„Priesterbruderschaft St. Pius X.“ – Versionsunterschied

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Williamson wurde daraufhin von Bernard Fellay, dem Generaloberen der Piusbruderschaft gemaßregelt. Fellay verbot Williamson bis auf weiteres Stellungnahmen zu politischen und historischen Sachverhalten<ref>{{Internetquelle |url=http://www.fsspx.info/news/ |author=Bernard Fellay |titel=Aktuell : : Stellungnahme des Generaloberen |ort=Menzingen |datum=27.&nbsp;Januar 2009 |zugriff=27.&nbsp;Januar 2009}}</ref>.
Williamson wurde daraufhin von Bernard Fellay, dem Generaloberen der Piusbruderschaft gemaßregelt. Fellay verbot Williamson bis auf weiteres Stellungnahmen zu politischen und historischen Sachverhalten<ref>{{Internetquelle |url=http://www.fsspx.info/news/ |author=Bernard Fellay |titel=Aktuell : : Stellungnahme des Generaloberen |ort=Menzingen |datum=27.&nbsp;Januar 2009 |zugriff=27.&nbsp;Januar 2009}}</ref>.


Der römische Oberrabbiner [[Riccardo Di Segni]] warnte Papst Benedikt XVI. vor negative Auswirkungen, welche eine „Beendigung des Schismas“ und die „Wiederaufnahme der Lefebvristen in die Kirche“ auf das jüdisch-katholische Verhältnis haben würden. Er sprach in der Zeitung [[La Stampa]] von einer „tiefen Wunde“. <ref>[http://www.katholisches.info/?p=2561 katholisches:Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelt gegen Bischof Williamson (FSSPX)] vom 23. Januar 2009 </ref>
Der römische Oberrabbiner [[Riccardo Di Segni]] warnte Papst Benedikt XVI. vor negative Auswirkungen, welche eine „Beendigung des Schismas“ und die „Wiederaufnahme der Lefebvristen in die Kirche“ auf das jüdisch-katholische Verhältnis haben würden. Er sprach in der Zeitung [[La Stampa]] von einer „tiefen Wunde“. <ref>[http://www.katholisches.info/?p=2561 katholisches:Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelt gegen Bischof Williamson (FSSPX)] vom 23. Januar 2009 </ref> Aus Protest wegen der päpstlichen Rehabilitierung von Bischof [[Richard Williamson]], der den Holocaust leugnet, setzt das [[Rabbinat]], das höchste jüdische Leitungsgremium, in Israel die Beziehungen zum [[Vatikanstaat]] aus. <ref>[http://www.tagesschau.de/ausland/papst312.html Tagesschau:Rabbinat setzt Beziehungen zum Vatikan aus] </ref>


== Gespräche mit Rom ==
== Gespräche mit Rom ==

Version vom 28. Januar 2009, 18:01 Uhr

Die Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX, von lat. Fraternitas Sacerdotalis Sancti Pii X.) ist eine 1970 gegründete traditionalistische Priestervereinigung mit Gemeinschaftsleben ohne Gelübde.

Die FSSPX wird seit 1975 durch die Römisch-katholische Kirche offiziell nicht mehr anerkannt und entzieht sich seitdem weitgehend der kirchlichen Jurisdiktion. Die Vereinigung lehnt die Ökumene, die Religionsfreiheit, die Kollegialität der Bischöfe und die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils ab. Gegründet von Erzbischof Marcel Lefebvre wird sie seit 1994 von dem von ihm geweihten Bischof Bernard Fellay geleitet. Der Bruderschaft gehören nach eigenen Angaben 493 Priester an (Stand 2009).[1]

Gründung und Zielsetzung

Datei:Ecce-virgo02.JPG
Altar in einer Kirche der Bruderschaft

Die Priesterbruderschaft wurde 1970 vom Erzbischof Marcel Lefebvre gegründet. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil trat dieser zunehmend in Opposition zu Entwicklungen innerhalb der Römisch-Katholischen Kirche und gab nach und nach die Ämter auf, die er in der Kirche innehatte. Kurz nach seinem Rücktritt als Generaloberer der Väter vom Heiligen Geist (Spiritaner) wurde Lefebvre von Seminaristen des Französischen Seminars in Rom angesprochen, die sich wegen ihres Festhaltens an traditionellen Glaubensvorstellungen und Doktrinen bedrängt sahen. Diese suchten ein konservatives Seminar, um ihre Studien zu beenden. Lefebvre verwies sie an die Universität Freiburg in der Schweiz.

Nachdem Lefebvre gebeten worden war, diese Seminaristen persönlich zu unterrichten, wandte er sich an den Diözesanbischof von Lausanne, Genf und Freiburg, François Charrière, der die Internationale Priestergemeinschaft St. Pius X. als pia unio errichtete. Er genehmigte dabei die Statuten zunächst für sechs Jahre ad experimentum. Kardinal John Joseph Wright, Präfekt der Kongregation für den Klerus, sandte ein Schreiben, in dem er Erzbischof Lefebvre zur Gründung der Bruderschaft gratulierte.

Die FSSPX sieht ihr Ziel in der Erneuerung des Priestertums und betreibt ohne Erlaubnis des Vatikans und der Diözesen Priesterseminare, Priorate und Kapellen. Theologisch nimmt sie einen traditionalistischen Standpunkt ein und lehnt einige Punkte des Zweiten Vatikanischen Konzils – wie die Ökumene in ihrer heutigen Form und Zielsetzung, die Religionsfreiheit, die Kollegialität der Bischöfe und die Liturgiereform im Anschluss an das Konzil – ab, weil sie sie für mit der katholischen Lehre unvereinbar ansieht.

Entwicklung 1970 bis 1988

Erste Spannungen, Untersuchungskommission

Als Spannungen zwischen Erzbischof Lefebvre und verschiedenen europäischen, insbesondere französischen Bischöfen entstanden und mit der Zeit größer wurden, berief Kardinalstaatssekretär Villot eine Kommission ein, die den Auftrag erhielt, die Angelegenheit zu untersuchen. Mitglieder der Kommission waren Kardinal Gabriel-Marie Garrone, Kardinal Wright und Kardinal Arturo Tabera.

