Schwerter zu Pflugscharen

Schwerter zu Pflugscharen ist ein zum geflügelten Wort gewordenes Teilzitat aus der Bibel, das das Ziel der internationalen Abrüstung, Rüstungskonversion und den Völkerfrieden symbolisiert. Menschen aus verschiedenen weltanschaulichen Traditionen wie Judentum und Christentum, aber auch Atheismus und Kommunismus haben sich seit 1945 verschiedentlich auf dieses Symbol bezogen. Seit 1980 wird es in Deutschland vor allem mit Initiativen der staatsunabhängigen Friedensbewegung in der DDR, darüberhinaus mit dem Pazifismus verbunden.

Biblische Herkunft

In der jüdischen Prophetie tauchen seit dem 8. vorchristlichen Jahrhundert immer wieder Visonen eines göttlichen Endgerichts auf: ursprünglich als Unheilsvision (z.B. in Amos 5), verbinden sie sich vor allem im Babylonischen Exil (586539 v. Chr.) mit der Erwartung des von Gott erwählten Messias, der Recht und Gerechtigkeit schaffen werde (Jes 9/11), und der Hoffnung auf den universalen Völkerfrieden. So heißt es schon beim frühen Propheten Micha aus Moreschet im damaligen Nordreich Israel (Mi 4,3):

In den letzten Tagen aber wird der Berg, auf dem Gottes Haus steht, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben. Und die Völker werden herzulaufen, und viele Heiden werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des Herrn gehen und zum Haus des Gottes Jakobs, damit er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem. Er wird unter großen Völkern richten und viele Heiden zurechtweisen in fernen Ländern. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Kein Volk wird gegen das andere das Schwert erheben, und sie werden fortan nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie schrecken. Denn der Mund des Herrn Zebaoth hat es geredet.

Mehrere Erwartungen sind hier verknüpft:

  • Der Tempel auf dem Jerusalemer Zionsberg werde neu errichtet sein und alle vergleichbaren Gottesdienste überragen,
  • der Gott Israels, JHWH, Schöpfer und Richter der Welt, werde von allen Menschen anerkannt werden (Motiv der Völkerwallfahrt),
  • seine Weisung (hebräisch: Tora) werde alle Völker endgültig zur vollständigen Abrüstung, Abschaffung der Armeen und des Kriegsdienstes bewegen und so das friedliche und sorglose Beieinanderwohnen aller Menschen ermöglichen.

Frieden - hebräisch Schalom - ist für diese Prophetie mehr als nur die Abwesenheit von Krieg: Er schließt die Freiheit von Hunger, Heimatlosigkeit und Angst ein. Er kann nur durch rückhaltlosen Verzicht auf Waffengewalt, dauerhaftes Verlernen von Kriegshandlungen, radikale Neuorientierung auf das für menschliches Dasein Notwendige - Nahrung, Wohnung, Miteinander - erreicht werden. Dies ist von eigenmächtigen politischen Projekten der Menschen nicht zu erwarten: Für Micha wie alle späteren jüdischen Propheten kann allein die weltweite Erkenntnis des einen Schöpfergottes das bewirken, was alle ersehnen, was die Menschheitsgeschichte aber nie hergab und bis heute nicht hergibt.

Diese wahrscheinlich nachexilische Heilszusage wurde hier in einen vorexilischen Kontext gestellt: Sie erging nicht zeit- und situationslos, sondern wurde auf die konkrete, für Israels staatliche Existenz bedrohliche Lage bezogen. Die damalige Großmacht Assyrien hatte sich mit den Aramäern (Syrien) verbündet und drohte Nordisrael zu erobern (etwa 725 v. Chr.). Micha sah voraus, dass dies auch dem Südreich drohe. Seine Gerichtsankündigung über den Jerusalemer Tempelkult, die korrupten Autoritäten, Priester, Propheten und Richter geht der Friedensvision voraus. Denn diese beuteten die Armen aus, wahrsagten für Geld und beriefen sich dabei auf göttliche Bestandsgarantie (Mi 3,9-12):

Ist nicht Gott in unserer Mitte? Niemals kann Unheil über uns kommen! - Deshalb wird euretwegen der Zion als Feld umgepflügt, Jerusalem wird zum Trümmerhaufen, der Tempelberg zur bewaldeten Höhe.

