„Komposition (Grammatik)“ – Versionsunterschied

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Gleichsetzung mit "zs.ges. Nomen" vermeiden, Begriff Komposition bezieht sich nicht nur auf Nomina
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Die '''Komposition''' oder '''Wortzusammensetzung''', auch '''zusammengesetztes [[Nomen]]''', ist in der [[Grammatik]] die Bildung eines neuen [[Wort]]es durch die Verbindung mindestens zweier bereits vorhandener Wörter (oder [[Wortstamm|Wortstämme]]). Ein '''zusammengesetztes Wort''' wird '''Kompositum''' ([[Plural|Pl.]]: ''Komposita''), '''Zusammensetzung''' oder '''Doppelwort''' genannt.
Die '''Komposition''' oder '''Wortzusammensetzung''', ist in der [[Grammatik]] die Bildung eines neuen [[Wort]]es durch die Verbindung mindestens zweier bereits vorhandener Wörter (oder [[Wortstamm|Wortstämme]]). Ein '''zusammengesetztes Wort''' wird '''Kompositum''' ([[Plural|Pl.]]: ''Komposita''), '''Zusammensetzung''' oder '''Doppelwort''' genannt. Ein Kompositum, dessen Grundwort ein Nomen (Substantiv) ist, ist dann ein '''zusammengesetztes [[Nomen]].'''


Die Komposition ist (in vielen Sprachen und insbesondere auch im [[Deutsche Sprache|Deutschen]]) neben der [[Derivation (Linguistik)|Derivation]] (Ableitung) die wichtigste Art der [[Wortbildung]]. Sie ist neben der [[Entlehnung]] – die allerdings nicht als Wortbildungsart gilt – das wichtigste Mittel, um bei Bedarf den bestehenden [[Wortschatz]] zu erweitern. Die Kompositionsbildung folgt dabei dem Prinzip der [[Univerbierung]], welches zu Informationsverdichtung führt; im Sinne der [[Sprachökonomie]] wird ein [[Syntagma]] in einem einzelnen Wort ausgedrückt.
Die Komposition ist (in vielen Sprachen und insbesondere auch im [[Deutsche Sprache|Deutschen]]) neben der [[Derivation (Linguistik)|Derivation]] (Ableitung) die wichtigste Art der [[Wortbildung]]. Sie ist neben der [[Entlehnung]] – die allerdings nicht als Wortbildungsart gilt – das wichtigste Mittel, um bei Bedarf den bestehenden [[Wortschatz]] zu erweitern. Die Kompositionsbildung folgt dabei dem Prinzip der [[Univerbierung]], welches zu Informationsverdichtung führt; im Sinne der [[Sprachökonomie]] wird ein [[Syntagma]] in einem einzelnen Wort ausgedrückt.

Version vom 26. Februar 2019, 09:55 Uhr

Die Komposition oder Wortzusammensetzung, ist in der Grammatik die Bildung eines neuen Wortes durch die Verbindung mindestens zweier bereits vorhandener Wörter (oder Wortstämme). Ein zusammengesetztes Wort wird Kompositum (Pl.: Komposita), Zusammensetzung oder Doppelwort genannt. Ein Kompositum, dessen Grundwort ein Nomen (Substantiv) ist, ist dann ein zusammengesetztes Nomen.

Die Komposition ist (in vielen Sprachen und insbesondere auch im Deutschen) neben der Derivation (Ableitung) die wichtigste Art der Wortbildung. Sie ist neben der Entlehnung – die allerdings nicht als Wortbildungsart gilt – das wichtigste Mittel, um bei Bedarf den bestehenden Wortschatz zu erweitern. Die Kompositionsbildung folgt dabei dem Prinzip der Univerbierung, welches zu Informationsverdichtung führt; im Sinne der Sprachökonomie wird ein Syntagma in einem einzelnen Wort ausgedrückt.

Begriff

In manchen Darstellungen wird für eine Komposition verlangt, dass die miteinander verbundenen Elemente selbständig vorkommen können, also Wörter sein sollen.[1] Das Rechtsglied wird dann auch als das Grundwort des Kompositums bezeichnet, das Erstglied als sein Bestimmungswort. Dass Wörter benutzt werden, wäre der Fall in Beispielen wie:

Beispiele
Brief + TrägerBriefträger, Abfahrt + ZeitAbfahrtszeit, fahren + GastFahrgast, Fuß + BallFußball, Fußball + StadionFußballstadion.

