„St. Wilgefortis (Neufahrn bei Freising)“ – Versionsunterschied

[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
(3 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt)
Zeile 1:Zeile 1:
[[Datei:Neufahrn bei Freising St. Wilgefortis 756.jpg|mini|hochkant|Alte Pfarrkirche St. Wilgefortis]]
[[Datei:Kirche in Neufahrn.jpg|thumb|right]]
[[Datei:Neufahrn bei Freising St. Wilgefortis 761.jpg|mini|hochkant|Ansicht von Südosten]]
Die '''Wallfahrtskirche St. Wilgefortis''' ist die Kirche der katholischen [[Pfarrei]] St. Franziskus und die älteste Kirche in [[Neufahrn bei Freising]] im [[Landkreis Freising]]. Die Pfarrei ist Mitglied im Dekanat [[Weihenstephan]] ([[Erzbistum München und Freising]]).
[[Datei:Neufahrn bei Freising St. Wilgefortis Hochaltar Kruzifix 706.jpg|mini|hochkant|Wilgefortis-Kreuz im Hochaltar]]
Die alte katholische [[Pfarrkirche|Pfarr-]] und [[Wallfahrtskirche]] '''St. Wilgefortis''' in [[Neufahrn bei Freising]], einer Gemeinde im [[Oberbayern|oberbayerischen]] [[Landkreis Freising]], ist im Kern ein [[Gotik|gotischer]] Kirchenbau aus dem 15.&nbsp;Jahrhundert, der zu Beginn des 18.&nbsp;Jahrhunderts [[barock]]isiert wurde. Bedeutendstes [[Kirchenausstattung|Ausstattungsstück]] der Kirche ist das sogenannte ''Wilgefortis-Kreuz''<ref>[https://www.tourismus-kreis-freising.de/attraktionen/wallfahrtskirche-st.-wilgefortis-232413445b Wallfahrtskirche St. Wilgefortis.''] Landkreis Freising</ref>, ein [[Romanik|romanisches]] [[Kruzifix]], das über 200 Jahre lang Ziel einer vielbesuchten Wallfahrt war. Die Kirche gehört zur [[Pfarrei]] St. Franziskus<ref>Ernest Lang: [https://www.erzbistum-muenchen.de/pfarrei/st-franziskus-neufahrn/pfarrgemeinde/kirchen/st-wilgefortis ''Die Alte Pfarr- und Wallfahrtskirche Sankt Wilgefortis.''] Pfarrei St. Franziskus Neufahrn</ref> und zum Dekanat [[Weihenstephan]] im [[Erzbistum München und Freising]]. Das Gebäude steht auf der Liste der geschützten [[Baudenkmal|Baudenkmäler]] in Bayern.<ref>{{BLfD|178145|Neufahrn}}, Denkmalnummer [[Liste der Baudenkmäler in Neufahrn bei Freising#D-1-78-145-1|D-1-78-145-1]].</ref>


== Baugeschichte ==
== Patrozinium ==
Die Kirche war ursprünglich dem Apostel [[Bartholomäus (Apostel)|Bartholomäus]], später dem [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] und danach der heiligen [[Kümmernis|Wilgefortis]], auch heilige ''Kümmernis'' genannt, geweiht. 1921 wurde sie wieder Heilig-Geist-Kirche, seit 1991 ist sie den beiden [[Patrozinium|Patrozinien]] [[Heiliges Kreuz|Heilig Kreuz]] und [[Kümmernis|Sankt Wilgefortis]] geweiht.
Der älteste Teil der Kirche ist der ursprünglich fünfgeschossige Turm, dessen Bau Anfang des 14. Jahrhunderts vermutet wird. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde das einschiffige [[Kirchenschiff|Langhaus]] und der [[Chor (Architektur)|Chor]] hinzugefügt. Das [[Gotik|gotische]] [[Tonnengewölbe]] erhielt die Kirche spätestens bei der [[Kirchenweihe]] 1499. Der damals dunkle, große und vergoldene [[Hochaltar]] aus 1660/61 ist heute ein weißer Altar aus dem Jahr 1715. Die Figuren gehören schon zum [[Barock]]. Den Chor und die Figuren fertigte Tobias Schmid, ein Schüler von [[Philipp Dirr]], an. Beide Seitenaltäre sind auch im 17. Jahrhundert entstanden. Der linke Altar zeigt die [[heilige Familie]]. Der rechte wurde den drei Jungfrauen St. Katharina, St. Barbara und St. Ursula geweiht.


