„Reinheitsgebot“ – Versionsunterschied

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Dieses Gesetz führt dazu daß z. B. tschechische Brauereien zweierlei Bier brauen: für den deutschen Markt und für den Rest der Welt. Das in Deutschland verkaufte tschechische Bier schmeckt deutlich anders als identische Marken im Ursprungsland.
Dieses Gesetz führt dazu daß z. B. tschechische Brauereien zweierlei Bier brauen: für den deutschen Markt und für den Rest der Welt. Das in Deutschland verkaufte tschechische Bier schmeckt deutlich anders als identische Marken im Ursprungsland.

Ergänzend zu allen Fakten, die vorab zusammengetragen wurden, hier eine historische Kritik an der Praxis des Reinheitsgebots:
=== Das Reinheitsgebot für Bier – Ein Mythos des 20. Jahrhunderts ? ===
- von Dipl. Braumeister Günther Thömmes -

Das Reinheitsgebot von 1516 ist in seinen Grundzügen wohl jedem bekannt, ob Biertrinker oder nicht. Nicht erst seit den Querelen mit der EU in den letzten 20 Jahren ist es ein Thema, das in der Öffentlichkeit immer wieder gerne diskutiert wird. Mal muss es als „älteste noch gültige Lebensmittelverordnung der Welt“ herhalten, mal als Fossil aus den Zeiten des anti-europäischen Protektionismus. Das Reinheitsgebot ist vom Europäischen Gerichtshof 1987 eigentlich gekippt worden, dennoch haben sich die deutschen Brauer verpflichtet, weiterhin danach zu brauen. Entsprechend deklarierte Biere aus dem Ausland mit anderen Rohstoffen dürfen zwar seither in Deutschland verkauft werden, die Begeisterung hält sich indes in Grenzen. Gewissermaßen als Gegenleistung für die Öffnung des deutschen Biermarktes hat die EU das Bayerische Reinheitsgebot als Gütezeichen und das deutsche Bier als geschütztes „traditionelles Lebensmittel“ anerkannt. Die Bedeutung des Reinheitsgebotes für die erstklassige Qualität der deutschen Biere und der Ruf deutscher Brauer in aller Welt sind in jedem Falle unbestritten. Interessant ist aber die Fragestellung, in wie weit sich die deutschen Brauer in den letzten 500 Jahren an diese Regeln gehalten haben, die ihnen ja anscheinend von einer vorausschauenden, Verbraucher schützenden Obrigkeit auferlegt wurden.

Was ist das Reinheitsgebot ?

Zuerst wäre einmal die Frage zu klären, was das Reinheitsgebot überhaupt aussagt. Schon dabei scheiden sich die Geister, besonders wenn man den Originaltext von 1516 mit späteren Gesetzen, z.B. dem aktuellen Biersteuergesetz vergleicht. Von Hefe ist im Originaltext keine Rede, konnte ja auch nicht, war Hefe doch als „Rohstoff“ unbekannt und halt „einfach da“. Hefe wurde erst nach der Erfindung des Mikroskops als Rohstoff identifiziert. Andererseits ist in heutigen Gesetzen, in denen ja angeblich das Reinheitsgebot verankert ist, auch von anderen Zutaten die Rede, etwa Weizenmalz, Invertzucker, Stärkezucker oder aus Zucker hergestellte Färbemittel. Hierbei wird jedoch eine klare Trennlinie zwischen ober- und untergärigen Bieren gezogen, obwohl diese Kenntnisse den alten Bayernherzog Wilhelm IV. wohl reichlich überfordert hätten. Ebenso die Gliederung in verschiedene Stammwürzebereiche. Beim Hopfen dürfen auch ausdrücklich Hopfenauszüge verwendet werden, wobei hier aber wenigstens noch verlangt wird, dass deren Bestandteile identisch mit Naturhopfen sein müssen und nur vor oder während dem Kochprozeß beigegeben werden dürfen. Wasserzugabe im Gärkeller ist in Ausnahmefällen gestattet. Klärmittel sind erlaubt, müssen jedoch „bis auf gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche, technisch unvermeidbare Anteile wieder ausgeschieden werden“. Insgesamt befassen sich im Biersteuergesetz mehr Artikel mit Ausnahmen als mit Regeln. Und ziemlich am Ende findet sich als Krönung noch der schöne Satz im Zusammenhang mit der Vermischung verschiedener Biere: „Der Bundesminister der Finanzen kann Ausnahmen erlassen.“ Besser kann man die Motivation, die hinter dem Reinheitsgebot steht, nicht anschaulich machen. Warum ist für das Reinheitsgebot der Finanz- und nicht der Gesundheits- oder Landwirtschaftsminister zuständig?

