harald Motzki: ''Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz''. Ihre Entwicklung in Mekka bis zur Mitte des 2./8. Jahrhunderts. Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes (AKM), Bd. L,2. Stuttgart 1991. S. 70ff </ref> noch selber gesehen hat: die Figuren von Jesu und Maria sind erst im Jahre 692, während des Brandes der Ka'ba unter dem „Gegenkalifen“ [[Abdallah ibn az-Zubair]], vernichtet worden.<ref> ''The Encyclopaedia of Islam.'' New Edition. Bd. 9. S.889; nach der Stadtgeschichte Mekkas von al-Azraqī (gest. 865)</ref>
Auch im Innenraum der [[Kaaba|Ka'ba]] waren Skulpturen aufgestellt, die der im Jahr 736 verstorbene mekkanische Gelehrte 'Ata' ibn Abi Rabah<ref>Über ihn siehe ausführlich: Harald Motzki: ''Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz''. Ihre Entwicklung in Mekka bis zur Mitte des 2./8. Jahrhunderts. Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes (AKM), Bd. L,2. Stuttgart 1991. S. 70ff</ref> noch selber gesehen hat: die Figuren Jesu und [[Maria (Mutter Jesu)|Marias]] sind erst im Jahre 692, während des Brandes der Ka'ba unter dem „Gegenkalifen“ [[Abdallah ibn az-Zubair]], vernichtet worden.<ref>''The Encyclopaedia of Islam.'' New Edition. Bd. 9. S. 889; nach der Stadtgeschichte Mekkas von al-Azraqī (gest. 865)</ref>


Das Edikt des Umayyadenkalifen [[Yazid II.|Yazid ibn 'Abd al-Malik]] über die Zerstörung von Bildern in christlichen Kirchen auf seinem Staatsgebiet im Jahre 721 oder 722 ist im Zusammenhang mit den damals entfachten [[Byzantinischer Bilderstreit|Byzantinischen Bilderstreit]] zu sehen.<ref> A. A. Vasiliev: ''The Iconoclastic Edict of the Caliph Yazid II. A.D. 721''. In: Dumbarton Oaks Papers, Nr. 9 und 10 (1955–1956), S. 23–47; ''The Encyclopaedia of Islam.'' New Edition. Bd. 9. S.889; Rudi Paret (1975)</ref>
Das Edikt des Umayyadenkalifen [[Yazid II.|Yazid ibn 'Abd al-Malik]] über die Zerstörung von Bildern in christlichen Kirchen auf seinem Staatsgebiet im Jahre 721 oder 722 ist im Zusammenhang mit dem damals entfachten [[Byzantinischer Bilderstreit|Byzantinischen Bilderstreit]] zu sehen.<ref>A. A. Vasiliev: ''The Iconoclastic Edict of the Caliph Yazid II. A.D. 721''. In: Dumbarton Oaks Papers, Nr. 9 und 10 (1955–1956), S. 23–47; ''The Encyclopaedia of Islam.'' New Edition. Bd. 9. S. 889; Rudi Paret (1975)</ref>


== Die islamische Jurisprudenz ==
== Die islamische Jurisprudenz ==
Da weder der Koran noch die Hadith-Literatur eindeutige Belege für ein Bilderverbot im Islam liefern, war die [[islamische Jurisprudenz]] (''fiqh'') gefordert, rechtsverbindliche Regelungen in dieser Frage zu treffen. Die islamischen Rechtsgelehrten vertreten über die bildliche Darstellung von Mensch bzw. Tier drei, zum Teil kontroverse Ansichten:
Da weder der Koran noch die Hadith-Literatur eindeutige Belege für ein Bilderverbot im Islam liefern, war die [[Fiqh|islamische Jurisprudenz]] (''fiqh'') gefordert, rechtsverbindliche Regelungen in dieser Frage zu treffen. Die islamischen Rechtsgelehrten vertreten über die bildliche Darstellung von Mensch und Tier drei, zum Teil kontroverse Ansichten:


* Darstellungen sind nicht verboten, [[Haram (Islam)|haram]], soweit sie nicht als Gegenstände der [[Bilderverehrung|religiösen Verehrung]] – neben dem einzigen Gott – dienen. Die Darstellung Gottes ist selbstverständlich tabu, die Beschreibung seiner Attribute und seines Wesens in theologischen Schriften ist nicht Gegenstand der Jurisprudenz.
* Darstellungen sind nicht verboten, [[Haram (Islam)|haram]], soweit sie nicht als Gegenstände der [[Bilderverehrung|religiösen Verehrung]] – neben dem einzigen Gott – dienen. Die Darstellung Gottes ist selbstverständlich tabu, die Beschreibung seiner Attribute und seines Wesens in theologischen Schriften ist nicht Gegenstand der Jurisprudenz.
* Darstellung von Gegenständen, die „Schatten werfen“, also Skulpturen, ist verboten, Zeichnungen von denselben auf Papier, Wänden, in Textilien, sind nicht verboten, aber verwerflich ([[makruh]]). Sind Personen oder Tiere ohne Kopf, oder in anderer Hinsicht nicht vollständig dargestellt, aber werfen Schatten, so sind sie erlaubt. Das im Orient und in Nordafrika verbreitete [[Schattenspiel|Schattentheater]] ist somit islamrechtlich legalisiert, da die Figuren durchlöchert sind und somit keine „Seele“ (ruh) haben können.
* Darstellung von Gegenständen, die „Schatten werfen“, also Skulpturen, ist verboten, Zeichnungen von denselben auf Papier, Wänden, in Textilien, sind nicht verboten, aber verwerflich ([[makrūh]]). Sind Personen oder Tiere ohne Kopf, oder in anderer Hinsicht nicht vollständig dargestellt, aber werfen Schatten, so sind sie erlaubt. Das im Orient und in Nordafrika verbreitete [[Schattenspiel|Schattentheater]] ist somit islamrechtlich legalisiert, da die Figuren durchlöchert sind und somit keine „Seele“ (ruh) haben können.
* die Darstellung von Lebewesen, Mensch und Tier, ist in jeder Hinsicht verboten.
* die Darstellung von Lebewesen, Mensch und Tier, ist in jeder Hinsicht verboten.


Alle drei Richtungen können aus der Hadith-Literatur entsprechende, auf Mohammed zurückgeführte Aussagen als Argumentationsgrundlage für ihre Lehre anführen.<ref>Siehe: ''al-mausūʿa al-fiqhiyya''. Kuwait 2004 (4. Auflage), Bd. 12, S. 92ff; ''The Encyclopaedia of Islam.'' New Edition. Brill, Leiden. Bd. 8. S. 889 (ṣūra); Bd.10. S. 361 (taṣwīr)</ref>
Alle drei Richtungen können aus der Hadith-Literatur entsprechende, auf Mohammed zurückgeführte Aussagen als Argumentationsgrundlage für ihre Lehre anführen.<ref>Siehe: ''[[Enzyklopädie des islamischen Rechts (Kuwait)|al-mausūʿa al-fiqhiyya]]''. Kuwait 2004 (4. Auflage), Bd. 12, S. 92ff; ''The Encyclopaedia of Islam.'' New Edition. Brill, Leiden. Bd. 8. S. 889 (ṣūra); Bd. 10. S. 361 (taṣwīr).</ref>


Mehrere Hadithe, sowohl Prophetensprüche als auch Aussagen der [[Sahaba|Prophetengefährten]] setzen sich in diesem Zusammenhang mit dem [[Schach]]spiel {{arF|شطرنج |w=schatrandsch |d=šaṭranǧ }} auseinander. Das Verbot des Schachspiels ist begründet, weil dabei Figuren, die Schatten werfen, verwendet werden, und weil das Spiel (lahw) an sich vom Gebet ablenkt.<ref>Siehe: ''al-mausūʿa al-fiqhiyya''. Kuwait 2004. Bd. 35, S. 269−271; R. Wieber, ''Das Schachspiel...'', S. 48ff.</ref> Dagegen wird das zur Zeit [[Saladin|Saladins]] neu aufgekommene [[Schattenspiel]] geduldet, da die Figuren „durchlöchert“ (''muṯaqqab'') und somit keine Lebewesen sind.<ref>Siehe: C. F. Seybold: ''Zum arabischen Schattenspiel''. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), 56 (1902), S. 413-414</ref>
Mehrere Hadithe, sowohl Prophetensprüche als auch Aussagen der [[Sahaba|Prophetengefährten]], setzen sich in diesem Zusammenhang mit dem [[Schach]]spiel {{arF|شطرنج&lrm;|schatrandsch|DMG=šaṭranǧ}} auseinander. Das Verbot des Schachspiels ist begründet, weil dabei Figuren, die Schatten werfen, verwendet werden und weil das Spiel (lahw) an sich vom Gebet ablenkt.<ref>Siehe: ''al-mausūʿa al-fiqhiyya''. Kuwait 2004. Bd. 35, S. 269–271; R. Wieber, ''Das Schachspiel…'', S. 48 ff.</ref> Dagegen wird das zur Zeit [[Saladin]]s neu aufgekommene [[Schattenspiel]] geduldet, da die Figuren „durchlöchert“ (''muṯaqqab'') und somit keine Lebewesen sind.<ref>Siehe: C. F. Seybold: ''Zum arabischen Schattenspiel''. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), 56 (1902), S. 413–414.</ref>