Üblicherweise werden jedoch unter dem Begriff der Komposition alle Verbindungen einbezogen, deren Teile den gleichen Status wie der Wortstamm eines Inhaltsworts haben (also im einfachen Fall lexikalische Morpheme sind), auch wenn sie nicht selbständig benutzbar sein sollten. Als Komposita zählen somit auch Bildungen, die sogenannte Konfixe verwenden[2] wie in Biblio-thek oder Video-thek. Hier ist das Element -thek ein Konfix, d. h. kommt nicht frei vor, bildet aber einen Wortstamm für die Anfügung von Flexionsendungen, wie in Videothek-en.

Komposition lässt sich dann allgemein definieren als die Verbindung zweier Wortstämme, wobei jeder Stamm seinerseits zusammengesetzt sein kann oder auch nicht. Der zweite Stamm, also das Rechtsglied der Komposition, verhält sich hierbei als der Kopf des Kompositums, d. h. gibt die grammatischen Merkmale des Ganzen vor (etwa Genus) sowie die Bedeutungsklasse.

Beispiel[3]
  • Töpfereibetriebseröffnung = {Töpfereibetrieb} + {s} + {Eröffnung} (Komposition mit Fugenelement {s}). Rechtsglied: (die) Eröffnung ist der Kopf und macht das ganze Wort zu einem Femininum.
  • Töpfereibetrieb = {Töpferei} + {Betrieb} (wiederum Komposition)

Wortbildungsmorpheme wie das -ei in Töpferei sind hier zwar als Bestandteil im Inneren des Erstglieds sichtbar, sind aber als solche nicht am Vorgang der Komposition beteiligt. Die Ableitung von Töpferei letztlich aus Topf ist ein Wortbildungsprozess, der insgesamt zur Bildung eines komplexen Wortstamms Töpferei führt:

  • Töpferei = {Töpfer} + {-ei} (Ableitung mit Wortbildungsmorphem {-ei})
  • Töpfer = {Topf} + {-er} (Ableitung mit Wortbildungsmorphem {-er})

Nur der so gebildete komplexe Wortstamm Töpferei als ganzer wird jedoch von der Kompositionsregel in der Bildung Töpferei+betrieb benutzt.

Abgrenzung zu anderen Wortbildungsarten

Die Komposition ist von der Derivation (Ableitung) und von der Konversion – soweit man diese nicht als einen Sonderfall der Derivation auffasst – zu unterscheiden. Die Konversion kommt ohne Hinzufügung von Lautmaterial aus, während die Derivation im Anhängen, Vorausstellen oder Einfügen eines Affixes besteht. Das Kompositum hingegen wird durch die Kombination von (freien) Wortstämmen gebildet.

Die Unterscheidung zwischen Komposition und Derivation ist jedoch idealtypisch zu nennen: „Der Übergang von Komposition zu Derivation … ist sowohl synchronisch als auch diachronisch fließend.“[4] Dies liegt daran, dass ehemals selbständige Wörter, die in Komposita vorkommen, verblassen können und später als Derivationsaffixe aufgefasst werden. Beispielsweise wird in dem Handbuch von Fleischer & Barz[5] das Element -wesen wie in Finanzwesen, Hochschulwesen, Gesundheitswesen als Suffix eingestuft, die genannten Bildungen seien also keine Komposition, auch wenn das Substantiv Wesen in der Bedeutung „kennzeichnende Eigenschaft“ darin noch erkennbar ist.

„Kopf“ und „Kern“ bei der Komposition

Der grammatikalische Kopf einer Konstruktion überträgt seine grammatischen Eigenschaften auf das ganze Wort und steht beim Kompositum im Deutschen (und anderen germanischen Sprachen) in der Regel rechts außen (man sagt daher, das Kompositum sei rechtsköpfig). Der grammatische Kopf kann hierbei von dem Kern unterschieden werden: Während der Kopf die grammatischen Eigenschaften des zusammengesetzten Ausdrucks bestimmt, ist der Kern für die semantischen Eigenschaften zuständig. In der Regel gilt zwar Kopf = Kern, das heißt, der semantische Kern ist im Kompositum enthalten (endozentrische Konstruktion), es besteht aber auch die Möglichkeit Kopf ≠ Kern, das heißt, der semantische Kern befindet sich außerhalb des Kompositums (= exozentrisch).

