„Georg Kerschensteiner“ – Versionsunterschied

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* München verleiht seit 1995 die ''Kerschensteiner-Medaille'' an Persönlichkeiten, die sich um die Pädagogik besonders verdient gemacht haben.
* München verleiht seit 1995 die ''Kerschensteiner-Medaille'' an Persönlichkeiten, die sich um die Pädagogik besonders verdient gemacht haben.
* 1956 wurde die ''Kerschensteinergasse'' in [[Wien]] nach ihm benannt.
* 1956 wurde die ''Kerschensteinergasse'' in [[Wien]] nach ihm benannt.
* Mehrere Straßen wie in [[Aschaffenburg]], [[Bremen]]-[[Vegesack]], [[Germering]], [[Hamburg]]-[[Harburg-Wilhelmsburg|Harburg]], [[Leverkusen]], [[Lübeck]], [[Mainz]], [[Soltau]], [[Troisdorf]] oder [[Weilheim in Oberbayern|Weilheim]] tragen seinen Namen.
* Mehrere Straßen wie in [[Aschaffenburg]], [[Bremen]]-[[Vegesack]], [[Germering]], [[Hamburg]]-[[Harburg-Wilhelmsburg|Harburg]], [[Leverkusen]], [[Lübeck]], [[Mainz]], [[München]], [[Soltau]], [[Troisdorf]] oder [[Weilheim in Oberbayern|Weilheim]] tragen seinen Namen.
* Mehrere, vorwiegend berufliche, Schulen sind nach Kerschensteiner benannt.
* Mehrere, vorwiegend berufliche, Schulen sind nach Kerschensteiner benannt.



Version vom 30. Juni 2015, 07:35 Uhr

Georg Kerschensteiner (Georg Michael Kerschensteiner; * 29. Juli 1854 in München; † 15. Januar 1932 in München) war ein deutscher Pädagoge und Begründer der Arbeitsschule. Vor allem zur Entwicklung der deutschen Volksschule und Berufsschule steuerte er damit wesentliche Ideen bei.

Leben

Kerschensteiners Eltern waren das verarmte Kaufmannsehepaar Anton und Katharina Kerschensteiner. Mit sechs Jahren besuchte er die Heiliggeist-Pfarrschule in München und wurde mit acht Jahren wegen Bandendiebstahls in Arrest genommen. 1866, im Alter von zwölf Jahren, folgten Präparandenschule und Königliches Lehrseminar, von 1871 bis 1873 die Arbeit als Dorfschulgehilfe in Forstinning und Lechhausen. 1874 verließ Kerschensteiner auf eigenen Wunsch den Schuldienst und nahm Privatunterricht, besucht die beiden letzten Klassen eines Gymnasiums und verdiente sich seinen Lebensunterhalt durch Musikunterricht. 1877 bis 1880 studierte er Mathematik und Physik an der Technischen Hochschule München, 1880 bis 1883 an der Ludwig-Maximilians-Universität mit abschließender Promotion (Über die Kriterien für die Singularitäten rationaler Kurven vierter Ordnung).

Seit 1883 war Kerschensteiner Gymnasialassistent für Mathematik und Physik am Melanchthon-Gymnasium in Nürnberg, ab 1885 Mathematiklehrer an der städtischen Handelsschule, ab 1890 Gymnasiallehrer für Mathematik und Physik am Gustav-Adolf-Gymnasium in Schweinfurt, von 1893 an am Ludwigsgymnasium München. 1895 wurde er zum Schulrat von München gewählt. Als solcher trat er 1918 zurück und wurde Honorarprofessor in München.

Reformpädagoge

Die Wahl zum Stadtschulrat in München 1895 lenkte ihn auf die Reform des Volksschullehrplans, z. B. mit der Einrichtung eines achten Pflichtschuljahres. Es folgte 1900 die Einrichtung von Arbeitsunterricht und der Arbeitsschulen, Vorläufer der heutigen Berufsschulen. Kurz darauf wurden die Arbeitsschulen mit Werkstätten und Schulgarten ausgestattet. Die Arbeitspädagogik etablierte sich als Begriff für das heute als Handlungsorientierung wieder aufgegriffene Unterrichtsprinzip.