Ein weiterer Gegenstand, dessen Darstellung im Islam verboten ist, ist das [[Kreuz (Christentum)|Kreuz]] (salib) {{arF| صليب|d=ṣalīb }}, das Symbol der Christen. Es ist nicht nur das Symbol der Rum, der [[Byzantinisches Reich|Byzantiner]], der Feinde des Islam, sondern wird am Tage der Auferstehung von [[Isa bin Maryam]] selbst zerstört – so heißt es zumindest in mehreren auf den Propheten zurückgeführten Hadithen in den [[Al-Kutub as-sitta|kanonischen Traditionssammlungen]].<ref>''The Encyclopaedia of Islam.'' New Edition. Brill, Leiden, Bd. 8, S. 980 mit Verweis auf die Sammlung von [[al-Buchari]] und [[Ahmad ibn Hanbal]]</ref> Der Prophet soll, weiteren Traditionen zufolge, das Kreuz in seiner Umgebung und die Muster desselben aus Kleidungsstücken, wohl durch christliche Händler zu den Arabern gelangt, entfernen haben lassen.
Ein weiterer Gegenstand, dessen Darstellung im Islam verboten ist, ist das [[Kreuz (Christentum)|Kreuz]] (salib) {{arF|صليب&lrm;|DMG=ṣalīb}}, das Symbol der Christen. Es ist nicht nur das Symbol der Rum, der [[Byzantinisches Reich|Byzantiner]], der Feinde des Islam, sondern wird am Tage der Auferstehung von [[Isa bin Maryam]] selbst zerstört – so heißt es zumindest in mehreren auf den Propheten zurückgeführten Hadithen in den [[Al-Kutub as-sitta|kanonischen Traditionssammlungen]].<ref>''The Encyclopaedia of Islam.'' New Edition. Brill, Leiden, Bd. 8, S. 980 mit Verweis auf die Sammlung von [[al-Buchari]] und [[Ahmad ibn Hanbal]]</ref> Der Prophet soll, weiteren Traditionen zufolge, das Kreuz in seiner Umgebung und die Muster desselben aus Kleidungsstücken, wohl durch christliche Händler zu den Arabern gelangt, entfernen haben lassen.


Die gleiche Geisteshaltung drückt man in einem bei [[Ahmad ibn Hanbal]] erhaltenen Hadith aus, in dem man Mohammed wie folgt sprechen lässt:
Die gleiche Geisteshaltung drückt man in einem bei [[Ahmad ibn Hanbal]] erhaltenen Hadith aus, in dem man Mohammed wie folgt sprechen lässt:
{{Zitat

{{Zitat|Gott hat mich als Gnade und Rechtleitung an die Menschheit gesandt und befahl mir, die Blas- und Saiteninstrumente, die Idole, das Kreuz und die [[Dschahiliyya]]-Sitten zu zerstören.|ref=<ref>Siehe: ''al-mausūʿa al-fiqhiyya''. Kuwait 2004. Bd. 12, S. 88.</ref>}}
|Text=Gott hat mich als Gnade und Rechtleitung an die Menschheit gesandt und befahl mir, die Blas- und Saiteninstrumente, die Idole, das Kreuz und die [[Dschahiliyya]]-Sitten zu zerstören.
|ref=<ref>Siehe: ''al-mausūʿa al-fiqhiyya''. Kuwait 2004. Bd. 12, S. 88.</ref>}}
Schon in den ältesten Schriften der islamischen Jurisprudenz ist die öffentliche Aufstellung des Kreuzes durch die unter islamischer Herrschaft lebende [[Dhimma|nicht-muslimische Bevölkerung]] in den Siedlungsgebieten der Muslime [[schari'a]]-rechtlich untersagt.<ref>E. Fagnan: ''Le livre de l'impôt foncier''. Paris 1921, S. 218–19; d.&nbsp;i. die französische Übersetzung des Kitab al-Charadsch von [[Abu Yusuf]].</ref>

Schon in den ältesten Schriften der islamischen Jurisprudenz ist die öffentliche Aufstellung des Kreuzes durch die unter islamischer Herrschaft lebende [[Dhimma|nicht-muslimische Bevölkerung]] in den Siedlungsgebieten der Muslime [[schari'a]]-rechtlich untersagt.<ref> E. Fagnan: ''Le livre de l'impôt foncier''. Paris 1921, S. 218−19; d.&nbsp;i. die französische Übersetzung des Kitab al-Charadsch von [[Abu Yusuf]].</ref>


Wie bildliche Darstellungen von Menschen, Tieren und Gegenständen, die „Schatten werfen“, darf der Muslim kein Kreuz herstellen, seine Herstellung nicht anordnen oder damit Handel treiben.<ref>''al-mausūʿa al-fiqhiyya''. Kuwait (4. Auflage), 2004, Bd. 12, S. 88 und 91.</ref>
Wie bildliche Darstellungen von Menschen, Tieren und Gegenständen, die „Schatten werfen“, darf der Muslim kein Kreuz herstellen, seine Herstellung nicht anordnen oder damit Handel treiben.<ref>''al-mausūʿa al-fiqhiyya''. Kuwait (4. Auflage), 2004, Bd. 12, S. 88 und 91.</ref>


Generell lässt sich feststellen, dass die bildliche Darstellung in Kunst und Architektur um so stärker vermieden wird, je
Generell lässt sich feststellen, dass die bildliche Darstellung in Kunst und Architektur desto stärker vermieden wird, je
* näher das Bau- oder Kunstwerk dem religiösen Bereich steht (z.&nbsp;B. die Moschee und ihr Inventar),
* näher das Bau- oder Kunstwerk dem religiösen Bereich steht (z.&nbsp;B. die Moschee und ihr Inventar),
* glaubensstrenger das Umfeld (Auftraggeber, Künstler, Herrscher) ist, in dem ein Bau- oder Kunstwerk entsteht,
* glaubensstrenger das Umfeld (Auftraggeber, Künstler, Herrscher) ist, in dem ein Bau- oder Kunstwerk entsteht,
* mehr Menschen der Bereich zugänglich ist, in dem sich ein Bau- oder Kunstwerk befindet.
* mehr Menschen der Bereich zugänglich ist, in dem sich ein Bau- oder Kunstwerk befindet.


Man kann davon ausgehen, „daß das Bilderverbot, das ja von Theologen überliefert, juristisch formuliert und innerhalb gewisser Grenzen auch überwacht wurde, vor allem in der sakralen Kunst beachtet worden ist: besonders natürlich in Moscheen, aber auch in anderen öffentlichen Bauten, weiter auf Grabsteinen und, was die Buchkunst angeht, in Koranhandschriften.“<ref>Rudi Paret (1975), S. 3.</ref> Dies gilt allerdings mit Einschränkungen. In einem im Jahre 1930 in Istanbul erworbenen Koranexemplar sind mehrere Abbildungen erhalten. Der unbekannte Kopist, der das Buch 1816 anfertigte, war ein Schüler eines gewissen Dāmād ʿUṯmān ʿAfīf Zādeh († 1804). Die schwarz-weißen Zeichnungen sind dem Korantext später hinzugefügt worden und stellen Episoden aus dem Leben Mohammeds im Kreis seiner [[Sahaba|Gefährten]] dar.<ref>Richard Gottheil: ''An Illustrated Copy of the Koran.'' Paris. Libr. Orientaliste Paul Geuthner 1931. Aus: Revue des Études Islamiques (1931)</ref>
Man kann davon ausgehen, „daß das Bilderverbot, das ja von Theologen überliefert, juristisch formuliert und innerhalb gewisser Grenzen auch überwacht wurde, vor allem in der sakralen Kunst beachtet worden ist: besonders natürlich in Moscheen, aber auch in anderen öffentlichen Bauten, weiter auf Grabsteinen und, was die Buchkunst angeht, in Koranhandschriften.“<ref>Rudi Paret (1975), S. 3.</ref> Dies gilt allerdings mit Einschränkungen. In einem im Jahre 1930 in Istanbul erworbenen Koranexemplar sind mehrere Abbildungen erhalten. Der unbekannte Kopist, der das Buch 1816 anfertigte, war ein Schüler eines gewissen Dāmād ʿUṯmān ʿAfīf Zādeh († 1804). Die schwarz-weißen Zeichnungen sind dem Korantext später hinzugefügt worden und stellen Episoden aus dem Leben Mohammeds im Kreis seiner [[Sahaba|Gefährten]] dar.<ref>Richard Gottheil: ''An Illustrated Copy of the Koran.'' Paris. Libr. Orientaliste Paul Geuthner 1931. Aus: ''[[Revue des Études Islamiques]]'' (1931)</ref>