Erst nachdem dieses Gericht über ganz Israel geschehen war, das die Überheblichkeit seiner religiösen Führer brach und die Abrüstung pars pro toto (stellvertretend für das Ganze) an ihnen vorwegnahm (vgl. Mi 5,9-13), kündet die Vision das weltweite Abrüstungsgebot des Gottes Israels für die Völker an. So taucht der Text fast unverändert nach dem Untergang des Nordreichs 722 v. Chr. bei Jesaja (2,2-4) wieder auf. Realistische Friedenshoffnung gab es für die jüdische Prophetie daher nur dort, wo Menschen sich den selbstverursachten Katastrophen ihrer Geschichte stellen und sie als Gericht Gottes über menschliche Eigenmacht annehmen.

Wie ein Kontrastbild dazu wirkt eine Weissagung des nachexilischen Propheten Joel (4,1.9-12), der 200 Jahre später, nach der Wiedererrichtung des Tempels, ankündet:

Denn siehe, in jenen Tagen zu der Zeit, da ich das Schicksal Judas und Jerusalems wenden werde, will ich alle Heiden zusammenbringen und sie ins Tal Josaphat hinabführen und dort mit ihnen Gericht halten wegen meines Volks...Ruft dies aus unter den Heiden: Bereitet euch zum Heiligen Krieg! Bietet die Starken auf! Lasst alle Kriegsleute herzukommen und hinaufziehen! Macht aus euren Pflugscharen Schwerter und aus euren Sicheln Spieße!...

Das Völkergericht erscheint hier als Entscheidungsschlacht Gottes mit den hochgerüsteten Fremdvölkern und als Rache an ihnen für das Schicksal des zerstreuten Judentums. Doch auch dabei geht es um das Schaffen von Frieden durch das endgültige Zerbrechen der Waffen und Überwinden der Feindschaft gegen Gott: "Rache" steht im Hebräischen für Gottes Gerechtigkeit, die "richtet", was Menschen mit ihrem unausrottbaren Machtstreben, ihrer Kriegsbereitschaft und Kriegslüsternheit an geschichtlichen Katastrophen verursachen.

Jesus von Nazaret hat Jahrhunderte später die kriegerisch-nationale Messiaserwartung in der judäischen Landbevölkerung durch die Symbolhandlung des Eselsritts beantwortet (Mk 11,1-10) und damit die auf Abschaffung aller Waffengewalt und alles Imperialismus gerichtete Hoffnung von Micha bis hin zum nachexilischen Propheten Sacharja (Sa 9,9) bekräftigt.

Neuzeitlicher Pazifismus

In der im 19. Jahrhundert entstandenen Bewegung des Pazifismus wird umfassende Abrüstung als politisches Ziel angestrebt. Dabei wurde das Zitat Schwerter zu Pflugscharen weitgehend aus seinem ursprünglichen religiösen Kontext gelöst und "säkularisiert". Das Gebot des Gottes Israels wurde in einen moralischen Appell an die Gewissen und die ethische Entscheidung des Einzelnen für einen Verzicht auf bewaffnete Selbstverteidigung transformiert (vgl. Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!).

Dabei blieb das Verhältnis von eigenem Gewaltverzicht zu politischer Macht und nationaler Souveränität ungelöst, so dass die Pazifisten eine gesellschaftliche Minderheit blieben. Sie waren zudem in sich zerstritten in Vertreter einer prinzipiellen Gewaltlosigkeit, Antimilitaristen und Sozialisten, die sich die Überwindung des Krieges erst von der Abschaffung aller Klassenherrschaft erhofften und dazu bedingte revolutionäre Gewalt rechtfertigten.

Das Ziel eines nachhaltigen Völkerfriedens wurde gleichwohl im modernen Völkerrecht festgeschrieben. Mit der UN-Charta haben die meisten Staaten das Verbot jedes Angriffskriegs theoretisch anerkannt. Die nach den beiden Weltkriegen erhoffte Ächtung des Krieges als Mittel der Politik blieb jedoch aus. Seit dem Ende des Kalten Krieges haben die internationalen Abrüstungsbemühungen schwere Rückschläge erlitten: Neue Kriege und sogenannte "privatisierte Gewalt" beherrschen die Gegenwart. Einsatz und Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln ist seit der Nichtverlängerung des Nichtverbreitungsvertrags wahrscheinlicher geworden.

