Europarat

Europarat

Logo des Europarats

Flagge des Europarats (Europaflagge)

Mitgliedstaaten
Englische Bezeichnung Council of Europe (CoE)
Französische Bezeichnung Conseil de l’Europe (CdE)
Organisationsart internationale (regionale) zwischenstaatliche Organisation (politische, rechtliche, soziale, wirtschaftliche Kooperation)
Sitz der Organe FrankreichFrankreich Straßburg, Frankreich
Generalsekretärin Kroatien Marija Pejčinović Burić
Parlamentarische Versammlung Parlamentarische Versammlung des Europarates
Mitgliedstaaten 47
Gründung 5. Mai 1949
Hymne Ode an die Freude (instrumental)
Feiertag 5. Mai (Europatag)
Tochterorganisationen

ECHR

www.coe.int

Der Europaratenglisch Council of Europe (CoE), französisch Conseil de l’Europe (CdE) – ist eine am 5. Mai 1949 durch Die Satzung des Europarates,[1] einen in London abgeschlossenen Vertrag, gegründete europäische internationale Organisation. Dem Europarat gehören heute 47 Staaten mit 820 Millionen Bürgern an.[2][3]

Der Europarat ist ein Forum für Debatten über allgemeine europäische Fragen. Seine Satzung sieht eine allgemeine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Förderung von wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt vor.

„Der Europarat hat die Aufgabe, einen engeren Zusammenschluss unter seinen Mitgliedern zu verwirklichen.“

Satzung des Europarates, Artikel 1[4]

Der Sitz des Europarats ist der Europapalast im französischen Straßburg. Am 5. Mai wird alljährlich der Gründungstag des Europarates als Europatag gefeiert.

Der Europarat ist institutionell nicht mit der Europäischen Union (EU) verbunden, auch wenn beide die Europaflagge und die Europahymne verwenden. Die zentrale Zuständigkeit des Europarats ist der Schutz der Menschenrechte, bei der EU steht die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Vordergrund. Der Europarat ist auch nicht zu verwechseln mit den EU-Institutionen Europäischer Rat (Organ der Staats- und Regierungschefs) und Rat der Europäischen Union (Ministerrat).

Die EU und der Europarat unterzeichneten im Mai 2007 als politische Absichtserklärung ein Memorandum of Understanding (MoU).[5]

Geschichte

Gedenktafel in der Aula des Hauptgebäudes der Universität Straßburg zur Erinnerung an die erste Tagung des Europarates 1949

Der Europarat wurde von zehn nord- und westeuropäischen Staaten gegründet. Er erhielt am 5. Mai 1949 von Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und dem Vereinigten Königreich im Londoner Zehnmächtepakt sein formales Statut. Er ist damit die älteste originär politische Organisation europäischer Staaten.[6] Gegründet wurde er von der European Conference on Federation auf Betreiben des American Committee for a United Europe.

Neben der wirtschaftlichen OEEC (aufgegangen in der OECD) und der militärischen Kooperation im Rahmen der NATO nahm mit dem Europarat die politische Einigung des Kontinents konkrete Formen an.

Die Bundesrepublik Deutschland trat dem Gremium am 14. Juli 1950 zunächst als assoziiertes Mitglied bei und wurde im Mai 1951 vollberechtigtes Mitglied.[7] Das Saarland (bis zum 1. Januar 1957 autonomer Staat) war bereits zum 13. Mai 1950 assoziiertes und ab 2. Mai 1951 ordentliches Mitglied. Österreich erlangte 1956, die Schweiz 1963[8] die Mitgliedschaft.