Dass von einem absoluten Bilderverbot im Islam nicht die Rede sein kann, zeigen zahlreiche Beispiele in der islamischen Kunst: repräsentative Räume, Paläste und Badeanlagen sind im profanen Bauwesen ohne bildliche Darstellungen genauso wenig vorstellbar wie in der erbaulichen Literatur (''[[adab]]''), z.&nbsp;B. in den [[Makame]]n von [[al-Hariri]], oder im Fabelwerk [[Kalīla wa Dimna]]. In medizinischen und naturwissenschaftlichen Werken aus dem arabisch-islamischen Kulturraum ist die Darstellung lebender Wesen ebenfalls häufig.
Dass von einem absoluten Bilderverbot im Islam nicht die Rede sein kann, zeigen zahlreiche Beispiele in der [[Islamische Kunst|islamischen Kunst]]: Repräsentative Räume, Paläste und Badeanlagen sind im profanen Bauwesen ohne bildliche Darstellungen genauso wenig vorstellbar wie in der erbaulichen Literatur (''[[adab]]''), z.&nbsp;B. in den [[Makame]]n von [[al-Hariri]] oder im Fabelwerk [[Kalīla wa Dimna]]. In medizinischen und naturwissenschaftlichen Werken aus dem arabisch-islamischen Kulturraum ist die Darstellung lebender Wesen ebenfalls häufig.


== Islamische Bilder Mohammeds ==
== Islamische Bilder Mohammeds ==
[[Datei:Mohammed receiving the submission of the Banu Nadir.jpg|miniatur|left|Der Prophet Mohammed (zu Pferde) unterwirft die [[Banu Nadir]] (14. Jahrhundert).]]
[[Datei:Muhammad lifts the Black Stone - from Jami al-Tawarikh.jpg|mini|links|Der Prophet Mohammed bei der Schlichtung des Streits über den [[Schwarzer Stein (Mekka)|Schwarzen Stein]]. Aus dem [[Dschami' at-tawarich]], 14. Jahrhundert]]


Die Darstellung des Propheten wird im Islam gescheut. In Verbindung mit der großen Bedeutung des [[Wort Gottes|Wortes]], gleichsam als Träger der Offenbarung, führt das Vermeiden bildlicher Darstellungen zu einer überragenden Rolle von Schrift (Kalligraphie) und Ornament in der islamischen Kunst.<ref name="Ernst2007"/> Dabei wird die Schrift häufig selbst zum Schmuck, oder Ornamente werden schriftähnlich gestaltet.
Die Darstellung des Propheten wird im islamischen Kulturraum unterschiedlich bewertet. In Verbindung mit der großen Bedeutung des [[Wort Gottes|Wortes]], gleichsam als Träger der [[Offenbarung]], führt das Vermeiden bildlicher Darstellungen zu einer überragenden Rolle von Schrift (Kalligraphie) und Ornament in der islamischen Kunst.<ref name="Ernst2007" /> Dabei wird die Schrift häufig selbst zum Schmuck, oder Ornamente werden schriftähnlich gestaltet.


Bilder Mohammeds sind daher selten; sie finden sich hauptsächlich als [[Buchmalerei]]en in persischen und osmanischen Manuskripten.<ref name="Plas1987">{{cite book|editor=Dirk van der Plas|author=Kees Wagtendonk|title=Effigies dei: essays on the history of religions|chapter=Images in Islam|url=http://books.google.com/books?id=ops3AAAAIAAJ&pg=PA120|accessdate=2011-12-01|year=1987|publisher=BRILL|isbn=978-90-04-08655-5|pages=120–124}}</ref> Bilder dieser Art traten zuerst ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Reich der zum Islam übergetretenen mongolischen [[Ilchane]] auf.<ref name="Bakker2009">{{cite book|author=Freek L. Bakker|title=The challenge of the silver screen: an analysis of the cinematic portraits of Jesus, Rama, Buddha and Muhammad|url=http://books.google.com/books?id=4KNSp-uEO18C&pg=PA207|accessdate= 2011-12-01|date=2009-09-15|publisher=BRILL|isbn=978-90-04-16861-9|pages=207–209}}</ref> Die älteste bekannte bildliche Darstellung Mohammeds findet sich als Illustration in einer Handschrift des ''Varqa va Gulshāh'' von ‘Ayyuqi, die in Istanbul im [[Topkapı-Palast]] aufbewahrt ist. Die Illustration zeigt Mohammed mit vier Kalifen, wurde etwa in der Mitte des 13. Jahrhunderts geschaffen und entstand vermutlich in Iran oder im seldschukischen Anatolien.<ref>Maria Vittoria Fontana: ''Frühislamische Kunst.'' In: [[Wilfried Seipel]] (Hrsg.): ''7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran.'' Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, S. 297–326, hier: S. 301.</ref> [[Himmelfahrt Mohammeds|Mohammeds Nachtreise]] war ein besonders beliebtes Motiv.<ref name="Bakker2009" /> Anfänglich zeigten die Bilder eine Darstellung von Mohammeds Gesicht, oft von einem [[Heiligenschein]] oder einer flammenden Aureole umgeben; ab dem 16. Jahrhundert wurde dazu übergegangen, sein Gesicht aus Pietät hinter einem Schleier zu verbergen oder Mohammed nur als Flamme darzustellen.<ref name="Bakker2009" /><ref name="Peters2010">{{cite book|author=[[F. E. Peters]]|title=Jesus and Muhammad: Parallel Tracks, Parallel Lives|url=http://books.google.com/books?id=olEi-1LZYYQC&pg=PA159|accessdate= 2011-12-01|date=2010-11-10|publisher=Oxford University Press|isbn=978-0-19-974746-7|pages=159–161}}</ref><ref name="Necipoglu2009">{{cite book|author=Christiane Gruber|editor=Gülru Necipoğlu|title=Muqarnas|chapter=Representations of the Prophet Muhammad in Islamic Painting|url=http://books.google.com/books?id=Gq6obUbnqsMC&pg=PA254|accessdate=2011-12-03|date=2009-10-31|publisher=BRILL|isbn=978-90-04-17589-1|page=253}}</ref> Die Buchmalereien waren nicht Teil des öffentlichen Lebens, sondern dienten der privaten Erbauung von Herrschern und wohlhabenden Patronen, die diese Bilder für sich anfertigen ließen.<ref name="Ernst2007">{{cite book|author=Carl W. Ernst|title=Mohammed Folgen: Der Islam in Der Modernen Welt|url=http://books.google.com/books?id=oNwyTuaR9vMC|accessdate=2011-12-03|date=2007-09-11|publisher=Vandenhoeck & Ruprecht|isbn=978-3-525-54124-1|pages=104, 215}}</ref> In [[Iran]] findet man dagegen heute populäre Bilder von Mohammed, die als Postkarten oder Poster verkauft werden.<ref name="Ernst2007" /><ref name="Bakker2009" />
[[Datei:Buddha Bamiyan 1963.jpg|miniatur|[[Buddha-Statuen von Bamiyan|Buddha-Statue in Bamiyan]] (Afghanistan) bis zu ihrer Zerstörung durch die [[Taliban]] (2001) war sie mit etwa 55&nbsp;m Höhe eine der weltweit größten [[Buddha-Statue]]n.]]
[[Datei:Buddha Bamiyan 1963.jpg|mini|[[Buddha-Statuen von Bamiyan|Buddha-Statue in Bamiyan]] (Afghanistan) bis zu ihrer Zerstörung durch die [[Taliban]] (2001) war sie mit etwa 55&nbsp;m Höhe eine der weltweit größten [[Buddha-Statue]]n.]]
Bilder Mohammeds sind daher selten; sie finden sich hauptsächlich als [[Buchmalerei]]en in persischen und ottomanischen Manuskripten.<ref name="Plas1987">{{cite book|editor=Dirk van der Plas|author=Kees Wagtendonk|title=Effigies dei: essays on the history of religions|chapter=Images in Islam|url=http://books.google.com/books?id=ops3AAAAIAAJ&pg=PA120|accessdate=1 December 2011|year=1987|publisher=BRILL|isbn=978-90-04-08655-5|pages=120–124}}</ref> Bilder dieser Art traten zuerst ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Reich der zum Islam übergetretenen mongolischen [[Ilchane]] auf.<ref name="Bakker2009">{{cite book|author=Freek L. Bakker|title=The challenge of the silver screen: an analysis of the cinematic portraits of Jesus, Rama, Buddha and Muhammad|url=http://books.google.com/books?id=4KNSp-uEO18C&pg=PA207|accessdate=1 December 2011|date=15 September 2009|publisher=BRILL|isbn=978-90-04-16861-9|pages=207–209}}</ref> [[Himmelfahrt Mohammeds|Mohammeds Nachtreise]] war ein besonders beliebtes Motiv.<ref name="Bakker2009"/> Anfänglich zeigten die Bilder eine Darstellung von Mohammeds Gesicht, oft von einem Heiligenschein oder einer flammenden Aureole umgeben; ab dem 16. Jahrhundert wurde dazu übergegangen, sein Gesicht aus Pietät hinter einem Schleier zu verbergen oder Mohammed nur als Flamme darzustellen.<ref name="Bakker2009"/><ref name="Peters2010">{{cite book|author=F. E. Peters|title=Jesus and Muhammad: Parallel Tracks, Parallel Lives|url=http://books.google.com/books?id=olEi-1LZYYQC&pg=PA159|accessdate=1 December 2011|date=10 November 2010|publisher=Oxford University Press|isbn=978-0-19-974746-7|pages=159–161}}</ref><ref name="Necipoglu2009">{{cite book|author=Christiane Gruber|editor=Gülru Necipoğlu|title=Muqarnas|chapter=Representations of the Prophet Muhammad in Islamic Painting|url=http://books.google.com/books?id=Gq6obUbnqsMC&pg=PA254|accessdate=3 December 2011|date=31 October 2009|publisher=BRILL|isbn=978-90-04-17589-1|page=253}}</ref> Die Buchmalereien waren nicht Teil des öffentlichen Lebens, sondern dienten der privaten Erbauung von Herrschern und wohlhabenden Patronen, die diese Bilder für sich anfertigen ließen.<ref name="Ernst2007">{{cite book|author=Carl W. Ernst|title=Mohammed Folgen: Der Islam in Der Modernen Welt|url=http://books.google.com/books?id=oNwyTuaR9vMC|accessdate=3 December 2011|date=11 September 2007|publisher=Vandenhoeck & Ruprecht|isbn=978-3-525-54124-1|pages=104, 215}}</ref> Im [[Iran]] findet man dagegen heute populäre Bilder von Mohammed, die als Postkarten oder Poster verkauft werden.<ref name="Ernst2007"/><ref name="Bakker2009"/>