Der "Militärisch-industrielle Komplex" - die Abhängigkeiten und Verflechtungen von Rüstungsindustrie, Militär und Staatsführungen - blieb in vielen gesinnungsethischen Appellen unzureichend berücksichtigt. Rüstungskonversion stand in den meisten Abrüstungsforderungen erst ganz am Ende eines internationalen Verständigungsprozesses.

Hier zeigt sich die bleibende Aktualität der Vision "Schwerter zu Pflugscharen", die nicht nur den freiwilligen Gewaltverzicht der Nationen, sondern auch die restlose Aufgabe ihrer Kriegsmittel, Kriegsbereitschaft und Kriegsfähigkeit beinhaltet.

Schwerter zu Pflugscharen, Skulptur vor dem UNO-Gebäude

Die Sowjetunion schenkte der UNO zu ihrer Aufnahme eine Skulptur von Jewgeni W. Wutschetitsch, die das Motiv "Schwerter zu Pflugscharen" bildlich-plastisch darstellt. Das Original steht auch in der Tretjakow-Galerie in Moskau, eine Kopie steht seit 1959 auf dem Gelände des UNO-Hauptgebäudes in New York City.

Die Skulptur zeigt einen muskulösen Heros, der im Sinne der Rüstungskonversion ein Schwert zu einer Pflugschar umschmiedet. Sie ist im Stil des Sozialistischen Realismus gestaltet und hebt die Schöpferkraft des arbeitenden Menschen hervor. Zugleich appelliert sie an das Friedensziel der UN-Charta und die jüdisch-christlichen Wurzeln des Abendlands, dessen Führungsmacht, die USA, sich bis heute als Gods own country (Gottes eigenes Land) versteht.

Damit bekräftigte die sowjetische Staats- und Parteiführung das Ziel des Völkerfriedens auf ihre Weise im Sinne einer friedlichen Koexistenz mit dem "Klassenfeind". Die Sowjetunion hat sich stets als Friedensmacht dargestellt und ihre Hochrüstung nicht für offensive, sondern defensive Ziele einzusetzen beansprucht - ebenso wie die USA und die NATO-Staaten. Sie hat dies zwar mit eigenen Abrüstungsinitiativen unterstrichen, dies aber durch aggressive Kriegshandlungen, Hegemonie-Interessen und fortgesetzte Militarisierung im Innern konterkariert.

Abrüstungsvorleistungen ohne multilaterale Vertragsbindung wurden von den Staatsführungen in Ost wie West im Kalten Krieg überwiegend als Gefährdung des Gleichgewichts und damit Destabilisierung des Nichtkriegszustands betrachtet. Zeitweise Bevölkerungsmehrheiten für auch einseitige Abrüstungsschritte wurden erst seit den Abrüstungsofferten Gorbatschows 1985 in politisches Handeln umgesetzt.

Ost- und westdeutsche Friedensbewegung

1978 hatte die SED das Pflichtfach "Wehrerziehung" an DDR-Schulen eingeführt. Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR legte dagegen erfolglos Widerspruch ein und stellte ein Alternativprogramm "Erziehung zum Frieden" vor. Daraufhin entstanden in vielen Kirchengemeinden staatskritische, unabhängige Friedensinitiativen. Regelmäßige Seminare, etwa in Königswalde, zogen Jugendliche aus der ganzen DDR an.

Das Abbild der sowjetischen Skulptur zusammen mit dem Schriftzug "Schwerter zu Pflugscharen" wurde erstmals als Lesezeichen für eine Einladung zum Gottesdienst am Buß- und Bettag des Jahres 1980 von evangelischen Jugendgruppen in der DDR verwendet. Dieser Feiertag war als Abschluss einer ersten zehntägigen "Friedensdekade" mit dem DDR-Kirchenbund verabredet worden. Die Anregung dazu kam vom überkonfessionellen "Interkirchlichen Friedensrat" in den Niederlanden, der als erste kirchliche Vereinigung einen Totalabbau aller Atomwaffen in Europa forderte und dies mit dem Votum der Reformde Kerk begründete, wonach Friedenssicherung durch atomare Abschreckung mit dem Christsein völlig unvereinbar sei.

Die Einladung gestaltete der damalige Landesjugendpfarrer Harald Bretschneider; die Grafikerin Ingeborg Geißler schuf eine druckfähige Zeichnung dafür. Das Lesezeichen wurde in einer Auflage von 120.000 Stück in der Druckerei Abraham Dürninger der Herrnhuter Brüdergemeine auf Vliesstoff gedruckt, da dies als "Textiloberflächenveredlung" galt und keine Druckgenehmigung des Staates erforderte.