Die Geschichte des Reinheitsgebotes

Die Geschichte der Reinheitsgebotes hat viele interessante Facetten. Die große Anzahl verschiedener Verordnungen, die von etwa 1150 an, besonders in Bayern, regelmäßig erlassen und geändert wurden (1156 Augsburg, 1393 Nürnberg, 1434 Weißensee/Thüringen, 1447 Regensburg, 1363 München, 1493 Landshut und schließlich 1516 Ingolstadt), bezeugt eindeutig, dass es nicht um reines Bier ging. Mal ging es um Nutzung minderwertigen Getreides, da das gute zum Brotbacken gebraucht wurde, mal um die Stellung der Zünfte zueinander und manchmal schlichtweg nur ums liebe Geld. Eine Sichtung der Archive in Bayern, die Dr. Hackel-Stehr in mühsamer Arbeit für ihr sehr interessantes Buch gemacht hat, verstärkt den Eindruck, dass die ersten Gesetze dringend notwendig waren. Die Brauer waren eine Gemeinschaft von Halunken, die vor nichts zurückschreckten, um den schnellen Heller zu machen. Zuviel Wasser und schlechtes Getreide waren gängige Zutaten. Bestrafungen wegen Unregelmäßigkeiten waren trotz feierlicher Brauer-Eide und zahlreicher Verordnungen an der Tagesordnung. Dennoch setzte sich Bier als Volksgetränk in Bayern durch, der Weinbau wurde fast völlig aufgegeben. Während in Bayern die Landesherren direkt Einfluß aufs Bier nahmen, regelten im Norden die Zünfte alles Erforderliche selbst. Die Qualität litt nicht unter den liberaleren Regeln, ganz im Gegenteil. Bis auf die bisweilen zitierte Hamburger Brauordnung von 1695 findet sich ab 1516 praktisch kein Hinweis auf gesetzliche Initiativen. Die norddeutschen Brauer waren für lange Zeit führend in Quantität und Qualität, auch ohne Reinheitsgebot. Strenge Zunftordnungen ohne exakte Bierverordnungen hielten auch so die Konkurrenz fern. Erlaubt war alles, was ankam. Auch Bayern bediente sich der Hilfe aus dem Norden, z.B. aus Einbeck. Der Niedergang der Hanse zum Ende des 17. Jahrhunderts sowie der beginnende Import neuer Modegetränke wie Kaffee, Tee und Schokolade ließen den Bedarf nach Bier drastisch zurückgehen. Die Verfechter des Reinheitsgebotes führen gerne an, dass es ja schließlich auch sukzessive im ganzen deutschen Reichsgebiet eingeführt wurde, weil es so gut war. In Wahrheit war die reichsweite Einführung des Reinheitsgebotes der Beginn eines Gleichmach-Prozesses, der bis heute in der deutschen Bierlandschaft andauert. Dies geschah jedoch erst im Jahre 1871. Was aber passierte in den Jahren zwischen 1516 und 1871? Diese 355 Jahre werden in der Diskussion ums Reinheitsgebot häufig unterschlagen. Durch die vielen Kriege und Revolutionen sowie der Zersplitterung Deutschlands war Konkurrenz aus anderen Städten oder gar Ländern ausgeschaltet. Jeder braute das, was er wollte oder verkaufen konnte. Bier wurde überwiegend in Klöstern und Haushalten gebraut. Kontrolle fand nicht oder nur selten statt. Seltsame Rezepturen wurden von Generation zu Generation weitergegeben und fanden Eingang in die Lehrbücher. Es ist überliefert, dass regelmäßig Blitz und Donner oder auch Hexen für verdorbene Biere verantwortlich gemacht wurden. Diese für das Reinheitsgebot eigentlich dunkle Zeit erstreckte sich über einen Zeitraum, der allgemein „Neuzeit“ genannt wird. Die Vielfalt der Biere in Deutschland erreichte einen vorher und nachher nie dagewesenen Höhepunkt. Mit der Säkularisation im frühen 19. Jahrhundert kam dann aber auch die klösterliche Braukunst zu einem vorläufigen Ende. Und gerade zu einer Zeit, als in Deutschland die ersten Großbrauereien entstanden und Bier zum erstenmal in größeren Mengen professionell exportiert werden konnte, erinnerte man sich der alten Gesetze. Zufall ?