In der Folge veröffentlichte Lefebvre am 21. November 1974 eine „Grundsatzerklärung“, in der er schrieb:

„Wir hängen mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele am katholischen Rom, der Hüterin des katholischen Glaubens und der für die Erhaltung dieses Glaubens notwendigen Traditionen … Wir lehnen es hingegen ab, und haben es immer abgelehnt, dem Rom der neo-modernistischen und neo-protestantischen Tendenz zu folgen, die klar im Zweiten Vatikanischen Konzil und nach dem Konzil in allen Reformen, die daraus hervorgingen, zum Durchbruch kam … Keine Autorität, selbst nicht die höchste in der Hierarchie, kann uns zwingen, unseren Glauben, so wie er vom Lehramt der Kirche seit neunzehn Jahrhunderten klar formuliert und verkündet wurde, aufzugeben oder zu schmälern … Da diese Reform vom Liberalismus und vom Modernismus ausgeht, ist sie völlig vergiftet. Sie stammt aus der Häresie und führt zur Häresie, selbst dann, wenn nicht alle ihre Akte direkt häretisch sind! Daher ist es jedem wachen und treuen Katholiken unmöglich, diese Reform anzunehmen und sich ihr, in welcher Weise auch immer, zu unterwerfen.[2]

Am 24. Januar 1975 schrieb Bischof Pierre Mamie, der Nachfolger von Bischof Charrière, an die Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, dass er nach der sorgfältigen Studie der Erklärung Mgr. Lefebvres die traurige, aber dringliche Notwendigkeit sehe, der FSSPX die von seinem Vorgänger gewährte Anerkennung wieder zu entziehen. Kardinal Arturo Tabera, Präfekt der Kongregation, antwortet am 25. April. In dem Schreiben drängt er Bischof Mamie dazu, der FSSPX die Anerkennung mit sofortiger Wirkung zu entziehen. Bischof Mamie informierte Erzbischof Lefebvre am 6. Mai 1975 in diesem Sinne.

Römische Aufhebung der FSSPX, Rekurse Lefebvres

Weiterhin traf die von Kardinalstaatssekretär Villot einberufene Kardinalskommission mit Zustimmung des Papstes folgende Entscheidungen:

  • Bischof Mamie wird das Recht bescheinigt, der Bruderschaft die Anerkennung zu entziehen. Durch den Entzug der Anerkennung fehlt der Bruderschaft eine juristische Basis, insbesondere das Seminar in Ecône verliert sein Existenzrecht.
  • Lefebvre wird keinerlei Unterstützung erhalten, solange die Erklärung vom 21. November 1974 Basis seiner Arbeit bleibt.

Lefebvre akzeptierte weder die Entscheidung der Kardinalskommission noch die Maßnahmen von Bischof Mamie. Er begründete dies gegenüber der Apostolischen Signatur damit, dass

  • Verfahrensfehler gemacht worden seien,
  • die Kardinalskommission nicht befugt gewesen sei, seine Erklärung zu beurteilen,
  • dass seine Erklärung eine persönliche Erklärung gewesen sei und es deshalb nicht angehe, dass aufgrund dieser Erklärung die FSSPX und das Priesterseminar der FSSPX aufgelöst würden, sondern höchstens er selbst bestraft werden dürfte.

Der Rekurs von Erzbischof Lefebvre wurde von der Apostolischen Signatur am 10. Juni 1975 abgelehnt, da die Entscheidung der Kardinalskommission von Papst Paul VI. in forma specifica befürwortet worden war. Dies wurde von Papst Paul VI. in einem persönlichen Brief an Erzbischof Lefebvre bestätigt. Aus Sicht der römischen Behörden existierte ab diesem Zeitpunkt die FSSPX nicht mehr als offiziell anerkannte Organisation innerhalb der römisch-katholischen Kirche.

Aus Sicht der FSSPX war die Aufhebung (wegen Überschreitung der Kompetenzen durch die Kardinalskommission, da die Approbation „in forma specifica“ erst nach Erlass des Rechtsaktes erfolgt sei und weiteren formalen Fehlern) ungültig.[3] Sie setzte ihre Arbeit fort und ignorierte sowohl die Weisungen des Diözesanbischofs als auch die Weisungen Roms. Im Konsistorium am 24. Mai 1976 kritisierte Papst Paul VI. Erzbischof Lefebvre öffentlich und appellierte an Lefebvre und seine Anhänger, sich zu besinnen.[4]

Priesterweihen trotz Verbots

Am 29. Juni 1976 weihte Lefebvre FSSPX-Seminaristen zu Priestern, obwohl er zwei Briefe von Erzbischof Giovanni Benelli, Substitut des vatikanischen Staatssekretariats, erhalten hatte, die ihm verboten, die Weihe durchzuführen. In der Predigt anlässlich dieser Priesterweihe bekundete Lefebvre:[5] „Es bereitet uns einen ungeheuren und unermeßlichen Schmerz, feststellen zu müssen, daß wir mit Rom Schwierigkeiten haben — wegen unseres Glaubens! […] Wir befinden uns in einer wahrhaft dramatischen Situation. Wir müssen uns entscheiden. Es geht um einen sozusagen scheinbaren Gehorsam, denn der Heilige Vater kann von uns nicht mit Recht verlangen, unseren Glauben aufzugeben. […] Wir entscheiden uns dafür, unseren Glauben nicht aufzugeben, denn darin können wir uns nicht täuschen.“ Lefebvre wurde am gleichen Tag suspendiert a collatione ordinum, ihm war es also von nun an nicht mehr möglich, rechtmäßig Priesterweihen durchzuführen. Eine Woche später wurde Lefebvre von Kardinal Sebastiano Baggio, Präfekt der Kongregation für die Bischöfe, aufgefordert, sich wegen der trotz des Verbotes durchgeführten Priesterweihen beim Papst zu entschuldigen. In seinem Antwortschreiben forderte Lefebvre Papst Paul VI. auf, „die richtige Auffassung der verfälschten Ideen wiederher[zu]stellen, die zu Idolen des modernen Menschen geworden sind: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Demokratie.“[6] Der Papst solle das „unglückselige Unternehmen eines Kompromisses mit den Ideen des modernen Menschen aufgeben“, das vor dem Konzil mit einem geheimen Abkommen zwischen hohen kirchlichen Würdenträgern und den Freimaurern seinen Anfang gefunden hätte (vermutlich meinte er die Lichtenauer Erklärung[7]). Er weigerte sich, sich beim Papst zu entschuldigen, und wurde in Folge a divinis suspendiert. Ihm wurden damit alle Vollmachten seines Priester- und Bischofsamtes entzogen.

Gründung von Priesterseminaren

Lefebvre blieb weiterhin an der Spitze der FSSPX, seit 1982 zusammen mit P. Franz Schmidberger als Generalvikar (mit dem Recht auf Nachfolge). Die FSSPX eröffnete – ohne die Genehmigung der jeweiligen Diözesanbischöfe – Kapellen in verschiedenen Diözesen rund um den Globus sowie mehrere Priesterseminare. Auch wurden innerhalb der Bruderschaft weitere ungenehmigte Priesterweihen durchgeführt. Die FSSPX geht davon aus, dass Rom eine häretische Mentalität habe (Gegensatz zum Sedisvakantismus, der von einem förmlichen Glaubensabfall ausgeht) und leitet daraus einen Notstand und damit Recht zum Ungehorsam gegenüber Rom und der Kirchenführung auf diözesaner Ebene ab.