== Islamischer Ikonoklasmus ==
== Islamischer Ikonoklasmus ==
In der Geschichte fanden [[Ikonoklasmus|ikonoklastische]] Zerstörungen heiliger Bildwerke anderer Religionen durch Muslime statt. Beispiele in der Gegenwart sind die [[Kulturvandalismus|Zerstörung]] der [[Buddha-Statuen von Bamiyan]] und -Fresken sowie Ausstellungsstücke der [[Buddhismus|buddhistischen]] Religion des Museums in [[Kabul]] durch [[Islamismus|islamistisch]] motivierte terroristische Übergriffe der [[Taliban]] im Jahr 2001. Talibanische Milizen attackierten im Jahr 2007 mit Sprengsätzen im Nordwesten [[Pakistan]]s erneut jahrtausendealte [[Buddha-Statue]]n der [[Gandhara]]-Kultur, unter anderem bei [[Manglore]] und [[Jehanabad]].
In der Geschichte fanden zahlreiche [[Ikonoklasmus|ikonoklastische]] Zerstörungen von Bildwerken anderer Kulturen und Religionen durch Muslime statt; ganz stark haben die [[Buddhismus|buddhistischen]], [[Hinduismus|hinduistischen]] und [[Jainismus|jainistischen]] Stätten im Norden [[Indien]]s gelitten (siehe z. B. [[Quwwat-ul-Islam-Moschee]] in [[Delhi]]).<ref>[https://aurangazeb.wordpress.com/category/mosque/ Zeitgenössische Berichte über Tempelzerstörungen unter dem Mogul-Herrscher Aurangzeb]</ref>

Beispiele aus jüngster Zeit sind:
* die [[Kulturvandalismus|Zerstörung]] der [[Buddha-Statuen von Bamiyan]] und von Fresken sowie anderen Ausstellungsstücken der [[Buddhismus|buddhistischen]] Religion des Museums in [[Kabul]] durch [[Islamismus|islamistisch]] motivierte terroristische Übergriffe der [[Taliban]] im Jahr 2001
* die Attacken talibanischer Milizen mit Sprengsätzen im Nordwesten [[Pakistan]]s auf jahrtausendealte [[Buddha-Statue]]n der [[Gandhara]]-Kultur, unter anderem bei [[Manglore]] und [[Jehanabad]] im Jahr 2007
* die Zerstörungen von [[Assyrisches Reich|assyrischen]] und [[Partherreich|parthischen]] Skulpturen durch Terroristen, die dem sogenannten [[Islamischer Staat (Organisation)|Islamischen Staat]] zugeordnet werden, im [[Mosul Museum|Museum von Mossul]] im Jahr 2015
* die Zerstörung der archäologischen Stätten [[Nimrud]]s im Jahr 2015
* die Sprengung der wichtigsten antiken Ruinen von [[Palmyra]] durch Terroristen im Jahr 2015
* die [[Zerstörung des islamischen Kulturerbes in Saudi-Arabien]]


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
*[[Bilderverbot]]
* [[Abgott]]
*[[Reformatorischer Bildersturm]]
* [[Reformatorischer Bildersturm]]
* [[Everybody Draw Mohammed Day]]
*[[Abgott]]
*[[Götze]]


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Rudi Paret]]: ''Das islamische Bilderverbot und die Schia'', in: Erwin Gräf (ed.), ''Festschrift Werner Caskel'', Leiden 1968, S. 224–232
* [[Rudi Paret]]: ''Das islamische Bilderverbot und die Schia'', in: Erwin Gräf (Hrsg.): ''Festschrift Werner Caskel'', Leiden 1968, S. 224–232.
* Rudi Paret: ''Textbelege zum islamischen Bilderverbot''. In: Das Werk des Künstlers. Studien H. Schrade dargebracht. Stuttgart 1960, S. 36-48
* Rudi Paret: ''Textbelege zum islamischen Bilderverbot''. In: Das Werk des Künstlers. Studien H. Schrade dargebracht. Stuttgart 1960, S. 36–48.
* Rudi Paret: ''Das islamische Bilderverbot''. In: J. Iten-Maritz (Hrsg.): ''Das Orientteppich-Seminar''. Heft 8 (1975).
* Rudi Paret: ''Das islamische Bilderverbot''. In: J. Iten-Maritz (Hrsg.): ''Das Orientteppich-Seminar''. Heft 8 (1975).
* Rudi Paret: ''Die Entstehung des islamischen Bilderverbots.'' In:Kunst des Orients. Bd. XI, 1/2 (1976–1977). Franz Steiner Verlag, Wiesbaden. S. 158–181
* Rudi Paret: ''Die Entstehungszeit des islamischen Bilderverbots.'' In: Kunst des Orients. Bd. XI, 1/2 (1976–1977). Franz Steiner Verlag, Wiesbaden. S. 158–181, {{JSTOR|20752471}}.
* K.A.C. Creswell: ''Lawfulness of Painting in Early Islam''. In: Ars Islamica, Bd.11–12 (1946), S. 159–66.
* K.A.C. Creswell: ''Lawfulness of Painting in Early Islam''. In: Ars Islamica, Bd. 11–12 (1946), S. 159–66.
* E. García Gómez: ''Anales palatinos del califa de Córdoba al-Hakam II'', por ʿĪsā ibn Aḥmad al-Rāzī. Madrid 1967
* E. García Gómez: ''Anales palatinos del califa de Córdoba al-Hakam II'', por ʿĪsā ibn Aḥmad al-Rāzī. Madrid 1967
* [[Ignaz Goldziher]]: ''Zum islamischen Bilderverbot.'' In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), 74 (1920), S. 288
* [[Ignaz Goldziher]]: ''Zum islamischen Bilderverbot.'' In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), 74 (1920), S. 288.
* [[Wilhelm Hoenerbach]]: ''Das nordafrikanische Schattentheater''. Mainz 1959
* [[Wilhelm Hoenerbach]]: ''Das nordafrikanische Schattentheater''. Mainz 1959
* Snouck Hurgronje: ''Kußejr 'Amra und das Bilderverbot''. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG) Bd.61 (1907) S.186 ff.
* Snouck Hurgronje: ''Kußejr 'Amra und das Bilderverbot''. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG) Bd. 61 (1907) S. 186 ff.
* Mohsen Mirhmedi: ''Prolegomena zu einer systematischen Theologie des Korans.'' Dissertation, Freie Universität Berlin, 2000. Kap. 4: ''Zum Verhältnis von Ethik und Repräsentation – Das Bilderverbot.'' S. 74–106 ([http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000000316 online]).
* Mohsen Mirhmedi: ''Prolegomena zu einer systematischen Theologie des Korans.'' Dissertation, Freie Universität Berlin, 2000. Kap. 4: ''Zum Verhältnis von Ethik und Repräsentation – Das Bilderverbot.'' S. 74–106 ([http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000000316 online]).
* Nimet Şeker: ''Die Fotografie im Osmanischen Reich'', Würzburg 2010.
* Nimet Şeker: ''Die Fotografie im Osmanischen Reich'', Würzburg 2010.
* A. A. Vasiliev: ''The Iconoclastic Edict of the Caliph Yazid II. A.D. 721''. In: Dumbarton Oaks Papers, Nr. 9 und 10 (1955–1956), S. 23–47
* A. A. Vasiliev: ''The Iconoclastic Edict of the Caliph Yazid II. A.D. 721''. In: Dumbarton Oaks Papers, Nr. 9 und 10 (1955–1956), S. 23–47.
* Reinhard Wieber: ''Das Schachspiel in der arabischen Literatur von den Anfängen bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.'' Walldorf-Hessen 1972 (Beiträge zur Sprach- und Kulturgeschichte des Orients, 22). Diss. Bonn 1972
* Reinhard Wieber: ''Das Schachspiel in der arabischen Literatur von den Anfängen bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.'' Walldorf-Hessen 1972 (Beiträge zur Sprach- und Kulturgeschichte des Orients, 22). Diss. Bonn 1972
* [[The Encyclopaedia of Islam. New Edition]], Brill, Leiden: Bd. 8. S.889 (''ṣūra''); Bd.10. S.361 (''taṣwīr'')
* [[The Encyclopaedia of Islam. New Edition]], Brill, Leiden: Bd. 8. S. 889 (''ṣūra''); Bd. 10. S. 361 (''taṣwīr'')
* Silvia Naef: ''Bilder und Bilderverbot im Islam'', C. H. Beck, München, 2007


