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Die Eghaevbo N’Ore sind die städtischen Titelträger des Königreichs Benin.

Geschichte

Die ersten Amtsränge der städtischen Titelträger, der Iyasẹ und der Esogban, entstanden in der Regierungszeit des Ọba Ewedo im 13. Jahrhundert. Bewogen von den Machtkämpfen zwischen den Nachfolgern des Ọba Eweka I. und den Uzama schuf Ewedo das Amt des Iyasẹ, um die Autorität der Uzama im Königreich Benin einzuschränken. Zudem belohnte er damit einen Gefolgsmann, dessen Beratung den Oba in die Lage versetzt hatte, seine Vormachtstellung gegenüber den Uzama zu behaupten. Der Titel Iyasẹ steht für „I ye ọna sẹẹ uwa“, was bedeutet „geschaffen, um höher zu stehen als alle vom Rang der Uzama“. Den Esogban-Titel verlieh Ewedo einem alten Mann, der ihm wiederholt gute Anregungen gegeben und in gefährlichen Situationen ermutigt hatte. Der Titel Esogan steht für „esogbane“, was „Bald ist es vorbei“ bedeutet.[1][2]

Im 15. Jahrhundert führte Ọba Ẹwuare I. die zusätzlichen Titel Esọn und Ọsuma ein, etablierte die städtischen Titelträger als Gruppe (Eghaevbo N’Ore) und machte den Iyasẹ zu deren Anführer, um die politische Macht der Uzama, der Territorialfürsten, auszubalancieren. Sie standen den verschiedenen Stadtteilen vor und repräsentierten das Volk. Neben den Uzama und den höfischen Titelträgern, den Eghaevbo N’Ogbe, waren die Eghaevbo N'Ore Teil des Staatsrats. Anders als die Uzama, deren Titel erblich waren, bekamen die meisten Eghaevbo N’Ore – wie die Eghaevbo N’Ogbe – ihren Titel jeweils vom Ọba verliehen. Doch im Unterschied zu den höfischen Titelträgern waren sie eine Gruppe von Männern, die Reichtum und Einfluss unabhängig vom Palast erreichten. Ihre Interessen lagen bei der allgemeinen Bevölkerung und so opponierten die Eghaevbo N’Ore unter Führung des Iyasẹ im Staatsrat jeweils gegen unpopuläre Maßnahmen und Bestimmungen, die diese betrafen.[1][2][3]

Im Laufe der folgenden Jahrhunderte ernannten die Ọbas weitere Eghaevbo N’Ore. Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es 13 derartige Titel, von denen acht von den Ọbas des 18. und 19. Jahrhunderts geschaffen worden waren. Die Eghaevbo N’Ore waren streng hierarisch organisiert. Die Träger der Titel Iyasẹ, Esọgban, Esọn und Ọsuma waren die ranghöchsten städtischen Titelträger und stellten die sogenannten Ikadẹlẹ n'Enẹ (vier Säulen) des Königreichs dar.[4] Im Namen und in Anwesenheit der Ọba bestätigten sie neue Titel. Davon ausgenommen waren nur die Titel des Ọba und des Oliha, des obersten Uzama. Der Höhepunkt der Zeremonie zur Bestätigung eines städtischen Titelträgers war das Ritual Egie Ẹkete. Auf ritueller Ebene waren die Eghaevbo N’Ore Teil der mystischen Einheit zwischen Volk und Ọba. Bei wichtigen Zeremonien kleideten sich die städtischen Titelträger in ihrem vollen Ornat und tanzten mit dem Ẹbẹn vor dem Monarchen.[1][5]

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Auch nach dem Ende des Königreichs Benin mit der sogenannten britischen Strafexpedition von 1897 ?. Agbo[2] 1914 wurde die Monarchie wiederhergestellt und Ọba Eweka II. bestieg den Thron. Er nahm die Rituale des Königreichs in verkürzter Form wieder auf. Die Eghaevbo N'Ore sind dabei wie früher beteiligt, sowohl an den Krönungszeremonien wie auch an den Ritualen im Rahmen des jährlichen Iguẹ-Festes.[6]