Bei Determinativkomposita (Erläuterung siehe im nächsten Abschnitt) wird der Kopf auch als das Determinatum bezeichnet.

Kompositionstypen

In der Sprachwissenschaft werden verschiedene Typen und Arten von Komposita unterschieden. Verbreitet ist die Einteilung in Determinativkomposita, Possessivkomposita und Kopulativkomposita. Daneben werden auch Rektionskomposita (deverbale Komposita) als synthetic compounds und Sonderfälle angeführt. Komposita können zudem nach der Art der Konstituenten systematisiert werden. Auch eine semantische Typisierung ist möglich.

Herkömmliche Typisierung

Herkömmlich werden Komposita nach semantischen Kriterien als Determinativkomposita, Possessivkomposita und Kopulativkomposita typisiert. Beim Determinativkompositum bestimmt (determiniert, spezifiziert) ein Wortglied das andere, während beim Kopulativkompositum die Glieder semantisch gleichberechtigt sind. Man spricht dabei bewusst von Typisierung und nicht von Einteilung. Die Typisierung in Determinativkomposita und Kopulativkomposita wird nicht (immer) als abschließende, eindeutige Einteilung angesehen.

Beispiel
ein nicht zuordbares Kompositum ist „Vergißmeinnicht“.[6]

Das Possessivkompositum gilt zumeist als Sonderfall des Determinativkompositums. Daneben wird auch ein präpositionales Rektionskompositum angeführt.

Determinativkomposita (hypotaktische Komposita)

Das Determinativkompositum (im weiteren Sinn) ist ein Kompositum, bei dem zwischen den verbundenen Wörtern (Konstituenten) ein Über- und Unterordnungsverhältnis (ein „hypotaktisches (untergeordnetes) Verhältnis“,[7] ein Bestimmungsverhältnis) besteht. Das heißt eine Wortzusammensetzung, bei der ein Wortteil (Grundwort, Determinatum) durch einen anderen Wortteil (Bestimmungswort, Determinans) näher bestimmt wird.

Vielfach wird von einem Determinativkompositum (im engeren Sinn) nur dann gesprochen, wenn darüber hinaus zwischen den Wörtern/Morphemen (Konstituenten) ein endozentrisches Bedeutungsverhältnis besteht. Da auch das Possessivkompositum als hypotaktisches, jedoch nicht endozentrisches Kompositum aufgefasst wird, wird hier zwischen einem Determinativkompositum im weiteren und engeren Sinn unterschieden.[8]

Endozentrische hypotaktische Komposita (Determinativkomposita (im engeren Sinn))

Das Determinativkompositum (im engeren Sinn) (auch: „Endozentrisches Kompositum“ oder für Sanskrit „Tatpurusha“) (Kopf = Kern) ist ein Determinativkompositum (im weiteren Sinn), bei dem ein „endozentrisches Bedeutungsverhältnis“ zwischen den beiden Konstituenten besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die Bedeutung des Kompositums im Grundwort enthalten ist und durch das Bestimmungswort eine einschränkende Spezifizierung erhält.

Beispiele
Hochhaus, Speiseöl.

Bei Determinativkomposita in germanischen Sprachen bestimmt das Erstglied (Determinans, Bestimmungswort) das Zweitglied (Determinatum, Grundwort, Basiswort) näher. Umgekehrt verfahren semitische Sprachen und romanische Sprachen: Dort steht das Grundwort zuerst.

Beispiel
deutsch Filterkaffee – aber französisch café filtre
Beispiel
Hebräischcheder ‚Zimmer‘ + ochel ‚Essen‘ = chadar ochel ‚Esszimmer‘.

Das Determinans schränkt also das Determinatum semantisch ein, determiniert dies. Die syntaktischen Eigenschaften wie Wortart und Flexionsklasse (Kasus, Genus, Numerus) legt aber weiterhin das Basiswort fest.

Beispiel
grasgrün, Grüngras.