Bis auf drei Ausnahmen gehören mittlerweile alle europäischen Staaten dem Europarat an. Der Staat der Vatikanstadt nimmt als solcher keine Beziehungen zu anderen Staaten auf, sondern überlässt seine Vertretung auf internationaler Ebene dem Heiligen Stuhl – der letztere verfügt als nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt über einen Beobachterstatus im Ministerkomitee. Weißrussland ist seit 1993 Beitrittskandidat. Die Aufnahme des Kosovo kommt erst in Betracht, sobald dessen Status völkerrechtlich geklärt ist. Bis dahin wird dem Kosovo seit April 2013 ein Beobachterstatus durch zwei Vertreter des kosovarischen Parlaments gewährt, welche ohne Stimmberechtigung an den Debatten der Plenarsitzungen und an den Arbeiten der Ausschüsse teilnehmen können.[9]

Nach der umstrittenen Abstimmung über die Zugehörigkeit der Krim zu Russland hat der Europarat im April 2014 mit einer Mehrheit von 145 Stimmen bei 21 Gegenstimmen und 22 Enthaltungen den 18 russischen Abgeordneten vorläufig das Stimmrecht entzogen. Außerdem ist Russland bis auf weiteres aus den Führungsgremien der Versammlung ausgeschlossen,[10] woraufhin die russischen Abgeordneten die Sitzungen der Versammlung fortan boykottierten und Russland zudem ab Juni 2017 die Zahlung seiner Mitgliedsbeiträge bis auf Weiteres einstellte.[11]

Weil der Entzug des Stimmrechts in den Statuten des Europarats nicht geregelt war und nach zwei Jahren ohne Beitragszahlung der endgültige Ausschluss Russlands sowie eine Wahl des nächsten Generalsekretärs der Organisation ohne russische Mitglieder in der Parlamentarischen Versammlung drohten, beschloss der Ministerrat am 17. Mai 2019 auf Initiative der finnischen Ratspräsidentschaft, ein neues mehrstufiges Verfahren für Sanktionen von Mitgliedern einzuführen, um den Weg für eine erneute volle Mitgliedschaft Russlands zu ebnen.[12]

Zielsetzung

Datei:Strasbourg Europarat Denkmal.JPG
Denkmal für die Menschenrechte vor dem Europapalast

Der Europarat ist ein Forum für Debatten über allgemeine europäische Fragen. In seinem Rahmen werden zwischenstaatliche, völkerrechtlich verbindliche Abkommen (Europarats-Konventionen, etwa die Europäische Menschenrechtskonvention) mit dem Ziel abgeschlossen, das gemeinsame Erbe zu bewahren und wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu fördern.

Seit 1993 widmet sich der Europarat verstärkt der Wahrung der demokratischen Sicherheit. Dazu zählen insbesondere:

Organe

Plenarsaal des Europarats

Organisatorisch folgt der Europarat weitgehend dem üblichen Strukturmuster internationaler Organisationen, jedoch mit dem bemerkenswerten Zusatz eines parlamentarischen Organs.

Ministerkomitee und Parlamentarische Versammlung

Die zwei statutären Organe des Europarats sind nach Art. 10 der Satzung des Europarats (EuRatS):

  • das Ministerkomitee des Europarates, in dem die Mitgliedstaaten durch ihre Außenminister bzw. deren Ständige Vertreter im Range eines Botschafters vertreten sind, sowie
  • die Parlamentarische Versammlung des Europarates, in welche die Parlamente der Mitgliedstaaten Vertreter entsenden.

Im Ministerkomitee ist ein Ministerrat, in dem jeder Mitgliedsstaat des Europarats nach Art. 14 EuRatS durch seinen amtierenden Außenminister vertreten ist. Der Heilige Stuhl, Japan, Mexiko und die USA haben Beobachterstatus. Jeder Außenminister hat einen Ständigen Vertreter in Straßburg. Das Ministerkomitee tritt einmal pro Jahr zu einer Plenarsitzung zusammen, der sogenannten Ministerkonferenz; die Ständigen Vertreter (auch Delegierte des Ministerkomitees genannt) kommen zu mindestens wöchentlich stattfindenden Plenarsitzungen zusammen. Sie werden bei ihrer Arbeit durch Diplomaten, die ihnen unterstellt sind, unterstützt.[13]