Das Reinheitsgebot in der Praxis

Papier ist geduldig, heißt es. Gesetzespapier erst recht. Werfen wir mal einen Blick in die Lehrbücher der damaligen Zeit. Denn was man lernt, praktiziert man auch. Besonders kreativ waren die Brauer jederzeit beim „Reparieren“ sauren Bieres. Wenn man keine Hexe fand, die man haftbar machen konnte, wurden sehr zwielichtige Kräuter beigemischt, um den sauren Geschmack zu kaschieren. Alles war besser, als einen ganzen Sud Bier weg zu schütten. Das älteste Fachbuch, das den Autoren vorliegt, trägt eigentlich schon alles im Titel, was zum damaligen Verständnis des Reinheitsgebotes zu sagen ist: „Der vollkommene Bierbrauer oder kurzer Unterricht alle Arten Biere zu brauen wie auch verdorbene Biere wieder gut zu machen, auch alle Arten von Kräuterbieren. Nebst einem Anhang von Methsieden.“ Gedruckt in Frankfurt und Leipzig im Jahre des Herrn 1784. Interessant ist hierbei der ständige Hinweis auf gutes Malz, gutes Wasser und guten Hopfen. Nach damaligem Verständnis reichte dies anscheinend aus, um der Reinheit des Bieres Genüge zu tun. Denn neben einer haarsträubenden Historie des Bieres werden Rezepturen für folgende Biere vorgestellt: Wermutbier, Wacholderbier, Rosmarinbier, Beyfußbier, Krauseminzbier, Citronenbier, Lorbeerbier, Lavendelbier, Hirschzungenbier, Majoranbier, Melisssenbier, Haferwurzelbier, Ochsenzungenbier, Anisbier, Fenchelbier, Nelkenbier, Ehrenpreisbier, Kirschenbier, Schlehenbier, Himbeerbier, Wohlgemuthbier und, gewissermaßen als Prophylaxe, ein „Kräuterbier, bei Pestzeiten sehr nützlich“. Dies ist nur eine Auswahl. Es folgt noch eine Reihe Anwendungen, mit welchen Kräutern man welchen Fehlgeschmack kaschieren kann, und welches Kräuterbier welche Krankheit heilt. Einige Tips sind analytisch einwandfrei, wie die Zugabe von Pottasche – heute würde man „Aktivkohle“ sagen, nur halt nicht ganz konform mit dem Reinheitsgebot. Für die ganz Pfiffigen gibt es sogar Tips, wie man dem Biere einen Weingeschmack geben kann. In einer späteren Ausgabe, gedruckt in Altona, werden diese Rezepte exakt wiederholt. Mit dem nächsten Werk gehen wir weiter südlich: „Das Bamberger Bier“ von Johann Seifert, gedruckt in Bamberg 1818. Auch hier ein pragmatischer Untertitel: „Praktische, auf chemische Grundsätze gestützte Verfahrungsweise, Handgriffe und Gewerbs-Vortheile beim Brauen des Bamberger Biers mit einem Anhange, enthaltend verschiedene erprobte Mittel, trübes Bier hell zu machen, saueres Bier zu verbessern u.u. nebst zwei Tabellen.“ Über das ganze Buch zieht sich Lob und Preis des Bamberger Biers, der guten Rohstoffe, alles im Rahmen des Reinheitsgebots – bis zum Anhang: Salz, Ingwer, Branntwein und Pfeffer sind harmlose kleine Helferlein, auch Kreide wird empfohlen. Dann aber wird es tierisch: Gekochte Hausenblase (Fischblase) hilft gegen Trübung (Wird in vielen Ländern, besonders im englischsprachigen Raum, bis heute verwendet) und bei einem Bier, welches fertig ist, dessen Gärung aber nicht aufhören will, sollen zerkochte Kalbsfüße, als Gallert zugegeben, Wunder wirken. Wohl bekomm‘s! A.F. Zimmermann schrieb im Oktober 1842 ein umfangreiches „Lehrbuch der Bier-Brauerei“, die zweite Auflage wurde 1852 gedruckt in Berlin. Dies ist ein erster Versuch von etwas, das wirklich den Namen „Lehrbuch“ verdient. Neben den klassischen Rohstoffen gibt es hier ausführliche Kapitel über Klärungsmittel u.a. das von deutschen Brauern heutzutage so verpönte „Caragheenmoos“ sowie wieder die Hausenblase. Ein großes Kapitel behandelt „Auszüge aus der Botanik oder Pflanzenkunde, soweit das Braugewerbe davon Nutzen ziehen kann.“ Nutzen ziehen konnte man anscheinend aus der Enzian-Wurzel, dem Bitterklee, der Schafgarbe, dem Wermutkraut, der Wacholderbeere und etwa 25 anderen Pflanzen. Weiterhin gibt es Abschnitte mit dem Titel „Der Stärke-Sirup als Malz-Surrogat“ oder über die Herstellung von „Champagner-Bier“, aus Zucker gebaut, oder ein ungehopftes „Broyhan-Bier“. Am Ende gerät der Autor vollends auf die schiefe Bahn. Der letzte Teil, über 50 Seiten, beschäftigt sich ausschließlich mit der Herstellung von „Kartoffel-Bier“, mit ansonsten sehr traditioneller Rezeptur, nur halt mit Kartoffeln anstatt Malz. Und das nur 19 Jahre, bevor das Reinheitsgebot im Deutschen Reich eingeführt wurde! Von da an ging es bergauf mit der Reinheit des Bieres, wollte man doch den Engländern und anderen Bierländern voraus sein. Ab 1906 galt das Reinheitsgebot dann im ganzen Gebiet des Deutschen Reichs. Auch die Weimarer Republik und die BRD übernahmen es in den ihnen genehmen Versionen. Im 20. Jahrhundert wurde das Reinheitsgebot nie ernsthaft in Frage gestellt, aus den schon vorab erwähnten Gründen. Die Vielfalt litt zweifelsohne, aber solange die Konkurrenz aus dem Ausland außen vor war, war es egal. In deutschen Lehrbüchern des 20. Jahrhunderts wird dann auch immer fein säuberlich getrennt zwischen „erlaubten“ und „unerlaubten“ Zutaten. Die Kenntnis allein der „unerlaubten“ ist ja nicht strafbar, oder? Die deutschen Brauer haben im Laufe der Zeit gelernt, sich im Rahmen des Reinheitsgebotes mit technischen oder wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu arrangieren, wenn die Mehrheit es so will. Dennoch hat so manches einen heuchlerischen Beigeschmack. Zum Beispiel wurde bei der Zugabe von Milchsäure zur Bierwürze sehr schnell Einigung erzielt, wie man diese quasi nach dem Reinheitsgebot erzeugen kann. Interessant ist auch die Tatsache, wie schnell sich die deutschen Brauer nach anfänglichem Gezeter mit Biermischgetränken angefreundet haben. Und warum schmeckt das Lieblingsbier im sonnigen Süden eigentlich anders als zuhause? Das wird wahrscheinlich am Antioxidans Ascorbinsäure liegen, reines Vitamin C, das das Bier haltbarer macht. In Deutschland natürlich verboten, aber eigentlich nur im Bier. Aber wenn in Deutschland ein Brauer sein Produkt „Öko-Bier“ nennt, ist der Rest der Brauer verschnupft ob der unterschwelligen Unterstellung, ihre Produkte wären nicht „Öko“. Noch ein Beispiel gefällig: Ein kleiner Hausbrauer in Berlin setzt Hanfsamen zu (gibt einen tollen Schaum und ist ansonsten völlig unbedenklich). Er darf sein Produkt nicht Bier nennen, da sei der Brauerbund vor, aber Biersteuer bezahlen, das darf er!