== Wallfahrtskirche ==
== Geschichte ==
Die Neufahrner Kirche wird bereits zu Beginn des 9.&nbsp;Jahrhunderts schriftlich erwähnt. Von 1354 bis 1803 war die Kirche im Besitz der Benediktinerabtei [[Kloster Weihenstephan|Weihenstephan]]. Die heutige Kirche wurde in der Mitte des 15.&nbsp;Jahrhunderts errichtet, der ursprünglich fünfgeschossige Turm stammt vermutlich noch aus dem frühen 14.&nbsp;Jahrhundert. Die im Jahr 1499 erfolgte Weihe fand wahrscheinlich nach einem Umbau statt, bei dem die Kirche ein gotisches [[Kreuzrippengewölbe|Rippengewölbe]] erhielt. Um 1580 kam es zu einem Brand, bei dem auch das Wilgefortis-Kreuz beschädigt wurde. Im Zuge der Barockisierung des Innenraums wurden die Gewölberippen im Jahr 1715 abgeschlagen und das Gewölbe mit [[Stuck]] verziert. In der Mitte des 19.&nbsp;Jahrhunderts wurde der Turm aufgestockt.
[[Patrozinium]] war früher St. Bartholomäus, später Hl. Geist und schließlich St. [[Wilgefortis]]. 1921 wieder Hl. Geist, seit 1991 Hl. Kreuz und dann wiederum St. Wilgefortis. Dieses seltene Patrozinium ist auch als [[Kümmernis]] bekannt.

== Wallfahrt zur heiligen Wilgefortis ==
Zu Beginn des 17.&nbsp;Jahrhunderts entwickelte sich die Wallfahrt zur heiligen Wilgefortis. Gegenstand der Verehrung war ein hölzernes Kreuz mit einer Christusfigur im Stil des [[Volto Santo von Lucca]], dem man eine wundertätige Wirkung nachsagte. Vermutlich kam die aus dem 12. Jahrhundert stammende Skulptur Ende des 14.&nbsp;Jahrhunderts aus der Weihenstephaner Klosterkirche nach Neufahrn. Die gotischen Bildtafeln im Chor und in der Florianskapelle schildern, wie Holzfäller das Gnadenbild auf der Isar entgegen der Stromrichtung treibend entdeckten, wie sie es bargen und auf einem Ochsenkarren zur Neufahrner Kirche transportierten, wobei sich allerhand Wunder zugetragen haben sollen. Um 1700 deutete man die mit einem langen Gewand bekleidete bärtige Figur mit einer goldenen Krone auf dem Haupt zur heiligen Wilgefortis<ref>Katharina Boll: [https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/opus4-wuerzburg/frontdoor/deliver/index/docId/6173/file/Boll_FS_Ehlert_formatiert_End.pdf''Die Legende von der Frau am Kreuz: Theologische Überlegungen zur oberdeutschen Texttradition.''] In: ''kunst und saelde.'' Verlag Königshausen und Neumann, Würzburg 2011, ISBN 978-3-8260-4605-6, S.&nbsp;161–177.</ref> um. Nach der Legende war sie eine Königstochter, deren Gesicht mit Gottes Hilfe durch einen Bart entstellt wurde, um sie vor einer Heirat mit einem Christenverfolger zu bewahren. Ihr Vater ließ sie daraufhin wie Christus an das Kreuz schlagen. Mit der [[Säkularisation in Bayern|Säkularisation]] im Jahr 1803 kam die Wallfahrt zum Erliegen.