== Weblinks ==
== Weblinks ==
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* [http://www.zombietime.com/mohammed_image_archive/ Die Darstellungen Mohammeds in der islamischen Kunst]
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Aktuelle Version vom 27. Juni 2024, 21:21 Uhr

Der Prophet Mohammed vor der Kaaba (türkische Buchmalerei aus dem Siyer-i Nebi, 16. Jahrhundert). Sein Gesicht wird nicht dargestellt.

Ein Bilderverbot im Islam (vor allem im sunnitischen Islam[1]) ist das Ergebnis einer in der islamischen Traditionsliteratur und Jurisprudenz kontrovers geführten Diskussion über die Legitimität bildlicher Darstellungen von Menschen und Tieren sowohl im profanen als auch im religiösen Bereich. Die arabischen Begriffe für eine bildliche Darstellung sind صورة sura, DMG ṣūra ‚Bild, Zeichnung, Figur, Statue‘ und تمثال timthal, DMG timṯāl ‚bildliche Darstellung, Statue‘, letzteres meistens dreidimensional.

Der Koran und bildliche Darstellungen

Der Koran enthält kein Bilderverbot. Die älteste erhaltene Abbildung des islamischen Propheten Mohammed (* 570er Jahre; † 632) stammt aus dem Jahr 1250.[2] In einigen Koranversen wird Gott (arabisch: Allah) als der größte Bildner und Schöpfer dargestellt: Sure 3, Vers 6;[3] Sure 7, Vers 11;[4] Sure 40, Vers 67.[5] In Sure 59, Vers 24, wird er als „der Schöpfer, Erschaffer und Gestalter“ gepriesen. In der Koranexegese werden die obigen Koranstellen nicht mit einem Bilderverbot in Zusammenhang gebracht, es geht um göttliche Attribute (ṣifāt Allāh) und allmächtige Schöpferkraft.

In dem Zusammenhang auch in islamischer theologischer Literatur häufiger zitiert werden zudem Sure 5, Vers 90,[6] und Sure 6, Vers 74,[7] die sich jedoch offensichtlich nicht gegen Bilder an sich als vielmehr gegen ihre Verehrung und damit gegen Polytheismus und Götzendienst richten.[8] Wirksamkeit und Einhaltung des islamischen Bilderverbots sind dennoch bis in die Gegenwart vorhanden, leiten sich jedoch grundsätzlich eher aus den Traditionssammlungen denn aus der Offenbarungsschrift ab. „Speziell im sakralen Bereich, d. h. in den Moscheebauten sowie in den Koranhandschriften, finden sich so gut wie gar keine Bilder von lebenden Wesen.“[9]

Bishr Farès schließlich wies darauf hin, dass etwa der islamische Gelehrte al-Qurtubī in seinem Korankommentar Tafsīr Aḥkām al-Qurʾān behauptet habe, das Verbot der Herstellung von Bildern sei aufgrund einzelner koranischer Geschichten wie jener, nach der Salomo sich von den Dschinn Bildwerke habe fertigen lassen und Jesus Tauben aus Ton gebildet habe, um sie anschließend zum Leben zu erwecken, nicht unumstritten gewesen.[10]

Bilderfeindlichkeit und -verbot in der Hadith-Literatur

Der erste schriftlich überlieferte Beleg gegen bildliche Darstellungen ist erst in der Hadith-Literatur im späten 8. Jahrhundert im Muwaṭṭaʾ al-Muwatta' / الموطأ des Mālik ibn Anas nachweisbar. Als Umm Habiba und Umm Salama – zwei Ehefrauen Mohammeds – über die Māriya-Kirche Abessiniens und über die dortigen bildlichen Darstellungen dem Propheten kurz vor dessen Tod berichteten, soll er der Tradition zufolge geantwortet haben:

„Wenn unter denen ein frommer Mann stirbt, bauen sie über seinem Grab eine Gebetsstätte und bringen darin diese Bilder an. Solche Leute sind vor Gott am Tage der Auferstehung die schlechtesten Geschöpfe.“[11]

Mit der Entstehung der kanonischen Hadith-Sammlungen, deren Verfasser zwischen 870 und 915 gestorben sind, kamen auch weitere Aussprüche Mohammeds in Umlauf, die seine persönliche Abneigung gegenüber bildlichen Darstellungen zum Ausdruck brachten. Auch in den vier Büchern der Zwölfer-Schiiten lassen sich bilderfeindliche Überlieferungen finden.[12] Eine genau beschriebene und geforderte Bestrafung für die Herstellung und Benutzung bildlicher Darstellungen im Diesseits ist allerdings auch nicht im Hadith überliefert; die nur im Jenseits angedrohte Höllenstrafe soll den Menschen von der Bilder- und Skulpturenherstellung und vom Besitz derselben abschrecken. Der deutsche Orientalist Rudi Paret hat einige Hadithe mit ähnlichem, bilderfeindlichem Inhalt zusammengestellt[13] und in einer dieser Frage gewidmeten Studie die mögliche Entstehungszeit der Diskussionen über ein Bilderverbot in islamischen Gelehrtenkreisen dargestellt.[14] Anhand der kanonischen Traditionssammlungen stellt er vierzehn Überlieferungsvarianten zusammen, die mehr oder weniger für ein Bilderverbot sprechen und die Diskussionen darüber dokumentieren.

Bei der zeitlichen Einordnung der Hadithmaterialien ergeben sich aus den dort geschilderten Begleitumständen einige historisch verwertbare Fixpunkte, die in den Datierungsfragen der Diskussionen von Bedeutung sind. Den folgenden Hadith qudsi aktualisiert man während des Besuchs im Haus von Marwan ibn al-Hakam, in dem Bilder angebracht wurden. Daraufhin zitierte der Prophetengefährte Abū Huraira († 679) den Spruch:

„Und wer ist frevelhafter, als wer sich anschickt, so zu schaffen, wie ich [Gott] schaffe…“

Dieser Anschauung, nach der eine solche Schöpferkraft allein Gott eigen sei, ist im islamischen Schrifttum mehrfach dokumentiert;[15] ihr liegt der Koran zugrunde, in dem Gott zu Jesus spricht:

„und (damals) als du mit meiner Erlaubnis aus Lehm etwas schufst, was so aussah wie Vögel, und in sie hineinbliesest, so daß sie mit meiner Erlaubnis (schließlich wirkliche) Vögel waren…“

Sure 5, Vers 110: Übersetzung: Rudi Paret

Das Haus des Marwan – von 662 bis 669 und von 674 bis 677 Statthalter von Medina – ist bekannt und seine Baugeschichte literarisch belegt.[16] In die gleiche Zeit führt auch eine weitere Tradition:

„Diejenigen, die diese Bilder verfertigen, werden am Tag der Auferstehung bestraft werden. Man wird zu ihnen sagen: 'Macht lebendig, was ihr geschaffen habt!' …“