Präsident der Parlamentarischen Versammlung war ab Januar 2016 Pedro Agramunt. Im April 2017 entzog ihm das Präsidium wegen Korruptionsvorwürfen das Vertrauen und erlaubte ihm nicht mehr, im Namen der Versammlung zu reisen, Stellungnahmen abzugeben oder diese zu repräsentieren. Der Posten war dadurch faktisch vakant. Eine Abwahl wurde jedoch erst durch eine Regeländerung möglich. Wenige Tage vor der angesetzten Abwahlabstimmung erklärte Agramunt am 6. Oktober 2017 seinen Rücktritt, geschäftsführender Nachfolger wurde sein Stellvertreter Roger Gale.[14][15]

Der Europarat wird politisch durch den Vorsitzenden des Ministerkomitees und den Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung vertreten.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

Ein wichtiger Teil des Europarats ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der über die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention wacht. Nahezu die Hälfte des Sekretariats des Europarats arbeitet für den Gerichtshof in Straßburg.

Der Europarat hat die Position eines Menschenrechtskommissars eingerichtet. Dieser wird von der Parlamentarischen Versammlung gewählt und erstellt Berichte über relevante Themen oder die Menschenrechtssituation in einzelnen Ländern.

Konferenz der internationalen Nichtregierungsorganisationen

Im Jahr 1952 gewährte der Europarat internationalen Nichtregierungsorganisationen (englisch international non-governmental organisations, INGO) beratenden Status, um „die aktive Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger bei der Durchführung von öffentlichen Angelegenheiten zu intensivieren.“ Im November 2003 erhielten Internationale Nichtregierungsorganisationen den Teilnehmerstatus.[16] Sie fällen ihre Beschlüsse bei der Konferenz der Nicht-Regierungsorganisationen im Europarat (englisch conference of INGOs of the Council of Europe) und nehmen aktiv am Entscheidungsprozess des Europarats und der Einführung seiner Programme teil.[17]

Weitere Organe

Der Kongress der Gemeinden und Regionen bildet neben der parlamentarischen Versammlung und dem Ministerkomitee die dritte Säule des Europarates und ist beratendes Organ.

Der Europarat hat die Position eines Menschenrechtskommissars eingerichtet. Dieser wird von der Parlamentarischen Versammlung gewählt und erstellt Berichte über relevante Themen oder die Menschenrechtssituation in einzelnen Ländern.

Ein wichtiger Teil des Europarats ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der über die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention wacht. Nahezu die Hälfte des Sekretariats des Europarats arbeitet für den Gerichtshof in Straßburg.

Daneben gibt es eine Anzahl von Teilabkommen des Europarats, zu denen die Europäische Pharmakopeoia, das Teilabkommen im Sport, die Filmförderungsstelle Eurimages, das europäische Zentrum für moderne Sprachen in Graz und das Nord-Süd-Zentrum in Lissabon zählen.

Die Jugendabteilung in der Direktion für Demokratische Partizipation des Europarates verfügt über Europäische Jugendzentren, ein Europäisches Jugendwerk und ein Co-Management-System. Dieses Co-Management-System ermöglicht Jugendvertretern aus Europäischen Jugendorganisationen die direkte und gleichberechtigte Teilhabe an Entscheidungen der Mitgliedstaaten des Europarates im Bereich Jugend[18].

Generalsekretäre des Europarates

Die Organe des Europarats werden unterstützt von einem permanenten Sekretariat, das vom Generalsekretär des Europarates geleitet wird. Dieser wird von der Parlamentarischen Versammlung für fünf Jahre gewählt. Am 18. September 2019 übernahm die Kroatin Marija Pejčinović Burić dieses Amt.[19] Seit 2012 ist die Italienerin Gabriella Battaini-Dragoni Stellvertretende Generalsekretärin.[20]

