„Mittelsteinzeit“ – Versionsunterschied

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In der [[Blätterhöhle]] bei [[Hagen]] wurden frühmesolithische Menschenreste entdeckt, die mit Höhlenfunden aus [[Belgien]] und Frankreich vergleichbar sind.<ref>Jörg Orschiedt, Jan F. Kegler, Birgit Gehlen, Werner Schön und Flora Gröning: Die Blätterhöhle in [[Hagen]] ([[Westfalen]]). Vorbericht der ersten archäologischen Untersuchungen, in: Archäologisches Korrespondenzblatt 38/ 2008, H 1.</ref>
In der [[Blätterhöhle]] bei [[Hagen]] wurden frühmesolithische Menschenreste entdeckt, die mit Höhlenfunden aus [[Belgien]] und Frankreich vergleichbar sind.<ref>Jörg Orschiedt, Jan F. Kegler, Birgit Gehlen, Werner Schön und Flora Gröning: Die Blätterhöhle in [[Hagen]] ([[Westfalen]]). Vorbericht der ersten archäologischen Untersuchungen, in: Archäologisches Korrespondenzblatt 38/ 2008, H 1.</ref>


Ein Merkmal des Spätmesolithikums sind [[Kopfbestattung]]en, wie in der [[Ofnethöhlen|Großen Ofnet]]-Höhle bei [[Nördlingen]], im [[Lonetal#Hohlenstein|Hohlenstein-Stadel]] im [[Lonetal]] und die Höhlenruine „Hexenküche“ auf dem Kaufertsberg bei [[Lierheim]] ([[Landkreis Donau-Ries]]).<ref>Jörg Orschiedt: Ergebnisse einer neuen Untersuchung der spätmesolithischen Kopfbestattungen aus Süddeutschland. In: Conard, N. J. & Kind, C.-J. (Hrsg.): Aktuelle Forschungen zum Mesolithikum – Current Mesolithic Research. Urgeschichtliche Materialhefte 12. Tübingen, 1998. S. 147-160.</ref>
Ein Merkmal des Spätmesolithikums sind [[Schädelbestattung]]en, wie z.B. in der [[Ofnethöhlen|Großen Ofnet]]-Höhle bei [[Nördlingen]], im [[Lonetal#Hohlenstein|Hohlenstein-Stadel]] im [[Lonetal]] und in der Höhlenruine „Hexenküche“ auf dem Kaufertsberg bei [[Lierheim]] ([[Landkreis Donau-Ries]]).<ref>Jörg Orschiedt: Ergebnisse einer neuen Untersuchung der spätmesolithischen Kopfbestattungen aus Süddeutschland. In: Conard, N. J. & Kind, C.-J. (Hrsg.): Aktuelle Forschungen zum Mesolithikum – Current Mesolithic Research. Urgeschichtliche Materialhefte 12. Tübingen, 1998. S. 147-160.</ref>


== Materielle Kultur ==
== Materielle Kultur ==

Version vom 21. März 2010, 16:06 Uhr

Übersicht Urgeschichte
Holozän(➚ Frühgeschichte)
Eisenzeit
  späte Bronzezeit 
  mittlere Bronzezeit
  frühe Bronzezeit
Bronzezeit
    Kupfersteinzeit 
  Jungsteinzeit
Mittelsteinzeit
Pleistozän    Jungpaläolithikum 
    Mittelpaläolithikum
    Altpaläolithikum
  Altsteinzeit
Steinzeit

Die Mittelsteinzeit oder das Mesolithikum (altgr. mesos ,in der Mitte’ und líthos ,Stein’) beginnt in Mitteleuropa mit der Wiederbewaldung des Holozäns etwa um 9.600 v. Chr. Es ist gekennzeichnet durch eine den veränderten Umweltbedingungen angepasste Lebensweise (Jagd auf Standwild, verstärkter Fischfang, Boote, Geweihgeräte). Das Ende der Mittelsteinzeit erfolgt in Mitteleuropa im Zuge der Neolithisierung mit dem Übergang zur bäuerlichen (produzierenden) Wirtschaftsweise ab etwa 5.800 v. Chr. im südlichen Mitteleuropa und ab etwa 4.300 v. Chr. im Nord- und Ostseeraum.

