Politische Ideologie

Eine politische Ideologie (-ismus) ist ein System von Sätzen, mit einem weltanschaulichen, politischen und wertenden Charakter, die auch Ausdruck von Gefühlen und Einstellungen sind. In ihr spielen neben theoretischen Überlegungen auch praktische Elemente eine wichtige Rolle. Eine Ideologie möchte die Welt nicht nur erklären, sondern auch beeinflussen. Oder anders ausgedrückt, sind Ideologien Ausdruck verfestigter politischer Normen und Einstellungen mit einem normativen Gestaltungsanspruch. Sie motivieren also das politische Verhalten der Menschen.

In der Aufklärung bezeichnete Ideologie die Vorurteile, mit denen die Vernunft behaftet ist. In Anlehnung daran wird der Begriff heute alltagsspachlich meist genutzt, um abwertend (pejorativ) eine nicht geteilte Weltanschauung als nicht "objektiv" zu kennzeichnen. Dagegen ist der wissenschaftliche, hier verwendete, Ideologiebegriff wertneutral und geht davon aus, daß alle Menschen in ihren (politischen) Werturteilen von ihren Weltbildern (Religion, Ideologie etc) geprägt sind. Nur selten wird man sich dieser eigenen Voreingenommenheiten bewußt.

Zu unterscheiden ist die Ideologie selbst von den zumeist durchaus heterogenen Theoretikern auf die diese sich beruft. Meist werden nur die Grundelemente der politischen Theorien von politischen Wortführern genutzt, um die vertretene Bevölkerungsgruppe zu einer durchsetzungsfähigen sozialen Bewegung zu einigen. Das Ausmaß des Theoriegebäudes ist dabei in den einzelnen Ideologien sehr unterschiedlich. Während etwa der Nationalsozialismus sich kaum ausgefeilter Theorien bedient, sind die liberalen und sozialistischen Theoretiker und Vordenker auf die sich die entsprechenden Bewegungen berufen sehr zahlreich.

Wichtige politische Ideologien die sich bereits im 19. Jahrhundert in Folge der Französischen Revolution und dem Aufkommen der sozialen Frage entwickelten und bis heute bestimmende Hauptströmungen darstellen sind der Liberalismus, der Konservatismus und der Sozialismus/Kommunismus. Später entstehen noch Nationalismus, Faschismus und Nationalsozialismus.

Entstehung

Die seit dem 17. Jahrhundert in Intellektuellenkreisen diskutierten liberalen und demokratischen Ideen führten zu einer sich zeitgleich entwickelnden konservativen Gegenposition. Durch und nach der Französischen Revolution änderte sich die politische Debatte tiefgreifend. Die ganze Bevölkerung (Alphabetisierungsgrad war bereits sehr hoch) wurde politisiert. Hinzu kam die durch die industrielle Revolution entstandene soziale Frage. Diese löste die veralteten ständischen Sozialstrukturen auf und führte zur allmählichen Herausbildung industrieller Arbeitsformen, eines neuen Arbeitsethos (vgl. Max Webers "Protestantische Ethik.."), zu einer starken Bevölkerungszunahme und Massenarmut (Pauperismus). Die Bekanntheit politischer Ideen und der Wille der neuen politisch-sozialen Bewegungen ihre Interessen durchzusetzen führte zum Entstehen der ersten politischen Ideologien.

Kurzdarstellung der historisch grundlegenden politischen Ideologien

Liberalismus

Wichtigste Theoretiker, aus deren Konzepten der Liberalismus seit Ende des 18. Jahrhunderts seine politischen Forderungen ableitet, sind Thomas Hobbes, John Locke, Charles de Montesquieu, Adam Smith, Immanuel Kant, Jeremy Bentham, John Stuart Mill, Alexis de Tocqueville und gegenwärtig John Rawls, James Buchanan und Robert Nozick.

Ausgehend von dem in der Aufklärung prominenten Konzept des Individualismus entfalteten die liberalen Theoretiker die grundlegenden Ordnungsvorstellungen der modernen liberalen Demokratie: Volkssouveränität, Gewaltenteilung, Wahlen, das Repräsentationsprinzip, Religionsfreiheit, Toleranz und das Rechtsstaatsprinzip. Als zentrale ökonomische Prinzipien entstanden die Idee von der Nutzenmaximierung, des freien Marktes (Kapitalismus) und der positiven Wirkung von Konkurrenz.