Gebäude des Europarats in Straßburg
Name Lebens-
daten
Amts-
zeit
Land
Jacques Camille Paris 1902–1953 1949–1953 Frankreich Frankreich
Léon Marchal 1900–1956 1953–1956 Frankreich Frankreich
Lodovico Benvenuti 1899–1966 1957–1964 Italien Italien
Peter Smithers 1913–2006 1964–1969 Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
Lujo Tončić-Sorinj 1915–2005 1969–1974 Osterreich Österreich
Georg Kahn-Ackermann 1918–2008 1974–1979 Deutschland Deutschland
Franz Karasek 1924–1986 1979–1984 Osterreich Österreich
Marcelino Oreja Aguirre * 1935 1984–1989 Spanien Spanien
Catherine Lalumière * 1935 1989–1994 Frankreich Frankreich
Daniel Tarschys * 1943 1994–1999 Schweden Schweden
Walter Schwimmer * 1942 1999–2004 Osterreich Österreich
Terry Davis * 1938 2004–2009 Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
Thorbjørn Jagland * 1950 2009–2019 Norwegen Norwegen
Marija Pejčinović Burić * 1963 2019– Kroatien Kroatien

Mitglieder

Liste

Gründungsmitglieder des Europarats im Jahre 1949
Belgien Belgien Italien Italien Schweden Schweden
Danemark Dänemark Luxemburg Luxemburg Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
Frankreich Frankreich Niederlande Niederlande
Irland Irland Norwegen Norwegen
Weitere Mitglieder des Europarats (nach Jahr des Beitritts)
1949 Turkei Türkei 1990 Ungarn Ungarn 1995 Moldau Republik Moldau
Griechenland Griechenland¹ 1991 Polen Polen Ukraine Ukraine
1950 Deutschland Deutschland 1992 Bulgarien Bulgarien 1996 Kroatien Kroatien
1950 Island Island 1993 Estland Estland Russland Russland
1956 Osterreich Österreich Litauen Litauen 1999 Georgien Georgien
1961 Zypern Republik Zypern Rumänien Rumänien 2001 Armenien Armenien
1963 Schweiz Schweiz Slowakei Slowakei² Aserbaidschan Aserbaidschan
1965 Malta Malta Slowenien Slowenien 2002 Bosnien und Herzegowina Bosnien und Herzegowina
1976 Portugal Portugal Tschechien Tschechien² 2003 Serbien Serbien³
1977 Spanien Spanien 1994 Andorra Andorra 2004 Monaco Monaco
1978 Liechtenstein Liechtenstein 1995 Albanien Albanien 2007 Montenegro Montenegro
1988 San Marino San Marino Lettland Lettland
1989 Finnland Finnland Nordmazedonien Nordmazedonien
¹ suspendiert von 1967 bis 1974
² die Mitgliedschaft der Tschechoslowakei ab 1991 wurde auf die Nachfolgestaaten nicht übertragen
³ als Nachfolger von Serbien und Montenegro
Beitrittskandidaten Beobachterstatus in der
parlamentarischen Versammlung
Beobachterstatus im Ministerkomitee
1993 Belarus Belarus 1957 Israel Israel 1970 Heiliger Stuhl Heiliger Stuhl
1997 Kanada Kanada 1996 Japan Japan
1999 Mexiko Mexiko Kanada Kanada
Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten
1999 Mexiko Mexiko
Mitgliedstaaten des Europarates
Mitgliedstaaten des Europarates
  • Gründungsmitglieder
  • weitere Mitglieder
  • Beitrittskandidaten
  • Beobachterstatus in der parlamentarischen Versammlung
  • Beobachterstatus im Ministerkomitee
  • Beobachterstatus in der parlamentarischen Versammlung und im Ministerkomitee
  • Sonderfall: Weißrussland

    Die Kritik des Europarats richtet sich unter anderem gegen undemokratische Wahlen, die Todesstrafe und insbesondere gegen die Todesstrafen von Eduard Lykow (vermutlich hingerichtet Ende 2014)[21] und Alexander Grunow.[22] Bei einem 1996 in Weißrussland durchgeführten Referendum hatten sich hingegen über 80 Prozent der abstimmenden Weißrussen für die Anwendung der Todesstrafe ausgesprochen.[23]

    Die Regierung Weißrusslands beabsichtigt einen Sondergaststatus. Die Opposition setzt sich für die Mitgliedschaft des Landes ein, die der Zivilgesellschaft Weißrusslands Zugang zu einem unabhängigen Rechtssystem ermöglichen würde (Europäische Menschenrechtskonvention, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte).[24]