Ein Art Fazit

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Motivation, die hinter den diversen Reinheitsgeboten steht und stand, sich über die Jahrhunderte wenig verändert hat. Es dient in erster Linie dem Fernhalten unerwünschter Konkurrenz und größeren Profiten, egal ob für die Herrschenden oder die Brauer. Häufig mussten die Brauer mit diversen Gesetzen auch vor sich selbst geschützt werden. Den spätmittelalterlichen Herrschern jedoch Verbraucherschutz oder Gesundheitsbewußtsein zu unterstellen, ist genauso absurd wie die Behauptung, dass man sich beim Genuss einer Flasche Corona oder US-Budweiser an den darin enthaltenen Mais- oder Reisbestandteilen vergiften und einen qualvollen Tod sterben könnte. Letzten Endes sind Fachkenntnis und gute Rohstoffe, egal ob Gerste oder Mais, wichtiger als Reinheitsgebote. Jede Brauerei der Welt könnte nach dem Reinheitsgebot ein schlechtes Bier brauen, ebenso fast jede Brauerei ohne Reinheitsgebot ein gutes. Das Reinheitsgebot wird und wurde von den deutschen Brauern immer gerne als politisches Instrument genutzt, wenn es gerade opportun ist. Daran gehalten hat man sich selbst aber nur, wenn es nicht zu vermeiden war.

Ende der historischen Kritik...


== Weblinks ==
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Version vom 30. März 2005, 12:06 Uhr


Das Reinheitsgebot ist eine gesetzliche Regelung über erlaubte Inhaltsstoffe im Bier, vorwiegend im deutschsprachigen Raum. Das Reinheitsgebot lässt sich im Wesentlichen auf folgenden Nenner bringen: "Ins Bier gehören nur Hopfen, Malz und Wasser"

Geschichte

Das Reinheitsgebot hat eine mittlerweile gut fünfhundert Jahre alte Geschichte. Im Laufe dieser Zeit hat es drei wesentliche Ausprägungen durchlebt.

  • Das bayerische Reinheitsgebot von 1516 ist eine der ältesten lebensmittelrechtlichen Regelungen überhaupt, die im Unterschied zu früheren Brauordnungen landesweit verordnet wurde.
  • Die Übernahme in nationales Recht, insbesondere das Deutsche Reinheitsgebot, ist definiert im deutschen Biersteuergesetz. Dies erfolgte im Jahr 1906 - gegen heftigen Protest der deutschen Brauwirtschaft, die zwar das "Surrogat-Verbot" (das Verbot von Zucker oder unvermälztem Getreide in der Bierherstellung) akzeptierte, sich aber gegen eine reichsweite Harmonisierung der Biersteuer auf das bayerische Niveau sträubte.
  • Die Überführung in EU-Recht im Zuge der Liberalisierung des EG-Binnenmarktes. Die erlaubten Zusatzstoffe werden in der "Zusatzstoffverordnung" geregelt, Bier nach "Deutschem Reinheitsgebot" wird als sog. "traditionelles Lebensmittel" geschützt.

Brauordnungen

Das bayerische Reinheitsgebot war nicht das erste Gesetz seiner Art: Von folgenden Städten ist ein Erlass überliefert, der die Qualität des Bieres betraf: Augsburg (1156), Nürnberg (1293), Erfurt (1351), München (1363), Landshut (1409), Weißensee in Thüringen (1434), Regensburg (1447), Eichstätt (1507). Einige dieser Verordnungen wurden erst in den letzten Jahrzehnten wieder entdeckt. Es ist wahrscheinlich, dass in vielen Fälle keine Zeugnisse mehr erhalten sind und diese Liste deshalb nur exemplarischen Charakter hat.

In Nürnberg wurde 1293 aufgrund einer Hungersnot erlassen, dass zum Bierbrauen nur Gerste und kein anderes Getreide verwendet werden darf. Im Wirtshausgesetz der Stadt Weißensee wurden 1434 die Bestandteile für das Bierbrauen auf Wasser, Gerstenmalz und Hopfen eingeschränkt. Ab 1453 gab es auch in München eine derartige Verordnung,

Zwischen diesen Stadtverordnungen und dem bald folgenden bayerischen Reinheitsgebot gibt es noch einen wichtigen Zwischenschritt: Herzog Georg der Reiche erließ für das Herzogtum Bayern-Landshut, das alte bayerische Kerngebiet, die Vorschrift, dass die Brauer nur Malz, Hopfen und Wasser verwenden durften - "bei Vermeidung von Strafe an Leib und Gut".

Das Bayerische Reinheitsgebot

Das bayerische Reinheitsgebot wurde am 23. April 1516 von dem bayerischen Herzog Wilhelm IV. (Bayern) in Ingolstadt erlassen. Dieser Erlass regulierte einerseits die Preise, andererseits die Inhaltsstoffe des Bieres. Es galt bis 1998 als das älteste Lebensmittelgesetz:

Item wir ordnen, setzen und wollen mit Rathe unnser Lanndtschaft das füran allenthalben in dem Fürstenthumb Bayrn auff dem Lande auch in unsern Stettn vie Märckthen da desáhalb hieuor kain sonndere ordnung gilt von Michaelis bis auff Georij ain mass über ainen pfennig müncher werung un von Sant Jorgentag biß auf Michaelis die mass über zwen pfennig derselben werung und derenden der kopff ist über drey haller bey nachgeferter Pene nicht gegeben noch außgeschenckht sol werden. Wo auch ainer nit Merrzn sonder annder pier prawen oder sonst haben würde sol erd och das kains weg häher dann die maß umb ainen pfennig schenken und verkauffen. Wir wollen auch sonderlichhen dass füran allenthalben in unsern stetten märckthen un auf dem lannde zu kainem pier merer stüchh dan allain gersten, hopfen un wasser genommen un gepraucht solle werdn. Welcher aber dise unsere Ordnung wissendlich überfaren unnd nie hallten wurde den sol von seiner gerichtsobrigkait dasselbig vas pier zustraff unnachläßlich so offt es geschieht genommen werden. jedoch wo ain brüwirt von ainem ainem pierprewen in unnsern stettn märckten oder aufm lande jezuzeutn ainen Emer piers zwen oder drey kauffen und wider unnter den gemaynen pawrfuolck ausschenken würde dem selben allain aber sonstnyemandes soldyemaßs oder der kopfpiers umb ainen haller häher dann oben gesetzt ist zugeben un ausschenken erlaube unnd unuerpotn.
Wir verordnen, setzen und wollen mit dem Rat unserer Landschaft, dass forthin überall im Fürstentum Bayern sowohl auf dem Lande wie auch in unseren Städten und Märkten, die keine besondere Ordnung dafür haben, von Michaeli (29. September) bis Georgi (23. April) eine Maß (bayerische, entspricht 1,069 Liter) oder ein Kopf (halbkugelförmiges Geschirr für Flüssigkeiten - nicht ganz eine Maß) Bier für nicht mehr als einen Pfennig Münchener Währung und von Georgi bis Michaeli die Maß für nicht mehr als zwei Pfennig derselben Währung, der Kopf für nicht mehr als drei Heller (gewöhnlich ein halber Pfennig) bei Androhung unten angeführter Strafe gegeben und ausgeschenkt werden soll.
Wo aber einer nicht Märzen - sondern anderes Bier brauen oder sonstwie haben würde, soll er es keineswegs höher als um einen Pfennig die Maß ausschenken und verkaufen. Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.
Wer diese unsere Androhung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Faß Bier, so oft es vorkommt, unnachsichtlich weggenommen werden.
Wo jedoch ein Gastwirt von einem Bierbräu in unseren Städten, Märkten oder auf dem Lande einen, zwei oder drei Eimer (enthält etwa 60 Liter) Bier kauft und wieder ausschenkt an das gemeinsame Bauernvolk, soll ihm allein und sonst niemand erlaubt und unverboten sein, die Maß oder den Kopf Bier um einen Heller teurer als oben vorgeschrieben ist, zu geben und auszuschenken.
Auch soll uns als Landesfürsten vorbehalten sein, für den Fall, dass aus Mangel und Verteuerung des Getreides starke Beschwernis entstünde, nachdem die Jahrgänge auch die Gegend und die Reifezeiten in unserem Land verschieden sind, zum allgemeinen Nutzen Einschränkungen zu verordnen, wie solches am Schluss über den Fürkauf ausführlich ausgedrückt und gesetzt ist.

Einer der Gründe für die Verordnung war neben der Preisregelung wohl wieder die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung: Der wertvollere Weizen oder Roggen war den Bäckern vorbehalten. Der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer sieht einen weiteren Grund darin, den beruhigenden und zugleich konservierenden Hopfen zum Brauen zu verwenden und andere "aufmüpfige" Zutaten, etwa Rosmarin, zu verbieten.

Eine andere Interpretation sieht das Reinheitsgebot als erstes Anti-Drogengesetz, welches psychoaktive Substanzen, wie das Bilsenkraut (Hyoscyamus nigara), aus dem Brauprozess verbannen sollte. Indiz für diese Ansicht ist die Bezeichnung Pilsener, die sich etymologisch aus der Bezeichnung Bilsenkraut ableiten läßt - übrigens genau wie der Name des für seine Brautradition bekannten tschechischen Ortes Pilsen.

Die Freunde des Gerstensafts waren, wie aus anderen Quellen bekannt, im Mittelalter auf abenteuerliche Ideen gekommen, um ihrem Gebräu einen besonderen Geschmack zu verpassen oder es haltbarer zu machen. Um dunkles Bier zu erhalten, wurde kurzerhand Ruß zugegeben. Auch Kreidemehl kam zum Einsatz, um sauer gewordenes Bier wieder genießbar zu machen. Sogar Fliegenpilze zur "besonderen" Verfeinerung werden überliefert.

Interessanterweise ist bis hier nirgends von Hefe die Rede, obwohl sie für den Brauprozesses unabdingbar ist. Als Grund dafür wird häufig angenommen, dass die Existenz derartiger Mikrooragnismen schlicht noch unbekannt war. Dies stimmt nur insoferne, als die genaue Wirkungsweise der Hefe bei der alkoholischen Gärung unbekannt war. Hefe an sich war bekannt, Brauer gaben einfach das "Zeug" vom letzten Gärvorgang der neu zu vergärenden Bier-Würze zu. Im Münchner Bäcker- und Brauerstreit war es bereits 1481 darum gegangen, ob die Bäcker den Brauern deren bei der Gärung gebildete Überschusshefe nach altem Brauch abkaufen müssen.

Deutsches Biersteuergesetz

Das "Deutsche Biersteuergesetz" regelte mit seinem Paragraph 9 das Reinheitsgebot für die Bundesrepublik Deutschland von 1952 ab. Für untergäriges Bier waren Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser als Zutaten zugelassen, für obergäriges Bier waren auch andere Malzsorten sowie definierten Zuckerarten und Farbstoffe erlaubt. Ausgenommen von diesen Regelungen waren schon hier die Hobbybrauer, die Bier nur in ganz geringen Mengen herstellen. Außerdem konnten Ausnahmen gestattet werden für die Bereitung besonderer Biere und für Biere, die zum Export bestimmt waren.

Das Biersteuergesetz regelte weiterhin, zu welchem Zeitpunkten im Brauprozess bestimmte Schritte (zum Beispiel die Zugabe von Wasser) erlaubt waren, und wann nicht.

Dieses Gesetz führt dazu daß z. B. tschechische Brauereien zweierlei Bier brauen: für den deutschen Markt und für den Rest der Welt. Das in Deutschland verkaufte tschechische Bier schmeckt deutlich anders als identische Marken im Ursprungsland.

Ergänzend zu allen Fakten, die vorab zusammengetragen wurden, hier eine historische Kritik an der Praxis des Reinheitsgebots:

Das Reinheitsgebot für Bier – Ein Mythos des 20. Jahrhunderts ?