Der Einladungstext wies auf Gottesdienste, Jugend- und Gemeindeabende und eine »Friedensminute« hin: Am Bußtag um 13 Uhr sollten landesweit die Kirchenglocken gleichzeitig mit der staatlichen Sirenenübung zum Gebet mahnen. Nachdem die DDR-Regierung dies als Gefährdung des Zivilschutzes und Aufruf zur Arbeitsniederlegung untersagte, wurde das Läuten auf 13:15 verlegt.

Das Motto der Dekade lautete Frieden schaffen ohne Waffen. Dasselbe Motto wurde unabhängig von der Friedensdekade auch von der westdeutschen Aktion Sühnezeichen unter Volkmar Deile verwendet. Es ging auf ein weltweites Treffen des ÖRK zurück: Er hatte 1975 in Nairobi allen Mitgliedskirchen empfohlen, gegenüber den je eigenen Regierungen ihre Bereitschaft zu erklären, ohne den Schutz von Waffen zu leben. Dies blieb den meisten Kirchengemeinden zunächst unbekannt und wurde von kaum einer Kirchenleitung publik gemacht. Die EKD sprach in ihren offiziellen Erklärungen stets vom "Friedensdienst mit und ohne Waffen" und rechtfertigte die Abschreckung sogar mit Atomwaffen 1982 wie schon 1959 weiterhin als "christlich mögliche Handlungsweise".

Im Juni 1980 griff die Evangelische Studentengemeinde Dresden als erste Gruppe in der DDR die Idee von Nairobi auf, um einen Diskussionsprozess in den Gemeinden auszulösen. Unter dem wachsenden Druck der kirchlichen Jugend beschloss die Konferenz der Kirchenleitungen daraufhin die erste Friedensdekade. Nach Gesprächen mit dem Sekretariat des DDR-Kirchenbundes, Manfred Stolpe, wurde die Einladung dazu mitsamt der Grafik des Lesezeichens genehmigt. Der Aufnäher traf die Friedenssehnsucht der Jugendlichen: Sie trugen ihn nun spontan überall auf ihrer Straßenkleidung, an Mänteln, Taschen und Mützen in Schulen und Betrieben und machten so ihren Friedenswunsch öffentlich.

Im Frühjahr 1981 schlugen einige Kirchengemeinden ihren Synoden vor, einen zweijährigen "Sozialen Friedensdienst" als gleichberechtigte Alternative zum staatlichen Wehrdienst in der NVA und zu den Bausoldaten einzuführen. Einige Landessynoden stellten sich bis zum Jahresende öffentlich hinter diese Forderung, andere lehnten ab. Ein Treffen der Kirchenleitungen mit dem Staatssekretär für Kirchenfragen Klaus Gysi im September endete mit der strikten staatlichen Ablehnung der Idee.

Am 10. Oktober 1981 fand auf der Hofgartenwiese in Bonn mit etwa 300.000 Teilnehmern die bislang größte Demonstration gegen die "Nachrüstung" in der alten Bundesrepublik statt. Während die traditionellen, häufig der DKP und dem "Krefelder Appell" nahestehenden Gruppen meist das bekannte Symbol der blauen Friedenstaube von Pablo Picasso verwendeten, zeigten vor allem christliche Friedensgruppen aus Solidarität mit den staatsunabhängigen Friedensgruppen der DDR das Motiv "Schwerter zu Pflugscharen". Vielfach wurden diese Plakate auch mit Hinweisen auf die Solidarnosc-Gewerkschaft in Polen verbunden, um

  • eine von sowjetischen oder großdeutschen Interessen unabhängige, blockübergreifende Friedensbewegung anzumahnen,
  • auf das gemeinsame Abrüstungsinteresse von Arbeiterbewegung und Friedensbewegung hinzuweisen,
  • das Friedensthema mit dem Thema der Demokratisierung und sozialen Gerechtigkeit zu verbinden.

Als Vertreter der ostdeutschen Friedensgruppen durfte der Erfurter Propst Heino Falcke vor den Bonner Demonstranten sprechen.

