Selbstdarstellung

Selbstdarstellung ist Summe aller bewussten Handlungen, die das Erscheinungsbild einer Person oder Personengruppe beeinflussen soll. Dabei wird eine möglichst große Kontrolle der öffentlichen Wahrnehmung angestrebt. Die dabei verwendeten Mittel und Verhaltensweisen sollen vorhersehbare Reaktionen bei anderen Personen erzeugen.

Diese „Darstellung seiner selbst“ kann für einen kleinen Personenkreis (privat) bis hin zu einer weltweiten Wahrnehmung zelebriert werden. Die Selbstdarstellung kann auch ohne Öffentlichkeit stattfinden, benötigt aber mindestens in ihrem Kontext den Gedanken an die Öffentlichkeit.[1]

Entwicklung der Begrifflichkeit

Selbstdarstellung ist ein sich selbst erklärender Begriff, der den Sachverhalt seiner Bedeutung präzise darstellt. Trotzdem findet sich die Verwendung dieses Begriffes erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.[1] Erst zu dieser Zeit war die sachliche und wertfreie Verwendung eines einheitlichen Begriffes möglich. Als Vorläufer dieses Begriffes können "zur Schau stellen" [2] und "Propaganda" [3] genannt werden. Beide Begriffe sind aber nicht wertfrei.

Gründe

Der ursächlichste Grund für Selbstdarstellung ist die Anpassung an ein bestehendes Rollenbild.[4] Diese Anpassung erleichtert die Einordnung in eine bestehende Sozialstruktur (Familie, Gesellschaft,...) und erfolgt oft unbewusst und intuitiv.

Eine bewusst produzierte Selbstdarstellung möchte diese Anpassung an die Sozialstruktur entweder stärken oder schwächen. In jedem Fall erfolgt eine "Spezialisierung" in der Darstellung, da die verwendeten Mittel und Verhaltensweisen entweder nicht dem Mainstream entsprechen oder nicht von diesem verstanden werden. Typische Mittel dieser Spezialisierung sind der Dresscode und das Statussymbol.

Methoden

Die einfachste Methode ist die Verwendung von Schlüsselreizen, denn sie stellen die stärksten Reize dar.

Beispiele für Schlüsselreize (und ihre beabsichtigten Wirkungen) sind:

  • Verwendung des Kindchenschema (Schutz, Vertrauen,...)
  • Steigerung der sexuellen Attraktivität (Status, "Marktwert",...)
  • alle Uniformen als Ausdruck der Macht (Armee,...) oder des Vertrauens (Businessanzug,...) oder der Gruppenzugehörigkeit (Dresscode,...).
  • Präsentation von Luxus (Individualität, Potenz,...)
  • Jammern und Wehklagen in der zwischenmenschlichen Kommunikation (Opferrolle, Gefahrlosigkeit,...)
  • u.v.a.

Wirkung

Das eigene Erscheinungsbild besteht aus einer Vielzahl von Faktoren, die bei Menschen Reaktionen auslösen können.
Die Reaktionen erfolgen in 3 Stufen:

1.) Wahrnehmung von Sinneseindrücken: optische, akustische, olfaktorische, haptische u.a. Reize. Meist wirken mehrere Reize zugleich.
2.) Mustererkennung: Schematisierung und Vergleich mit bekannten Strukturen. Umgangssprachlich wird in diesem Zusammenhang oft von Vorurteilen gesprochen.
3.) Interpretationen: Bewertung der Sinneseindrucke und Muster. Die Bewertung von Eindrücken kann ein Vorurteil bestätigen oder abschwächen.

Grenzen

Beispiele für Faktoren, die das Erscheinungsbild beeinflussen. Alle Faktoren sind einer ständigen Änderung unterworfen

Für eine Selbstdarstellung werden immer Teile des eigenen Erscheinungsbildes verstärkt, andere geschwächt. Eine Beeinflussung des gesamten Erscheinungsbildes ist in der Realität nicht möglich, da der Grad der Komplexität zu hoch ist.
Daher beschränkt sich die Selbstdarstellung im Alltag auf die Steuerung weniger Faktoren. Ungeachtet dieser Beschränkung wirken weiterhin alle Faktoren und können damit die Selbstdarstellung beeinflussen.