Dieser Spruch soll den frühen Koranexegeten Mudschāhid ibn Dschabr (†722) veranlasst haben, sogar die bildhafte Darstellung von Früchte tragenden Bäumen für verwerflich zu erklären und seine Ansicht mit dem obigen Hadith qudsi zu begründen: „Und wer ist frevelhafter, als wer sich anschickt, so zu schaffen, wie ich (Gott) schaffe …“[17]

Eine weitere Tradition, die in den kanonischen Traditionssammlungen mehrfach überliefert wird, ist inhaltlich mit dem obigen Hadith verwandt:

„Von demjenigen, der ein Bild macht, wird am Tag der Auferstehung verlangt werden, daß er ihm Lebensodem (rūḥ, siehe auch Ruach) einhaucht. Das wird er aber nicht tun können.“[18]

Der melchitische Theologe Theodor Abū Qurra († um 820) zitiert diesen Spruch fast wörtlich.[19]

Insgesamt bieten die von Paret erörterten Hadithe somit Anhaltspunkte dafür, die Diskussionen über das Verbot bereits in den letzten Jahrzehnten des 7. und zu Beginn des 8. Jahrhunderts anzusetzen.[20] Dem stehe „nicht entgegen, daß Einzelheiten der Ausführungsbestimmungen erst in der späteren juristischen Literatur erörtert und entschieden worden sind, so etwa die Frage, von welchem Grad der Zerstörung an das Bild eines Lebewesens nicht mehr unter das Verbot fällt“.[20] K. A. C. Creswell und Oleg Grabar setzen den Beginn der Diskussion um ein Bilderverbot hingegen erst in der späten zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts an.[21][22]

Historische Dokumentation

Der berühmte Historiker at-Tabarī, dessen Wirken in das späte 9. Jahrhundert fällt, berichtet nach älteren Quellen, dass nach der arabischen Eroberung von Ktesiphon (al-Mada'in) der Feldherr Saʿd ibn Abī Waqqās den verlassenen, prachtvollen Palast des sassanidischen Herrschers (Kisra) betrat und durch das Rezitieren einer Koranstelle (Sure 44, Vers 25–26[23]) seine Bewunderung über die Säulenhallen zum Ausdruck brachte.

„Dann verrichtete er dort das Morgengebet, nicht das Gemeinschaftsgebet, sondern betete acht Körperverbeugungen (Rukūʿ) nacheinander. Er machte den Ort (somit) zu einer Gebetsstätte, worin sich Gipsfiguren, Fußvolk und Reiter befanden. Weder er noch die (anderen) Muslime haben daran Anstoß genommen, sie beließen (die Figuren) wie sie waren. Sa'd vollendete das Gebet am Tage als er die (Stadt) betrat, da er dort residieren wollte. Das erste Freitagsgebet, das man im Irak für alle (Muslime) durchführte, war in Ktesiphon im Safar des Jahres 16 (März 637).“[24]

Diesem Bericht zufolge gab es um die Zeit der ersten Eroberungen gar kein Bilderverbot. Denn nicht einmal die Überlieferer dieses Ereignisses scheinen daran Anstoß genommen zu haben, dass ihre Vorfahren aus einem Ort mit bildlichen Darstellungen eine islamische Gebetsstätte geschaffen haben. Die erst später belegbare Scheu vor bildlichen Darstellungen ist unter den ersten Umayyaden nicht dokumentiert; unter dem Kalifen Mu'awiya I. – regiert zwischen 661 und 680 – finden sich Herrscherporträts auf arabischen Münzen. Erst mit der Münzreform in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts setzt sich eine bilderfeindliche Haltung allmählich durch. Während die letzte umayyadische Münze – unter sassanidischem Einfluss – mit dem Bild des Kalifen Abd al-Malik aus dem Jahre 703 stammt, tragen die Münzen der Folgezeit nur noch arabische Inschriften.[25]

Darstellung von Jägern auf einer fatimidischen Elfenbeinschnitzerei (Ägypten, 11./12. Jh.)

Die bildliche Darstellung von Menschen erfolgte vor allem in zwei Phasen der islamischen Geschichte: Während die erste die Umayyaden- und frühe Abbasidenherrschaft zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert umfasst, begann die zweite unter den Fatimiden im 10./11. Jahrhundert und erreichte ihren Höhepunkt in der Buchmalerei des späten 12. und 13. Jahrhunderts im islamisch geprägten Mesopotamien.[26]

Auf 'Abd al-Malik geht auch die Initiative zum Bau des Felsendoms in Jerusalem zurück, der sich im Innenraum durch reichhaltige Rankelemente und Mosaiken nach byzantinischem Vorbild auszeichnet.[27]

Jagdszene im Hischam-Palast

Seine Nachfolger Hischam und al-Walid II. regierten zwischen 724 und 744 und waren die Bauherren der prachtvollen Khirbat al-Mafdschar خربة المفجر / Ḫirbatu ʾl-mafǧarHischam-Palast genannt – bei Jericho, eines Wüstenpalastes, der wiederum mit seinen großzügigen Darstellungen in Mosaiken und Skulpturen zu den schönsten Zeugen islamischer Baukunst aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts zählt. Viele der Skulpturen, der Kalif, halbnackte Frauen, Jagdszenen, allesamt unter byzantinischem – oder nabatäischem – Einfluss stehend, ferner Teile der Gebetsstätte Musallā المصلى / al-muṣallā sind heute im Rockefeller-Museum in Jerusalem ausgestellt.[28] Ein weiteres Beispiel stellt Qusair 'Amra mit seinen Fresken unbekleideter Frauen aus derselben Zeit dar.[29] Al-Hakam II. (gestorben 976) ließ in Madinat az-zahra' مدينة الزهراء / madīnatu ʾz-zahrāʾ bei Córdoba einen mit menschlichen Figuren ausgeschmückten Brunnen aufstellen.[30]

Auch im Innenraum der Ka'ba waren Skulpturen aufgestellt, die der im Jahr 736 verstorbene mekkanische Gelehrte 'Ata' ibn Abi Rabah[31] noch selber gesehen hat: die Figuren Jesu und Marias sind erst im Jahre 692, während des Brandes der Ka'ba unter dem „Gegenkalifen“ Abdallah ibn az-Zubair, vernichtet worden.[32]

Das Edikt des Umayyadenkalifen Yazid ibn 'Abd al-Malik über die Zerstörung von Bildern in christlichen Kirchen auf seinem Staatsgebiet im Jahre 721 oder 722 ist im Zusammenhang mit dem damals entfachten Byzantinischen Bilderstreit zu sehen.[33]

Die islamische Jurisprudenz

Da weder der Koran noch die Hadith-Literatur eindeutige Belege für ein Bilderverbot im Islam liefern, war die islamische Jurisprudenz (fiqh) gefordert, rechtsverbindliche Regelungen in dieser Frage zu treffen. Die islamischen Rechtsgelehrten vertreten über die bildliche Darstellung von Mensch und Tier drei, zum Teil kontroverse Ansichten:

  • Darstellungen sind nicht verboten, haram, soweit sie nicht als Gegenstände der religiösen Verehrung – neben dem einzigen Gott – dienen. Die Darstellung Gottes ist selbstverständlich tabu, die Beschreibung seiner Attribute und seines Wesens in theologischen Schriften ist nicht Gegenstand der Jurisprudenz.
  • Darstellung von Gegenständen, die „Schatten werfen“, also Skulpturen, ist verboten, Zeichnungen von denselben auf Papier, Wänden, in Textilien, sind nicht verboten, aber verwerflich (makrūh). Sind Personen oder Tiere ohne Kopf, oder in anderer Hinsicht nicht vollständig dargestellt, aber werfen Schatten, so sind sie erlaubt. Das im Orient und in Nordafrika verbreitete Schattentheater ist somit islamrechtlich legalisiert, da die Figuren durchlöchert sind und somit keine „Seele“ (ruh) haben können.
  • die Darstellung von Lebewesen, Mensch und Tier, ist in jeder Hinsicht verboten.

Alle drei Richtungen können aus der Hadith-Literatur entsprechende, auf Mohammed zurückgeführte Aussagen als Argumentationsgrundlage für ihre Lehre anführen.[34]

Mehrere Hadithe, sowohl Prophetensprüche als auch Aussagen der Prophetengefährten, setzen sich in diesem Zusammenhang mit dem Schachspiel schatrandsch / شطرنج / šaṭranǧ auseinander. Das Verbot des Schachspiels ist begründet, weil dabei Figuren, die Schatten werfen, verwendet werden und weil das Spiel (lahw) an sich vom Gebet ablenkt.[35] Dagegen wird das zur Zeit Saladins neu aufgekommene Schattenspiel geduldet, da die Figuren „durchlöchert“ (muṯaqqab) und somit keine Lebewesen sind.[36]

Ein weiterer Gegenstand, dessen Darstellung im Islam verboten ist, ist das Kreuz (salib) صليب / ṣalīb, das Symbol der Christen. Es ist nicht nur das Symbol der Rum, der Byzantiner, der Feinde des Islam, sondern wird am Tage der Auferstehung von Isa bin Maryam selbst zerstört – so heißt es zumindest in mehreren auf den Propheten zurückgeführten Hadithen in den kanonischen Traditionssammlungen.[37] Der Prophet soll, weiteren Traditionen zufolge, das Kreuz in seiner Umgebung und die Muster desselben aus Kleidungsstücken, wohl durch christliche Händler zu den Arabern gelangt, entfernen haben lassen.