== Architektur ==
=== Außenbau ===
Vor der Westfassade steht der durch [[Gesims]]e und [[Blendbogen|Blendbögen]] gegliederte Turm. Das [[Vorzeichen (Architektur)|Vorzeichen]] an der Südseite des [[Langhaus (Kirche)|Langhauses]] besitzt noch sein gotisches Rippengewölbe. Neben der [[Sakristei]] öffnet sich die Florianskapelle zum Langhaus. Den stark eingezogenen [[Chor (Architektur)|Chor]] gliedern außen weit vorstehende, abgetreppte Strebepfeiler.

[[Datei:Neufahrn bei Freising St. Wilgefortis 707.jpg|mini|Innenraum]]
=== Innenraum ===
Das [[Kirchenschiff|einschiffige]] Langhaus ist in drei [[Joch (Architektur)|Joche]] gegliedert, der Chor besitzt ein Vorjoch und weist einen [[Fünfachtelschluss]] auf. Die kannelierten [[Pilaster]] an den Langhauswänden und im Chor sind mit [[Kapitell]]en verziert. Die Gewölbe im Chor und im Langhaus wurden 1715 mit einem reichen Stuckdekor aus Blumen, Früchten und Girlanden überzogen, der Nikolaus Liechtenfurtner aus Freising zugeschrieben wird. Die Fenster sind von Rankenwerk umgeben. Die [[Fresko|Fresken]] wurden im gleichen Jahr vermutlich von Lucas Zais geschaffen und stellen Szenen der Wilgefortislegende dar. Sie wurden 1933 teilweise übermalt, das Hauptfresko mit der Darstellung der Verherrlichung der heiligen Wilgefortis wurde 1991 erneuert.

