Norovirus-Ausbruch 2012

Inzidenz: Erkrankungsfälle (n=10.950) pro 100.000 Einwohner unter 18 Jahren nach Bezirk.[1]
  • < 150
  • 150–411
  • 412–691
  • 692–1,376
  • > 1,376
  • Der Norovirus-Ausbruch 2012 war der bis dahin größte lebensmittelbedingte Krankheitsausbruch in Deutschland. Es kam zu knapp 11.000 Erkrankungsfällen mit Brechdurchfall in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Betroffen waren vorwiegend Kinder und Jugendliche, die über eine Gemeinschaftsverpflegung versorgt wurden. Humane Noroviren konnten als Krankheitserreger identifiziert und auf Tiefkühl-Erdbeeren zurückverfolgt werden.[2]

    Aufklärung

    Zur Aufklärung des verantwortlichen Lebensmittels wurden epidemiologische Fall-Kontroll-Studien durchgeführt. Es konnte ein Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Speisen aus tiefgefrorenen Erdbeeren einer Produktionseinheit und Erkrankungen an Brechdurchfall hergestellt werden. Der Lieferant führte daraufhin einen Rückruf durch und sperrte weitere Lagerbestände.[3] Am 8. Oktober 2012 wurde der Ausbruch für beendet erklärt, nachdem das betroffene Lebensmittel nicht mehr im Verkehr war und keine neuen Erkrankungen mehr auftraten. Der Erkrankungsgipfel konnte auf den 25. und 27. September 2012 eingegrenzt werden. Zudem gelang dem Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt aus einer konfiszierten Probe der verdächtigen Charge Tiefkühlerdbeeren der Nachweis von Noroviren.[4] Neben Laboruntersuchungen kamen auch Warenstromanalysen behördlicherseits zum Einsatz. Das betroffene Unternehmen gab sämtliche Daten der Lieferkette an die Behörden weiter. Insgesamt 44 Tonnen waren über den Hamburger Hafen eingeführt worden. Durch die Sperrung konnte die Auslieferung von 30,7 Tonnen kontaminierter Ware in fünf weitere Bundesländer verhindert werden.[5]

    Epidemiologie

    Insgesamt waren 390 Einrichtungen in Ostdeutschland betroffen. 10.950 Fälle wurden registriert, von denen 38 im Krankenhaus behandelt werden mussten. In den eingesandten Stuhlproben der Erkrankten wurden die verschiedenen Genotypen Genogruppe I und II einzeln und teils als Mischung nachgewiesen. Eine Erklärung für die Vielfalt der Erregertypen ist eine Fäkalkontamination in der Bewässerung der Erdbeeren im Ursprungsland.[6] Eine derart großflächige Kontamination durch einzelne Erntehelfer hingegen erscheint unwahrscheinlich. Zudem wurden Genotypen nachgewiesen, die bislang in Deutschland nicht vorkamen. Es wird daher davon ausgegangen, dass der Hersteller in China zur Düngung unbehandeltes menschliches Abwasser verwendet hat.[7] Einzelne Kantinen waren trotz kontaminierter Rohware nicht betroffen, da die Erdbeeren bei der Zubereitung erhitzt wurden. Durch die Aufklärung innerhalb einer Woche konnte der Ausbruch zügig eingedämmt werden. Ein Großteil der Charge war noch nicht verarbeitet und verzehrt worden. Trotz der schnell abklingenden Krankheitsverläufe störte die massenhafte Infektion die Tagesroutine zahlreicher betroffener Familien und Institutionen und führte so zum Eingreifen der Lebensmittelüberwachung.[1]

    Folgen

    Die Europäische Union implementierte daraufhin eine Einfuhrkontrolle mit Untersuchungspflicht auf Norovirus bei gefrorenen Erdbeeren aus China mit einer Kontrollhäufigkeit von 5 %.[8] Private Auftragslabore boten ebenfalls verstärkt Norovirusuntersuchungen auch im Bereich Lebensmittelanalytik an.[9] Nachdem weitere RASFF-Schnellwarnungen von Noroviren aus chinesischen Erdbeeren gemeldet wurden, wurde ein Audit in China durch das europäische Food and Veterinary Office durchgeführt. Dabei wurden große Schwächen im HACCP-System der chinesischen Produzenten festgestellt, da kein Produzent die Norovirushygieneproblematik bedacht hatte. Erschwerend kommt hinzu, dass die niedrige Sensitivität nachgelagerter Laboranalysen bei gleichzeitig sehr hoher Infektiosität der Viruspartikel keine zufriedenstellende Garantie für sichere Lebensmittel bieten.[10]

    Einzelnachweise

    1. a b Helen Bernard, Mirko Faber, Hendrik Wilking, S. Haller, Michael Höhle, Anika Schielke, Tanja Ducomble, C. Siffczyk, S. S. Merbecks, G. Fricke, Osamah Hamouda, Klaus Stark, Dirk Werber: Large multistate outbreak of norovirus gastroenteritis associated with frozen strawberries, Germany, 2012. In: EuroSurveillance. ECDC, 2014, urn:nbn:de:0257-10035717 (englisch, eurosurveillance.org).
    2. Bundesinstitut für Risikobewertung: Norovirus-Ausbruch 2012.
    3. Eine Charge Tiefkühl-Erdbeeren ist sehr wahrscheinlich die Ursache des großen Ausbruchs von akutem Brechdurchfall bei Kindern und Jugendlichen in den östlichen Bundesländern. Gemeinsame Presseinformation des RKI, des BVL und des BfR, 05. Oktober 2012.
    4. Ausbruch von akutem Brechdurchfall bei Kindern und Jugendlichen beendet und aufgeklärt. Gemeinsame Presseinformation des RKI, des BVL und des BfR, 08. Oktober 2012.
    5. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Tätigkeitsbericht der Task Force „Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit“ bei der lebensmittelseitigen Aufklärung des Gastroenteritis-Ausbruchsgeschehens. 18. Oktober 2012.
    6. Großer Gastroenteritis-Ausbruch durch eine Charge mit Noroviren kontaminierter Tiefkühlerdbeeren in Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen in Ostdeutschland. In: Epidemiologisches Bulletin 41/2012.
    7. Dietrich Mäde, Katja Trübner, Eckehard Neubert, Marina Höhne, Reimar Johne: Detection and Typing of Norovirus from Frozen Strawberries Involved in a Large-Scale Gastroenteritis Outbreak in Germany. In: Food and Environmental Virology. 5, 2013, S. 162, doi:10.1007/s12560-013-9118-0.
    8. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1235/2012 der Kommission vom 19. Dezember 2012 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 669/2009 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf verstärkte amtliche Kontrollen bei der Einfuhr bestimmter Futtermittel und Lebensmittel nichttierischen Ursprungs.
    9. LADR informiert: Noroviren auf Lebensmitteln. November 2012 (PDF; 557 kB).
    10. European Commission, Health and Consumers Directorate: Final report of an audit carried out in China from 21 to 28 October 2013 in order to assess the control systems in place to control microbiological contamination in soft fruit intended for export to the European Union. (PDF; 245 kB)

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