Die Bischofsweihen von 1988

Vorgeschichte

In der römisch-katholischen Kirche erfordern Bischofsweihen einen päpstlichen Auftrag.[8] Im Jahr 1987 verkündete der 81-jährige Lefebvre seine Absicht, einen Nachfolger zum Bischof zu weihen. Er stellte klar, dass er beabsichtige, die Weihe mit oder ohne Erlaubnis des Heiligen Stuhls durchzuführen. Der Stuhl Petri und die amtlichen Stellen in Rom seien von antichristlichen Kräften besetzt: „Da dieses modernistische und liberale Rom sein Werk der Zerstörung der Herrschaft Unseres Herrn weiterverfolgt, […] sehe ich mich gezwungen […] die Gnade des katholischen Bischofsamtes […] weiterzugeben, damit die Kirche und das katholische Priestertum fortfahren zu bestehen.“[9] Rom missbilligte den Plan, begann aber mit Verhandlungen, die am 5. Mai 1988 zur Unterzeichnung eines Protokolls führten.[10]

Im ersten Teil, der doktrinalen Charakter hat,

  • verspricht Erzbischof Lefebvre als Vertreter der Priesterbruderschaft St. Pius X. der katholischen Kirche sowie dem Papst und seinem Primat als Oberhaupt der Gesamtheit der Bischöfe immer treu zu sein,
  • erklärt, die in Sektion 25 der von Papst Paul VI. promulgierten Dogmatischen Konstitution über die Kirche (Lumen Gentium) enthaltene Lehre über das kirchliche Lehramt und die ihm geschuldete Zustimmung anzunehmen,
  • verpflichtet sich, hinsichtlich vom Zweiten Vatikanischen Konzil gelehrten Punkte und nach dem Konzil erfolgten Reformen der Liturgie und des Kultes, bei deren Studium und einem Vorbringen beim Heiligen Stuhl eine positive Haltung einzunehmen und jede Polemik zu vermeiden,
  • erklärt, die Gültigkeit des Messopfers und der Sakramente anzuerkennen, die in den von den Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. promulgierten offiziellen Ausgaben des römischen Messbuches und den Ritualen für die Sakramente enthalten sind
  • und verspricht, die allgemeine Disziplin der Kirche und die kirchlichen Gesetze zu achten, insbesondere die Gesetze des von Papst Johannes Paul II. promulgierten Kirchlichen Gesetzbuches.

Der zweite (juristische) Teil des Dokumentes sah vor, dass:

  • die Priesterbruderschaft eine Gesellschaft des Apostolischen Lebens wird,
  • Erzbischof Lefebvre oder ein von ihm gebilligter anderer Bischof autorisiert werden, FSSPX-Seminaristen zu Priestern zu weihen,
  • dem Papst aus praktischen und psychologischen Gründen vorgeschlagen wird, im Rahmen der doktrinalen und kanonistischen Lösung der Wiederversöhnung einen Priester der Bruderschaft zum Bischof zu ernennen, der in Zukunft die Aufgabe übernehmen solle, Priesterweihen innerhalb der FSSPX vorzunehmen,
  • eine Kommission eingesetzt wird für die Koordinierung der Beziehungen zwischen der FSSPX einerseits und den verschiedenen vatikanischen Dikasterien und den Diözesanbischöfen andererseits sowie für die Lösung eventueller Probleme und Streitfragen,
  • die suspensio a divinis von Erzbischof Marcel Lefebvre aufgehoben wird,
  • es zu einer „Amnestie“ und einer Genehmigung kommt für die Häuser und Kultstätten, die die Bruderschaft ohne Autorisierung der zuständigen Bischöfe errichtet und benutzt hatte.

Das Dokument wurde von Erzbischof Lefebvre und Kardinal Joseph Ratzinger unterzeichnet und an Papst Johannes Paul II. mit der Bitte um Zustimmung gesandt. Allerdings kam Lefebvre bald zur Überzeugung, er sei in eine Falle gelockt worden. Schon am nächsten Tag verkündete er, sein Gewissen verpflichte ihn dazu, am 30. Juni einen Nachfolger zum Bischof zu weihen, mit oder ohne päpstliche Erlaubnis.

Am 24. Mai wurde Erzbischof Lefebvre in Aussicht gestellt, dass der Papst einen Priester aus den Reihen der Bruderschaft zum Bischof ernennen werde – die Weihe könne am 15. August stattfinden –, falls man einen geeigneten Kandidaten innerhalb der Bruderschaft finde. Im Gegenzug müsse Erzbischof Lefebvre auf der Basis des am 5. Mai von ihm unterzeichneten Protokolls um Aussöhnung mit dem Papst ersuchen und einen Brief mit Entschuldigungsbitten unterzeichnen.

Erzbischof Lefebvre stellte nun drei Bedingungen:

  • die Weihe müsse am 30. Juni stattfinden,
  • nicht einer, sondern drei Bischöfe seien zu weihen,
  • die Mehrheit der vorgesehenen Kommission müsse aus Mitgliedern der Bruderschaft bestehen.

Auf Anweisung von Papst Johannes Paul II. schrieb Kardinal Joseph Ratzinger, der heutige Papst Benedikt XVI., Erzbischof Lefebvre am 30. Mai 1988, dass der Heilige Stuhl die von ihm gestellten Bedingungen als inakzeptabel ansehe.

Am 3. Juni 1988 antwortete Lefebvre aus Ecône, er werde am 30. Juni die von ihm geplanten Bischofsweihen auch ohne päpstliche Erlaubnis durchführen.

Papst Johannes Paul II. schrieb am 9. Juni 1988 einen persönlichen Brief an Lefebvre, in dem er ihn an die von ihm am 5. Mai unterzeichnete Vereinbarung erinnert und an ihn appelliert, nicht mit seinem Plan fortzufahren, der als ein schismatischer Akt bewertet werde, dessen theologischen und kanonischen Konsequenzen Lefebvre bekannt seien. Als Lefebvre auf diesen Brief nicht antwortete, wurde dieser am 16. Juni 1988 öffentlich gemacht. Auch ein später Vermittlungsversuch des französischen Philosophen Jean Guitton scheiterte.