== Ausstattung ==
[[Datei:Neufahrn bei Freising St. Wilgefortis Hochaltar 708.jpg|mini|Hochaltar mit Wilgefortis-Kreuz, Apostel Bartholomäus und Maria Magdalena]]
[[Datei:Neufahrn bei Freising St. Wilgefortis Kanzel 717.jpg|mini|hochkant|Kanzel mit Wilgefortis-Kreuz auf dem Schalldeckel]]
* Der dreigeschossige [[Hochaltar]] wurde in den Jahren 1660/61 im Stil des Übergangs von der [[Renaissance]] zum Barock geschaffen und 1715 weiß gefasst. Der Altar und die Schnitzfiguren werden Tobias Schmid aus Freising zugeschrieben, einem Schüler von [[Philipp Dirr]]. Im Zentrum des Altars wurde das Gnadenbild, das Wilgefortis-Kreuz mit der romanischen Christusfigur, integriert, die in das 12.&nbsp;Jahrhundert datiert wird. Das Kruzifix wird von barocken [[Putto|Putti]] gerahmt, seitlich stehen der Apostel [[Bartholomäus (Apostel)|Bartholomäus]] (links), der ursprüngliche [[Schutzpatron|Patron]] der Neufahrner Kirche, und [[Maria Magdalena]] (rechts). Im [[Altarauszug|Auszug]] ist die [[Marienkrönung]] durch die [[Dreifaltigkeit]] dargestellt, die seitlichen Figuren stellen zwei [[Erzbistum München und Freising|Freisinger]] Bischöfe mit ihren [[Ikonografisches Heiligenattribut|Attributen]] dar, den heiligen [[Korbinian]] mit dem Bär zu seinen Füßen und den heiligen [[Lantpert von Freising]] mit einem Lamm. Der Altar wird von zwei Engeln bekrönt, in der Mitte steht der Erzengel [[Michael (Erzengel)|Michael]] mit der Seelenwaage. Auf dem [[Tabernakel]] sind im Wechsel des Kirchenjahres die Figurengruppe des [[Heiliger Wandel|Heiligen Wandels]] (Maria, Josef und das Jesuskind) aus dem 17.&nbsp;Jahrhundert zu sehen, ein barockes Jesuskind (in der Weihnachtszeit) oder der auferstandene Christus (zwischen Ostern und Pfingsten).
* Die beiden Seitenaltäre stammen ebenfalls aus dem 17.&nbsp;Jahrhundert. Der linke Seitenaltar ist der [[Heilige Sippe|Heiligen Sippe]] gewidmet. Die heilige [[Anna (Heilige)|Anna]] hält das Jesuskind im Arm, neben ihr steht [[Maria (Mutter Jesu)|Maria]] als junges Mädchen. Links außen steht der heilige [[Josef von Nazareth|Josef]] und rechts außen der heilige [[Joachim (Heiliger)|Joachim]]. In der Mitte des Altarauszugs ist [[Johannes der Täufer]] als Kind mit einem Kreuz und einem [[Agnus Dei|Lamm]] zu seinen Füßen dargestellt, neben ihm seine Eltern, die heilige [[Elisabet|Elisabeth]] und der heilige [[Zacharias (Vater des Johannes)|Zacharias]], der eine Tafel mit der Inschrift „Johannes ist sein Name“ in der Hand hält. Zacharias war wegen seines Zweifels, dass er noch in hohem Alter einen Sohn bekommen würde, zur Strafe mit Stummheit geschlagen worden und musste deshalb den Namen, den er seinem Sohn geben wollte, auf eine Tafel schreiben. Die kleine Marienfigur auf der [[Mensa (Altar)|Altarmensa]] ist eine Nachbildung der [[Altötting]]er Madonna aus dem 17.&nbsp;Jahrhundert.
* Am rechten Seitenaltar sind in der Mitte die heilige [[Katharina von Alexandrien|Katharina]] mit ihrem Attribut, dem Rad, dargestellt, links die heilige [[Ursula von Köln|Ursula]] und rechts die heilige [[Barbara von Nikomedien|Barbara]]. Im Auszug stehen der Bistumsheilige [[Sigismund (Burgund)|Sigismund]], der Apostel [[Johannes (Apostel)|Johannes]] und der heilige [[Rochus von Montpellier]].
* Über dem [[Chorgestühl]] an der nördlichen Chorwand sind zierliche Figuren der zwölf Apostel mit Maria und Jesus aus dem 18.&nbsp;Jahrhundert angebracht.
* Sieben gotische Tafelbilder von 1527 schildern Szenen der Legende des Wilgefortiskreuzes, seine Ankunft in Neufahrn und die ersten Wunder, die es bewirkt haben soll. Vier Bilder hängen im Chor, drei Tafeln in der Florianskapelle.
* Die [[Kanzel]] ist eine Arbeit aus der zweiten Hälfte des 17.&nbsp;Jahrhunderts. Am Kanzelkorb sind die vier [[Evangelist (Neues Testament)|Evangelisten]] dargestellt. Der [[Schalldeckel]] wird von einem prächtigen Aufbau und einem Kreuz mit der heiligen Wilgefortis bekrönt. Zu Füßen der Heiligen sitzt eine kleine Figur eines Geigenspielers, der an die Legende erinnert, nach der die heilige Wilgefortis einem armen Musikanten, der vor ihr gespielt hatte, einen ihrer goldenen Schuhe zugeworfen haben soll. Der Geiger wurde daraufhin des Diebstahls verdächtigt und zum Tod verurteilt. Als er nochmals vor der Heiligen spielen durfte, wie es sein letzter Wunsch war, warf sie ihm vor aller Augen auch den zweiten Schuh zu.
* Neben der Kanzel hängt ein farbig gefasstes, gotisches Holzrelief mit der Darstellung des [[Dormitio (Kunst)|Marientodes]], das um das Jahr 1525 datiert wird.
* Über dem Eingang zur Florianskapelle hängt eine [[Rosenkranz]]madonna aus der Zeit um 1660.
* Der Geißelheiland in der Florianskapelle wird wie die Figuren am Hochaltar Tobias Schmid zugeschrieben.
* Die Figur des heiligen [[Leonhard von Limoges|Leonhard]] an der Südseite des Langhauses wird um 1600 datiert.
* Dem heiligen Leonhard gegenüber, an der Nordseite des Langhauses, steht auf einer mit einer [[Zirbelnuss]] verzierten Konsole eine [[Pietà]].
* Die gemalten [[Kreuzweg]]stationen an den Langhauswänden wurden 1736 geschaffen.

