Reerdigung

Die Reerdigung ist eine alternative Bestattungsform. Der tote Körper wird in einem sargähnlichen Behältnis durch die körpereigenen Mikroorganismen innerhalb von 40 Tagen in Humus verwandelt.

Prozess

Der Leichnam wird in einem 2,50 m langen, sargähnlichen Kokon auf pflanzliche Materialien (Grünschnitt und Stroh) gebettet. Luftzufuhr sorgt für genügend Sauerstoff. Natürliche Mikroorganismen transformieren den Körper im biochemischen Prozess der Humifizierung innerhalb von 40 Tagen in humusartige Erde.[1][2]

Die Erde wird anschließend aus dem Behältnis entnommen. Ähnlich wie bei der Kremierung werden verbleibende Zähne und Knochenfragmente in einer Knochenmühle zermahlen. Außerdem werden chirurgische Metallteile entfernt und je nach Gesetzeslage recycelt oder beigesetzt.[2]

Die bei der Reerdigung beteiligten Mikroorganismen erzeugen Temperaturen von rund 70° Celsius. Dadurch findet eine Sterilisation der verbleibenden Erde statt.[3] Das Erdsubstrat enthält keine individualtypischen DNA-Fragmente mehr.[4]

Rechtslage in Deutschland

Die Erde aus einer Reerdigung muss in Deutschland gemäß dem geltenden Friedhofspflicht auf einem Friedhof bestattet werden. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen hat in einer Rundmail vom August 2023 an die Bezirksregierungen klargestellt, dass die Reerdigung gemäß dem Bestattungsgesetz NRW aktuell keine zulässige Bestattungsart ist.[5] Im Oktober 2023 untersagte auch der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek in einem Schreiben an den Bestatterverband Bayern das Verfahren.[6]

Geschichte

Die Idee der Reerdigung geht auf die US-Amerikanerin Katrina Spade zurück, die 2014 die gemeinnützigen Organisation Urban Death Project und 2017 darauf aufbauend die gemeinnützige Gesellschaft Recompose gründete. Im englischsprachigen Raum wird der Begriff “natural organic reduction (NOR)”, “human composting” und “terramation” verwendet. Washington wurde 2020 der erste Bundesstaat der USA, der das Prinzip der Reerdigung legalisierte,[7] und mehrere Staaten sind seitdem gefolgt.[8]

Im deutschen Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts erscheint die Reerdigung seit 2021 als Gattungsbegriff.[9] Die erste Reerdigung in Deutschland wurde im Februar 2022 in Mölln (Schleswig-Holstein) vorgenommen.[10][11]

Einzelnachweise

  1. Gesundheitsministerium informiert in Innen- und Rechtsausschuss zum Pilotprojekt einer neuen Bestattungsform. Abgerufen am 23. November 2023.
  2. a b Reerdigung – ein neuer Trend im hohen Norden?. bestatterdeutschland.de, abgerufen am 9. August 2023.
  3. Anhang 2 BioAbfV - Einzelnorm. Abgerufen am 23. November 2023.
  4. Marcus Schwarz, Lisa Höfert, Ludwig Kutschera, Neele Dreißig, Susen Becker, Michael Kohl, Sven Baumann, Carsten Babian, Jan Dreßler: Die „Reerdigung“ - Eine neue Bestattungsform aus forensischer Sicht. In: Rechtsmedizin. 17. Januar 2024, doi:10.1007/s00194-023-00681-6.
  5. Kirchliches Amtsblatt des Erzbistums Paderborn 2023, Stück 8, Nr. 88 (S. 103). (PDF) 18. August 2023, abgerufen am 17. September 2023.
  6. Reerdigung verboten. Spiegel Online, 27. Oktober 2023, abgerufen am 27. Oktober 2023.
  7. Brendan Kiley: Washington becomes first state to legalize human composting. In: The Seattle Times. 21. Mai 2019, abgerufen am 26. Oktober 2022 (amerikanisches Englisch).
  8. Tracker: Where Is Human Composting Legal. In: Earth. Abgerufen am 20. April 2023 (amerikanisches Englisch).
  9. Jürgen Gaedke, Bearbeitung: Torsten F. Barthel (Hrsg.): Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts. 13. Auflage. Carl Heymanns, Köln 2021, ISBN 978-3-452-29697-9, S. 207 f.
  10. Christoph Koch: Erde zu Erde. In: brand eins. Abgerufen am 17. November 2022.
  11. Jörn Straehler-Pohl: Bestattungsform Reerdigung – Auf einem Bett aus Stroh zu Erde werden. deutschlandfunkkultur.de, 17. März 2022, abgerufen am 26. Oktober 2022.