1988: Durchführung der Bischofsweihen

Am 30. Juni 1988 weihte Erzbischof Lefebvre, assistiert vom emeritierten Bischof von Campos dos Goytacazes (Brasilien), Antônio de Castro Mayer, nicht, wie zunächst angekündigt, drei, sondern sogar vier FSSPX-Priester ohne Genehmigung Roms zu Bischöfen: Bernard Fellay, Bernard Tissier de Mallerais, Richard Williamson und Alfonso de Galarreta. In der Predigt anlässlich der Bischofsweihen begründete Lefebvre den Abbruch der Verhandlungen mit Rom:[11]

„Was ist die Wahrheit für diese Menschen? Es ist die Wahrheit des Zweiten Vatikanischen Konzils, dieser konziliaren Kirche. Folglich ist für den Vatikan die heute einzige existierende Wahrheit, die konziliare Wahrheit, die Wahrheit des ‚Geistes des Konzils‘. Es ist der Geist von Assisi. Das ist heute ‚die Wahrheit‘. Diese Wahrheit wollen wir nicht, um alles in der Welt! Der feste Willen der gegenwärtigen römischen Behörden ist, die Tradition zu vernichten und alle in diesen Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils hineinzuziehen, in diesen Geist von Assisi. Darum haben wir es vorgezogen, uns zurückzuziehen. Diesem Geist konnten wir nicht zustimmen, das war unmöglich. Für uns war es nicht möglich, sich einer solchen Obrigkeit zu unterwerfen. Wir hätten der Amtsgewalt von Kardinal Ratzinger, des Präsidenten dieser römischen Kommission, die uns hätte leiten sollen, unterstanden. Wir wären ihm ausgeliefert gewesen. Wir wären in die Hände der Personen gefallen, die uns dem Geist des Konzils und dem Geist von Assisi unterwerfen wollen. Das ist unmöglich!“

Reaktion Roms: Exkommunikationen

Als Reaktion auf die unerlaubten Bischofsweihen erließ die Kongregation für die Bischöfe am 1. Juli 1988 ein Dekret,[12] in dem Lefebvre als exkommuniziert erklärt wird; vgl. Codex des Kanonischen Rechtes, Canon 1382. Am folgenden Tag bestätigte Papst Johannes Paul II. dieses Dekret mit dem Apostolischen Brief Ecclesia Dei. Der Vollzug illegitimer Bischofsweihen durch Lefebvre im Ungehorsam gegenüber dem Papst sei ein schismatischer Akt. Papst Johannes Paul II. forderte alle Katholiken, die bisher in irgendeiner Weise mit der FSSPX in Verbindung standen, auf, diese nicht weiter zu unterstützen.

Die Bruderschaft selbst bestreitet sowohl, schismatische Absichten zu haben, als auch die Inkurrierung der Exkommunikation aufgrund des aktuellen Kirchennotstandes, d.h. der Kirchenkrise (s. u. Kirchenrechtlicher Status der FSSPX).

Einige Priester verließen unmittelbar nach den unerlaubten Bischofsweihen die FSSPX. Sie gründeten noch 1988 die päpstlich anerkannte Priesterbruderschaft St. Petrus. Hinsichtlich ihres theologischen Standpunkts unterscheidet sie sich in mehreren Punkten, insbesondere werden alle Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils sowie die auf Anordnung des Zweiten Vatikanischen Konzils durchgeführte Liturgiereform anerkannt.

2009: Aufhebung der Exkommunikation

Am 21. Januar 2009 hob Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation der vier Bischöfe auf Bitte des Generaloberen Fellay auf.[13].

Die FSSPX heute

Verbreitung

Detail Seitenaltar St. Josef

Die FSSPX ist weltweit tätig: Neben Europa (Frankreich, Deutschland, Österreich, Polen und andere) ist sie in Nord- und Südamerika, Asien, Australien und Afrika vertreten. Im Jahr 2006 gehören zirka 472 Priester, 75 Brüder, 115 Schwestern und 70 Oblatinnen der Priesterbruderschaft an. Weltweit besitzt die Bruderschaft 175 Priorate und Kapellen und betreut zirka 75 Schulen, drei Universitäten und vier Altersheime. In Deutschland betreibt sie etwa 42 Priorate und Kapellen, drei Schulen, ein Seminar, ein Kloster, ein Schwesternnoviziat und ein Altenheim. 2002 wurde in der Ukraine eine Parallel-Priesterbruderschaft mit dem Namen Priesterbruderschaft St. Josaphat mit dem Ziel der „Bekehrung des schismatischen Ostens zur Anerkennung des Papstes und der traditionellen katholischen Lehre“ errichtet.

Priesterseminare

Die FSSPX betreibt katholische Priesterseminare in Ecône (Schweiz), Zaitzkofen (Deutschland), Flavigny-sur-Ozerain (Frankreich), Goulburn (Australien), Winona (Minnesota) (USA) und La Reja (Argentinien).

Schulen

Die Bruderschaft sieht insbesondere die von ihr betreuten Schulen, die „nicht nur Wissen vermitteln, sondern ebenso auf die Erziehung und Charakterbildung der Schüler Wert legen“, als „große Hoffnungsträger für die Zukunft“. Im Mitteilungsblatt der FSSPX vom Juli 2005 ist zu lesen, der „katholische Lehrer“ müsse die „Hauptirrlehren unserer Zeit“ erklären, allerdings müsse dabei vermieden werden, diese „zu loben“ oder sie gar „anzunehmen“. Schüler müssten sich mit Luther, Descartes, Hume, Kant, Hegel und Sartre in der Weise beschäftigen, wie sich Medizinstudenten mit Krankheiten beschäftigen: mit dem Ziel, diese Krankheiten dann bekämpfen zu können.

In Deutschland begann die FSSPX Mitte der 1990er Jahre, eigene Privatschulen zu gründen. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. führt unter anderem das Don-Bosco-Gymnasium in Wadersloh, Diestedde mit angeschlossenem Jungeninternat (wegen finanziellen Problemen per Sommer 2007 geschlossen), sowie in der Nähe von Bonn das St.-Theresien-Gymnasium mit Mädcheninternat.