Träger der Verlangens nach solcher politischer Veränderung und damit z.B. des Aufhebens der noch bestehenden feudalen Einschränkungen wird zunächst das aufstrebende Bürgertum, welches sich zuerst in England entwickelt. Dort durch die Glorious Revolution und in den USA durch die Bill of Rights und die amerikanische Unabhängigkeitserklärung werden die liberalen Ideen als erstes umgesetzt (erster Verfassungsstaat).

Die Verelendung großer Bevölkerungsschichten durch die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert stellt den Liberalismus vor grosse Probleme und führt zur Entwicklung der Strömung des Sozialliberalismus (John Stuart Mill, in Deutschland Friedrich Naumann, gegenwärtig John Rawls). Seit dem fordert auch der Liberalismus sozialstaatliche Eingriffe um die nicht mehr als selbstverständlich begriffene Chancengleichheit herzustellen.

Eine neue Variante mit Betonung der ökonomischen Aspekte stellt der so genannte Neoliberalismus oder auch Ordoliberalismus dar.

Konservatismus

Zentrale Theoretiker sind Edmund Burke, Juan Cortés, Joseph de Maistre, Adam Müller und Carl Schmitt. Als Ideologie entwickelte sich der Konservatismus als Gegenpol zur Französischen Revolution, Träger waren vor allem die alten Eliten wie der Adel und der Klerus.

Wichtigste Forderung ist die organische Gemeinschaft (Volk) an dem sich die Politik primär auszurichten hat und dessen Ordnung sich von der Religion her bestimmt. Aber auch aus den als gegeben betrachteten menschlichen Unterschieden (z.B. Rolle der Frau) und den gesellschaftlichen Traditionen. Traditionsbewahrung und langsame gesellschaftliche Entwicklung werden schnellen Veränderungen vorgezogen.

Eine besonders gegenwärtig in den USA wichtige Variante, die auch vom Neoliberalismus und von Evangelikalen borgt, stellt der Neokonservatismus (in den USA auch neocons) dar.

Sozialismus/Kommunismus

Neben der Strömung des Marxismus mit deren Gründungsvätern Karl Marx und Friedrich Engels, sowie nachfolgenden Theoretikern wie Wladimir Lenin, Josef Stalin und Mao Zedong existieren auch andere sozialistische Strömungen und Theoretiker. Dabei sind besonders zu nennen Robert Owen, Henri de Saint-Simon, Charles Fourier, Pierre Proudhon oder Ferdinand Lassalle.

Im Frühsozialismus (Ende 18. Jahrhundert bis ca. 1848) führt die soziale Frage zu Utopien von neuen politischen wie ökonomischen Gesellschaftsformen. Gleichheit, Freiheit und Solidarität und der Glaube an das Gute in allen Menschen unter entsprechenden gesellschaftlichen Bedingungen sind die zentralen Maxime.

Durch Karl Marx wird im 19. Jahrhundert als Abgrenzung zum Frühsozialismus (utopischer Sozialismus) der so genannte wissenschaftliche Sozialismus begründet. Durch die Arbeitsteilung in der Industriegesellschaft werde der Arbeiter (aus der Klasse der Proletarier) seinem Produkt entfremdet und seine Tätigkeit werde ihm zur Qual. Der damit erwirtschaftete Mehrwert aber, wird von einem anderen Menschen (aus der Klasse der Kapitalisten) abgeschöpft. Eine von Menschen gemachte Ungerechtigkeit die u.a. zur zunehmenden Verelendung des Proletariats führe, die aber veränderbar sei. Nach Marx’ Geschichtstheorie, dem von Engels so genannten Historischen Materialismus, wird die Gesellschaftsform des Kapitalismus daher verschwinden, wie die Urgemeinschaft, die Sklavenhaltergesellschaft und der Feudalismus vor ihm. Nach einer proletarischen Revolution werde die Gesellschaftsform des Kommunismus entstehen. Als Erstes werde es kein Privateigentum an Produktionsmitteln mehr geben und daher auch keine Klassen mehr. Politisch kommt es zunächst zur Diktatur des Proletariats, was nach Marx’ Vorstellung durchaus die allermeisten Menschen (eben das ganze Proletariat) miteingebunden hätte. Später hebe sich der Staat selbst auf und die klassenlose Gesellschaft entstünde, in welcher erst wahre Freiheit erreicht werden könne. Marx enger Weggefährte Friedrich Engels entwickelt dies weiter zum Dialektischen Materialismus. Lenin, Stalin und Mao betonen später sehr stark die Wichtigkeit der kommunistischen Partei und die Rolle des Staates. Dies entspricht jedoch nicht der Marxschen Vorstellung vom Endstadium des Kommunismus.