<gallery class="center centered" perrow="5" widths="160" heights="160">
Neufahrn bei Freising St. Wilgefortis Seitenaltar 715.jpg|Linker Seitenaltar
Neufahrn bei Freising St. Wilgefortis Seitenaltar 712.jpg|Rechter Seitenaltar
Neufahrn bei Freising St. Wilgefortis Chor Tafelbilder 719.jpg|Gotische Bildtafeln mit Szenen der Wilgefortislegende, Apostelfiguren über dem Chorgestühl
Neufahrn bei Freising St. Wilgefortis Leonhard 727.jpg|Heiliger Leonhard und Kreuzwegbilder
Neufahrn bei Freising St. Wilgefortis Nebenkapelle 723.jpg|Rosenkranzmadonna und Florianskapelle
</gallery>


== Literatur ==
== Literatur ==
* [[Georg Dehio]]: ''Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bayern IV: München und Oberbayern.'' 2. Auflage, Deutscher Kunstverlag, München 2002, ISBN 3-422-03010-7, S.&nbsp;867–868.
* Schnell & Steiner: ''Kunstführer Nr.457.'' 3. neu bearbeitete Auflage 2002
* Ernest Lang: ''Kirchen der Pfarrei Neufahrn bei Freising.'' (= ''Kleine Kunstführer'' Nr. 457), 4. Auflage, Verlag Schnell und Steiner, Regensburg 2018, ISBN 978-3-7954-4283-5, S.&nbsp;2–20.


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|St. Wilgefortis (Neufahrn)|3=S}}
{{Commonscat|St. Wilgefortis (Neufahrn)}}
* Birgit Grundner: [http://www.sueddeutsche.de/muenchen/freising/sz-serie-sagen-und-mythen-spannendes-missverstaendnis-1.3325565 ''Sagen und Mythen: Der Bart der Prinzessin.''] Artikel in der Freisinger Lokalausgabe der ''[[Süddeutsche Zeitung|Süddeutschen Zeitung]],'' Online-Version vom 9. Januar 2017
* Birgit Grundner: [http://www.sueddeutsche.de/muenchen/freising/sz-serie-sagen-und-mythen-spannendes-missverstaendnis-1.3325565 ''Sagen und Mythen: Der Bart der Prinzessin.''] Artikel in der Freisinger Lokalausgabe der ''[[Süddeutsche Zeitung|Süddeutschen Zeitung]]'', Online-Version vom 9. Januar 2017
* [https://www.erzbistum-muenchen.de/pfarrei/st-franziskus-neufahrn/pfarrgemeinde/kirchen/st-wilgefortis Die Alte Pfarr- und Wallfahrtskirche Sankt Wilgefortis auf der Homepage der Pfarrei St. Franziskus v. Assisi, Neufahrn]
* Ernest Lang: [https://www.erzbistum-muenchen.de/pfarrei/st-franziskus-neufahrn/pfarrgemeinde/kirchen/st-wilgefortis ''Die Alte Pfarr- und Wallfahrtskirche Sankt Wilgefortis.''] Pfarrei St. Franziskus Neufahrn


== Einzelnachweise ==
{{Coordinate|type=landmark|NS=48.311507|EW=11.664348|region=DE-BY}}
<references />