Seine Grundgedanken legte er 1901 in Die staatsbürgerliche Erziehung der deutschen Jugend dar, womit er den 1. Preis eines Wettbewerbs der Erfurter Akademie gewann: „Womit ist unsere männliche Jugend von der Entlassung aus der Volksschule bis zum Eintritt in den Heeresdienst am zweckmäßigsten für die bürgerliche Gesellschaft zu erziehen?“ Eine neue Berufsschule sollte die Jugend vor sittlicher Verwahrlosung auf der Straße bewahren und durch Unterricht zur Berufsausbildung und „staatsbürgerlichen Unterricht“ mit politischer Bürgerkunde und Gesundheitslehre sowie Turnen und Wanderungen den gesamten Staat veredeln helfen. Die Forderung einer politischen Bildung für alle war neu. Die eher konservativen Erziehungsziele lagen in fleißiger Arbeitsamkeit und unbedingtem Gehorsam. Für Kerschensteiner bedeutete diese „Gründungsurkunde“ der Fortbildungsschule (bzw. später Berufsschule) einen Beitrag zur Lösung der sozialen Frage. In München gestaltete er das Schulwesen um und fand viele Nachahmer im In- und Ausland.

Seit 1918 lehrte er als Honorarprofessor für Pädagogik an der Universität München und empfing im Alter zahlreiche Ehrungen und Rufe aus dem In- und Ausland. 1920 nahm er an der Reichsschulkonferenz teil und war dort Kontrahent von Hugo Gaudig, besonders im Streit um die richtige Ausrichtung der Arbeitspädagogik. Im selben Jahr wurde er ordentlicher Professor in München und veröffentlichte 1921 ein Werk zur Lehrerbildung Die Seele des Erziehers. Es folgten noch die Theorie der Bildung (1926) und die Theorie der Unterrichtsorganisation (postum 1933).

Kerschensteiner tat sich auch als Didaktiker des Kunstunterrichts hervor und publizierte 1905 Die Entwicklung der zeichnerischen Begabung nach der Analyse von rund dreihunderttausend Kinderzeichnungen.[1]

Politiker

Von 1912 bis 1919 war Kerschensteiner Reichstagsabgeordneter für die Fortschrittliche Volkspartei (später Deutsche Demokratische Partei). Im Ersten Weltkrieg zeigte er eine stark nationalistische Position. In der Münchner Novemberrevolution 1918 wurde er akut bedroht.

Ehrungen

Anliegen

Wesentlich ist für Kerschensteiner – wie bei Pestalozzi und John Dewey – den Kindern mehr Wollen und Können statt Wissensfülle zu lehren sowie Anschauung und Selbsttätigkeit zu fördern statt passiver Belehrung in Kindheit und Pubertät. „Das Wesen des Menschen um diese Zeit ist Arbeiten, Schaffen, Wirken, Probieren, Erfahren, Erleben, um ohne Unterlass im Medium der Wirklichkeit zu lernen.“ (In: Die Schule der Zukunft eine Arbeitsschule. S. 27 f.) Spontaneität und manuelles Tun gehören zur pädagogischen Arbeit. Kerschensteiner richtete neben der Einführung von kindgemäßem Physik- und Chemieunterricht Holz- und Metallwerkstätten, Schulküchen und Schulgärten ein. Nach seiner Aussage müsse pädagogische Arbeit manuell, praktisch und geistig zugleich geprägt sein.

Als Befürworter der Eigenbewertung schulischer Leistungen regt er an, dass jeder Schüler für sich selbst ein Urteil finden müsse. Seine Zielvorstellung lag in Bildung, die er zugleich als Charakterbildung und Erziehung zum Staatsbürger verstand; diese kann nach seiner Auffassung auch durch Berufserziehung verwirklicht werden.

