Karoline Wittmann

Selbstbildnis (1954)

Karoline Wittmann geborene Erlacher (* 26. Februar 1913 in München-Bogenhausen; † 15. März 1978 ebenda) war eine deutsche Malerin des Expressiven Realismus.

Leben

Nach dem Schulabschluss an der Höheren Mädchenschule Küspert im Lehel in München arbeitete Karoline Erlacher im elterlichen Galanteriewarengeschäft in Bogenhausen, Ismaninger Straße 77. Angeregt von den Ausstellungen im Münchner Glaspalast besuchte sie Ende der 1920er Jahre die Malschule von Moritz Heymann. Dort lernte sie Maler kennen wie Wolfgang von Websky, der bereits 1921 in dieser Malschule studierte, sowie die Malerin Maria del Pilar von Bayern, mit der Karoline Wittmann in den 1950er Jahren in der Gedok Mitglied war, sowie Peter von Rawita-Ostrowski, der sie zweimal porträtierte. Beide Bilder befinden sich im Nachlass von Karoline Wittmann. Moritz Heymann war Jude und seine Malschule wurde 1933 von den Nazis geschlossen. Aus Verzweiflung mietete Moritz Heymann sich ein Zimmer im Hotel am Münchner Hauptbahnhof und stürzte vom obersten Stockwerk zu Tode. Es war Heinrich von Zügel, der in Bogenhausen eine Villa mit Atelier hatte und gelegentlich im elterlichen Laden Malbedarf einkaufte, der sie bestärkte, ab 1935 ein Studium an der Münchener Kunstakademie zu beginnen. Sie studierte Grafik bei Adolf Schinnerer, Aktmalerei bei Max Mayrshofer und in der Meisterklasse von Julius Hess. Julius Hess verehrte Paul Cézanne, also einen Malstil, deren Vertreter Adolf Hitler verächtlich „die Französlinge“ bezeichnete.

Karoline Wittmann: Zwei Schwestern, 1962

1938 heiratete sie den Holzbildhauerstudenten Paul Wittmann, den ältesten Sohn von dem Kirchenmaler Josef Wittmann. Sie bezogen das Wohnatelier am Pullacher Platz 8 in München. Spätestens 1940 entstand das Bild Mutter mit Kind in der Endfassung (Werkverzeichnis 1940/8), ein Porträt ihrer Schwester Maria Pöltl mit ihrem Kind „Schorschi“. Dieses Kind kam am 13. Februar 1945 mit 16 Jahren ins KZ Dachau. Seine Häftlingsnummer war 140 997. Nach neuesten Erkenntnissen durch das Institut für Stadtgeschichte und Erinnerungskultur wurde Georg Pöltl mit Rudolf Bierle erwischt, als sie in einer ausgebombten Villa in der Möhlstraße im Weinkeller einstiegen und sich angetrunken hatten. Als Karoline Wittmann und ihre Schwester Anfang April 1945 Lebensmittel für Georg Pöltl an der Pforte des KZ Dachau abgeben wollten, sagte man ihnen: „Sie können das wieder mitnehmen und eine Handvoll Asche dazu.“

Dieses Bild „Mutter mit Kind“ WVZ 1940-8 befindet sich heute im Zentrum für verfolgte Künste und war 2013 im Deutschen Bundestag sowie im Museum Montanelli Prag anlässlich der Ausstellung Kunst in der Katastrophe und auch im Ephraim-Palais Berlin ausgestellt.[1]

Bei den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs verlor sie in einer Bombennacht große Teile ihres Frühwerks, das sich in der Münchner Akademie bzw. im Atelier in Thalkirchen befand. Ab 1945 arbeitete sie als freischaffende Malerin. Ihre Vorbilder waren Vincent van Gogh, Paul Cézanne und Lovis Corinth. Karoline Wittmann war Mitglied der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft, des Berufsverbandes Bildender Künste / BBK-München und der Gedok. In der jährlichen „Großen Kunstausstellung“ im Haus der Kunst stellte sie von 1949 bis 1960 aus. Ihr letztes Bild entstand 1965.

Karoline Wittmann starb am 15. März 1978 in München und wurde auf dem Münchner Nordfriedhof (Sektion 128, Reihe 2, Grab 5) beigesetzt. In der Großen Kunstausstellung 1978 im Haus der Kunst München wurden zwei Landschaftsbilder zu ihrem Gedächtnis in der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft ausgestellt und in der ersten Woche verkauft. Zu Lebzeiten hatte Karoline Wittmann drei Sonnenblumenbilder verkauft.

Posthum

Das Lebenswerk Karoline Wittmanns wurde erst posthum 1996 von Matthias Arnold und 2010 von Ingrid von der Dollen publiziert. Es umfasst ca. 340 im Werkverzeichnis erfasste Ölbilder, Aquarelle sowie Radierungen. Der künstlerische Nachlass der Malerin befindet sich in ihrem Atelier in München-Thalkirchen, das sie 1938 bezogen hatte, und wird von ihrem Sohn Paul Maria Wittmann verwaltet.