Die folgende Friedensdekade vom 8. bis 18. November 1981 wurde erstmals zeitgleich auch innerhalb der westdeutschen EKD durchgeführt und stand unter dem Thema "Gerechtigkeit - Abrüstung - Frieden". Da nicht mit einer Druckgenehmigung der DDR-Behörden für Aufkleber oder Buttons zu rechnen war, wurde das Symbol "Schwerter zu Pflugscharen" mit nochmals 100.000 Stück auf Vliesstoff gedruckt und als Aufnäher weiterverwendet. In der Nikolaikirche (Leipzig) wurde wenig später eine große Schautafel mit dem Symbol aufgestellt.

Während Schullehrer, Volkspolizei und Betriebsfunktionäre nun die Entfernung der Aufnäher forderten, nahmen Kirchenvertreter die Träger in Schutz, wiesen auf die Herkunft des abgebildeten Symbols und die offizielle Propaganda hin. So war das sowjetische Denkmal auch im DDR-Geschichtsbuch für die 6. Klasse abgebildet, und das Lehrbuch für die Jugendweihe von 1975 erläuterte: Wir schmieden Schwerter zu Pflugscharen um. Die DDR-"Deutsche Zeitschrift für Philosophie" zitierte zum Jahresbeginn 1982 die Jesajastelle und schrieb dazu:

Welcher Marxist würde behaupten wollen, dass religiöser Glaube in dieser Form reaktionär sei und, obwohl er selbst noch kein wissenschaftlich fundiertes Bewusstsein darstellen konnte, unvereinbar mit Wissenschaftlichkeit sei? Dieser [...] Glaube ahnt gewissermaßen die wissenschaftliche Erkenntnis von einer klassenlosen Gesellschaft, in der es keine Kriege mehr gibt, voraus.

Unter Berufung darauf gelang es den Kirchenbehörden zunächst, ein Verbot des Aufnähers abzuwenden. Doch ab November 1981 erhielt der sächsische Landesbischof Johannes Hempel die amtliche Mitteilung: Wegen Missbrauchs dürfen diese Aufnäher in Schule und Öffentlichkeit nicht mehr getragen werden. Dahinter stand das Bemühen der SED, Akzeptanz für das neue Wehrdienstgesetz zu organisieren. Die Aufnäherträger wurden nun mit massiven Vorwürfen konfrontiert: Der undifferenzierte Pazifismus sei friedensfeindlich, die Aufnäher seien westliche Importe und schulfremdes Material, wer sie trage, übe Wehrkraftzersetzung aus und untergrabe die staatliche und gesellschaftliche Tätigkeit zum Schutz des Friedens. Sie seien zum Zeichen einer unabhängigen Friedensbewegung geworden, die nicht geduldet werden könne.

Wer die Aufnäher nicht entfernte, wurde aus Hochschulen und Erweiterten Oberschulen entlassen, erfuhr Strafversetzung, Nichtzulassung zum Abitur, Verweigerung der gewünschten Lehrstelle, Schulverbot oder Hinderung beim Betreten seines Betriebs. Pädagogen und Polizisten schnitten die Aufnäher aus Jacken heraus, wenn Jugendliche dies nicht freiwillig taten, oder beschlagnahmten die Kleidungsstücke. Anfang 1982 reagierte eine wachsende Zahl von Jugendlichen, indem sie sich runde weiße Flecken auf die Jacken nähten oder mit Filzstift auf den Ärmel schrieben: "Hier war ein Schmied".

Am 25. Januar 1982 veröffentliche Rainer Eppelmann, damals Pastor in Ostberlin, seinen "Berliner Appell": Darin forderte er den Abzug aller Atomwaffen aus der DDR, der Bundesrepublik und Mitteleuropa. Prominente DDR-Dissidenten wie Stefan Heym und Robert Havemann unterstützten den Aufruf und forderten öffentlich eine autonome Friedensbewegung in der DDR.

Damit war der Versuch der SED-Führung vorerst gescheitert, die westeuropäische Opposition gegen den NATO-Doppelbeschluss zu fördern, aber eigenständige ostdeutsche Abrüstungsinitiativen als Gefahr für den "sozialistischen Friedensstaat" zu unterdrücken. Sie reagierte darauf mit einer FDJ-Aktion unter dem Titel: Der Friede muss verteidigt werden - der Friede muss bewaffnet sein. Dabei wurde die Initiative für den Sozialen Friedensdienst als verfassungsfeindlich dargestellt. Damit zeigte die SED dem Kirchenbund seine Grenze: Zum Staatsvertrag gehörte, dass er sich nicht als politische Opposition betätigte. Die Bischöfe wollten diese Grenze achten, verteidigten aber Recht und Pflicht der Christen auf selbständiges Nachdenken über eigene Friedensbeiträge und Kritik an Militarisierungstendenzen im Rahmen des DDR-Systems.