Es sei wichtig, die Werte der „traditionellen kath. Kirche“ an Kinder weiterzugeben. Ziel sei es, „frohe, selbstständige junge Menschen heranreifen zu lassen, die gelernt haben, ihr Leben auf der Grundlage christlicher Überzeugung und Selbstbeherrschung zu gestalten.“ Besonderer Wert werde auf „Ehrfurcht vor Gott und den Nächsten, Disziplin, Höflichkeit, Ordnung und die Vermittlung der abendländischen Kultur gelegt“.[14]

Nachdem die Mutter eines von der Schule verwiesenen Schülers Anzeige erstattete, ermittelte die Staatsanwaltschaft von April 2005 bis Juni 2006 gegen die Lehrer und die Leitung der Herz-Jesu-Schule in Saarbrücken wegen Misshandlungen an Schülern. Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes erlaubte den Weiterbetrieb der Schule, da auf die Verfehlungen eines Lehrers angemessen reagiert worden war. [15][16]

Nutzung von Kirchengebäuden

In den Diözesen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz wird der Bruderschaft die Nutzung von Kirchengebäuden der Römisch-Katholischen Kirche häufig nicht gestattet, auch nicht für Beerdigungen, Taufen und Eheschließungen sowie die Nutzung von Wallfahrtskirchen. In Frankreich wurden der FSSPX 2005 je einmal in Lisieux und in Lourdes Hochämter in Kirchengebäuden der Römisch-Katholischen Kirche gestattet.

Holocaustleugnung eines Bischofs

Äußerungen des von Marcel Lefebvre 1988 zum Bischof geweihten Richard Williamson erregten Anfang 2009 Aufsehen. Williamson hatte u.a. im schwedischen Fernsehen die Existenz von Gaskammern zur Ermordung von Juden im Nationalsozialismus bestritten[17][18][19], was zu einem Stafverfahren der Staatsanwaltschaft in Regensburg[20] führte. Williamson hatte auch schon einige Jahre vorher die Protokolle der Weisen von Zion als authentische Informationsquelle bezeichnet.[21][22] Williamson wurde daraufhin von Bernard Fellay, dem Generaloberen der Piusbruderschaft gemaßregelt. Fellay verbot Williamson bis auf weiteres Stellungnahmen zu politischen und historischen Sachverhalten[23].

Der römische Oberrabbiner Riccardo Di Segni warnte Papst Benedikt XVI. vor negative Auswirkungen, welche eine „Beendigung des Schismas“ und die „Wiederaufnahme der Lefebvristen in die Kirche“ auf das jüdisch-katholische Verhältnis haben würden. Er sprach in der Zeitung La Stampa von einer „tiefen Wunde“. [24] Aus Protest wegen der päpstlichen Rehabilitierung von Bischof Richard Williamson, der den Holocaust leugnet, setzt das Rabbinat, das höchste jüdische Leitungsgremium, in Israel die Beziehungen zum Vatikanstaat aus. [25]

Gespräche mit Rom

Unregelmäßig stattfindende Gespräche zwischen Rom, derzeit vertreten durch den Präsidenten der päpstlichen Kommission Ecclesia Dei, Kardinal Darío Castrillón Hoyos, und der Priesterbruderschaft führten bisher zu keinen wesentlichen Ergebnissen.

Im Sommer 2005 fanden erstmals nach 17 Jahren Gespräche zwischen dem Heiligen Stuhl und Vertretern der Priesterbruderschaft Pius X statt: Papst Benedikt XVI empfing Bischof Bernard Fellay und den 1. Assistenten der Bruderschaft, Franz Schmidberger. Das Gespräch verlief in freundlicher Atmosphäre, blieb jedoch ohne konkretes Ergebnis.

Im Umfeld des 1. Konsistoriums von Papst Benedikt XVI. am 24. März 2006 wurden verstärkte Bestrebungen bekannt, den Anhängern der Bruderschaft eine vollkommenere Gemeinschaft mit der Römischen Kirche zu ermöglichen. Maßgebliche Beobachter schätzen die Erfolgsaussichten eher gering ein, da die heutigen Repräsentanten der FSSPX mehr als ein Entgegenkommen bezüglich der Liturgischen Frage fordern. In den Medien verlautete, der Generalobere der FSSPX, Bischof Bernard Fellay, habe kurz nach seiner Audienz beim gegenwärtigem Papst diesem eine mit Korrekturanmerkungen versehene Fassung des Kompendiums des Katechismus' der Katholischen Kirche zukommen lassen. Die Anmerkungen konzentrierten sich dabei auf Fragen der katholischen Staatsdoktrin, der Religionsfreiheit und den Ökumenismus.

Am 2. April 2006 erklärte der Generaloberer der FSSPX in einer Predigt:[26]

„Er [Papst Benedikt XVI.] betonte: ‚Sie müssen das Konzil annehmen, aber natürlich das im Licht der lebendigen Tradition ausgelegte Konzil!‘ […] Wenn er von Tradition spricht, so versteht er darunter das aktuelle Lehramt, welches die Vergangenheit wieder überarbeitet, neu interpretiert und sie uns lehrt. Das ist die lebendige Tradition. Andersgesagt: Die lebendige Tradition, das ist Benedikt XVI. Also ist das im Licht der lebendigen Tradition interpretierte Konzil jenes Konzil, so wie es der jetzige Papst versteht. Natürlich stimmt das nicht mit dem überein, was wir meinen. […] Ebenso verurteilt er jene, die im Konzil einen Bruch sehen. […] Da erklärt er uns, der moderne Staat habe sich seit dem 19. Jahrhundert, wo er von der Kirche verurteilt wurde, verändert. Heute sei der moderne Staat besser, versöhnlicher, weniger radikal und folglich musste die Kirche auf dem Konzil bezüglich des Verhältnisses zum Staat eine neue Haltung einnehmen. Und indem sich die Kirche eines der fundamentalen Prinzipien des modernen Staates zu eigen machte, nämlich die Neutralität, die Unparteilichkeit allen Religionen gegenüber, konnte die Kirche ihr (eigentliches) Erbe wiederfinden. […] Anders ausgedrückt erklärt der Papst, 1700 Jahre der Kirchengeschichte sei außerhalb der Lehre Unseres Herrn abgelaufen; die Kirche habe während 1700 Jahren ihr Erbe verloren und jetzt wiederentdeckt, indem sie auf den katholischen Staat verzichtet. Wenn das kein Bruch sein soll, was ist es dann? […] Er betont, dass die Kirche eine neue Haltung in ihren Beziehungen mit dem Judentum einnehmen muss. Die Juden lehnen die Gottheit Unseres Herrn Jesus Christus ab. Man fragt sich, was dies bedeuten soll, eine neue Haltung jenen gegenüber zu haben, die Unseren Herrn ablehnen. Das Evangelium sagt sehr deutlich: ‚Wer den Sohn nicht hat, hat auch den Vater nicht.‘ […] Man fragt sich wirklich, warum es eine neue Haltung braucht. Das ist äußerst schlimm. […] Wenn man dies alles betrachtet, so ist man sehr wohl verpflichtet, sich zu fragen: Welches Übereinkommen ist dann überhaupt möglich? Es ist sehr einfach, meine lieben Brüder. Solange Rom in einer solchen Position verharrt, ist kein Übereinkommen möglich.“

