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Die Bezeichnung Trophäenkommissionen[1], [2] bezieht sich auf Personengruppen von sowjetischer Fachkräfte aus Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Kultur in höheren militärischen Rängen des 2. Weltkrieges und der Nachkriegszeit, jedoch ohne militärische Einflussnahme, aber mit Befugnissen betreffs ihrer fachbezogenen Aufgaben. Diese Bezeichnung wurde später zum Synonym für adäquate Fachkräfte aller Alliierten.

Darunter sind jedoch auch Einzelpersonen zu verstehen. Es galt, sowohl Laboratorien, Betriebe und Patentämter nach technisch-technologischen Projekten zu durchforsten als auch Wissenschaftler zu suchen, die im Dritten Reich die Leistungsträger waren. Diese Personen oder Personengruppen begleiteten die vorrückenden Divisionen. Besonderes Interesse galt den Atomforschern (u. a. Manfred von Ardenne und Werner Heisenberg), den Flugzeug- und Raketenbauern (u. a. Wernher von Braun und Helmut Gröttrup). Weiteres Interesse bestand an der Entwicklung moderner elektronischer Geräte, der Farbfilmetechnik und der Entwicklung von Chemiewaffen.

Dem Begriff Trophäenkommission kann man noch die Begriffe Trophäenorgane[1], Trophäenbrigaden[3], Trophäenjäger und Trophäenkonto[4] zuordnen.[5] Sie fungierten auch als „Verbindungsoffiziere“ zwischen militärischen und den fachlichen Organisationen[6] und „Kulturoffiziere".[7] Bei den englischen und amerikanischen Behörden findet sich hierfür die Bezeichnung „Intelligence-Stäbe“ und „Intelligence-Crew“[8]. Hierunter zählt auch das amerikanische „Office of Scientific Research and Development“ (OSRD) unter Vannevar Bush[8]. Über die diesbezüglichen französischen Aktionen sind keine Nachweise bekannt.

Diese Personen und Personengruppen operierten auf Basis von Anforderungs- und Wunsch-Listen:

  • So forderte das ZK der KPdSU von den größten sowjetischen Bibliotheken bereits Ende 1944 sich zu Fragen der Ausfuhr von Bibliotheksausrüstungsgegenständen, Bibliotheken und Büchersammlungen zu äußern. Im November 1945 wurden ergänzende Anforderungen u. a. von der Akademie der Wissenschaften, dem Kunst-Komitee, der Obersten Archivverwaltung der UdSSR sowie der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften gestellt.[9] In diese Recherche eingeschlossen war auch die Suche nach sowjetischen Objekten, die als Beutegut der Deutschen sich in Deutschland befinden müssten.
  • Die Westalliierten orientierten sich an der Osenberg-Liste.[8] Das Alliierte Oberkommando hatte die T-Forces ermahnt, ihr besonderes Augenmerk auf die mit der Industrie eng verbundenen Hochschulen und Universitäten zu richten. Das betraf u. a. Leipzig, Halle und Jena.[8]

Diese Personen und Personengruppen sowie ihre Tätigkeiten etablierten sich als Instrument des Kalten Krieges: „Bislang akzeptierte Normen menschlichen Verhaltens wurden außer Kraft gesetzt. … Alles war erlaubt, wenn es dazu diente, auf dem schnellsten Wege so viele deutsche Wissenschaftler wie möglich in … Dienst zu stellen.“[10], [11] Die verschiedensten Gruppen operierten unabhängig voneinander, kooperierten jedoch auch. Dadurch erfolgte aus wissenschaftlicher Sicht eine unzulässige Zerstörung von Kollektionen. Es ist jedoch auch zu bedenken, dass vor dem Zugriff dieser Gruppen vorbeiziehende militärische Einheiten sowie auch die ansässige Bevölkerung Plünderungen vorgenommen haben. Des Weiteren ist der Übergang zwischen den legalen Reparationsleistungen und diesem illegalen Szenario fließend.