Mitglieder der Eghaevbo N’Ore

  1. Iyasẹ: Der Titel Iyasẹ ist der ranghöchste der Eghaevbo N’Ore und wurde als Gegengewicht zu den Uzama geschaffen. Der erste Iyasẹ war Iyasẹ Odigie, der aus dem Ebuya-Viertel, einem der Emehe-Dörfer im alten Benin, stammte. Ursprünglich war der Iyasẹ der militärische Befehlshaber der Truppen des Königreichs, bevor im 18. Jahrhundert diese Aufgabe auf den Ezomo, einen der Uzama, überging. Der Iyasẹ vertrat die Interessen der Bevölkerung gegenüber der Macht des Palast und war damit ab dem 16. Jahrhundert faktisch jeweils der wichtigste Gegenspieler des Ọba.[1] Das äußerte sich auch darin, dass bei einer Sitzung des vollständigen Staatsrats der Iyasẹ als Einziger das Recht hatte, den Ọba zu widersprechen oder ihn zu kritisieren.[4]
  2. Esọgban: Der Esọgban steht unter den Eghaevbo N’Ore an zweiter Stelle und ist der Stellvertreter des Iyasẹ. Während Feldzügen blieb der Esọgban, anders als der Iyasẹ und andere städtische Titelträger, in Benin, um sich um die Angelegenheiten der Stadt zu kümmern. Als Garant des Friedens und der Harmonie im Königreich ist der Esọgban der Hüter des Ediọn Ẹdo (kollektiver Ahnenschrein des Benin-Volkes) und agiert als Schiedsrichter in spirituellen und weltlichen Angelegenheiten. Er galt als Odionwere (Ältester) aller Edos im Königreich Benin. In seinem Palast, der gegenüber dem Eingang zum Palast des Oba lag, verwahrte er den Stab, der die Ahnen des ganzen Volkes symbolisierte.[1][2][5]
  3. Esọn: Der Esọn steht unter den Eghaevbo N’Ore an dritter Stelle. Er beaufsichtigt die Angelegenheiten des Iguisi-Gebiets der Stadt. Er beaufsichtigt auch die Waldgebiete des Königreichs.[1]
  4. Ọsuma: Der Ọsuma steht unter den Eghaevbo N’Ore an vierter Stelle. Laut mündlicher Überlieferung liegt der Einführung des Titels im 15. Jahrhundert die folgende Geschichte zugrunde: Ọba Ẹwuare I. hatte während seines Krieges im Osten des Reichs sein Maskottchen (?) in einem der von ihm geplünderten Dörfer vergessen. Wenn es seine Feinde gefunden hätten, wären ihnen automatisch der Sieg zugefallen. Ein treuer Diener namens Avan meldete sich freiwillig, um das Maskottchen zu holen. Das gelang ihm, doch wurde er gefangengenommen. Das Maskottchen hatte er aber unter seiner Kleidung versteckt, so dass es nicht entdeckt wurde. Nach einigen Jahren wure Avan als Sklave verkauft. Schließlich landete er im Haushalt eines Chiefs, der ihn auf einer Reise nach Benin City mitbrachte. Der Chief, der ihn als aggressiv und gefährlich einschätzte, wählte ihn aus für die Opferung eines Sklaven, die bei einem Palastbesuch üblich war. Während der betreffenden Zeremonie versuchte Avan mehrmals zu sprechen, was ihm wegen eines Knebels im Mund nicht gelang, doch der Oba wurde auf ihn aufmerksam. Der Oba befahl, ihm den Knebel abzunehmen, um zu hören, was er sagen wollte. Avan erinnerte den Ọba an das Ereignis von vor vielen Jahren. Der erfreute Ọba ordnete sofort seine Freilassung an und verlieh ihm den Titel „Nẹ a ya s’uma“ („mein Vertrauter“). Während des Rituals Ugie Ẹwẹrẹ führt der Ọsuma eine Zeremonie durch, die die Übergabe des Maskottchens an Ọba Ẹwuare I durch Avan, seinen treuen Diener, symbolisiert.[1]
  5. Iy’Ọba: Die Iy’Ọba (Königinmutter) steht unter den Eghaevbo N’Ore an fünfter Stelle. Der Titel der Iy'Ọba wurde von Ọba Ẹsigie als Zeichen der Ehre für seine Mutter (Idia) geschaffen. Nach der Inthronisierung ihres Sohnes zog die jeweilige Iy’Ọba nach Uselu, das sie beaufsichtigte. Sie ist der einzige weibliche Chief.[1] Die Iy'Ọba ist mit den Eghaevbo N’Ore gleichgesetzt und in deren Rangfolge eingebunden, doch wird sie im Allgemeinen nicht als Eghaevbo N’Ore bezeichnet.[4]
  6. Esama: Der Esama steht unter den Eghaevbo N’Ore an sechster Stelle. Dieser Titel wurde im 16. Jahrhundert von Ọba Ehengbuda geschaffen und einem herausragenden Krieger namens Amadin verliehen.[1]
  7. Ologbose: Der Ologbose steht unter den Eghaevbo N’Ore an siebter Stelle. Dieser Titel wurde 1713 von Ọba Akẹnzua geschaffen, um Iyasẹ Odẹ als Heerführer abzulösen. Doch unter dem Druck des Volkes konnte Iyasẹ Ode seinen Titel bis zu seinem Tod noch beibehalten. Der Titel des Ologbose ist erblich. Er ist der militärische Befehlshaber neben dem zu den Uzama gehörenden Ezọmọ.[1]
  8. Osula: Der Osula steht unter den Eghaevbo N’Ore an achter Stelle.[2]
  9. Ima: Der Ima steht unter den Eghaevbo N’Ore an neunter Stelle.[2]
  10. Obarisaigbon: Der Obarisaigbon steht unter den Eghaevbo N’Ore an neunter Stelle.[4]
  11. Obasuyi: Der Obasuyi steht unter den Eghaevbo N’Ore an zehnter Stelle.[4]
  12. Obaraye: Der Obaraye steht unter den Eghaevbo N’Ore an elfter Stelle.[4]
  13. Obayagbona: Der Obayagbona steht unter den Eghaevbo N’Ore an zwölfter Stelle. Dieser Titel wurde von Ọba Ovanramwen geschaffen.[4]
  14. Aiwerioghene: Der Ima steht unter den Eghaevbo N’Ore an dreizehnter Stelle. Dieser Titel wurde von Ọba Ovanramwen geschaffen.[4]