Gliederung

Das insbesondere auf Europa beschränkte Mesolithikum wurde als Begriff 1874 von Otto Martin Torell eingeführt. Im romanischen Sprachraum und in Südeuropa wird dieser Zeitabschnitt Epipaläolithikum genannt. Das Mesolithikum lässt sich - vor allem über Unterschiede der Geräteeinsätze, sogenannter Mikrolithen - in Frühmesolithikum (9.600 – 7.000/ 6.500 v. Chr.) und Spätmesolithikum (ca. 7.000/ 6.500 – 5.500/ 4.500 v. Chr.) unterteilen.

Für das Frühmesolithikum sind vor allem Dreiecksmikrolithen kennzeichnend, für das Spätmesolithikum dagegen Trapezmikrolithen und gedrückte Makroklingen. Diese Formen sind regional unterschiedlich ausgeprägt: Für Süddeutschland ist vor allem die Jägerhaushöhle und weitere Fundstellen um Beuron von Bedeutung, hier wurde der Begriff Beuronien für das Frühmesolithikum geprägt.[1][2]

In Norddeutschland erfolgt die Unterteilung in die Duvensee-Gruppe und Oldesloer Gruppe, in Dänemark in die Maglemose-Kultur, Kongemose-Kultur und Ertebølle-Kultur.[3]

Im nördlichen Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen entspricht älteres und jüngeres Mesolithikum der Halterner Stufe und Boberger Stufe, sowie der Hülstener Gruppe (jüngeres Mesolithikum im westlichen Nordrhein-Westfalen).[4]

Auf den Britischen Inseln fehlen Trapeze, hier finden sich auch im Spätmesolithikum großformatige Industrien, wie das Larnian (nach Larne in Nordirland, ab ca. 6.000 v. Chr.) sowie das Obanian (nach Oban, Grafschaft Argyll and Bute im westlichen Schottland, ab ca. 4.000 v. Chr.).[5][6][7]

Das Ende der Mittelsteinzeit ist mit den ersten bäuerlichen Kulturen verbunden. Diese traten zwischen 5.800–5.500 v. Chr. im südwestlichen (La-Hoguette-Gruppe) und im südöstlichen Mitteleuropa (Alföld-Linearkeramik, Körös-Kultur, Linienbandkeramik) auf, aber erst um 4.300 v. Chr. im nördlichen Mitteleuropa (Trichterbecherkultur).

Bestattungen

Mesolithische Bestattungen sind eher selten, aus dem späten Mesolithikum sind aber, besonders aus Dänemark und Südschweden, einige Friedhöfe bekannt (Skateholm, Vedbaek-Bogebakken). Auf den Inseln Hoëdic und Île Téviec am Golf von Morbihan (Frankreich) wurden Steinplatten als Grabeinfassungen verwendet.[8] Gräberfelder mit Einzelbestattungen gibt es in gestreckter Rückenlage, aber auch aufrecht sitzend (zum Beispiel Olenij Ostrow, Karelien).[9] In der Blätterhöhle bei Hagen wurden frühmesolithische Menschenreste entdeckt, die mit Höhlenfunden aus Belgien und Frankreich vergleichbar sind.[10]

Ein Merkmal des Spätmesolithikums sind Schädelbestattungen, wie z.B. in der Großen Ofnet-Höhle bei Nördlingen, im Hohlenstein-Stadel im Lonetal und in der Höhlenruine „Hexenküche“ auf dem Kaufertsberg bei Lierheim (Landkreis Donau-Ries).[11]

Materielle Kultur

Mikrolith
Feuerstein-Geräte

Kennzeichnend für die Epoche sind winzige Projektile aus Feuerstein und anderen Rohmaterialien, die sogenannten Mikrolithen. Man unterscheidet Mikrolithen aus speziellen, sehr kleinen Klingen (Mikroklingen) und geometrische Mikrolithen, die durch das gezielte Zerbrechen und anschließende Retuschieren größerer Klingen hergestellt wurden. In Nordeuropa wurden geschäftete Feuerstein-Beile, so genannte Kern- und Scheibenbeile, zur Holzbearbeitung verwendet.