Ebenfalls im April 2006 erklärte der FSSPX-Bischof Tissier de Mallerais, in einem Interview,[27] das von Papst Benedikt XVI. 1968 als noch junger Theologe veröffentlichte Buch Einführung in das Christentum sei „ein Buch voller Häresien“. Die im Buch vertretenen Positionen seien „schlimmer als Luther, viel schlimmer“. Weiterhin erklärte er: „Sie können Vatikanum II nicht als ein katholisches Werk lesen. Es basiert auf der Philosophie des Immanuel Kant. […] Ich werde sagen, eines Tages sollte die Kirche dieses Konzil tilgen. Sie wird nicht mehr von ihm reden. Sie muß es vergessen. Die Kirche wird weise daran tun, dieses Konzil zu vergessen.“

Sonstige Aktivitäten

Am 28. Juli 2007 veranstaltete die FSSPX in Stuttgart eine Gegendemonstration zum Christopher Street Day, auf welchem Schwule, Lesben und Transsexuelle für Gleichberechtigung und Toleranz demonstrierten. Anhänger der FSSPX versammelten sich mit Protestplakaten mit Aufschriften wie „Rettet Kinder vor Perversen“ und „AIDS Geissel der Unzucht“ und beteten zur „Wiedergutmachung der Perversion und Übertretung des 6. Gebotes des Dekalogs: ‚Du sollst nicht Unzucht treiben.‘“ öffentlich den Rosenkranz.[28]
Peter Lang, Pater des FSSPX-Priorates St. Athanasius in Stuttgart-Feuerbach erklärte: „Der Umzug und seine Teilnehmer zeigen ein Verhalten, das dem Menschen nicht angemessen ist, eine moralische Umweltverschmutzung.“[29] Niemand verteidige mehr „die christlichen Werte, wie Familie, Treue, Keuschheit. Dafür müssen unsere Kinder ansehen, wie pervers Erwachsene sein können.“[30]

Der Deutsche Distrikt

Distriktoberer für Deutschland ist Pater Franz Schmidberger. Die FSSPX hat in Deutschland 15 Priorate, die sich wie folgt gliedern:

  • Priorat und Distriktsitz St. Athanasius, Stuttgart-Feuerbach
    • Priorat St. Petrus, Berlin-Wilmersdorf
    • Kirche St. Mariä Himmelfahrt, Stuttgart-Feuerbach
    • Kirche Sieben Schmerzen Mariens, Bad Friedrichshall-Kochendorf
    • Kirche Heilig Kreuz, Reutlingen-Betzingen
    • Kapelle Sel. Bernhard von Baden, Schramberg-Sulgen
    • Kirche Maria vom Guten Rat, Schwäbisch Gmünd

Kirchenrechtlicher Status der FSSPX

Die FSSPX besitzt gegenwärtig keine offizielle Anerkennung durch die römisch-katholische Kirche. Der Heilige Stuhl sieht die FSSPX nicht als schismatisch an,[31] sieht aber die Gefahr, dass ihre Mitglieder „over a period of time“ eine schismatische Mentalität annehmen und so zum Schisma tendieren.[32]

Die Bruderschaft ihrererseits bestreitet das Vorliegen eines Schismas, erkennt den Papst ausdrücklich als solchen an und betont ihre Loyalität ihm gegenüber sowie den Umstand, daß sie täglich im Meßkanon für den Papst und die Ortsbischöfe betet.[33]

Gläubige, die mit der Priesterbruderschaft sympathisieren, sind katholische Gläubige, es sei denn, sie sehen in dieser die einzig wahre Kirche und machen dies im äußeren Bereich sichtbar (s. genauer im folgenden).

Die vier von Erzbischof Lefebvre unerlaubt geweihten Bischöfe waren seit ihrer Weihe 1988 exkommuniziert, bis die Beugestrafe 2009 aufgehoben wurde[34] Die Bruderschaft bestreitet den Eintritt der Exkommunikation aufgrund der kirchlichen Notlage.[35] Die innerhalb der Bruderschaft geweihten Priester sind gültig geweiht, gelten jedoch wegen des Mangels einer gültigen Inkardination als suspendiert. Die FSSPX hingegen ist der Ansicht ähnlich einer Ordensgemeinschaft in die eigene Priestergemeinschaft inkardinieren zu können, nachdem die FSSPX von Kardinal Antoniutti († 1974), dem Präfekten der römischen Kongregation für die Religiosen, einen Indult dazu erhalten hatte.

Der Heilige Stuhl sieht die Messfeiern der Bruderschaft als gültig an, rät aber vom ihrem Besuch ab. Auf eine schriftliche Anfrage antwortete Msgr. Camille Perl, damaliger Sekretär der päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei“, zunächst (Sept. 1995), es sei als moralisch unerlaubt (morally illicit) zu betrachten, die Messen der Bruderschaft zu besuchen.[36] Später (Brief v. 27. Sept. 2002 bzw. Bestätigungsschreiben v. 18. Jan. 2003) sprach derselbe Msgr. Perl nur noch davon, dass die Messen rechtlich unerlaubt („illicit i. e., contrary to the law“) seien und es keine Sünde sei, daran teilzunehmen „[i]f your intention is simply to participate in a Mass according to the 1962 Missal for the sake of devotion“, wenngleich, wie bereits früher dargelegt, der Besuch von FSSPX-Messen nicht empfohlen werden könne. Auf die Frage, ob ein Katholik mit dem Besuch einer FSSPX-Messe die Sonntagspflicht erfüllen könne, antwortet er, dies sei im eigentlichen Sinne (in the strict sense) möglich. Die Frage, ob eine Spende bei der Kollekte eine Sünde sei, verneinte er und antwortete, eine moderate Spende erscheine vertretbar.[37]

Gläubige, die an einer Messfeier von Priestern der FSSPX teilnehmen, ziehen sich keine Kirchenstrafe zu. „Nur Gläubige, die in der Priesterbruderschaft St. Pius X. die einzig wahre Kirche sehen und dies im äußeren Bereich sichtbar machen, ziehen sich die Exkommunikation zu“.[38]