- von Dipl. Braumeister Günther Thömmes -

Das Reinheitsgebot von 1516 ist in seinen Grundzügen wohl jedem bekannt, ob Biertrinker oder nicht. Nicht erst seit den Querelen mit der EU in den letzten 20 Jahren ist es ein Thema, das in der Öffentlichkeit immer wieder gerne diskutiert wird. Mal muss es als „älteste noch gültige Lebensmittelverordnung der Welt“ herhalten, mal als Fossil aus den Zeiten des anti-europäischen Protektionismus. Das Reinheitsgebot ist vom Europäischen Gerichtshof 1987 eigentlich gekippt worden, dennoch haben sich die deutschen Brauer verpflichtet, weiterhin danach zu brauen. Entsprechend deklarierte Biere aus dem Ausland mit anderen Rohstoffen dürfen zwar seither in Deutschland verkauft werden, die Begeisterung hält sich indes in Grenzen. Gewissermaßen als Gegenleistung für die Öffnung des deutschen Biermarktes hat die EU das Bayerische Reinheitsgebot als Gütezeichen und das deutsche Bier als geschütztes „traditionelles Lebensmittel“ anerkannt. Die Bedeutung des Reinheitsgebotes für die erstklassige Qualität der deutschen Biere und der Ruf deutscher Brauer in aller Welt sind in jedem Falle unbestritten. Interessant ist aber die Fragestellung, in wie weit sich die deutschen Brauer in den letzten 500 Jahren an diese Regeln gehalten haben, die ihnen ja anscheinend von einer vorausschauenden, Verbraucher schützenden Obrigkeit auferlegt wurden.

Was ist das Reinheitsgebot ?

Zuerst wäre einmal die Frage zu klären, was das Reinheitsgebot überhaupt aussagt. Schon dabei scheiden sich die Geister, besonders wenn man den Originaltext von 1516 mit späteren Gesetzen, z.B. dem aktuellen Biersteuergesetz vergleicht. Von Hefe ist im Originaltext keine Rede, konnte ja auch nicht, war Hefe doch als „Rohstoff“ unbekannt und halt „einfach da“. Hefe wurde erst nach der Erfindung des Mikroskops als Rohstoff identifiziert. Andererseits ist in heutigen Gesetzen, in denen ja angeblich das Reinheitsgebot verankert ist, auch von anderen Zutaten die Rede, etwa Weizenmalz, Invertzucker, Stärkezucker oder aus Zucker hergestellte Färbemittel. Hierbei wird jedoch eine klare Trennlinie zwischen ober- und untergärigen Bieren gezogen, obwohl diese Kenntnisse den alten Bayernherzog Wilhelm IV. wohl reichlich überfordert hätten. Ebenso die Gliederung in verschiedene Stammwürzebereiche. Beim Hopfen dürfen auch ausdrücklich Hopfenauszüge verwendet werden, wobei hier aber wenigstens noch verlangt wird, dass deren Bestandteile identisch mit Naturhopfen sein müssen und nur vor oder während dem Kochprozeß beigegeben werden dürfen. Wasserzugabe im Gärkeller ist in Ausnahmefällen gestattet. Klärmittel sind erlaubt, müssen jedoch „bis auf gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche, technisch unvermeidbare Anteile wieder ausgeschieden werden“. Insgesamt befassen sich im Biersteuergesetz mehr Artikel mit Ausnahmen als mit Regeln. Und ziemlich am Ende findet sich als Krönung noch der schöne Satz im Zusammenhang mit der Vermischung verschiedener Biere: „Der Bundesminister der Finanzen kann Ausnahmen erlassen.“ Besser kann man die Motivation, die hinter dem Reinheitsgebot steht, nicht anschaulich machen. Warum ist für das Reinheitsgebot der Finanz- und nicht der Gesundheits- oder Landwirtschaftsminister zuständig?