2021 erinnerte die Ausstellung ...und sie malten doch! Malerinnen des expressiven Realismus im Mädler Art Forum in Leipzig an Künstlerinnen, die zur Zeit der Weimarer Republik künstlerisch hervorgetreten waren, durch den Nationalsozialismus aber in ihrer Kunst behindert wurden und nach 1945 von der Bühne der Kunst weitgehend verschwunden waren. Unter den Werken, die aus der Sammlung von Joseph Hierling aus Tutzing stammten, wurden auch Stillleben von Karoline Wittmann aus den Sechzigerjahren präsentiert.[2]

Ausstellungen (Auswahl)

Beteiligungen
  • 1949–1960: Große Kunstausstellung, Haus der Kunst, München
  • 1955–1956: Contemporary Women’s Painting in Germany von GEDOK in Bombay, Kalkutta und Neu Delhi
  • 1958: München 1869 bis 1958. Aufbruch zur Modernen Kunst. Haus der Kunst, München[3]
  • 2005: Unser Weg durch die Nacht, Bürgerstiftung für verfemte Künste mit der Sammlung Gerhard Schneider, Solingen
  • 2013: Kunst in der Katastrophe, Paul-Löbe-Haus[4]
  • 2014: Wegmarken, Kunsthalle Schweinfurt
  • 2014: Feld-, Wald- und Wiesenlandschaften, Sammlung Joseph Hierling, Kunsthalle Schweinfurt
  • 2015: Eröffnung des Zentrums für verfolgte Künste
  • 2015: Mensch und Mythos. Walter Becker und die verschollene Generation, Kunsthalle Schweinfurt
  • 2016: Entartete Kunst, Verfolgung der Moderne im NS-Staat, Sammlung Gerhard Schneider, Kallmann-Museum, Ismaning
  • 2018: Malerinnen der Sammlung Joseph Hierling, Bildkunst der verschollenen Generation, Kunsthalle Schweinfurt
  • 2020: Sehnsucht nach dem Süden, Bildkunst der verschollenen Generation, Sammlung Joseph Hierling, Mädler Art Forum, Leipzig
  • 2020: Malerinnen des Expressiven Realismus, Museum im Steinhaus, Nagold
  • 2021: …Und SIE MALTEN DOCH! Malerinnen des Expressiven Realismus, Sammlung Joseph Hierling, Mädler Art Forum, Leipzig
  • 2022–23:Der Blick in den Spiegel, Selbstbildnisse einer „verschollenen“ Generation, Sammlung Joseph Hierling, Mädler Art Forum Leipzig. Katalog ISBN 978-3-925435-43-0 mit Abb.
  • 2022–23:Flores y mujeres aus der Sammlung Joseph Hierling, Buchheim Museum Bernried. Katalog Buchheim Verlag, Autor Ingrid von der Dollen mit Beiträgen von Burcu Dogramaci, Eugen Gomringer, Nora Eugenie Gomringer, Thomas Schmid, Daniel J. Schreiber, Margarete Stokowski. Mit Abb..

Arbeiten in Museen und Sammlungen

  • Bernried, Buchheim Museum Sammlung Joseph Hierling
  • Dachau, Gemäldegalerie
  • München, Städtische Galerie im Lenbachhaus
  • München, Staatliche Graphische Sammlung
  • Schweinfurt, Kunsthalle

Literatur

  • Wittmann, Karoline. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 5: V–Z. Nachträge: A–G. E. A. Seemann, Leipzig 1961, S. 156 (Textarchiv – Internet Archive – Leseprobe).
  • Matthias Arnold: Karoline Wittmann. Leben und Werk der Münchner Malerin, Anderland, München 1996, ISBN 3-926220-65-1.
  • Ingrid von der Dollen: Karoline Wittmann 1913–1978 Das malerische Werk der Münchnerin, Hierling Verlag, Tutzing 2010, ISBN 978-3-925435-22-5.
  • Wittmann, Karoline. In: Andreas Beyer, Benedicte Savoy und Wolf Tegethoff(Hrsg.): Allgemeines Künstlerlexikon des XX.Jahrhunderts. Band 116, Ausgabe 2022. Text: Ingrid von der Dollen.

Die Literatur zu Karoline Wittmann ist mit dem digitalisierten Archiv von Karoline Wittmann seit November 2022 in der Bibliothek des Lenbachhauses von Frau Dr. Althaus eingebracht und zugänglich.

Weblinks

Commons: Karoline Wittmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Siehe hierzu Publikation Expressive Gegenständlichkeit – Schicksale figurativer Malerei und Grafik im 20. Jahrhundert: Werke aus der Sammlung Gerhard Schneider, Seite 609–610, Abb. 590, 191, 192, ISBN 3-935019-20-3.
  2. Ulrike Thielmann: "... UND SIE MALTEN DOCH!" Leipziger Ausstellung zeigt verschollene Generation von Malerinnen, MDR Kultur, 28. Mai 2021
  3. Wittmann, Karoline, München. Geb. 1913 München, in: Siegfried Wichmann u. a.: Aufbruch zur modernen Kunst (Ausstellungskatalog), Haus der Kunst, München 1958S. 480
  4. Marcus Woeller: Im Hintergrund scheint ein Hakenkreuz auf, Berliner Morgenpost, 6. März 2013