Nur in einer virtuellen Umgebung, bei der es eine überschaubare Menge von Faktoren gibt, kann das gesamte Erscheinungsbild beeinflusst werden.

  • Ein Beispiel für den Wunsch nach der kompletten (optischen) Beeinflussung des Erscheinungsbildes ist die Beautyretusche. Mit ihrer Hilfe werden u.a. biometrische Merkmale geändert, um das (optische) Erscheinungsbild einem virtuellen Ideal anzunähern.

Beispiel Bewerbungsfoto

Ein Bewerbungsfoto

Bewerbungsfotos sind ein typisches Mittel zur Selbstdarstellung.[5] Sie unterliegen dabei je nach Land und Art der Bewerbung starken Differenzen. Zwischen „groß, auffällig und professionell“ (Deutschland) und „darf nicht verwendet werden“ (USA) existieren dabei sämtliche Abstufungen.

Auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes ist niemand verpflichtet, Bewerbungsfotos zu benutzen. Trotzdem raten in Deutschland fast alle einschlägigen Publikationen zu ihrer Verwendung,[6] da sie einen wesentlichen Teil der Reaktionen auf das Erscheinungsbild bewusst und positiv beeinflussen können.

Die typische Bewerbung enthält viele Worte, die einen rationalen Inhalt (Zeugnisse, Lebenslauf …) transportieren sollen. Dagegen ist die Darstellung „weicher Qualifikationen“ wie Disziplin, Umgangsformen, Motivation, Teamfähigkeit usw. ohne persönliches Kennenlernen nur schwer zu übermitteln. Hier dient das Bewerbungsfoto der Andeutung dieser Qualifikationen, denn es transportiert nonverbale Informationen.

Typische nonverbale Informationen:

  • Die Stelle ist mir wichtig, daher habe ich mir Mühe gegeben (sowie Zeit und Geld investiert).
  • Ich bin bereit, bestimmte Konventionen zu akzeptieren (beispielsweise eine Krawatte zu tragen).
  • Meine Persönlichkeit (Soft Skill) passt zur angegebenen Stelle.
  • Ich bin freundlich und aufgeschlossen (Teamfähigkeit).

Beispiel Selbstinszenierung

Dient eine Selbstdarstellung ausschließlich der "zur Schaustellung" in einer großen Öffentlichkeit, spricht man von Selbstinszenierung. Diese Art der Inszenierung findet in vielen Bereichen des Alltags statt:

  1. in der Kunst (Theater, Selbstportrait, ...)
  2. in der Wirtschaft (Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, ...)
  3. in der Politik (alle Tätigkeiten mit Symbolkraft, die die handelnden Personen in einem positiven Licht erscheinen lassen sollen)
  4. im (Leistungs-) Sport (öffentliche Spenden, Skandale, ...)
  5. im Boulevard- und Showgeschäft (Galas, Regenbogenpresse, ...)
  6. uvm.

Professionelle Berater bieten dafür ihre Dienste an. Sie nehmen dabei Einfluss auf die Inszenierung bis in Bereiche wie Körpersprache, Kleidung, Frisur, oder Farbigkeit und Art des Bildhintergrunds. Die Filme "Wag the Dog" und "Thank You for Smoking" schildern die Inszenierung in Politik und Wirtschaft.

siehe auch

Literatur

  1. Literatur: Erving Goffman, Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, München, 9. Aufl. 2001
  2. Psychologie als Humanwissenschaft Von Gerd Jüttemann
  3. Cristián Gálvez: Du bist, was du zeigst. Erfolg durch Selbstinsznierung. Motivieren, überzeugen, begeistern (Knaur-Verlag)
  4. Thomas Knieper / Marion G. Müller (Hrsg.): Authentizität und Inszenierung von Bilderwelten. Köln: Herbert von Halem Verlag, 2003.

Quellen

  1. a b Helmut Quaritsch: Probleme der Selbstdarstellung des Staates
  2. Konrad Duden: "Vollständiges orthografisches Wörterbuch der deutschen Sprache"
  3. Gert Ueding, Gregor Kalivoda, Franz-Hubert Robling: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Band 6
  4. Hermann Korte: Einführung in die Geschichte der Soziologie
  5. wikibook
  6. Berufszentrum NRW, Focus