Die Geschichte des Reinheitsgebotes

Die Geschichte der Reinheitsgebotes hat viele interessante Facetten. Die große Anzahl verschiedener Verordnungen, die von etwa 1150 an, besonders in Bayern, regelmäßig erlassen und geändert wurden (1156 Augsburg, 1393 Nürnberg, 1434 Weißensee/Thüringen, 1447 Regensburg, 1363 München, 1493 Landshut und schließlich 1516 Ingolstadt), bezeugt eindeutig, dass es nicht um reines Bier ging. Mal ging es um Nutzung minderwertigen Getreides, da das gute zum Brotbacken gebraucht wurde, mal um die Stellung der Zünfte zueinander und manchmal schlichtweg nur ums liebe Geld. Eine Sichtung der Archive in Bayern, die Dr. Hackel-Stehr in mühsamer Arbeit für ihr sehr interessantes Buch gemacht hat, verstärkt den Eindruck, dass die ersten Gesetze dringend notwendig waren. Die Brauer waren eine Gemeinschaft von Halunken, die vor nichts zurückschreckten, um den schnellen Heller zu machen. Zuviel Wasser und schlechtes Getreide waren gängige Zutaten. Bestrafungen wegen Unregelmäßigkeiten waren trotz feierlicher Brauer-Eide und zahlreicher Verordnungen an der Tagesordnung. Dennoch setzte sich Bier als Volksgetränk in Bayern durch, der Weinbau wurde fast völlig aufgegeben. Während in Bayern die Landesherren direkt Einfluß aufs Bier nahmen, regelten im Norden die Zünfte alles Erforderliche selbst. Die Qualität litt nicht unter den liberaleren Regeln, ganz im Gegenteil. Bis auf die bisweilen zitierte Hamburger Brauordnung von 1695 findet sich ab 1516 praktisch kein Hinweis auf gesetzliche Initiativen. Die norddeutschen Brauer waren für lange Zeit führend in Quantität und Qualität, auch ohne Reinheitsgebot. Strenge Zunftordnungen ohne exakte Bierverordnungen hielten auch so die Konkurrenz fern. Erlaubt war alles, was ankam. Auch Bayern bediente sich der Hilfe aus dem Norden, z.B. aus Einbeck. Der Niedergang der Hanse zum Ende des 17. Jahrhunderts sowie der beginnende Import neuer Modegetränke wie Kaffee, Tee und Schokolade ließen den Bedarf nach Bier drastisch zurückgehen. Die Verfechter des Reinheitsgebotes führen gerne an, dass es ja schließlich auch sukzessive im ganzen deutschen Reichsgebiet eingeführt wurde, weil es so gut war. In Wahrheit war die reichsweite Einführung des Reinheitsgebotes der Beginn eines Gleichmach-Prozesses, der bis heute in der deutschen Bierlandschaft andauert. Dies geschah jedoch erst im Jahre 1871. Was aber passierte in den Jahren zwischen 1516 und 1871? Diese 355 Jahre werden in der Diskussion ums Reinheitsgebot häufig unterschlagen. Durch die vielen Kriege und Revolutionen sowie der Zersplitterung Deutschlands war Konkurrenz aus anderen Städten oder gar Ländern ausgeschaltet. Jeder braute das, was er wollte oder verkaufen konnte. Bier wurde überwiegend in Klöstern und Haushalten gebraut. Kontrolle fand nicht oder nur selten statt. Seltsame Rezepturen wurden von Generation zu Generation weitergegeben und fanden Eingang in die Lehrbücher. Es ist überliefert, dass regelmäßig Blitz und Donner oder auch Hexen für verdorbene Biere verantwortlich gemacht wurden. Diese für das Reinheitsgebot eigentlich dunkle Zeit erstreckte sich über einen Zeitraum, der allgemein „Neuzeit“ genannt wird. Die Vielfalt der Biere in Deutschland erreichte einen vorher und nachher nie dagewesenen Höhepunkt. Mit der Säkularisation im frühen 19. Jahrhundert kam dann aber auch die klösterliche Braukunst zu einem vorläufigen Ende. Und gerade zu einer Zeit, als in Deutschland die ersten Großbrauereien entstanden und Bier zum erstenmal in größeren Mengen professionell exportiert werden konnte, erinnerte man sich der alten Gesetze. Zufall ?