Aus dem Mesolithikum sind die ersten mit organischen Schäftungen erhaltenen Dolche (Messer mit beidseitiger Schneide) belegt. Einen mit Bastumwicklung erhaltenen Dolch, der aus einer beidseitig spitz retuschierten großen Feuersteinklinge gefertigt ist, gibt es vom Fundplatz Nischneje Veretije in Nordrussland, mit Radiokohlenstoffdaten der Fundschicht um ca. 8.000 v. Chr. In der Fundstelle Olenij Ostrov in Karelien wurde ein etwa gleich alter Knochendolch mit eingeklebten Feuersteinklingen gefunden.[12]

Organische Artefakte

Wegen der Einlagerung der Funde in Torf gibt es von vielen archäologischen Fundstellen eine hervorragende organische Erhaltung, zum Beispiel Fischnetze aus Bast (Fundstelle Friesack), Reusen, Birkenrindengefäße, Netzschwimmer sowie Netzsenker und Angelhaken aus Feuerstein. Einbäume und Paddel sind mehrfach belegt.[13] Aus Friesack (Brandenburg) und Nordrussland sind Bogen aus verschiedenen Nadelhölzern belegt. Bei den so genannten „Wächterbogen“ aus Nordrussland handelt es sich um fest installierte Bogenfallen.[14][15]

Siedlungsweise

Nachdem bereits im Gravettien (zum Beispiel in Dolní Věstonice und Pavlov) Lagerplätze langfristig bewohnt wurden, nahm die Sesshaftigkeit in der Mittelsteinzeit allgemein zu. Das verminderte Schweifgebiet der Jäger und Sammler lässt sich unter anderem an der Herkunft von Feuerstein-Rohmaterial belegen. Die Menschengruppen der Mittelsteinzeit nutzten saisonal über Jahre hinweg mehrere Siedlungsplätze. Ursache war insbesondere die bessere Verfügbarkeit von Sammelgut (Früchte etc.), verbesserte Techniken zum Kleintierfang und die Entwicklung der Fischerei. Die Jagd findet auf einzelne Beutetiere statt, da die großen Herden der Altsteinzeit wie Rentiere verschwunden sind. Das Beutespektrum der Mittleren Steinzeit besteht vorwiegend aus waldbewohnenden Tieren, wie Rothirsch, Wildschwein und Reh. Daneben ist die Jagd auf Vögel und Kleintiere nachgewiesen.

Bereits im frühen Mesolithikum steuerte die Haselnuss einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der Menschen bei.[16] Die enorm schnelle Ausbreitung in diesem Zeitalter wird mit der Einwanderung des Menschen in Verbindung gebracht, der dies bewusst oder unbewusst durch die Anlage von Haselnussvorräten beschleunigte.[17] Dies wäre dann ggf. die erste Kultivierung einer Nahrungsmittelpflanze noch vor dem Beginn der Jungsteinzeit.

Umwelt

Das Mesolithikum war vom Zurückweichen des Eises der letzten Eiszeit in Nordeuropa und der damit verbundenen schnellen Erwärmung des Klimas während des Präboreal geprägt. In den Gebieten, die vorher von eiszeitlichen Tundren bestimmt waren, entwickelten sich erst lichte, dann aber immer dichtere Wälder. Auf dem Kiefern-Birkenmischwald des Boreals folgte mit der Einwanderung wärmeliebender Arten Hasel und schließlich der Eichenmischwald des Atlantikums. Die Besiedlungsgrenze verschob sich nach Norden. Der Meeresspiegel stieg an.

Kunstwerke

An Kunstwerken gibt es Felsbilder sowie Kleinkunst in Form von reich verzierte Knochen- und Geweihgeräten. Menschenfiguren und Elchzepter aus Geweih gibt es aus dem Gräberfeld der Fundstelle Olenij Ostrow (Karelien). Insgesamt ist das Mesolithikum jedoch auffallend arm an Menschendarstellungen.

Literatur

  • S. K. Arora: Die mittlere Steinzeit im westlichen Deutschland und in den Nachbargebieten. In: Rheinische Ausgrabungen. Band 17. Köln & Bonn 1976, S. 1–68.
  • Judith M. Grünberg: Mesolithische Bestattungen in Europa, ein Beitrag zur vergleichenden Gräberkunde. In: Internationale Archäologie. Band 40. VML Verlag Marie Leidorf, Rahden 2000, ISBN 978-3-89646-312-8.
  • C. Bonsall (Hrsg.): The Mesolithic in Europe. Kolloquium Edinburgh 1985. Edinburgh 1990.
  • B. Gehlen; M. Heinen & A. Tillmann (Hrsg.): Zeit-Räume. Gedenkschrift für Wolfgang Taute. In: Archäologische Berichte. Band 14. Köln & Bonn 2001.
  • T. Lehmann: Göttinger Typentafeln zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas: Mesolithikum. Hrsg.: Arbeitsgruppe Typentafeln. Göttingen 1991.
  • Nicholas J. Conrad, Claus-Joachim Kind (Hrsg.): Aktuelle Forschungen zum Mesolithikum. In: Current Mesolithic Research. Tübingen 1998, ISBN 978-3-9804824-4-8 (Online-Zusammenfassung).