Schon als Übergang zu den Simplizia betrachtet man Wörter wie Junggeselle oder jene mit unikalem Morphem im ersten Glied, wie Himbeere, Schornstein, bei denen die formale Analyse nach Determinatum und Determinans keinen Sinn mehr ergibt.

Exozentrische hypotaktische Komposita

Komposita, in denen zwischen ihren Konstituenten ein Über-, Unterordnungsverhältnis besteht, das Bedeutungsverhältnis jedoch exozentrisch ist, werden hier exozentrische Determinativkomposita genannt. Das Bedeutungsverhältnis ist exozentrisch, wenn die Bedeutung der Zusammensetzung in der Zusammensetzung nicht explizit genannt wird. Als exozentrische hypotaktische Komposita werden herkömmlich die Possessivkomposita, vereinzelt auch die präpositionalen Rektionskomposita genannt.

Possessivkomposita

Beim Possessivkompositum (auch: possessivische (besitzanzeigende) Zusammensetzung,[9] Bahuvrihi, Exozentrisches Kompositum) (Schema: Kopf ≠ Kern) besteht wie beim Determinativkompositum ein Determinationsverhältnis. Jedoch wird über das Zweitglied hinausgehend (exozentrisch) „eine andere Entität denotiert als das Zweitglied.“[10]

Beispiel
Determinativkompositum: „Gesichtsmilch“; Possessivkompositum: „Milchgesicht“.[10]

Man kann sie auch als Bildungen pars pro toto (im zweiten Glied) auffassen: Großmaul, Dickwanst, Rotkehlchen etc.

Alle diese Bildungen lassen sich mit einem haben-Syntagma paraphrasieren („Jemand, der ein großes Maul hat“). Mit zeitlicher Entfernung kann die Empfindung der einzelnen Komponenten dann aber verloren gehen, die Paraphrasierung sinnlos werden: Bei Grünschnabel oder Rotkehlchen, Löwenzahn etc. ist die Idiomatisierung bereits so stark fortgeschritten, dass sie als Simplizia empfunden werden können.

Noch einmal hiervon abzusondern sind Bildungen wie Dickhäuter, Tausendfüßer, Linkshänder etc. die noch ein derivatives -er aufweisen. Bei ihnen handelt es sich um sog. Zusammenbildungen, eine Form der Ableitung.

Rektionskomposita

In Rektionskomposita hat das Zweitglied eine Argumentstruktur, die vom Erstglied erfüllt wird. Beispielsweise kann der Kopf eines Rektionskompositums von einem transitiven Verb abgeleitet sein.

Beispiel
fahren <_AGENS, _THEMA> → Fahrer <_THEMA> → Taxifahrer <_>

Viele Linguisten betrachten ein Kompositum nur dann als Rektionskompositum, wenn das Erstglied tatsächlich ein realisiertes Argument des Verbs ist: Taxifahrer = jmd. fährt Taxi. Ist dies nicht der Fall, wie bspw. in Unfallfahrer ≠ jmd. fährt einen Unfall, wird dieses nicht als Rektionskompositum, sondern als Nicht-Rektionskompositum (Olsen (1986)) oder als Determinativkompositum (Selkirk (1982)) analysiert. Oft wird auf diese Unterscheidung allerdings auch verzichtet.

Das präpositionale Rektionskompositum ist ein exozentrisches hypotaktisches Kompositum, das im Unterschied zum Possessivkompositum als Erstglied eine Präposition hat.[11]

Beispiele
„Vor+mittag“, „Unter+tasse“, „Über+see“[11]

Kopulativkomposita (parataktische Komposita)

Kopulativkomposita (auch: Dvandva, Koordinativkomposita) sind Komposita aus zwei oder mehr Bestandteilen derselben Kategorie, welche in einem Verhältnis der Koordination (ein „parataktisches (nebengeordnetes) Verhältnis“[12]) und nicht der Über- oder Unterordnung stehen. Das Besondere der Kopulativkomposita ist, dass die Konstituenten semantisch gleichwertig sind und nicht die eine der anderen untergeordnet ist. Deshalb spricht man hier von Kopflosigkeit oder auch von Doppelköpfigkeit.