Am 13. Februar 1982 riefen private Christengruppen aus Anlass des 37. Jahrestags der Luftangriffe auf Dresden zu einem Schweigemarsch für Frieden und Abrüstung auf. Diesen hätte die SED-Bezirksregierung verboten, so dass eine Konfrontation zwischen Demonstranten, Stasi und Volkspolizei befürchtet wurde. Die Dresdner Kreuzkirche bot als Alternative ein offenes "Forum Frieden" an, um die erwarteten Zusammenstöße zu vermeiden. Dies gestattete die SED.

5.000 freiwillig gekommene Besucher diskutierten offen über die außen- und innenpolitische Lage. Die Ablehnung der NATO-Aufrüstung war ebenso einhellig wie die Ablehnung der fortgesetzten DDR-Militarisierung und Knebelung eigener friedenspolitischer Betätigung. Bischof Hempel erfuhr viel Kritik, weil er vom Tragen des Aufnähers abriet, da dies den Staat provoziere, die Handlungspielräume der Kirche verenge und diese die Jugend nicht vor Strafverfolgung schützen könne. - Unmittelbar nach der Veranstaltung zogen einige hundert Menschen zur Ruine der Frauenkirche (Dresden), um dort schweigend zu verharren, Lieder zu singen und Kerzen anzuzünden. Das offene Forum und folgende Schweigegebet werden seither jährlich am 13. Februar in Dresden begangen.

Zwischen dem Aufruf Eppelmanns und dem Dresdner Forum bestand kein direkter Zusammenhang. Ostdeutsche unabhängige Friedensinitiativen waren nicht landesweit organisiert und bildeten gerade so eine echte Alternative zu staatlich verordneten, seit langem stagnierenden Vereinigungen wie dem "Friedensrat der DDR". Die westdeutschen Medien versuchten zwar, eine flächendeckende Systemopposition als Pendant zur westlichen Friedensbewegung herbeizuschreiben: Doch die meisten kirchlichen Jugendgruppen der DDR lehnten damals weitreichende Forderungen nach Abzug der Besatzungstruppen und Austritt der deutschen Teilstaaten aus den Militärbündnissen ab. Sie wollten zunächst die Spielräume für Eigeninitiative und soziales Engagement erweitern.

Bei einem weiteren Gespräch mit Klaus Gysi am 7. April 1982 protestierten die Kirchenvertreter gegen die Angriffe und Verdächtigungen, denen die Träger des Aufnähers ausgesetzt wurden. Das Symbol sei ein christliches Friedenszeugnis, sein Verbot eine Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Kirche sei nicht bloß Verstärker der staatlichen Außenpolitik, sondern betreibe eine eigenständige Friedensarbeit, die als "Abrüstungsimpuls" nötig bleibe. Das Symbol dürfe nicht als Gegensatz zur staatlichen Friedenspolitik aufgefasst werden. - Damit versuchte der Kirchenbund die Jugendlichen und kirchliche Freiräume zu schützen. Zugleich schloss er weitergehende, die staatliche Militärpolitik angreifende Konzepte aus der Debatte zunächst aus.

Am 24. September 1983 fand während eines evangelischen Kirchentages in Wittenberg auf dem Lutherhof vor etwa 4.000 Teilnehmern eine symbolische Aktion statt: Der örtliche Schmied Stefan Nau schmiedete ein Schwert zu einem Pflugschar um. Wegen der internationalen Präsenz, darunter Medienvertreter aus dem Westen, griffen die Staatsorgane nicht ein. Die Initiative zu der Aktion ging von Friedrich Schorlemmer, damals Pastor an der Schlosskirche Wittenberg, aus. Dieser hatte bereits 1980 einen Friedenskreis gegründet, der sich auch nach dem Verbot des Aufnähers und dem Abklingen der westdeutschen Friedensbewegung hielt. Im Juli 1989 ging daraus eine Bürgerrechtsgruppe hervor, die sich mit anderen Vorläufern zur Initiative Demokratischer Aufbruch verband.