Das Reinheitsgebot in der Praxis

Papier ist geduldig, heißt es. Gesetzespapier erst recht. Werfen wir mal einen Blick in die Lehrbücher der damaligen Zeit. Denn was man lernt, praktiziert man auch. Besonders kreativ waren die Brauer jederzeit beim „Reparieren“ sauren Bieres. Wenn man keine Hexe fand, die man haftbar machen konnte, wurden sehr zwielichtige Kräuter beigemischt, um den sauren Geschmack zu kaschieren. Alles war besser, als einen ganzen Sud Bier weg zu schütten. Das älteste Fachbuch, das den Autoren vorliegt, trägt eigentlich schon alles im Titel, was zum damaligen Verständnis des Reinheitsgebotes zu sagen ist: „Der vollkommene Bierbrauer oder kurzer Unterricht alle Arten Biere zu brauen wie auch verdorbene Biere wieder gut zu machen, auch alle Arten von Kräuterbieren. Nebst einem Anhang von Methsieden.“ Gedruckt in Frankfurt und Leipzig im Jahre des Herrn 1784. Interessant ist hierbei der ständige Hinweis auf gutes Malz, gutes Wasser und guten Hopfen. Nach damaligem Verständnis reichte dies anscheinend aus, um der Reinheit des Bieres Genüge zu tun. Denn neben einer haarsträubenden Historie des Bieres werden Rezepturen für folgende Biere vorgestellt: Wermutbier, Wacholderbier, Rosmarinbier, Beyfußbier, Krauseminzbier, Citronenbier, Lorbeerbier, Lavendelbier, Hirschzungenbier, Majoranbier, Melisssenbier, Haferwurzelbier, Ochsenzungenbier, Anisbier, Fenchelbier, Nelkenbier, Ehrenpreisbier, Kirschenbier, Schlehenbier, Himbeerbier, Wohlgemuthbier und, gewissermaßen als Prophylaxe, ein „Kräuterbier, bei Pestzeiten sehr nützlich“. Dies ist nur eine Auswahl. Es folgt noch eine Reihe Anwendungen, mit welchen Kräutern man welchen Fehlgeschmack kaschieren kann, und welches Kräuterbier welche Krankheit heilt. Einige Tips sind analytisch einwandfrei, wie die Zugabe von Pottasche – heute würde man „Aktivkohle“ sagen, nur halt nicht ganz konform mit dem Reinheitsgebot. Für die ganz Pfiffigen gibt es sogar Tips, wie man dem Biere einen Weingeschmack geben kann. In einer späteren Ausgabe, gedruckt in Altona, werden diese Rezepte exakt wiederholt. Mit dem nächsten Werk gehen wir weiter südlich: „Das Bamberger Bier“ von Johann Seifert, gedruckt in Bamberg 1818. Auch hier ein pragmatischer Untertitel: „Praktische, auf chemische Grundsätze gestützte Verfahrungsweise, Handgriffe und Gewerbs-Vortheile beim Brauen des Bamberger Biers mit einem Anhange, enthaltend verschiedene erprobte Mittel, trübes Bier hell zu machen, saueres Bier zu verbessern u.u. nebst zwei Tabellen.“ Über das ganze Buch zieht sich Lob und Preis des Bamberger Biers, der guten Rohstoffe, alles im Rahmen des Reinheitsgebots – bis zum Anhang: Salz, Ingwer, Branntwein und Pfeffer sind harmlose kleine Helferlein, auch Kreide wird empfohlen. Dann aber wird es tierisch: Gekochte Hausenblase (Fischblase) hilft gegen Trübung (Wird in vielen Ländern, besonders im englischsprachigen Raum, bis heute verwendet) und bei einem Bier, welches fertig ist, dessen Gärung aber nicht aufhören will, sollen zerkochte Kalbsfüße, als Gallert zugegeben, Wunder wirken. Wohl bekomm‘s! A.F. Zimmermann schrieb im Oktober 1842 ein umfangreiches „Lehrbuch der Bier-Brauerei“, die zweite Auflage wurde 1852 gedruckt in Berlin. Dies ist ein erster Versuch von etwas, das wirklich den Namen „Lehrbuch“ verdient. Neben den klassischen Rohstoffen gibt es hier ausführliche Kapitel über Klärungsmittel u.a. das von deutschen Brauern heutzutage so verpönte „Caragheenmoos“ sowie wieder die Hausenblase. Ein großes Kapitel behandelt „Auszüge aus der Botanik oder Pflanzenkunde, soweit das Braugewerbe davon Nutzen ziehen kann.“ Nutzen ziehen konnte man anscheinend aus der Enzian-Wurzel, dem Bitterklee, der Schafgarbe, dem Wermutkraut, der Wacholderbeere und etwa 25 anderen Pflanzen. Weiterhin gibt es Abschnitte mit dem Titel „Der Stärke-Sirup als Malz-Surrogat“ oder über die Herstellung von „Champagner-Bier“, aus Zucker gebaut, oder ein ungehopftes „Broyhan-Bier“. Am Ende gerät der Autor vollends auf die schiefe Bahn. Der letzte Teil, über 50 Seiten, beschäftigt sich ausschließlich mit der Herstellung von „Kartoffel-Bier“, mit ansonsten sehr traditioneller Rezeptur, nur halt mit Kartoffeln anstatt Malz. Und das nur 19 Jahre, bevor das Reinheitsgebot im Deutschen Reich eingeführt wurde! Von da an ging es bergauf mit der Reinheit des Bieres, wollte man doch den Engländern und anderen Bierländern voraus sein. Ab 1906 galt das Reinheitsgebot dann im ganzen Gebiet des Deutschen Reichs. Auch die Weimarer Republik und die BRD übernahmen es in den ihnen genehmen Versionen. Im 20. Jahrhundert wurde das Reinheitsgebot nie ernsthaft in Frage gestellt, aus den schon vorab erwähnten Gründen. Die Vielfalt litt zweifelsohne, aber solange die Konkurrenz aus dem Ausland außen vor war, war es egal. In deutschen Lehrbüchern des 20. Jahrhunderts wird dann auch immer fein säuberlich getrennt zwischen „erlaubten“ und „unerlaubten“ Zutaten. Die Kenntnis allein der „unerlaubten“ ist ja nicht strafbar, oder? Die deutschen Brauer haben im Laufe der Zeit gelernt, sich im Rahmen des Reinheitsgebotes mit technischen oder wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu arrangieren, wenn die Mehrheit es so will. Dennoch hat so manches einen heuchlerischen Beigeschmack. Zum Beispiel wurde bei der Zugabe von Milchsäure zur Bierwürze sehr schnell Einigung erzielt, wie man diese quasi nach dem Reinheitsgebot erzeugen kann. Interessant ist auch die Tatsache, wie schnell sich die deutschen Brauer nach anfänglichem Gezeter mit Biermischgetränken angefreundet haben. Und warum schmeckt das Lieblingsbier im sonnigen Süden eigentlich anders als zuhause? Das wird wahrscheinlich am Antioxidans Ascorbinsäure liegen, reines Vitamin C, das das Bier haltbarer macht. In Deutschland natürlich verboten, aber eigentlich nur im Bier. Aber wenn in Deutschland ein Brauer sein Produkt „Öko-Bier“ nennt, ist der Rest der Brauer verschnupft ob der unterschwelligen Unterstellung, ihre Produkte wären nicht „Öko“. Noch ein Beispiel gefällig: Ein kleiner Hausbrauer in Berlin setzt Hanfsamen zu (gibt einen tollen Schaum und ist ansonsten völlig unbedenklich). Er darf sein Produkt nicht Bier nennen, da sei der Brauerbund vor, aber Biersteuer bezahlen, das darf er!

Ein Art Fazit

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Motivation, die hinter den diversen Reinheitsgeboten steht und stand, sich über die Jahrhunderte wenig verändert hat. Es dient in erster Linie dem Fernhalten unerwünschter Konkurrenz und größeren Profiten, egal ob für die Herrschenden oder die Brauer. Häufig mussten die Brauer mit diversen Gesetzen auch vor sich selbst geschützt werden. Den spätmittelalterlichen Herrschern jedoch Verbraucherschutz oder Gesundheitsbewußtsein zu unterstellen, ist genauso absurd wie die Behauptung, dass man sich beim Genuss einer Flasche Corona oder US-Budweiser an den darin enthaltenen Mais- oder Reisbestandteilen vergiften und einen qualvollen Tod sterben könnte. Letzten Endes sind Fachkenntnis und gute Rohstoffe, egal ob Gerste oder Mais, wichtiger als Reinheitsgebote. Jede Brauerei der Welt könnte nach dem Reinheitsgebot ein schlechtes Bier brauen, ebenso fast jede Brauerei ohne Reinheitsgebot ein gutes. Das Reinheitsgebot wird und wurde von den deutschen Brauern immer gerne als politisches Instrument genutzt, wenn es gerade opportun ist. Daran gehalten hat man sich selbst aber nur, wenn es nicht zu vermeiden war.

Ende der historischen Kritik...