Beispiele
süßsauer, nasskalt, gelbrot, Hosenrock, aber auch mit Bindestrich: Castrop-Rauxel, Elsaß-Lothringen, Nordrhein-Westfalen und Zahladjektive wie einundzwanzig, Fahnenfarben wie schwarzrotgold, die aber in der Reihenfolge konventionalisiert sind.

Wenn die Reihenfolge nicht lexikalisiert ist, können (theoretisch) die Glieder ohne Sinnverlust vertauscht werden, wie bei Spieler-Trainer sowie Trainer-Spieler.[13]

In manchen Fällen sind Bildungen wie graublau je nach Wortakzentuierung und Kontext determinativ oder kopulativ interpretierbar.

Typenbildung nach Jacob oder Wilhelm Grimm

Während die Typenbildung in Determinativ-, Possessiv- und Kopulativkomposita als synchronisch qualifiziert wird,[14] hat Grimm unter historisch-genetischem Aspekt echte/eigentliche Komposita durch Juxtaposition, Kasuskomposita (uneigentliche/unechte Komposita) und verdunkelte („versteinerte“) Zusammensetzungen unterschieden.[15]

Typisierung nach den beteiligten Wortarten

Die unmittelbaren Konstituenten eines Kompositums können unterschiedlichen Wortarten angehören. „Fast alle Wortarten können miteinander kombiniert werden.“[16] Es gibt „grundsätzlich keine Einschränkungen.“[17] Allerdings kann ein Kompositum auch einer Wortart angehören, die keines seiner Bestandteile hat. So sind Zusammensetzungen mit Präpositionen als zweitem Glied üblicherweise selbst keine Präpositionen („nebenan“).

Beispiele:[18]

1.\2. Bestandteil Substantiv Verb Adjektiv Adverb Präposition
Substantiv Wort+bildung seil+tanzen blitz+schnell fluss+abwärts berg+auf
Verb Koch+topf dreh+bohren klopf+fest Tauge+nichts Reiß+aus
Adjektiv Blau+helm rein+waschen hell+gelb rund+weg rund+um
Adverb Wieder+wahl davon+laufen immer+grün immer+fort außen+vor
Präposition Gegen+satz wider+sprechen vor+laut vor+weg neben+an

Weitere Beispiele:

  • (Substantiv + Substantiv; N+N-Komposita): „Fuge+n+element“
  • (Adjektiv + Substantiv (+ Substantiv)): „Breit+maul+frosch“; „Dünn+brett+bohrer“
  • (Pronomen + Substantiv): „All+heilmittel“, „Ich+bewusstsein“
  • (Partizip + Substantiv): „Bedeckt+samer“, „Lebend+gewicht“

Komposita kann man auch nach der Wortart der Kopfkonstituente einteilen in:[14]

Substantivkomposita (Nomenkomposita, Nominalkomposita)
„Renn+wagen“
Adjektivkomposita
„himmel+blau“
Verbkomposita
„zusammen+setzen“

„Es gibt Tiere, Kreise und gibt Ärzte. Es gibt Tierärzte, Kreisärzte und Oberärzte. Es gibt einen Tierkreis und einen Ärztekreis. Es gibt auch einen Oberkreistierarzt. Ein Oberkreistier aber gibt es nicht.“

Roda Roda: Stille Betrachtung.

Sonderfälle

Zusammenrückungen

Zusammenrückungen, also Wörter wie Taugenichts, Nimmersatt, Gottseibeiuns, Dreikäsehoch, Vergissmeinnicht, fußbreit, fortan, sind in der Forschung in ihrer Zuordnung umstritten. Nach Bußmann stellen sie eine Ausnahme bei der Komposition dar, da das 2. Glied nicht Wortart und Flexionsklasse bestimmt.[14]

Autokomposita, Iterativkomposita

Die Reduplikation,[19] bei Mehrfachwiederholung auch Iteration, ist eine schwach produktive Wortbildungsart, bei der durch Doppelung eines Wortes ein Kompositum gebildet wird.[20] Eine Grundform stellen die sogenannten Autokomposita (Selbstkomposita) dar. Dass und wie Selbstkomposita interpretierbar sind, hat Günther in Experimenten nachgewiesen.[21] Geläufige Beispiele sind Helfershelfer, Kindeskind, Zinseszins, die als Genitivkonstruktionen Helfer der Helfer etc. interpretiert werden können.[22] Andere Beispiele dienen unter anderem der Hervorhebung/Intensivierung, z. B. Film-Film, graugraue Hemden.