Beispiele (Auswahl)

  • In der Zielfahndung des sowjetischen Geheimdienstes NKWD stand für die Mitwirkung an der deutschen Atomforschung neben Manfred von Ardenne und Gustav Hertz. Am 10. Mai 1945 stellte Manfred von Ardenne auf Anraten von Generaloberst V. A. Machnejew, dem Beauftragten für den Sektor Wissenschaft und Technik und Verbindungsoffizier zur sowjetischen Akademie der Wissenschaften, einen Antrag auf wissenschaftliche Zusammenarbeit, dem stattgegeben wurde. Gustav Hertz wurde in einem sowjetischen Militärflugzeug mit einer Gruppe von Mitarbeitern am 13. Juni 1945 nach Moskau-Tuschino ausgeflogen.[12]
  • Raketenentwicklung:
Hierfür war von Seiten der Sowjetunion der bereits vor dem 2. Weltkrieg international bekannte Raketen-Konstrukteur Sergei Pawlowitsch Koroljow im Range eines Generals u. a. im Zentralwerk Bleicherode sowie am 22. Oktober 1946 bei der Aktion Ossawakim tätig.[13],[14]
  • weitere wissenschaftliche und technische Objekte
  • Gemäß Reparationsleistungen wurde technisches Gerät aus Industriebetrieben der SBZ in die SU mit hohem Aufwand über Straße und Schiene verbracht. Beispiele sind die Firmen SIEMENS[15], „VEM Sachsenwerk“ Dresden, Gustav Barthel für Lötgeräte Dresden sowie STANZILA für Blechverarbeitung Dresden, wodurch die durch den Krieg geschwächte Volkswirtschaft der SBZ weiter dezimiert wurde.
  • Von der amerikanischen Zwangsevakuierung in Sachsen und Thüringen waren Unternehmen betroffen, die moderne Verfahren angewandt hatten und moderne Erzeugnisse produzierten: Siemens, Telefunken, Siebel Flugzeugwerke, Junkers Motorenbau und Junkers Flugzeugwerk, Agfa Wolfen, Rheinmetall-Borsig AG, Deutsche Solvay-Werke GmbH Bernburg a. d. Saale, I.G. Farben Bitterfeld und Leuna und weitere Betriebe.[8]
  • In Leipzig erfolgte durch das US-amerikanische Counter Intelligence Corps, die sich hier stark nach der Osenberg-Liste orientierten.[8] die Zwangsevakuierung von ca. 35 Wissenshaftlern zwischen dem 22. und 27. Oktober 1945 Betroffen waren u.a. das Physikalische (insbesondere ehemalige Mitarbeiter von Heisenberg) und das Chemische Institut sowie medizinische Institute.[8]
  • In Jena wurden durch US-amerikanische Sondereinheiten von den Carl Zeiss Werke sowie dem mit ihm eng verbundenen Glaswerk Schott & Genossen etwa 1700 Mitarbeiter vom 18. bis 25. Juni 1945 unter dem Motto „We take the brain" nach Heidenheim zwangsevakuiert. Zeiss war der weltweit führende Hersteller optischer und feinmechanischer Präzisionsgeräte von größter militärischer Bedeutung.[8] Mit der Eingliederung Thüringens in die SBZ erfolgte durch die sowjetischen Besatzer in den Folgemonaten eine zweite Verschleppung von Mensch und Material in die Sowjetunion.
  • Kunst- und bibliophile Objekte[16]:
Kunstobjekte z. B. aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wurden während des 2. Weltkrieges u. a. in dem ehemaligen Eisenbahnstollen bei Großcotta südlich von Pirna sichergestellt. Sie standen auf der Oberservationsliste dieser Fachkräfte. Die entsprechenden Objekt gingen als Beutekunst ins Ausland.[3] Gleiches betraf das Kalkwerk Lengefeld. Weiter Beispiele aus der Kunstszene betreffen Pillnitz, Georgium, Schwertscheide von Gutenstein, Stolbergische Bibliothek Wernigerode, Rüstkammer der Wartburg, Museum für Asiatische Kunst, Schloss Friedenstein in Gotha, Pyramide von Rapa in Rapa/Polen, Thüringer Museum in Eisenach, Universitätsbibliothek in Erfurt, Steinsalzbergwerk Bernburg, Stadtbibliothek in Magdeburg