Fraglich ist, inwieweit bei der FSSPX vorgenommene Trauungen gültig sind. Nach Can. 1108 Codex Iuris Canonici (CIC) gilt nämlich, dass nur jene Ehen gültig sind, die unter Assistenz des Ortsordinarius oder des Ortspfarrers oder eines von einem der beiden delegierten Priesters oder Diakons geschlossen werden. Nach Can. 1160 CIC müssten deshalb durch die FSSPX geschlossene Ehen, um aus Sicht der römisch-katholischen Kirche Gültigkeit zu erlangen, von neuem in der kanonischen Form geschlossen werden. Als sich die „Bruderschaft des hl. Johannes Maria Vianney“ (eine zuvor mit der FSSPX theologisch eng verbundene Priesterbruderschaft in Campos, Brasilien) mit dem Papst aussöhnte, wurden die innerhalb der Bruderschaft geschlossenen Ehen allerdings ohne eine erneute Eheschließung anerkannt (allerdings ad cautelam saniert?). Die Assistenz des Ortsordinarius oder des Ortspfarrers oder eines von einem der beiden delegierten Priesters oder Diakons ist nach dem Kirchenrecht entbehrlich, wenn eine solche Person nicht ohne schweren Nachteil herbeigeholt oder angegangen werden kann (can. 1116). Auch ersetzt, wie bei Beichte und Firmung, die Kirche nach can. 144 bei Zweifelsfällen oder allg. Irrtum (siehe unten zur Beichte) die fehlende Jurisdiktion/facultas („Ecclesia supplet“). Eheschließungen bei der FSSPX, bei denen mindestens eine dieser Voraussetzungen vorliegt, sind gültig.[39] In der Praxis wird jedoch häufig auch durch die FSSPX eine Delegation des Ortspfarrers eingeholt, sodass sich dieses kirchenrechtliche Problem nicht stellt.

Ähnlich umstritten ist, inwieweit eine von einem Priester der FSSPX erteilte Absolution gültig ist. Hierfür ist nämlich ebenso eine vom Ortsordinarius erteilte oder sich aus dem kirchlichen Amt des Priesters ergebende Jurisdiktionsgewalt bzw. Befugnis („facultas“) zur Spendung des Bußsakraments erforderlich (Can. 967ff. CIC), die die Priester der Bruderschaft nicht besitzen. Die Befugnis ist nur entbehrlich bzw. wird von Rechts wegen ersetzt („suppliert“)

  • im Falle eines allgemeinen Irrtums („error comunis“) über das Vorliegen der Befugnis (c. 144 CIC). Ein error communis de facto liegt vor, wenn ein Priester der FSSPX dort, wo er handelt, von allen oder wenigstens der Mehrheit der Glieder der konkreten Gemeinschaft vor Ort irrtümlich als rechtmäßiger Inhaber der Befugnis betrachtet wird. Ein error communis de iure ist gegeben, wenn der Priester aufgrund sicher erscheinender Anzeichen von allen Angehörigen oder mindestens von dem größeren Teil der konkreten Gemeinschaft vor Ort irrtümlich als rechtmäßiger Inhaber der Befugnis angesehen werden KÖNNTE (also unabhängig davon, ob und wieviele Gläubige wirklich (de facto) irren),[40]
  • bei einem positiven und begründeten Rechts- oder Tatsachenzweifel über das Vorliegen der Befugnis (c. 144 CIC),
  • wenn einem Priester die Befugnis auf Zeit verliehen wurde, er aber aus Unaufmerksamkeit nach Ablauf der vorgesehenen Zeit weiter Beichte hört (c. 142 § 2 CIC),
  • bei Todesgefahr (Can. 976 CIC).

Beichten bei der FSSPX, bei denen eine dieser Voraussetzungen vorliegt, sind gültig.[41]

Zweifelhaft ist, ob die Befugnis auch als suppliert angesehen werden kann in Situationen, die unter c. 844, § 2 CIC fallen. Diese Vorschrift lautet:

„§ 2. Sooft eine Notwendigkeit es erfordert oder ein wirklicher geistlicher Nutzen dazu rät und sofern die Gefahr des Irrtums oder des Indifferentismus vermieden wird, ist es Gläubigen, denen es physisch oder moralisch unmöglich ist, einen katholischen Spender aufzusuchen, erlaubt, die Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung von nichtkatholischen Spendern zu empfangen, in deren Kirche die genannten Sakramente gültig gespendet werden.“

Diese Vorschrift scheint aber nicht auf die FSSPX anwendbar zu sein, da sie nach dem direkten Wortlaut nur für den Sakramentenempfang bei „nichtkatholischen Spendern, in deren Kirche die Sakramente gültig gespendet werden“ gilt und die Priester der FSSPX unstrittig katholisch sind. Allenfalls wäre sie in einer weiten oder analogen Auslegung, die über den direkten Wortlaut hinausgeht – was aber in der Kanonistik nichts Unbekanntes oder Unübliches ist[42] und wie es die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei in dem bereits zitierten Antwortschreiben vom September 1995 tatsächlich tut[43]- anwendbar. Allerdings wird in dem erwähnten Schreiben nur wegen der von FSSPX-Priestern gefeierten Messen Bezug auf c. 844 § 2 genommen. Diese sind unstrittig gültig, aber unerlaubt. Insofern sind die Messfeiern der FSSPX mit der Situation des c. 844 § 2 vergleichbar: In beiden Fällen werden die Sakramente gültig gespendet, normalerweise aber unerlaubt – außer in den beschriebenen Situationen.