{{Coordinate|type=landmark|NS=48.311507|EW=11.664348|region=DE-BY}}
{{SORTIERUNG:Neufahrn Wilgefortis}}
{{SORTIERUNG:Neufahrn StWilgefortis}}
[[Kategorie:Wallfahrtskirche des Erzbistums München und Freising]]
[[Kategorie:Baudenkmal in Neufahrn bei Freising|StWilgefortis]]
[[Kategorie:Kirchengebäude im Landkreis Freising]]
[[Kategorie:Kirchengebäude im Landkreis Freising]]
[[Kategorie:Baudenkmal in Neufahrn bei Freising|Wilgefortis]]
[[Kategorie:Wallfahrtskirche des Erzbistums München und Freising]]
[[Kategorie:Ehemalige Pfarrkirche]]
[[Kategorie:Erbaut im 14. oder 15. Jahrhundert]]
[[Kategorie:Erbaut im 14. oder 15. Jahrhundert]]
[[Kategorie:Gotisches Bauwerk in Bayern]]
[[Kategorie:Gotische Kirche]]
[[Kategorie:Barockisierte Kirche]]
[[Kategorie:Barocke Kanzel]]
[[Kategorie:Saalkirche]]
[[Kategorie:Bartholomäuskirche]]
[[Kategorie:Heilig-Geist-Kirche]]
[[Kategorie:Heilig-Geist-Kirche]]
[[Kategorie:Heilig-Kreuz-Kirche]]
[[Kategorie:Wilgefortiskirche]]
[[Kategorie:Wilgefortiskirche]]
[[Kategorie:Kirchengebäude in Europa]]
[[Kategorie:Kirchengebäude in Europa]]
[[Kategorie:Barocke Kanzel]]

Version vom 27. August 2020, 21:10 Uhr

Alte Pfarrkirche St. Wilgefortis
Ansicht von Südosten
Wilgefortis-Kreuz im Hochaltar

Die alte katholische Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Wilgefortis in Neufahrn bei Freising, einer Gemeinde im oberbayerischen Landkreis Freising, ist im Kern ein gotischer Kirchenbau aus dem 15. Jahrhundert, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts barockisiert wurde. Bedeutendstes Ausstattungsstück der Kirche ist das sogenannte Wilgefortis-Kreuz[1], ein romanisches Kruzifix, das über 200 Jahre lang Ziel einer vielbesuchten Wallfahrt war. Die Kirche gehört zur Pfarrei St. Franziskus[2] und zum Dekanat Weihenstephan im Erzbistum München und Freising. Das Gebäude steht auf der Liste der geschützten Baudenkmäler in Bayern.[3]

Patrozinium

Die Kirche war ursprünglich dem Apostel Bartholomäus, später dem Heiligen Geist und danach der heiligen Wilgefortis, auch heilige Kümmernis genannt, geweiht. 1921 wurde sie wieder Heilig-Geist-Kirche, seit 1991 ist sie den beiden Patrozinien Heilig Kreuz und Sankt Wilgefortis geweiht.

Geschichte

Die Neufahrner Kirche wird bereits zu Beginn des 9. Jahrhunderts schriftlich erwähnt. Von 1354 bis 1803 war die Kirche im Besitz der Benediktinerabtei Weihenstephan. Die heutige Kirche wurde in der Mitte des 15. Jahrhunderts errichtet, der ursprünglich fünfgeschossige Turm stammt vermutlich noch aus dem frühen 14. Jahrhundert. Die im Jahr 1499 erfolgte Weihe fand wahrscheinlich nach einem Umbau statt, bei dem die Kirche ein gotisches Rippengewölbe erhielt. Um 1580 kam es zu einem Brand, bei dem auch das Wilgefortis-Kreuz beschädigt wurde. Im Zuge der Barockisierung des Innenraums wurden die Gewölberippen im Jahr 1715 abgeschlagen und das Gewölbe mit Stuck verziert. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Turm aufgestockt.

Wallfahrt zur heiligen Wilgefortis

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts entwickelte sich die Wallfahrt zur heiligen Wilgefortis. Gegenstand der Verehrung war ein hölzernes Kreuz mit einer Christusfigur im Stil des Volto Santo von Lucca, dem man eine wundertätige Wirkung nachsagte. Vermutlich kam die aus dem 12. Jahrhundert stammende Skulptur Ende des 14. Jahrhunderts aus der Weihenstephaner Klosterkirche nach Neufahrn. Die gotischen Bildtafeln im Chor und in der Florianskapelle schildern, wie Holzfäller das Gnadenbild auf der Isar entgegen der Stromrichtung treibend entdeckten, wie sie es bargen und auf einem Ochsenkarren zur Neufahrner Kirche transportierten, wobei sich allerhand Wunder zugetragen haben sollen. Um 1700 deutete man die mit einem langen Gewand bekleidete bärtige Figur mit einer goldenen Krone auf dem Haupt zur heiligen Wilgefortis[4] um. Nach der Legende war sie eine Königstochter, deren Gesicht mit Gottes Hilfe durch einen Bart entstellt wurde, um sie vor einer Heirat mit einem Christenverfolger zu bewahren. Ihr Vater ließ sie daraufhin wie Christus an das Kreuz schlagen. Mit der Säkularisation im Jahr 1803 kam die Wallfahrt zum Erliegen.