Ikadẹlẹ n’Enẹ

Vier der Eghaevbo N'Ore galten als Ikadẹlẹ n’Enẹ (vier Säulen des Königreichs) bzw. Eghaevbo N’Enẹ (die vier Säulen der Stadt): Iyasẹ, Esọgban, Esọn und Ọsuma. Sie verkörperten die vier Himmelsrichtungen: der Iyasẹ den Osten, der Esọgban den Westen, der Esọn den Norden und der Ọsuma den Süden. Den Ikadẹlẹ n’Enẹ oblag es, jeden Tag in ihrem Zuhause das als Zematon bezeichnete Ritual durchzuführen, das als Akt der Reinigung und der Erneuerung sowie der Freisetzung der mystischen Kräfte des Oba galt. Mit der Zeremonie war die Erneuerung des Treuegelöbnis gegenüber dem Oba und dessen Ahnen verbunden. Der Oba führte es in seinem Palast ebenfalls jeden Tag durch. Jeder der vier Titelträger beging das Ritual an dem ihm zugeordneten Wochentag der Edo. Die Woche der Edo bestand aus vier Tagen: Eken (Iyasẹ), Orie (Esọgban), Ehor (Esọn) und Okwor (Ọsuma). Daneben spielten die Ikadẹlẹ n'Enẹ bei der Inthronisierung des Oba neben den Uzama und Eghaevbo N’Ogbe eine große Rolle.[2][4]

Literatur

  • R. E. Bradbury: The Kingdom of Benin. In: Benin studies. Oxford University Press, London 1973, S. 44–75 (Erstausgabe: 1967).
  • Victor Oraro Edo: Hierarchie und Organisation des Königtums und des Palastes von Benin. In: Barbara Plankensteiner (Hrsg.): Benin. Könige und Rituale. Höfische Kunst aus Nigeria. Snoeck Publishers, Gent 2007, ISBN 978-3-85497-113-9, S. 91–101.
  • Jacob Uwadiae Egharevba: Bini titles. Kopin-Dogba Press, Lagos 1956.
  • Leonhard Harding: Das Königreich Benin. Geschichte – Kultur – Wirtschaft. Oldenbourg, München 2010, ISBN 978-3-486-85298-1, S. 121–122, doi:10.1524/9783486852981.
  • Itan Edo (Geschichte des Königreichs Benin) auf Homepage von Digital Benin

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k Itan Edo. In: Digital Benin. Abgerufen am 3. Mai 2024.
  2. a b c d e f g h Victor Oraro Edo: Hierarchie und Organisation des Königtums und des Palastes von Benin. In: Barbara Plankensteiner (Hrsg.): Benin. Könige und Rituale. Höfische Kunst aus Nigeria. Snoeck Publishers, Gent 2007, ISBN 978-3-85497-113-9, S. 91–101, hier S. 92-96, S. 101 Endnote 7.
  3. Leonhard Harding: Das Königreich Benin. Geschichte – Kultur – Wirtschaft. Oldenbourg, München 2010, ISBN 978-3-486-85298-1, S. 121–122, doi:10.1524/9783486852981.
  4. a b c d e f g h i R. E. Bradbury: The Kingdom of Benin. In: Benin studies. Oxford University Press, London 1973, S. 44–75, hier S. 56, 67-75 (Erstausgabe: 1967).
  5. a b c Leonhard Harding: Das Königreich Benin. Geschichte – Kultur – Wirtschaft. Oldenbourg, München 2010, ISBN 978-3-486-85298-1, S. 68–71, 115–117, doi:10.1524/9783486852981.
  6. Joseph Nevadomsky: The Benin Kingdom: Rituals of Kinship and Their Social Meanings. In: African Study Monographs. Band 14, Nr. 2, August 1993, ISSN 0285-1601, S. 65–77, doi:10.14989/68107.

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