Quellenangaben

  1. http://www.dici.org/dl/fichiers/In-Zahlen_med.pdf
  2. Die Grundsatzerklärung von S.E. Erzbischof Marcel Lefebvre, 21. November 1974
  3. Vgl. http://www.angelusonline.org/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=2856
  4. CONCISTORO SEGRETO DEL SANTO PADRE PAOLO VI PER LA NOMINA DI VENTI CARDINALI, Papst Paul VI., 24. März 1976
  5. Predigt von Erzbischof Lefebvre am 29. Juni 1976 in Ecône
  6. Brief von Erzbischof Lefebvre an Papst Paul VI. vom 17. Juli 1976
  7. Gespräche der Freimaurerei mit der katholischen Kirche
  8. S. can. 1382 CIC. Papst Pius XII. beschrieb in der Enzyklika Ad Apostolorum Principis das Wirken von Bischöfen, die ohne die Genehmigung des Papstes geweiht wurden, als kriminell und als Sakrileg, s. Ad Apostolorum Principis, 41
  9. Brief von Erzbischof Lefebvre an seine zukünftigen Bischöfe vom 28. August 1987
  10. FSSP: Dokumente – Protokoll über ein Einvernehmen vom 5. Mai 1988
  11. Predigt von Erzbischof Lefebvre am 30. Juni 1988 in Ecône
  12. Benardinus Card. Gantin, Präfekt der Kongregation für die Bischofe: Decree of Excommunication on Marcel Lefebvre; 1. Juli 1988
  13. Wortlaut des Dekrets der Bischofskongregation vom 21.01.2009
  14. Selbstdarstellung St.-Theresien-Gymnasium
  15. Verwaltungsgericht Saarland (Hrsg.): Herz-Jesu-Schule in Saarbrücken darf weiter betrieben werden. Aktenzeichen 1 K 35/06. Pressemitteilung vom 3. Mai 2007. URL: http://www.jusline.de/index.php?cpid=0920e51183510618590069d5c148aec4&feed=10167 (Abgerufen am 26. Januar 2009)
  16. Carola Padtberg: Prügelnde Lehrer an Herz Jesu. In: Spiegel Online. Stand: 16. Februar 2006. URL: http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,401137,00.html (Abgerufen am 26. Januar 2009)
  17. Papst rehabilitiert fundamentalistische Bischöfe. In: Neue Zürcher Zeitung. 24. Januar 2009, abgerufen am 25. Januar 2009.
  18. Stefan Eiselin: Papst begnadigt notorischen Holocaust-Leugner. In: Tages-Anzeiger. 22. Januar 2009, abgerufen am 25. Januar 2009.
  19. ‚Pius-Bischof‘ Richard Williamson leugnet die Existenz von Gaskammern. In: kath.net. 22. Januar 2009, abgerufen am 25. Januar 2009.
  20. D: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Pius-Bischof. Radio Vatikan, 23. Januar 2009, abgerufen am 25. Januar 2009.
  21. Anna Arco: Lefebvrists face crisis as bishop is exposed as ‘dangerous’ anti-Semite. In: The Catholic Herald. 5. März 2008, abgerufen am 25. Januar 2009.
  22. Richard Williamson: Bishop Williamson’s Letters. 1. Mai 2000, abgerufen am 25. Januar 2009.
  23. Aktuell : : Stellungnahme des Generaloberen. 27. Januar 2009, abgerufen am 27. Januar 2009.
  24. katholisches:Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelt gegen Bischof Williamson (FSSPX) vom 23. Januar 2009
  25. Tagesschau:Rabbinat setzt Beziehungen zum Vatikan aus
  26. Predigt von Bischof Bernard Fellay am 2. April 2006 in Ecône
  27. Stephen L. M. Heiner: An Interview with Bishop Bernard Tissier de Mallerais; in: The Remnant, 30. April 2006
  28. Presseerklärung der FSSPX zum Christopher Street Day am 8. Juli 2007 in Stuttgart
  29. Stuttgarter Zeitung: Wie Karneval im Juli – 100.000 Zuschauer bei Parade in Stuttgart
  30. Stuttgarter Nachrichten: Priesterbruderschaft gegen Christopher Street Day; Meldung vom 28. Juli 2007
  31. Vgl. z. B. die Aussage von Kard. Castrillon Hoyos, derzeitiger Leiter der Kommission „Ecclesia Dei“, bei einer Pressekonferenz am 30. Mai 2008; zitiert, kommentiert und verlinkt bei The Remnant: Vatican Cardinal Ordains Four for Priestly Fraternity of St. Peter. Remnant Editor Questions Darío Cardinal Castrillón Hoyos; oder das Antwortschreiben Kard. Cassidys, seinerzeit Präsident des päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, am 3. Mai 1994 auf eine schriftliche Anfrage bzgl. des Status der Bruderschaft: „Die Situation der Mitglieder dieser Bruderschaft ist eine interne Angelegenheit der katholischen Kirche. Die Bruderschaft ist nicht eine andere Kirche oder kirchliche Kommunität in der in dem Direktorium gebrauchten Bedeutung“, ebenso jüngst die inhaltliche Bestätigung dieser Feststellung, dass die Angelegenheit der Bruderschaft eine kirchlich-interne sei, durch Msgr. Perl in einem Schreiben vom 23. Mai 2008 (s. u. Fußnote zur Frage der Ehen und Beichten).
  32. Kommission Ecclesia Dei: Status of Society of St Pius X Masses, 29. September 1995.
  33. http://fsspx.at/index.php?option=com_content&view=article&id=7&Itemid=7&e2d5456682626ccc544988f425f17cd8=95695eb515ff6f222450eaed739413d5, http://sspx.org/
  34. Gemäß can. 1382 CIC Apostolisches Schreiben „ECCLESIA DEI“, vgl. a. oben
  35. Nach can. 1323, 4° oder 7° oder 1324, §1, 8° und §3, wonach jemand, der aufgrund einer Notlage handelt (1323, 4°), selbst wenn diese nur subjektiv wahrgenommen wird, also objektiv gar nicht vorliegt (7°) und selbst wenn dieser Irrtum verschuldet ist (1324, §1, 8°), keine Tatstrafe trifft (§3). Vgl. ausführlich R. Kaschewsky: Zur Frage der Bischofsweihen ohne päpstlichen Auftrag, in: Una Voce Korrespondenz 2/1988, 86-91
  36. Commission Ecclesia Dei: STATUS OF SOCIETY OF ST PIUS X MASSES (September 1995)
  37. unavoce.org: Letter by Msgr. Camille Perl Regarding Society of St. Pius X Masses
  38. Verordnungsblatt der Erzdiözese Salzburg, Erzb. Ordinariat, 10. Mai 2006, Prot.Nr. 579/06
  39. Vgl. a. Antwortschreiben Msgr. Camille Perls (Ecclesia Dei) vom 23. Mai 2008 auf eine Anfrage von Brian Mershon, veröffentlicht bei http://www.wdtprs.com am 5. Juli 2008, teilveröffentlicht auch unter http://www.summorumpontificum.net/search?updated-max=2008-07-10T10%3A00%3A00-04%3A00&max-results=20, in dem Msgr. Perl die Eheschließungen und Beichten bei der Priesterbruderschaft zunächst wegen Fehlens der Fakultäten als ungültig erklärt, dann aber einräumt, sie könnten etwa aufgrund von c. 144 CIC dennoch gültig sein.
  40. Vgl., wie auch zum Folgenden, Listl, Joseph (u. a.): Handbuch des Katholischen Kirchenrechts; Regensburg 1983; § 13; S. 140f.
  41. S. vorhergehende Fußn. zur Frage der Ehen.
  42. Joseph S. Listl u. a.: Handbuch des Katholischen Kirchenrechts; Regensburg 1983; § 7, S. 74–76, bzw. cc. 17 und 19 CIC.
  43. S. bereits zit. Antwortschreiben von Msgr. Perl Sept. 1995(http://www.ewtn.com/library/CURIA/CEDSSPX.HTM), in dem er mit gewissen faktischen Einschränkungen c. 844, 2 prinzipiell ausdrücklich auf die FSSPX anwendet.