"Schwerter zu Pflugscharen" eignete sich ein sowjetisches Bildmotiv an und kehrte es subversiv gegen die staatliche Propaganda, wonach die DDR die Einheit von Volk, Staat und Partei realisiert habe und daher per definitionem eine "Friedensmacht" sei. Das Symbol drückte den Wunsch aus, die Christen und Marxisten gemeinsame Utopie einer befriedeten Welt zur Beendung des Wettrüstens und der gesellschaftlichen Militarisierung zu nutzen. Militärische Sicherheitskonzepte sollten von politischer blockübergreifender Friedensfähigkeit abgelöst werden. Eine direkte Konfrontation mit den jeweiligen Systemen war darin nicht vorgesehen.

Gerade so verband das Symbol christliche Friedensgruppen in West und Ost und wurde zum ersten sichtbaren Zeichen einer Bürgerrechtsbewegung, die über die systemübergreifende Verhinderung von Aufrüstung und Krieg hinaus einen Systemwandel anvisierte und schließlich bewirkte. Dabei war das pazifistische Erbe ein wesentlicher Faktor für die Gewaltlosigkeit der Revolution von 1989.

Die Perspektive von sozialer Gerechtigkeit und Überwindung des Hungers, die durch umfassende Abrüstung ermöglicht werden sollte und in der biblischen Herkunft des Symbols angelegt ist, ging dagegen weitgehend verloren. Die Friedensdekaden, die seit 1994 in der gesamtdeutschen EKD durchgeführt werden, mahnen diese Perspektive an und verwenden dazu nach wie vor das Bild des Stoffaufnähers.

Gewaltfreier Widerstand in den USA und Großbritannien

Im Vietnamkrieg entstand in den USA eine breite Protestbewegung, die sich mit den schwarzen Bürgerrechtlern um Martin Luther King verband. Deren Demonstrationsformen bezogen sich oft auf die von Mahatma Ghandi inspirierte Tradition eines "gewaltfreien Widerstands".

Daraus ging seit 1979 eine Reihe von Gruppen hervor, die sich als Pazifisten verstanden und zugleich der fortgesetzten, besonders der atomaren Aufrüstung unter Ronald Reagan wirksam entgegen treten wollten. Sie wollten das Bibelzitat zu realisieren anfangen und zeigen, dass nicht nur öffentlicher Druck, sondern direkter risikobereiter Widerstand gegen die Atomrüstung notwendig und möglich ist. Dabei unterschieden sie strikt Gewalt gegen Sachen von Gewalt gegen Personen.

Eine dieser Gruppen nannte sich „Plowshare Eight“ (Pflugschar Acht) und bestand aus nur acht Personen, von denen der katholische Priester Daniel Berrigan der bekannteste ist. Am 9. September 1980 drangen sie in eine Fabrik für Atomwaffen in Pennsylvania ein und schlugen mit Hämmern auf Nuklear-Sprengköpfe ein. Sie machten Konstruktionspläne für Atomwaffen mit ihrem eigenen Blut unbrauchbar und beteten in der Fabrikhalle für den Frieden, bis sie verhaftet wurden. Es folgten Prozesse mit Hafturteilen von fünf bis zehn Jahren wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit“. Diese Urteile wurden später auf knapp zwei Jahre Haft revidiert.

Nach der Freilassung blieben die Mitglieder der Gruppe zusammen und setzten ähnliche Aktionen fort. Der Priester Carl Kabat feierte den 25. Jahrestag seiner Priesterweihe mit einem Hammer auf einem Atomwaffengelände. Andere Gruppen auch in anderen Ländern griffen die Idee auf (siehe Pflugscharbewegung). Man kennt weltweit bis heute rund 70 derartige Aktionen, die sich auf die biblische Friedensvision beriefen. Sie begingen alle gezielte, auf Rüstungsobjekte bezogene Gewalt, beanspruchen aber ansonsten strikte Gewaltfreiheit. Die Täter blieben meist am Ort der Tat bis zur Verhaftung, standen offen dazu und verteidigten ihr Vorgehen mit Bezug auf Gott, das Völkerrecht und das eigene Gewissen.

Literatur

Eine Beschreibung der damaligen Vorgänge, ihrer Vorgeschichte und Nachwirkungen enthält der Band:

  • Uwe Koch (Hrsg.), 20 Jahre Friedensdekade, Arbeitsgemeinschaft Christliche Kirchen in Deutschland, Frankfurt/M. 2001

Das Symbol im Bild

Deutsche Friedensbewegung

Das Symbol in anderen Zusammenhängen