Gelegentlich wird dabei der anlautende Konsonant variiert, häufiger aber der Stammvokal des Ausgangswortes.

Beispiel
Konsonantenvariation/Reimdoppelung: Schickimicki, larifari;
häufiger ist Vokalvariation/Ablautdoppelung: Mischmasch, Wirrwarr, Schnickschnack.
Eine Iteration mit Vokalwechsel ist z. B. Pipapo.

Damit ist der Reichtum an Formen und Funktionen der Reduplikation noch keineswegs erschöpft, wie z. B. eine Untersuchung zum Chinesischen und Deutschen zeigt.[23]

Nicht zur Reduplikation werden Onomatopoetika wie Kuckuck, Tamtam, Wauwau gezählt, da sie nicht aus Wörtern gebildet, sondern lautmalerisch urgeschöpft werden.[24]

Affixoide Wortbildungen

Dieser Wortbildungstyp steht funktional zwischen Komposition und Derivation. Affixoide sind wortwertige Affixe, was bedeutet, dass sie (noch) nicht den Grad an Entkonkretisierung erreicht haben, den echte Affixe (bereits) besitzen. Während im Kopulativkompositum fettfrei der zweite Teil frei ein Affixoid darstellt, welches nicht auf fett angewiesen ist und eine Teilbedeutung des Lexems frei mitträgt, verhält es sich bei fettlöslich anders: das Affix lich (von ahd. lich = Körper, Gestalt) besitzt (heute) keinen Wortwert mehr.[25]

Die Unterschiede zwischen reihenbildenden Affixoiden und nichtreihenbildenden Komposita lassen sich an folgenden Beispielen veranschaulichen:

Affixoide (reihenbildende) Komposita sind:

  • Präfixoide: Star-dirigent, Problem-kind, Traum-frau, Riesen-freude, sau-müde;
  • Suffixoide: Ehe-muffel, Geräusch-armut, trink-fest.

Nichtreihenbildende Komposita: Problembewusstsein, Saumagen

Ebenfalls kann es vorkommen, dass Komposita mehrdeutig sind, d. h. Komposita die auf Grund dieser beiden Wortbildungsmöglichkeiten zwei Bedeutungen haben:

  • Traumarbeit: 1. In der Psychologie: Arbeit, die der Traum leistet, nämlich die Umformung und Aufarbeitung unbewusster libidinöser Wünsche; 2. (präfixoid) traumhaft schöne Arbeit.
  • Bombenauto: 1. Auto, in dem eine Bombe versteckt ist; 2. (präfixoid) ein ganz tolles Auto.
  • Scheißhaus: 1. derb für: Toilette, Abort; 2. (präfixoid) Haus, das in einem bestimmten Zusammenhang als ärgerlich empfunden wird, blödes Haus (wegen dieses Scheißhauses kann ich nicht in den Urlaub fahren, ich muss es noch immer abbezahlen).[26]

Fuge und Fugenelement (im Deutschen)

Die Nahtstelle zwischen den Wortstämmen, die die Glieder eines Kompositums bilden, wird Fuge oder Kompositionsfuge genannt.[27] Diese kann durch ein spezielles Fugenelement gekennzeichnet sein.[27]

Beispiel
Das „s“ in „Komposition-s-fuge“

Als Fugenelemente erscheinen im Deutschen hauptsächlich -(e)s-, -e-, -(e)n- und -er- wie in Liebeslied, nötigenfalls, Wartezimmer und gewissermaßen. Die Fugenelemente im Deutschen sind aus Flexions­endungen oder andernorts geschwundenen Teilen des Wortstamms entstanden, wurden aber später in Analogie dazu gebildet. Man unterscheidet paradigmatische Fugenelemente, d. h. Laute oder Lautverbindungen, die dem Flexionsparadigma des Erstglieds entsprechen, z. B. Genitiv-/Plural-Morphologie (Geistesblitz, Geisterfahrer) und unparadigmatische Fugen, die nicht zum Flexionsparadigma des Erstglieds gehören, z. B. Liebesbrief, Beobachtungssatellit.[28] Vollständige Regeln für ihr Auftreten gibt es nicht. Einige Suffixe verlangen jedoch immer das Anhängen eines Fugen-s, so etwa bei -keit, -heit, -schaft, -ung, -ut, -ion, -tät, -tum.