Architektur

Außenbau

Vor der Westfassade steht der durch Gesimse und Blendbögen gegliederte Turm. Das Vorzeichen an der Südseite des Langhauses besitzt noch sein gotisches Rippengewölbe. Neben der Sakristei öffnet sich die Florianskapelle zum Langhaus. Den stark eingezogenen Chor gliedern außen weit vorstehende, abgetreppte Strebepfeiler.

Innenraum

Innenraum

Das einschiffige Langhaus ist in drei Joche gegliedert, der Chor besitzt ein Vorjoch und weist einen Fünfachtelschluss auf. Die kannelierten Pilaster an den Langhauswänden und im Chor sind mit Kapitellen verziert. Die Gewölbe im Chor und im Langhaus wurden 1715 mit einem reichen Stuckdekor aus Blumen, Früchten und Girlanden überzogen, der Nikolaus Liechtenfurtner aus Freising zugeschrieben wird. Die Fenster sind von Rankenwerk umgeben. Die Fresken wurden im gleichen Jahr vermutlich von Lucas Zais geschaffen und stellen Szenen der Wilgefortislegende dar. Sie wurden 1933 teilweise übermalt, das Hauptfresko mit der Darstellung der Verherrlichung der heiligen Wilgefortis wurde 1991 erneuert.