    Sonderfall: Russland

    Die Vergiftung und Verhaftung von Alexej Nawalny, wie auch die massenhaften Verhaftungen bei Demonstrationen, sind aus Sicht der Parlamentarischen Versammlung des Europarates keine nationalen Angelegenheiten Russlands, sondern haben völkerrechtliche Dimensionen, die auch den Europarat betreffen.[25]

    Europaratsabkommen

    Solche Ergänzungen (The Congress / Le Congrès) des Europaratslogos finden u. a. auch in der Öffentlichkeitsarbeit Anwendung (neuere, weitere Beispiele: coe.int…youth…)

    Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) von 1950 stellt den wichtigsten multilateralen Vertrag im Rahmen des Europarates dar; hinzu kommen bislang 14 Protokolle zur EMRK.[26] Insgesamt hat sich der Europarat „einzelnen konkreten Maßnahmen zugewandt, in denen die EGen/EU keine Aktivitäten entfalten“.

    Zu den über 223 Europaratsabkommen (Stand März 2021) zählen beispielsweise:[27]

    Reformbedarf

    Der von 2009 bis 2019 aktive Generalsekretär Thorbjørn Jagland kündigte eine Reform des Europarats an. Die Organisation solle sich, so hieß es 2010, zum Ziel setzen, „sich auf ihre Kernaufgaben Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat zu konzentrieren“.[47] Offenbar ist es schwierig, dabei voran zu kommen, denn dieselben Absichtserklärungen werden Jahr für Jahr wiederholt. So hieß es acht Jahre später im Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2017 inhaltlich unverändert und sprachlich kaum verändert: „Generalsekretär Jagland will seinen Reform- und Konsolidierungskurs fortsetzen und die inhaltliche Arbeit verstärkt auf die Kernaufgaben Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratieförderung ausrichten.“[48]

    Kritik an der Haltung des Europarates

    Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch halten dem Europarat vor, dass er sich scheut, Verletzungen der Menschenrechte in Mitgliedsstaaten beim Namen zu nennen, unter anderem in Aserbaidschan, und dass er Wahlfälschungen nicht in gleicher Weise offenlege wie etwa das Office of Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.[49]

    Im Juni 2019 beschloss die parlamentarische Versammlung des Europarates das fünf Jahre zuvor entzogene Stimmrecht an die Russische Föderation zurückzugeben. Russland wäre ansonsten laut Statuten wegen ausbleibender Beitragszahlungen ausgeschlossen worden, was diverse andere Mitgliedsstaaten unter Führung von Generalsekretär Thorbjørn Jagland verhindern wollten. Dazu ließ sich der Rat nach Einschätzung von Beobachtern im Tagesspiegel „erpressen“[50] oder gab nach der Neuen Zürcher Zeitung dem Druck eines „autoritären Staates“ nach.[51] So machte der Rat weitreichende Zugeständnisse an Russland, wie etwa den in Moskau unliebsamen Litauer Andrius Kubilius von der Kandidatur als Generalsekretär des Rates auszuschließen, hohe Hürden für Sanktionen gegen Russland auszuarbeiten und keine Zusicherung zu fordern, dass Russland von der Provokation absieht, Politiker von der besetzen Krim in den Rat zu entsenden.[50][51]

    Korruption

    Im April 2018 kam eine unabhängige Expertenkommission aus ehemaligen Richtern zu dem Ergebnis, dass es starke Hinweise auf Bestechlichkeit bei mehreren aktiven und ehemaligen Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung des Europarats gebe.[52] Die Personen hätten offenbar gegen Zuwendungen Positionen zugunsten Aserbaidschans eingenommen und sich bemüht, Erklärungen zur Missachtung der Menschenrechte in Aserbaidschan zu verhindern oder abzumildern. Es wurden mehrere Personen namentlich genannt, darunter der ehemalige Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Pedro Agramunt, Luca Volontè, Axel Fischer, und die ehemaligen Abgeordneten Eduard Lintner (CSU) und Karin Strenz (CDU).[53]