Einzelnachweise

  1. a b Die Trophäenkommissionen der Roten Armee : eine Dokumentensammlung zur Verschleppung von Büchern aus deutschen Bibliotheken. In: Lehmann, Klaus-Dieter; Kolosa, Ingo (Hrsg.): Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie; 64. Klostermann, Frankfurt am Main 1996, S. 175, 178 (Dokument Nr. 28 vom 2. Halbjahr 1946: „Bericht über die Tätigkeit des Bevollmächtigten des Komitees für Angelegenheiten der Kultur- und Bildungs-Behörden bei dem Rat der Volkskommissare in der sowjetischen Okkupationszone Deutschlands, Seite 173-181).
  2. Kurt Reinschke: Kriegsende und Wiederbelebung des Hochschulbetriebs in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). In: Die Ideologisierung der sächsischen Hochschulen von 1945 bis 1990. Sächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Dresden 2015, S. 13.
  3. a b Geschichte der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Abgerufen am 11. Juli 2017.
  4. Erich Sobeslavsky, Nikolaus Joachim Lehmann: Zur Geschichte von Rechentechnik und Datenverarbeitung in der DDR 1946–1968. In: Berichte und Studien Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung; 8. Hannah-Arendt-Inst. für Totalitarismusforschung, Dresden 1996, S. 132.
  5. siehe auch Beutekunst (Zweiter Weltkrieg)
  6. Gerhard Barkleit: Manfred von Ardenne. Selbstverwirklichung im Jahrhundert der Diktaturen. Duncker & Humblot, Berlin 2008, ISBN 978-3-428-12790-0, S. 88 - 89 (darin Bezug auf BStU Ast. Dresden. AOP 2554/76, Bd. 40, Bl. 104).
  7. wie bei Jewgeni Fjodorowitsch Lutschuweit
  8. a b c d e f g h Henke, Klaus-Dietmar: Die amerikanische Besetzung Deutschlands. Bohlau Verlag, München 1995, ISBN 3-486-54141-2, S. 745–762.
  9. Die Trophäenkommissionen der Roten Armee : eine Dokumentensammlung zur Verschleppung von Büchern aus deutschen Bibliotheken. In: Lehmann, Klaus-Dieter; Kolosa, Ingo (Hrsg.): Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie; 64. Klostermann, Frankfurt am Main 1996, S. 14–15, 175 (u. a. Dokument Nr.1 „Auflistung einiger deutscher Bibliotheken, deren Bestände zweckmäßigerweise in die Verfügungsgewalt der UdSSR zu überführen sind, unabhängig von den Bücherreparationszahlungen Deutschlands an die Sowjetunion“ (Seiten 33-37)).
  10. Bernd Greiner: Ein unbekanntes Kapitel der Nachkriegsgeschichte: Sie dienten jedem Herrn. Wie deutsche Beutewissenschaftler in Ost und West nach 1945 für den Kalten Krieg rüsteten. Die Zeit Nr. 45 SZ-Online, 1991, abgerufen am 5. September 2017.
  11. Linda Hunt: Secret Agenda: The United States Government, Nazi Scientists, and Project Paperclip, 1945 to 1990. St. Martin’s Press, New York 1991, ISBN 0-312-05510-2, S. 340 ff.
  12. u. a. Hans-Joachim Born, Heinz Barwich, Werner Hartmann (Physiker), Justus Mühlenpfordt und Karl-Franz Zühlke.
  13. Kurt Magnus: Raketensklaven. Deutsche Forscher hinter rotem Stacheldraht. Elbe-Dnjepr-Verlag, 2002, ISBN 3-933395-67-4.
  14. siehe Aktion Ossawakim: Betroffene Fachkräfte
  15. Ute Böhme: Die Enteignung von Großbetrieben und der Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft in der Sowjetischen Besatzungszone von 1945 bis 1949: AM BEISPIEL DER FIRMA SIEMENS. 24. März 2006, S. 66–74, 272 (Inaugural-Dissertation in der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg).
  16. Die Trophäenkommissionen der Roten Armee : eine Dokumentensammlung zur Verschleppung von Büchern aus deutschen Bibliotheken: Dokument Nr. 20: Liste der Bibliotheken in Deutschland, die von dem Kutur-Komitee überprüft wurden. In: Lehmann, Klaus-Dieter; Kolosa, Ingo (Hrsg.): Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie; 64. Klostermann, Frankfurt am Main 1996, S. 127–143 (in der Zeit vom 1. Januar bis 1. Mai 1946).

Literatur

  • Kolasa, Ingo: Sag mir wo die Bücher sind... Ein Beitrag zu "Beutekulturgütern" und Trophäenkommissionen". In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 42. 1995, S. 339–364.
  • Henke, Klaus-Dietmar: Die amerikanische Besetzung Deutschlands. Bohlau Verlag, München 1995, ISBN 3-486-54141-2, S. 742–776.
  • Die Trophäenkommissionen der Roten Armee : eine Dokumentensammlung zur Verschleppung von Büchern aus deutschen Bibliotheken. In: Lehmann, Klaus-Dieter; Kolosa, Ingo (Hrsg.): Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie; 64. Klostermann, Frankfurt am Main 1996.

Kategorie:Alliierte Besetzung Deutschlands