Beispiele
Freiheitsliebe; Landschaftsgärtnerin; Meinungsbildung. Ausnahme: z. B. Stellungnahme (kein -s-).

Rechtschreibung

In der deutschen Orthografie werden Komposita heute meist zusammengeschrieben.[29] Eine Alternative ist die Trennung der einzelnen Kompositumsbestandteile voneinander mit Bindestrich. Ein Leerzeichen in einem Kompositum ist in jedem Fall unzulässig. So kann das unlesbare Wort Reihensechszylinderwirbelkammervierventilturbodieselmotor auch Reihen-Sechszylinder-Wirbelkammer-Vierventil-Turbo-Dieselmotor geschrieben werden, niemals aber mit Leerzeichen.

Im Englischen werden Komposita für gewöhnlich mit Leerzeichen geschrieben, aber deren Bestimmungswörter werden mit Bindestrich kombiniert, wenn sonst das Verständnis beeinträchtigt würde. Dies betrifft besonders Kombinationen von Zahlen und Substantiven, aber auch Kombinationen aus anderen Wortteilen.

Traditionell wurden auch viele zweiteilige Komposita mit Bindestrich geschrieben, aber heutzutage werden sie zunehmend entweder getrennt oder zusammengeschrieben, besonders im amerikanischen Englisch. Traditionell wurden neue Begriffe wie homepage erst lange home page geschrieben, erst viel später home-page und nur selten und nach langer Etablierung als homepage.

Der Reihen-Sechszylinder-Wirbelkammer-Vierventil-Turbo-Dieselmotor wäre auf Englisch also theoretisch ein inline six-cylinder swirl chamber four-valve turbodiesel engine. Im Englischen sind jedoch Komposita mit mehr als vier Teilen verpönt; selbst vierteilige werden wenn möglich mit of oder anderen Präpositionen umformuliert, z. B. four-valve turbodiesel engine with (an) inline six-cylinder swirl chamber.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Fleischer, Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. 4. vollständig neu bearbeitete Auflage. de Gruyter, Berlin 2012, ISBN 978-3-11-025663-5.
  • Hadumod Bußmann (Hrsg.) unter Mitarbeit von Hartmut Lauffer: Lexikon der Sprachwissenschaft. 4., durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage. Kröner, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-520-45204-7.
  • Elke Donalies: Die Wortbildung des Deutschen: Ein Überblick. 2. überarbeitete Auflage. Narr-Verlag, Tübingen 2005, ISBN 978-3-8233-6131-2.
  • Bernd Naumann: Einführung in die Wortbildungslehre des Deutschen. 3. neu bearbeitete Auflage. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2000, ISBN 978-3-484-25004-8.
  • Johannes Erben: Einführung in die deutsche Wortbildungslehre. 3. neu bearbeitete Auflage, Schmidt, Berlin 1993, ISBN 3-503-03038-7.
  • Maria Pümpel-Mader, Elsbeth Gassner-Koch, Hans Wellmann unter Mitarbeit von Lorelies Ortner: Adjektivkomposita und Partizipialbildungen. (Komposita und kompositionsähnliche Strukturen 2). de Gruyter, Berlin 1992, ISBN 3-11-012445-9.
  • Susan Olsen: Wortbildung im Deutschen. Eine Einführung in die Theorie der Wortstruktur. Kröner, Stuttgart 1986, ISBN 3-520-66001-6.
  • Susan Olsen: „Argument-Linking“ und unproduktive Reihen bei deutschen Adjektivkomposita; in der Zeitschrift für Sprachwissenschaft. Band 5, S. 5–24, 1986b., ISSN (online) 1613-3706, ISSN (gedruckt) 0721-9067.
  • Lorelies Ortner, Elgin Müller-Bollhagen u. a.: Substantivkomposita. (Komposita und kompositionsähnliche Strukturen 1). de Gruyter, Berlin 1991, ISBN 3-11-012444-0.
  • Elisabeth O. Selkirk: The syntax of words. 2. Auflage, MIT Press, Cambridge, Mass. 1982, ISBN 0-262-19210-1/ISBN 0-262-69079-9.
  • Ludwig Tobler: Über die psychologische Bedeutung der Wortzusammensetzung mit Bezug auf nationale Charakteristik der Sprachen. In: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft. Band 5, 1868, S. 205–232.