    Finanzierung

    Der Europarat „finanziert sich klassisch-völkerrechtlich durch Beiträge der Mitgliedstaaten entsprechend ihrer jeweiligen Bevölkerungszahl (Art. 38 EuRatS) und des Bruttosozialprodukts“.[54] Im Jahre 2018 hatte der Haushalt des Europarates ein Volumen von 446,5 Mio. Euro.[55] Der deutsche Beitrag beläuft sich im Haushaltsjahr 2019 auf 36,9 Mio. Euro.[56]

    Siehe auch

    Weitere Organe:

    Verträge:

    Fonds, Preise und Veranstaltungen:

    Andere internationale Organisationen:

    Literatur

    • Klaus Brummer: Der Europarat. Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-15710-8.
    • Horst Keller: Werte statt Grenzen. Der Europarat – Wegbereiter und Vordenker. NDV Neue Darmstädter Verlagsanstalt, Rheinbreitbach 1999, ISBN 3-87576-419-6.
    • Uwe Holtz (Hrsg.): 50 Jahre Europarat. (PDF; 1,2 MB) Nomos, Baden-Baden 2000, ISBN 3-7890-6423-8.
    • Frank Niess: Die europäische Idee – Aus dem Geist des Widerstands. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-518-12160-X.
    • Birte Wassenberg: Histoire du Conseil de l’Europe (1949–2009). Peter Lang, Brüssel 2012, ISBN 978-90-5201-896-6.
    • Stefanie Schmahl, Marten Breuer (Hrsg.): The Council of Europe. Its Law and Policies. Oxford University Press, Oxford, ISBN 978-0-19-967252-3.

    Weblinks

    Commons: Europarat – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
    Beispiel für konkrete Tätigkeit des Europarates
    EU und Europarat