Träger der sozialistischen Ideen ist vor allem die Arbeiterschaft, die sich seit Mitte des 19. Jahrhundert in Europa in Arbeitervereinen und -parteien organisiert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommt es zur Spaltung der zuvor überwiegend marxistisch orientierten Arbeiterbewegung. Der Kommunismus blieb revolutionär, z.B. Oktoberrevolution in Russland 1917. In Westeuropa wandelte sich der anfangs noch revolutionäre Sozialismus hin zu einem demokratischen, reformorientierten Sozialismus (Sozialdemokratie).

Ausblick

Nachdem sich mit der Durchsetzung liberal-demokratischer Systeme in den westlichen Industriestaaten und ihrer wohlfahrtsstaatlichen Fortentwicklung viele Forderungen des Liberalismus und der Sozialdemokratie zumindest formal verwirklicht sehen und durch den Zusammenbruch der kommunistischen Systeme Osteuropas, hat dann auch seit den 1980/90er Jahren, eine zunehmende Entideologisierung der Parteienlandschaft in den etablierten Demokratien stattgefunden. Zuerst in den neuerlich demokratisierten Transformationsstaaten Osteuropas, aber auch in den erstarkenden asiatischen Ländern und seit einigen Jahren auch wieder in Westeuropa finden nationalistische Ideen zunehmend Anklang.

Politische Ideologien nach Kategorien

(Doppelnennungen vorhanden)

Egalitäre Ideologien

Sozialismus, Kommunismus, Marxismus, Leninismus, Stalinismus, Marxismus-Leninismus, Maoismus, Trotzkismus, Eurokommunismus, Neomarxismus, Syndikalismus, utopischer Sozialismus, Anarchismus, kommunistischer Anarchismus, Anarcho-Syndikalismus

Ideologien, die das Individuum betonen

Liberalismus, Ordoliberalismus, Neoliberalismus, Organisierter Kapitalismus, Anarchokapitalismus, Libertarismus, Anarchismus, Anarchafeminismus, Nationalanarchismus

Ideologien, die das Kollektiv betonen

Sozialismus, demokratischer Sozialismus, Sozialdemokratie, Christlicher Sozialismus, utopischer Sozialismus, Kommunismus, Marxismus, Nationalsozialismus, Kommunitarismus, Populismus (USA um 1890)

Ideologien, die Ethnie oder Nationalität betonen

Nationalismus, Zionismus, Regionalismus, Panafrikanismus, Pan-Arabismus, Präfaschismus, Faschismus, Neofaschismus, Klerikalfaschismus, Nationalsozialismus, Nationalanarchismus, Rassismus, Imperialismus, Kolonialismus, Realismus, Sozialdarwinismus

Ideologien, die Tradition betonen

Konservatismus, Nationalkonservatismus, Christdemokratie, Neokonservatismus (in den USA neocons)

Ideologien, die auf Religion basieren

Christlicher Sozialismus, Christdemokratie, Klerikalfaschismus, islamischer Fundamentalismus (=Islamismus), Neohinduismus, Zionismus, Theokratie

Totalitäre Ideologien

Nationalsozialismus, Stalinismus, Islamismus, Maoismus

Andere Ideologien

Grüne Politik, Internationalismus, Kosmopolitismus, Pazifismus, Republikanismus, Föderalismus, Pragmatismus, Humanismus, Feminismus

Literatur

  • Dieter Nohlen: Wörterbuch Staat und Politik. Bonn 1995.
  • Ulrich Druwe: Politische Theorie. Neuried 1995.
  • Hans-Joachim Lieber (Hrsg.): Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart. Bonn 1993.