Die gleiche Geisteshaltung drückt man in einem bei Ahmad ibn Hanbal erhaltenen Hadith aus, in dem man Mohammed wie folgt sprechen lässt:

„Gott hat mich als Gnade und Rechtleitung an die Menschheit gesandt und befahl mir, die Blas- und Saiteninstrumente, die Idole, das Kreuz und die Dschahiliyya-Sitten zu zerstören.“[38]

Schon in den ältesten Schriften der islamischen Jurisprudenz ist die öffentliche Aufstellung des Kreuzes durch die unter islamischer Herrschaft lebende nicht-muslimische Bevölkerung in den Siedlungsgebieten der Muslime schari'a-rechtlich untersagt.[39]

Wie bildliche Darstellungen von Menschen, Tieren und Gegenständen, die „Schatten werfen“, darf der Muslim kein Kreuz herstellen, seine Herstellung nicht anordnen oder damit Handel treiben.[40]

Generell lässt sich feststellen, dass die bildliche Darstellung in Kunst und Architektur desto stärker vermieden wird, je

  • näher das Bau- oder Kunstwerk dem religiösen Bereich steht (z. B. die Moschee und ihr Inventar),
  • glaubensstrenger das Umfeld (Auftraggeber, Künstler, Herrscher) ist, in dem ein Bau- oder Kunstwerk entsteht,
  • mehr Menschen der Bereich zugänglich ist, in dem sich ein Bau- oder Kunstwerk befindet.

Man kann davon ausgehen, „daß das Bilderverbot, das ja von Theologen überliefert, juristisch formuliert und innerhalb gewisser Grenzen auch überwacht wurde, vor allem in der sakralen Kunst beachtet worden ist: besonders natürlich in Moscheen, aber auch in anderen öffentlichen Bauten, weiter auf Grabsteinen und, was die Buchkunst angeht, in Koranhandschriften.“[41] Dies gilt allerdings mit Einschränkungen. In einem im Jahre 1930 in Istanbul erworbenen Koranexemplar sind mehrere Abbildungen erhalten. Der unbekannte Kopist, der das Buch 1816 anfertigte, war ein Schüler eines gewissen Dāmād ʿUṯmān ʿAfīf Zādeh († 1804). Die schwarz-weißen Zeichnungen sind dem Korantext später hinzugefügt worden und stellen Episoden aus dem Leben Mohammeds im Kreis seiner Gefährten dar.[42]

Dass von einem absoluten Bilderverbot im Islam nicht die Rede sein kann, zeigen zahlreiche Beispiele in der islamischen Kunst: Repräsentative Räume, Paläste und Badeanlagen sind im profanen Bauwesen ohne bildliche Darstellungen genauso wenig vorstellbar wie in der erbaulichen Literatur (adab), z. B. in den Makamen von al-Hariri oder im Fabelwerk Kalīla wa Dimna. In medizinischen und naturwissenschaftlichen Werken aus dem arabisch-islamischen Kulturraum ist die Darstellung lebender Wesen ebenfalls häufig.

Islamische Bilder Mohammeds

Der Prophet Mohammed bei der Schlichtung des Streits über den Schwarzen Stein. Aus dem Dschami' at-tawarich, 14. Jahrhundert

Die Darstellung des Propheten wird im islamischen Kulturraum unterschiedlich bewertet. In Verbindung mit der großen Bedeutung des Wortes, gleichsam als Träger der Offenbarung, führt das Vermeiden bildlicher Darstellungen zu einer überragenden Rolle von Schrift (Kalligraphie) und Ornament in der islamischen Kunst.[43] Dabei wird die Schrift häufig selbst zum Schmuck, oder Ornamente werden schriftähnlich gestaltet.

Bilder Mohammeds sind daher selten; sie finden sich hauptsächlich als Buchmalereien in persischen und osmanischen Manuskripten.[44] Bilder dieser Art traten zuerst ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Reich der zum Islam übergetretenen mongolischen Ilchane auf.[45] Die älteste bekannte bildliche Darstellung Mohammeds findet sich als Illustration in einer Handschrift des Varqa va Gulshāh von ‘Ayyuqi, die in Istanbul im Topkapı-Palast aufbewahrt ist. Die Illustration zeigt Mohammed mit vier Kalifen, wurde etwa in der Mitte des 13. Jahrhunderts geschaffen und entstand vermutlich in Iran oder im seldschukischen Anatolien.[46] Mohammeds Nachtreise war ein besonders beliebtes Motiv.[45] Anfänglich zeigten die Bilder eine Darstellung von Mohammeds Gesicht, oft von einem Heiligenschein oder einer flammenden Aureole umgeben; ab dem 16. Jahrhundert wurde dazu übergegangen, sein Gesicht aus Pietät hinter einem Schleier zu verbergen oder Mohammed nur als Flamme darzustellen.[45][47][48] Die Buchmalereien waren nicht Teil des öffentlichen Lebens, sondern dienten der privaten Erbauung von Herrschern und wohlhabenden Patronen, die diese Bilder für sich anfertigen ließen.[43] In Iran findet man dagegen heute populäre Bilder von Mohammed, die als Postkarten oder Poster verkauft werden.[43][45]

Buddha-Statue in Bamiyan (Afghanistan) – bis zu ihrer Zerstörung durch die Taliban (2001) war sie mit etwa 55 m Höhe eine der weltweit größten Buddha-Statuen.

Islamischer Ikonoklasmus

In der Geschichte fanden zahlreiche ikonoklastische Zerstörungen von Bildwerken anderer Kulturen und Religionen durch Muslime statt; ganz stark haben die buddhistischen, hinduistischen und jainistischen Stätten im Norden Indiens gelitten (siehe z. B. Quwwat-ul-Islam-Moschee in Delhi).[49]

Beispiele aus jüngster Zeit sind:

Siehe auch

Literatur

  • Rudi Paret: Das islamische Bilderverbot und die Schia, in: Erwin Gräf (Hrsg.): Festschrift Werner Caskel, Leiden 1968, S. 224–232.
  • Rudi Paret: Textbelege zum islamischen Bilderverbot. In: Das Werk des Künstlers. Studien H. Schrade dargebracht. Stuttgart 1960, S. 36–48.
  • Rudi Paret: Das islamische Bilderverbot. In: J. Iten-Maritz (Hrsg.): Das Orientteppich-Seminar. Heft 8 (1975).
  • Rudi Paret: Die Entstehungszeit des islamischen Bilderverbots. In: Kunst des Orients. Bd. XI, 1/2 (1976–1977). Franz Steiner Verlag, Wiesbaden. S. 158–181, JSTOR:20752471.
  • K.A.C. Creswell: Lawfulness of Painting in Early Islam. In: Ars Islamica, Bd. 11–12 (1946), S. 159–66.
  • E. García Gómez: Anales palatinos del califa de Córdoba al-Hakam II, por ʿĪsā ibn Aḥmad al-Rāzī. Madrid 1967
  • Ignaz Goldziher: Zum islamischen Bilderverbot. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), 74 (1920), S. 288.
  • Wilhelm Hoenerbach: Das nordafrikanische Schattentheater. Mainz 1959
  • Snouck Hurgronje: Kußejr 'Amra und das Bilderverbot. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG) Bd. 61 (1907) S. 186 ff.
  • Mohsen Mirhmedi: Prolegomena zu einer systematischen Theologie des Korans. Dissertation, Freie Universität Berlin, 2000. Kap. 4: Zum Verhältnis von Ethik und Repräsentation – Das Bilderverbot. S. 74–106 (online).
  • Nimet Şeker: Die Fotografie im Osmanischen Reich, Würzburg 2010.
  • A. A. Vasiliev: The Iconoclastic Edict of the Caliph Yazid II. A.D. 721. In: Dumbarton Oaks Papers, Nr. 9 und 10 (1955–1956), S. 23–47.
  • Reinhard Wieber: Das Schachspiel in der arabischen Literatur von den Anfängen bis zur zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Walldorf-Hessen 1972 (Beiträge zur Sprach- und Kulturgeschichte des Orients, 22). Diss. Bonn 1972
  • The Encyclopaedia of Islam. New Edition, Brill, Leiden: Bd. 8. S. 889 (ṣūra); Bd. 10. S. 361 (taṣwīr)
  • Silvia Naef: Bilder und Bilderverbot im Islam, C. H. Beck, München, 2007
Commons: Bilderverbot im Islam – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Christoph Sydow: Mythos Bilderverbot
  2. Christoph Sydow: Muslime, holt die Buntstifte raus! Mythos Bilderverbot. In: Der Spiegel. 25. Januar 2015.
  3. „Er ist’s, der euch bildet in den Mutterschößen, wie Er will. Es gibt keinen Gott außer Ihm, dem Mächtigen, dem Weisen.“ (Übersetzung Max Henning)
  4. „Und wahrlich, Wir erschufen euch; alsdann bildeten Wir euch; […]“ (Übersetzung Max Henning)
  5. „Er ist’s, der euch erschuf aus Staub, alsdann aus einem Samentropfen, alsdann aus geronnenem Blut, alsdann läßt Er euch als Kindlein hervorgehen. […]“ (Übersetzung Max Henning)
  6. „O ihr, die ihr glaubt, siehe, der Wein, das Spiel, die Bilder und die Pfeile [die beim Losen gebraucht werden] sind ein Greuel von Satans Werk. Meidet sie; vielleicht ergeht es euch wohl.“ (Übersetzung Max Henning)
  7. „Und (gedenke,) als Abraham sprach zu seinem Vater Azar: ‚Nimmst du Bilder zu Göttern an? Siehe, ich sehe dich und dein Volk in offenkundigem Irrtum.’“ (Übersetzung Max Henning)
  8. Oleg Grabar, The Formation of Islamic Art, Yale University Press, New Haven, 1987, S. 79.
  9. Rudi Paret: Symbolik des Islam. In: Ferdinand Herrmann (Hrsg.): Symbolik der Religionen. Anton Hiersemann, Stuttgart 1958, S. 13.
  10. Bishr Farès, Philosophie et jurisprudence illustrées par les Arabes, in: Mélanges Louis Massignon, Bd. 2, Damaskus: Institut Français de Damas, 1957, S. 101ff.
  11. Rudi Paret: Die Entstehungszeit des islamischen Bilderverbots. In: Kunst des Orients, XI 1/2 (1976–1977), S. 162. Franz Steiner Verlag. Wiesbaden; In der Muwatta'-Rezension von Abū Muṣʿab, Bd. 2. Nr. 1974. 2. Auflage. Beirut 1993.
  12. Rudi Paret, Das islamische Bilderverbot und die Schia, in: Erwin Gräf (Hrsg.): Festschrift Werner Caskel. Zum siebzigsten Geburtstag 5. März 1966 gewidmet von Freunden und Schülern, Brill, Leiden, 1968.
  13. Das islamische Bilderverbot und die Schia. S. 224–238. Nachträge dazu in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), Bd. 120 (1970), S. 271–273.
  14. Rudi Paret: Die Entstehungszeit des islamischen Bilderverbots. In: Kunst des Orients. Bd. XI, 1/2 (1976–1977). Franz Steiner Verlag, Wiesbaden. S. 158–181.
  15. Ignaz Goldziher: Zum islamischen Bilderverbot. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), Bd. 74 (1920), S. 288 (Online)
  16. Rudi Paret, op. cit. 165 und Anm. 7
  17. Rudi Paret, op. cit. 166–167; zum Hadith siehe ebd. S. 162.
  18. Ignaz Goldziher (1920), S. 288 nach Ahmad ibn Hanbal, Mālik ibn Anas u. a.
  19. Rudi Paret, op. cit. 162 und Anm. 4
  20. a b Rudi Paret, op. cit. 177
  21. K. A. C. Creswell, The Lawfulness of Painting in Early Islam, in: Ars Islamica, Bd. 11–12 (1946), S. 160f.
  22. Oleg Grabar, The Formation of Islamic Art, S. 83.
  23. Koran, Sure 44, Vers 25–26: „Wie viele Gärten und Quellen verließen sie, 26Und Saatgefilde und edle Stätten.“ (Übersetzung Max Henning)
  24. Rudi Paret: „Das islamische Bilderverbot“. In: J. Iten-Maritz (Hrsg.): Das Orientteppich-Seminar. Heft 8 (1975).
  25. Philip Grierson: „The Monetary Reform of 'Abd al-Malik“. In: Journal of the Economic and Social History of the Orient (JESHO), 3 (1960), S. 241–264; bes. 243 und 246.
  26. Eva Baer: The human figure in early islamic art: some preliminary remarks. In: Muqarnas 16 (1999), S. 32–41, hier 32.
  27. Myriam Rosen-Ayalon: The Early Islamic Monuments of the al-Ḥaram al-Sharīf. An Iconographic Study. Qedem. Monographs of the Institute of Archaelogogy. The Hebrew University of Jerusalem. 28 (1989). Bes. Colour Plates I–XVI. ohne Abbildungen von Mensch oder Tier.
  28. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. 5. S. 10.
  29. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. 1. S. 608; Eva Baer: The human figure in early islamic art: some preliminary remarks. In: Muqarnas 16 (1999), S. 32–41, hier 33–34.
  30. Siehe: E. García Gómez (1967) – Index.
  31. Über ihn siehe ausführlich: Harald Motzki: Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz. Ihre Entwicklung in Mekka bis zur Mitte des 2./8. Jahrhunderts. Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes (AKM), Bd. L,2. Stuttgart 1991. S. 70ff
  32. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. 9. S. 889; nach der Stadtgeschichte Mekkas von al-Azraqī (gest. 865)
  33. A. A. Vasiliev: The Iconoclastic Edict of the Caliph Yazid II. A.D. 721. In: Dumbarton Oaks Papers, Nr. 9 und 10 (1955–1956), S. 23–47; The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. 9. S. 889; Rudi Paret (1975)
  34. Siehe: al-mausūʿa al-fiqhiyya. Kuwait 2004 (4. Auflage), Bd. 12, S. 92ff; The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 8. S. 889 (ṣūra); Bd. 10. S. 361 (taṣwīr).
  35. Siehe: al-mausūʿa al-fiqhiyya. Kuwait 2004. Bd. 35, S. 269–271; R. Wieber, Das Schachspiel…, S. 48 ff.
  36. Siehe: C. F. Seybold: Zum arabischen Schattenspiel. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (ZDMG), 56 (1902), S. 413–414.
  37. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden, Bd. 8, S. 980 mit Verweis auf die Sammlung von al-Buchari und Ahmad ibn Hanbal
  38. Siehe: al-mausūʿa al-fiqhiyya. Kuwait 2004. Bd. 12, S. 88.
  39. E. Fagnan: Le livre de l'impôt foncier. Paris 1921, S. 218–19; d. i. die französische Übersetzung des Kitab al-Charadsch von Abu Yusuf.
  40. al-mausūʿa al-fiqhiyya. Kuwait (4. Auflage), 2004, Bd. 12, S. 88 und 91.
  41. Rudi Paret (1975), S. 3.
  42. Richard Gottheil: An Illustrated Copy of the Koran. Paris. Libr. Orientaliste Paul Geuthner 1931. Aus: Revue des Études Islamiques (1931)
  43. a b c Carl W. Ernst: Mohammed Folgen: Der Islam in Der Modernen Welt. Vandenhoeck & Ruprecht, 2007, ISBN 978-3-525-54124-1, S. 104, 215 (google.com [abgerufen am 3. Dezember 2011]).
  44. Kees Wagtendonk: Effigies dei: essays on the history of religions. Hrsg.: Dirk van der Plas. BRILL, 1987, ISBN 978-90-04-08655-5, Images in Islam, S. 120–124 (google.com [abgerufen am 1. Dezember 2011]).
  45. a b c d Freek L. Bakker: The challenge of the silver screen: an analysis of the cinematic portraits of Jesus, Rama, Buddha and Muhammad. BRILL, 2009, ISBN 978-90-04-16861-9, S. 207–209 (google.com [abgerufen am 1. Dezember 2011]).
  46. Maria Vittoria Fontana: Frühislamische Kunst. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, S. 297–326, hier: S. 301.
  47. F. E. Peters: Jesus and Muhammad: Parallel Tracks, Parallel Lives. Oxford University Press, 2010, ISBN 978-0-19-974746-7, S. 159–161 (google.com [abgerufen am 1. Dezember 2011]).
  48. Christiane Gruber: Muqarnas. Hrsg.: Gülru Necipoğlu. BRILL, 2009, ISBN 978-90-04-17589-1, Representations of the Prophet Muhammad in Islamic Painting, S. 253 (google.com [abgerufen am 3. Dezember 2011]).
  49. Zeitgenössische Berichte über Tempelzerstörungen unter dem Mogul-Herrscher Aurangzeb