Weblinks

Wiktionary: Determinativkompositum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Komposition – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Kopulativkompositum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Zusammensetzung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. So z. B. Duden, Rechtschreibung und Grammatik – leicht gemacht. 2007, S. 126.
  2. So auch Duden, Die Grammatik. 7. Auflage. 2005, Rn. 1002.
  3. Nach Michael Schlaefer: Lexikologie und Lexikographie. 2. Auflage. E. Schmidt, Berlin 2009, S. 22.
  4. Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0 (Komposition).
  5. Fleischer & Barz (2012), S. 231 (siehe Literaturliste).
  6. So Clément: Linguistisches Grundwissen. 2. Auflage, 2000, S. 39.
  7. Reimann Kessel: Basiswissen deutsche Gegenwartssprache. 2005, ISBN 3-8252-2704-9, S. 104.
  8. Diese Unterscheidung wurde in der eingesehenen Literatur nicht vorgefunden.
  9. Langemann, Felgentreu (Hrsg.): Duden, Basiswissen Schule: Deutsch, 2. Auflage, 2006, ISBN 3-411-71592-8, S. 112.
  10. a b Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0 (Possessivkompositum).
  11. a b Kessel, Reimann: Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache. 2005, ISBN 3-8252-2704-9, S. 104 f.
  12. Kessel, Reimann: Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache. 2005, ISBN 3-8252-2704-9, S. 105.
  13. Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0 (Kopulativkompositum).
  14. a b c Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0 (Kompositum).
  15. Einzelheiten bei Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0 (Komposition).
  16. Langemann, Felgentreu (Hrsg.): Duden, Basiswissen Schule: Deutsch; 2. Auflage; 2006, ISBN 3-411-71592-8, S. 111.
  17. So Reimann Kessel: Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache, 2005, S. 102.
  18. Beispiele überwiegend nach Kessel, Reimann: Basiswissen Deutsche Gegenwartssprache, 2005, S. 102.
  19. Es geht hier um Reduplikation als Verfahren der Wortbildung, nicht der Flexion.
  20. Andrzej Zdzisław Bzdęga: Reduplizierte Wortbildung im Deutschen. Praca wydana z zasiłku polskiej akademii nauk, Poznań 1965.
  21. Hartmut Günther: N + N: Untersuchungen zur Produktivität eines deutschen Wortbildungstyps. In: Leonard Lipka, Hartmut Günther (Herausgeber): Wortbildung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1981, ISBN 3-534-08128-5, Seite 258–280, Selbstkomposita: Seite 270ff.
  22. Hilke Elsen: Grundzüge der Morphologie des Deutschen. de Gruyter, Berlin/Boston 2011, ISBN 978-3-11-023791-7, Seite 67.
  23. Jingyang Zhu, Christine Culp, Karl-Heinz Best: Formen und Funktionen der Doppelungen im Chinesischen im Vergleich zum Deutschen. In: Oriens Extremus 38, 1995, Seite 183–208.
  24. Helmut Glück (Hrsg.): Metzler-Lexikon Sprache. 4. aktualisierte und überarbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2010, ISBN 978-3-476-02335-3, Artikel Reduplikationsbildung
  25. Damaris Nübling: Historische Sprachwissenschaft des Deutschen. Eine Einführung in die Prinzipien des Sprachwandels. 2014; S. 73–74.
  26. Herbert Ernst Wiegand (Hrsg.): Lexicographica Series Maior 84: Wörterbücher in der Diskussion III, 1998; Darin: Wolfgang Müller: Wörterbücher der Zukunft oder Terrae incognitae, S. 212–222.
  27. a b Kürschner: Grammatisches Kompendium, 4. Auflage, 2003, ISBN 3-8252-1526-1, S. 70.
  28. Altmann, Kemmerling, 2005.
  29. Deutsch als Fremdsprache.