    Einzelnachweise

    1. Die Satzung des Europarates. In: coe.int. Abgerufen am 15. Mai 2021.
    2. 47 Mitgliedstaaten. In: Verwaltung – Übersicht. Europarat, abgerufen am 21. März 2021.
    3. www.coe.int
    4. Die Satzung des Europarates, London, 5. Mai 1949, Amtliche Übersetzung Deutschlands. In: coe.int. Abgerufen am 15. Mai 2021.
    5. Europarat (Hrsg.): Memorandum of Understanding between the Council of Europe and the European Union. 23. Mai 2007, CM(2007)74 (coe.int [abgerufen am 26. Januar 2020]).
    6. Frank Niess: Die europäische Idee – Aus dem Geist des Widerstands. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, S. 230: „erste europäische Institution“.
    7. Thomas Brechenmacher, Die Bonner Republik – Politisches System und innere Entwicklung der Bundesrepublik, be.bra Verlag, Berlin, Brandenburg, 2010, ISBN 978-3-89809-413-9, S. 63
    8. Gérard de Puymège: Europarat. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 29. Oktober 2009, abgerufen am 4. Juni 2019.
    9. Europarat öffnet Kosovo einen Türspalt (Memento vom 22. Dezember 2017 im Internet Archive), ZEIT ONLINE, 23. April 2013, abgerufen am 19. Dezember 2017
    10. Ukraine-Krise: Europarat entzieht Russland das Stimmrecht. In: FAZ online, 10. April 2014, abgerufen am 25. Januar 2015.
    11. Russland stoppt Zahlungen an Europarat, Spiegel Online, 30. Juni 2017, abgerufen am 19. Dezember 2017
    12. FAZ.net 17. Mai 2019: Russland soll im Europarat bleiben
    13. Ministerkomitee. In: europewatchdog.info. Abgerufen am 4. März 2018.
    14. www.assembly.coe.int
    15. Parlamentarische Versammlung trifft wichtige Personalentscheidung. In: Deutschlandfunk, 28. April 2017, abgerufen am 28. April 2017.
    16. Iamvi Totsi: The Conference Of International Nongovernmental Organisation Of The Council Of Europe. (PDF; 43 kB) History, Structures, Projects. In: Democracy » Non-Governmental Organisations. Europarat, abgerufen am 23. Juli 2014 (englisch).
    17. The Council of Europe and Non-Governmental Organisations: Promoters of democracy and active citizenship in Europe. Europarat, abgerufen am 23. Juli 2014 (englisch).
    18. Co-management. Europarat, abgerufen am 26. April 2020 (englisch).
    19. Marija Pejčinović Burić ist die neue Generalsekretärin des Europarates. In: coe.int. Abgerufen am 12. November 2019 (deutsch).
    20. Deputy Secretary General. In: coe.int. Abgerufen am 12. November 2019 (englisch).
    21. Human Rights and Democracy Report 2014, Hrsg.: Austrian Red Cross (department ACCORD).
    22. Erklärung des Ministerkomitees zur Hinrichtung von Grigori Juseptschuk in Weißrussland Hrsg.: Europarat
    23. www.todesstrafe.de
    24. Europarat nimmt Dialog mit Weißrussland wieder auf; Hrsg.: www.cafebabel.de.
    25. Deutscher Bundestag, Online-Dienste: Andreas Nick: Russland muss sich schwierigen Fragen zu Nawalny stellen. 29. Januar 2021, abgerufen am 1. April 2021.
    26. Oppermann, Classen, Nettesheim: Europarecht. 4. Auflage. München 1999, S. 26, Rn. 9
    27. Complete list of the Council of Europe's treaties. Council of Europe, 21. März 2021, abgerufen am 21. März 2021 (englisch).
    28. BGBl. 1956 II S. 564
    29. Europäisches Kulturabkommen – Volltext (Wikisource)
    30. BGBl. 1959 II S. 997
    31. BGBl. 1961 II S. 81
    32. BGBl. 1964 II S. 1261
    33. BGBl. 1976 II S. 649, 658
    34. BGBl. 1970 II S. 909
    35. BGBl. 1990 II S. 34
    36. BGBl. 1985 II S. 539
    37. BGBl. 1989 II S. 946
    38. BGBl. 1994 II S. 335
    39. BGBl. 1998 II S. 1314
    40. BGBl. 1997 II S. 1048
    41. ILM 36 [1997], S. 817
    42. ILM 37 [1998] S. 44
    43. Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels. Council of Europe Treaty Series – No. 197, Warschau, 16. Mai 2005
    44. www.coe.int
    45. BGBl. 2017 II S. 1026, 1027
    46. Details zum Vertrag-Nr.189. In: coe.int. Abgerufen am 8. August 2021 (SEV Nr. 185).
    47. Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarates im Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2009, Unterrichtung durch die Bundesregierung, Drucksache 17/1496, Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode 21. April 2010, S. 2, rechte Spalte (PDF)
    48. Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2017 (= Bundestagsdrucksache 19/1794) vom 16. April 2018, S. 4.
    49. Azerbaijan and the Council of Europe. In: The Economist, 22. März 2013, abgerufen am 3. Januar 2019.
    50. a b Claudia von Salzen: „Kein Anlass zum Feiern“; Tagesspiegel vom 4. Mai 2019.
    51. a b Werner J. Marti: „Der Europarat kuscht vor Russland“; Neue Zürcher Zeitung vom 25. Juni 2019.
    52. Experten sehen „starken Verdacht“ auf Korruption im Europarat, Süddeutsche Zeitung vom 23. April 2018.
    53. Report of the Independent Investigation Body on the allegations of corruption within the Parliamentary Assembly, 15. April 2018, S. 72, 90–91, 129, 146 und weitere, abgerufen am 3. Januar 2019.
    54. Oppermann, Classen, Nettesheim: Europarecht. 4. Auflage. 1999, S. 24, Rn. 6
    55. Haushalt, abgerufen am 3. Januar 2019. Der Angabe, der Gesamthaushalt belaufe sich im Jahr 2018 auf, widerspricht die Angabe auf derselben Webseite des Europarates, der Gesamthaushalt belaufe sich im Jahr 2018 auf 406,7 Mio. Euro.
    56. Programme et budget 2018–2019 du Conseil de l’Europe – 2019 ajusté, 18. Dezember 2018, Tableau 2 : Contributions nationales aux budgets du Conseil de l’Europe pour 2019 (en €), nach S. 183.