Ausstattung

Hochaltar mit Wilgefortis-Kreuz, Apostel Bartholomäus und Maria Magdalena
Kanzel mit Wilgefortis-Kreuz auf dem Schalldeckel
  • Der dreigeschossige Hochaltar wurde in den Jahren 1660/61 im Stil des Übergangs von der Renaissance zum Barock geschaffen und 1715 weiß gefasst. Der Altar und die Schnitzfiguren werden Tobias Schmid aus Freising zugeschrieben, einem Schüler von Philipp Dirr. Im Zentrum des Altars wurde das Gnadenbild, das Wilgefortis-Kreuz mit der romanischen Christusfigur, integriert, die in das 12. Jahrhundert datiert wird. Das Kruzifix wird von barocken Putti gerahmt, seitlich stehen der Apostel Bartholomäus (links), der ursprüngliche Patron der Neufahrner Kirche, und Maria Magdalena (rechts). Im Auszug ist die Marienkrönung durch die Dreifaltigkeit dargestellt, die seitlichen Figuren stellen zwei Freisinger Bischöfe mit ihren Attributen dar, den heiligen Korbinian mit dem Bär zu seinen Füßen und den heiligen Lantpert von Freising mit einem Lamm. Der Altar wird von zwei Engeln bekrönt, in der Mitte steht der Erzengel Michael mit der Seelenwaage. Auf dem Tabernakel sind im Wechsel des Kirchenjahres die Figurengruppe des Heiligen Wandels (Maria, Josef und das Jesuskind) aus dem 17. Jahrhundert zu sehen, ein barockes Jesuskind (in der Weihnachtszeit) oder der auferstandene Christus (zwischen Ostern und Pfingsten).
  • Die beiden Seitenaltäre stammen ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert. Der linke Seitenaltar ist der Heiligen Sippe gewidmet. Die heilige Anna hält das Jesuskind im Arm, neben ihr steht Maria als junges Mädchen. Links außen steht der heilige Josef und rechts außen der heilige Joachim. In der Mitte des Altarauszugs ist Johannes der Täufer als Kind mit einem Kreuz und einem Lamm zu seinen Füßen dargestellt, neben ihm seine Eltern, die heilige Elisabeth und der heilige Zacharias, der eine Tafel mit der Inschrift „Johannes ist sein Name“ in der Hand hält. Zacharias war wegen seines Zweifels, dass er noch in hohem Alter einen Sohn bekommen würde, zur Strafe mit Stummheit geschlagen worden und musste deshalb den Namen, den er seinem Sohn geben wollte, auf eine Tafel schreiben. Die kleine Marienfigur auf der Altarmensa ist eine Nachbildung der Altöttinger Madonna aus dem 17. Jahrhundert.
  • Am rechten Seitenaltar sind in der Mitte die heilige Katharina mit ihrem Attribut, dem Rad, dargestellt, links die heilige Ursula und rechts die heilige Barbara. Im Auszug stehen der Bistumsheilige Sigismund, der Apostel Johannes und der heilige Rochus von Montpellier.
  • Über dem Chorgestühl an der nördlichen Chorwand sind zierliche Figuren der zwölf Apostel mit Maria und Jesus aus dem 18. Jahrhundert angebracht.
  • Sieben gotische Tafelbilder von 1527 schildern Szenen der Legende des Wilgefortiskreuzes, seine Ankunft in Neufahrn und die ersten Wunder, die es bewirkt haben soll. Vier Bilder hängen im Chor, drei Tafeln in der Florianskapelle.
  • Die Kanzel ist eine Arbeit aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Am Kanzelkorb sind die vier Evangelisten dargestellt. Der Schalldeckel wird von einem prächtigen Aufbau und einem Kreuz mit der heiligen Wilgefortis bekrönt. Zu Füßen der Heiligen sitzt eine kleine Figur eines Geigenspielers, der an die Legende erinnert, nach der die heilige Wilgefortis einem armen Musikanten, der vor ihr gespielt hatte, einen ihrer goldenen Schuhe zugeworfen haben soll. Der Geiger wurde daraufhin des Diebstahls verdächtigt und zum Tod verurteilt. Als er nochmals vor der Heiligen spielen durfte, wie es sein letzter Wunsch war, warf sie ihm vor aller Augen auch den zweiten Schuh zu.
  • Neben der Kanzel hängt ein farbig gefasstes, gotisches Holzrelief mit der Darstellung des Marientodes, das um das Jahr 1525 datiert wird.
  • Über dem Eingang zur Florianskapelle hängt eine Rosenkranzmadonna aus der Zeit um 1660.
  • Der Geißelheiland in der Florianskapelle wird wie die Figuren am Hochaltar Tobias Schmid zugeschrieben.
  • Die Figur des heiligen Leonhard an der Südseite des Langhauses wird um 1600 datiert.
  • Dem heiligen Leonhard gegenüber, an der Nordseite des Langhauses, steht auf einer mit einer Zirbelnuss verzierten Konsole eine Pietà.
  • Die gemalten Kreuzwegstationen an den Langhauswänden wurden 1736 geschaffen.

Literatur

  • Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Bayern IV: München und Oberbayern. 2. Auflage, Deutscher Kunstverlag, München 2002, ISBN 3-422-03010-7, S. 867–868.
  • Ernest Lang: Kirchen der Pfarrei Neufahrn bei Freising. (= Kleine Kunstführer Nr. 457), 4. Auflage, Verlag Schnell und Steiner, Regensburg 2018, ISBN 978-3-7954-4283-5, S. 2–20.
Commons: St. Wilgefortis (Neufahrn) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Wallfahrtskirche St. Wilgefortis. Landkreis Freising
  2. Ernest Lang: Die Alte Pfarr- und Wallfahrtskirche Sankt Wilgefortis. Pfarrei St. Franziskus Neufahrn
  3. Vorlage:BLfD, Denkmalnummer D-1-78-145-1.
  4. Katharina Boll: Die Legende von der Frau am Kreuz: Theologische Überlegungen zur oberdeutschen Texttradition. In: kunst und saelde. Verlag Königshausen und Neumann, Würzburg 2011, ISBN 978-3-8260-4605-6, S. 161–177.

Koordinaten: 48° 18′ 41,4″ N, 11° 39′ 51,7″ O