Schriften

  • Die staatsbürgerliche Erziehung der deutschen Jugend. 1901 (10 und mehrfach veränd. Auflagen bis 1931)
  • Grundfragen der Schulorganisation. 1907
  • Begriff der Arbeitsschule. 1912; Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002, ISBN 3-534-15195-X
  • Charakterbegriff und Charaktererziehung. 1912
  • Wesen und Wert des naturwissenschaftlichen Unterrichts. 1914
  • Das Grundaxiom des Bildungsprozesses und seine Folgerungen für die Schulorganisation. 1917; Dieck, Heinsberg 1999, ISBN 3-88852-406-7
  • Deutschlands Recht. Verlagsanstalt Carl Gerber, München 1919
  • Die Seele des Erziehers und das Problem der Lehrerbildung. 1921
  • Autorität und Freiheit als Bildungsgrundsätze. (=Entschiedene Schulreform Heft 28), Ernst Oldenburg Verlag, Leipzig 1924
  • Theorie der Bildung. 1926
  • Pädagogik der Gegenwart in Selbstdarstellung, 1. 1926
  • Texte zum pädagogischen Begriff der Arbeit und zur Arbeitsschule. Schöningh, Paderborn 1982, ISBN 3-506-78327-0

Literatur

  • Gabriele Fernau-Kerschensteiner: Georg Kerschensteiner oder Die Revolution der Bildung. Steinebach, München und Düsseldorf 1954
  • Philipp Gonon: Kerschensteiner and Education. In: T. Husen und T. N. Postlethwaite (Hrsg.): The international Encyclopedia of Education. 2. Auflage, Pergamon, Oxford 1994, Band 6, S. 3133–3138
  • Johannes Jung: Georg Kerschensteiner (1854–1932) und die Arbeitsschulbewegung. In: Astrid Kaiser und Detlef Pech (Hrsg.): Geschichte und historische Konzeptionen des Sachunterrichts. Schneider-Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2004, ISBN 3-89676-860-3, S. 102–105
  • Marie Kerschensteiner: Georg Kerschensteiner. Der Lebensweg eines Schulreformers. Oldenbourg, München und Berlin 1939; 3. erweiterte Auflage ebd. 1954
  • Michael Knoll: Dewey versus Kerschensteiner. Der Streit um die Einführung der Fortbildungsschule in den USA, 1910-1917. In: Pädagogische Rundschau. Band 47, 1993, S. 131–145.
  • Susanne May, Elisabeth Tworek und Willibald Karl (Hrsg.): München machte Schule. Georg Kerschensteiner. Symposium zum 150. Geburtstag des Münchner Reformpädagogen. Dokumentation der Münchner Volkshochschule. Allitera-Verlag, München 2005, ISBN 3-86520-097-4 (Leseprobe als PDF)
  • Christine Mayer: „… und daß die staatsbürgerliche Erziehung des Mädchens mit der Erziehung zum Weibe zusammenfällt“ – Kerschensteiners Konzept einer Mädchenerziehung. In: Zeitschrift für Pädagogik. Band 38, 1992, Nr. 5, S. 771–791
  • Ingo Nickel: Von Kerschensteiner bis zur Lernwerkstatt. Theorie und Praxis einer ganzheitlichen Berufsorientierung. Mit Modellbeispielen. Schneider-Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2005, ISBN 3-89676-981-2
  • Gerhard Wehle: Praxis und Theorie im Lebenswerk Georg Kerschensteiners. Weinheim: Beltz 1956, 2/1964.
  • Gerhard Wehle: Bibliographie Georg Kerschensteiner. Im Druck erschienene Schriften, Reden und nachgelassene Manuskripte. Westdeutscher Verlag, Opladen 1987, ISBN 3-531-03213-5
  • Theodor Wilhelm: Die Pädagogik Kerschensteiners. Vermächtnis und Verhängnis. Stuttgart: Metzler 1957.
  • Ludwig Englert: Kerschensteiner, Georg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-00192-3, S. 534–536 (Digitalisat).
  • Ulrich HemelKerschensteiner, Georg. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 3, Bautz, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-035-2, Sp. 1407–1412.

Einzelnachweise

  1. Die Entwickelung der zeichn. Begabung, Vorwort S. X
  2. Ehrenpromovenden der TH/TU Dresden. Technische Universität Dresden, abgerufen am 6. Februar 2015.