Stadtbahngeländer

Stadtbahngeländer auf der über den Wienfluss führenden Reinprechtsdorfer Brücke
Stadtbahngeländer bei der Station Michelbeuern
Feierliche Eröffnung der Stadtbahn unter Teilnahme von Kaiser Franz Joseph I. am 9. Mai 1898 in Michelbeuern, das Geländer im ursprünglichen Hellbeige

Die Stadtbahngeländer, auch Sonnenblumengeländer oder nach ihrem Schöpfer Otto-Wagner-Geländer genannt, sind eine besondere Form der Stadtmöblierung in der österreichischen Bundeshauptstadt Wien.

Die 1895 vom Architekten und Stadtplaner Otto Wagner entworfenen,[1] gusseisernen Geländer im Jugendstil entstanden als Nebenprodukt der 1898 eröffneten Wiener Stadtbahn und stehen, wie deren gesamte Anlage, unter Denkmalschutz. Sie sind mit einem besonders hohen Wiedererkennungseffekt verbunden und prägen das Stadtbild. Seltener verwendete Alternativbezeichnungen sind Stadtbahngitter, Sonnenblumengitter und Otto-Wagner-Gitter.

Die hüfthohen, zusammen kilometerlangen,[1] Geländer sind heute überwiegend im speziellen Farbton Resedagrün gestrichen. Diese Lackierung etablierte sich allerdings erst in den 1950er Jahren, zuvor waren sie hellbeige.[2][3] Die präfabrizierten Geländer entsprechen dabei dem Gedanken der Serienfertigung in der hochindustrialisierten Zeit um 1900. Als Hersteller fungierten die Eisengußwerke Rudolph Philip Waagner in Wien sowie Breitfeld, Daněk & Co. in Blansko.[1]

Zweck

Die Stadtbahngeländer haben fünf verschiedene Aufgaben:

Standardmodell

Das zu den oben aufgeführten Zwecken überwiegend verwendete quadratische Standardgeländer ist je Element circa 75 Zentimeter hoch und 75 Zentimeter breit, die Tiefe beträgt circa acht Zentimeter. Es besteht aus einem mittigen, kreisrunden Ornament – das als lodernde Sonne, Sonnenblume oder Sonnenrad interpretiert werden kann – und vier als Halterung dienenden dünnen Diagonalstreben, die in die Ecken des Quadrats führen. Von diesen Quadraten wiederum hängen zumeist zwei mit der Verlängerung ihrer Horizontalen in einem größeren Rechteck aus Handlauf und Stütze.[4] Weiter wird diesem 1895 geschaffenen Muster nachgesagt, dass es die Initialen seines Schöpfers Otto Wagner trägt.[1]

Verwendung außerhalb Wiens

Otto-Wagner-Geländer in Ragusa um 1912, im Vordergrund ein Wagen der Straßenbahn Dubrovnik

Außerhalb Wiens kann beziehungsweise konnte das Sonnenblumengeländer noch in mindestens vier weiteren Orten angetroffen werden, die zur Bauzeit ebenfalls Teil der Habsburgermonarchie waren:

  • In der kroatischen Stadt Dubrovnik, vor 1918 meist mit ihrem italienischen Namen Ragusa zitiert, sichert ein Sonnenblumengitter im Ortsteil Boninovo bis heute auf der als Hangbrücke ausgeführten Küstenstraße Ulica branitelja Dubrovnika den Gehweg zur Adria hin ab. Als Produzent des dortigen Geländers ist jedoch Ignaz Gridl überliefert.[5]
  • In der tschechischen Großstadt Brünn ist das Otto-Wagner-Geländer ebenfalls Teil des Stadtbilds.[6]
  • Am Bahnhof der mährischen Stadt Břeclav (Lundenburg) diente ein Otto-Wagner-Geländer bis zu dessen Modernisierung als Sicherung der Bahnsteigabgänge.
  • In der niederösterreichischen Marktgemeinde Pottenstein weist die 1908 eröffnete Straßenbrücke über die Triesting ein Otto-Wagner-Geländer auf. Zwar musste die alte Brücke 1988 einem Stahlbeton-Neubau weichen, wobei das historische Geländer aber weiter verwendet wurde.[7]

Alternative Ausführungen

Über das Standardgeländer mit dem Sonnenblumenmotiv hinaus finden in Wien noch fünf weitere Modelle Verwendung:

Rund um den Hietzinger Hofpavillon entschied sich Wagner für ein besonders elegantes Geländermodell, das secessionistische Züge trägt. Seit der 2014 abgeschlossenen Sanierung tragen diese wieder ihren ursprünglichen Grünton, der dunkler ausfällt als das zwischenzeitlich auch dort verwendete Resedagrün.
Am Franz-Josefs-Kai, an der Rossauer Lände und an der Radetzkybrücke kam ein etwas stärker ornamentiertes Modell in Form von jeweils drei stilisierten Lorbeerkränzen je Segment zur Anwendung. Ein solches Segment auf Höhe Biberstraße, beim Abgang zum Badeschiff, wurde wieder im ursprünglichen Hellbeige restauriert und anlässlich Otto Wagners 100. Todestag am 11. April 2018 der Öffentlichkeit vorgestellt.[8] Die Lorbeerkränze waren ein beliebtes Stilmittel Wagners, sie sollen den Sieg des Jugendstils über den Historismus formulieren.[9] Die Geländer am Donaukanal sind nicht mehr alle original, sie wurden teilweise in den 1970er Jahren orginalgetreu in Aluminiumguss wiederhergestellt, als die dortige Galeriestrecke für den U-Bahn-Betrieb adaptiert werden musste.[10]
Im Bereich der Stiegen beziehungsweise Rampen zwischen dem Franz-Josefs-Kai und dessen tiefer liegendem Vorkai ist ein Modell anzutreffen, dass aus einem größeren und einem kleineren Maschendrahtgitter besteht. Diese Variante ist auch rund um die Wehranlage und Schleuse Kaiserbad am gegenüberliegenden Ufer des Donaukanals zu finden, dort allerdings Weiß statt Resedagrün gestrichen.
In den zur Bauzeit noch weniger dicht besiedelten Randbezirken der Stadt, zum Beispiel entlang der westlichen Unteren Wientallinie, im Bereich des Verbindungsbogens oder zwischen den beiden Türkenschanztunnels der Vorortelinie kam hingegen eine deutlich schlichtere Variante ohne Verzierungen zum Einsatz, so wie auf der Abbildung links beim Badhaussteg. Im Hintergrund das später gebaute Amtshaus für den 13. und 14. Bezirk.
Die einfachste Geländervariante existiert auch in einer Variante mit Maschendrahtgitter, im Bild links ausnahmsweise im 90-Grad-Winkel abgeknickt

Einzelnachweise

  1. a b c d Manfred Wehdorn: Die Einbeziehung der ehemaligen Wiener Stadtbahnlinien in das Streckennetz der U-Bahnanlage und der Österreichischen Bundesbahnen aus denkmalpflegerischer Sicht. In: Florian Fiedler (Hrsg.): Eisenbahn und Denkmalpflege. (= ICOMOS – Hefte des Deutschen Nationalkomitees, ISSN 2365-5623; XXVII), München 1998, ISBN 3-87490-667-1, S. 35–42 (PDF).
  2. Johannes Luxner: Otto Wagner und das Grün der 50er Jahre. Sehgewohnheiten und Wirklichkeit. In: ORF.at, 30. Dezember 2017, abgerufen am 22. März 2018.
  3. Von wegen „Otto-Wagner-Grün“: Es war weiß! In: Die Presse, 11. April 2018, S. 9 (Artikelanfang frei lesbar. In: Pressreader.com, abgerufen am 4. November 2019).
  4. Stadtbahngeländer. In: Blog In alten und neuen Städten. Philipp Eichhoff (Hrsg.), 22. Jänner 2015, abgerufen am 5. März 2018.
  5. Brigitte Breth (Wien): Kroatien: Ragusa. Impressionen von einer Wanderung. In: IDM Info. Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (Hrsg.), Ausgabe 4/2004, S. 26 (Volltext Online (PDF)).
  6. Hanna Möller (uni:view): Wien ohne Otto Wagner. Interview mit dem Stadtgeographen Walter Matznetter. In: Medienportal der Universität Wien, 9. April 2018, abgerufen am 2. November 2019.
  7. Gerhard A. Stadler: Das industrielle Erbe Niederösterreichs, Geschichte – Technik – Architektur. Böhlau, Wien 2006, ISBN 3-205-77460-4, S. 558.
  8. Otto-Wagner-Geländer im ursprünglichen Erscheinungsbild. In: Website der Metz & Partner Baumanagement ZT GmbH, 11. April 2018, abgerufen am 2. November 2019.
  9. Otto Wagners Wien: Erbe eines Visionärs. In: Reiseblog von Christian Öser, 10. April 2018, abgerufen am 4. November 2018.
  10. [Erich Schlöss: Die Wiener Stadtbahn. Wiental- und Donaukanallinie, S. 14. (= Beiträge zur Stadtforschung, Stadtentwicklung und Stadtgestaltung. Band 19). Magistrat, Wien 1987. (online)