Einzelnachweise

  1. Taute, W. (1971): Untersuchungen zum Mesolithikum und zum Spätpaläolithikum im südlichen Mitteleuropa. Band 1: Chronologie Süddeutschlands. Habilitationsschrift Tübingen.
  2. Taute, W. (Hrsg., 1980): Das Mesolithikum in Süddeutschland. Teil 2: Naturwissenschaftliche Untersuchungen. Tübinger Monographien zur Urgeschichte 5/2 (1978). Tübingen.
  3. K. Bokelmann, Duvensee, Wohnplatz 9. Ein präborealzeitlicher Lagerplatz in Schleswig-Holstein. Offa 48, 1991, 75-114.
  4. Walther Adrian: Beiträge zur Steinzeitforschung in Ostwestfalen. Teil II. Bericht des Naturwissenschaftlichen Vereins für Bielefeld um Umgegend über die Jahre 1954 und 1955. Bielefeld 1956. 121 S.
  5. Bonsall, C., Macklin, M.G., Anderson, D.E. & Payton, R.W. (2002), Climate change and the adoption of agriculture in north-west Europe. European Journal of Archaeology, 5(1): S. 7–21.
  6. Clive Bonsall, Rethinking the 'Obanian Problem': Direct evidence for the exploitation of coastal resources in the mesolithic of western Scotland. In: Graham Ritchie (ed.), The archaeology of Argyll. Edinburgh (University Press), S. 25–37.
  7. Bonsall, C. & Sutherland, D.G. (1992), The Oban caves. In M.J.C. Walker, J.M. Gray & J.J. Lowe (eds), The South-West Scottish Highlands: Field Guide, pp. 115–121. Cambridge: Quaternary Research Association.
  8. Péquart, M.; Péquart, S.-J.; Boule, M. & Vallois, H. (1937): Téviec, station-nécropole mésolithique du Morbihan. Archives de l'Institute Paléontologie Humaine, Mémoire 18. Paris.
  9. Mat. I. Issleddovania p. Arch. SSSR 47, 1956
  10. Jörg Orschiedt, Jan F. Kegler, Birgit Gehlen, Werner Schön und Flora Gröning: Die Blätterhöhle in Hagen (Westfalen). Vorbericht der ersten archäologischen Untersuchungen, in: Archäologisches Korrespondenzblatt 38/ 2008, H 1.
  11. Jörg Orschiedt: Ergebnisse einer neuen Untersuchung der spätmesolithischen Kopfbestattungen aus Süddeutschland. In: Conard, N. J. & Kind, C.-J. (Hrsg.): Aktuelle Forschungen zum Mesolithikum – Current Mesolithic Research. Urgeschichtliche Materialhefte 12. Tübingen, 1998. S. 147-160.
  12. N.N. Gurina, Mesolit Karelij (Das Mesolithikum Kareliens). In: Kolzov (Hrsg.), Mesolit SSSR (Das Mesolithikum der UdSSR). Teil der Reihe: Archaeologia SSSR (Archäologie der UdSSR), Bd. 2, 1989. Moskva (Nauka). Tafel 10, S. 217
  13. Gramsch, B.: Friesack - Letzte Jäger und Sammler in Brandenburg. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 47 (2000), 51-96.
  14. Burov, G. 1980, Der Bogen bei den mesolithischen Stämmen Nordosteuropas. - Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam 14/ 15, 373-88.
  15. Leif Steguweit, Bogenfallen - Aus der Trickkiste der Steinzeit. Traditionell Bogenschiessen 21, 2001. S. 21-24.
  16. Almut Bick: Die Steinzeit. Theiss WissenKompakt, Stuttgart 2006. ISBN 3-8062-1996-6
  17. Hansjörg Küster: Geschichte des Waldes, C.H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-50279-2