Long Island Rail Road

Liniennetz der Long Island Rail Road

Die MTA Long Island Rail Road, auch abgekürzt LIRR (gesprochen „L-I-double-R“), ist eine Eisenbahngesellschaft in den Vereinigten Staaten. Sie betreibt auf der Insel Long Island zwischen New York und seinen östlichen Vororten ein Streckennetz, das hauptsächlich von LIRR-Vorortzügen für Pendler von und nach New York befahren wird.

Das LIRR-Streckennetz mit drei Hauptstrecken und elf Teil- und Zweigabschnitten hat eine Gleislänge von 956 km (594 Miles), es bestehen 124 Zugangsstellen des Personenverkehrs. Es ist das meistgenutzte Personennahverkehrsnetz Nordamerikas. Im Jahr 2017 wurden 89,4 Millionen Fahrgäste befördert; an Wochentagen jeweils durchschnittlich 311.100 Passagiere.[1] Güterverkehr wird auf dem LIRR-Netz durch die New York and Atlantic Railway als Franchisenehmer erbracht.

Die LIRR ist die älteste US-Eisenbahngesellschaft, die seit ihrer Gründung durchgehend unter gleichem Namen operiert. Sie befindet sich in öffentlichem Besitz der Metropolitan Transportation Authority.

Streckennetz

Streckennetz der LIRR. Rot: Personenverkehr, Orange: nur Güterverkehr, Grau: ehemalige Strecke, Gelb hinterlegt: elektrifiziert
LIRR-Zug der Reihe M 7

Die Strecken sind bis etwa 70 Kilometer Entfernung von New York überwiegend mit seitlich neben dem Gleis angeordneten, von oben bestrichenen Stromschienen mit 750 V Gleichspannung elektrifiziert. Die Maße der Stromschienen entsprechen denen der New Yorker U-Bahn, die Spannung ist jedoch etwas höher. Die Strecken verzweigen sich in bis zu elf Äste. Die elektrifizierten Strecken werden hauptsächlich mit Triebwagen befahren. Für die Bedienung der weiter entfernten Strecken werden mit Diesel- oder Zweikraftlokomotiven bespannte Züge eingesetzt. In Manhattan setzt die Long Island Rail Road nur elektrische Triebfahrzeuge ein, so dass die Reisenden von entfernter liegenden Orten kommend entweder umsteigen oder die mit Zweikraftlokomotiven bespannten Direktzüge nutzen müssen, um Manhattans Penn Station direkt zu erreichen. Weitere zwei Endbahnhöfe befinden sich im New Yorker Stadtteil Queens und einer in Brooklyn. Das Streckennetz soll bis Ende 2022 um eine zusätzliche Tunnelverbindung, den East Side Access, zur Grand Central Station in New York erweitert werden. Weiterhin fanden Überlegungen statt, die in Brooklyn endende Strecke durch einen Tunnel in das südliche Manhattan zu verlängern, die mit niedriger Priorität weiterverfolgt werden.[2]

Die nicht vollständig elektrifizierten Strecken verlaufen nach

  • Montauk Branch nach Montauk (an der Südküste im Osten), elektrifiziert bis Babylon
  • Greenport Branch nach Greenport (an der Nordküste im Osten), elektrifiziert bis Ronkonkoma
  • Port Jefferson Branch nach Port Jefferson (an der Nordküste etwa in der Mitte), elektrifiziert bis Huntington
  • Oyster Bay Branch nach Oyster Bay (an der Nordküste, etwas westlich der Mitte), elektrifiziert bis East Williston

Es bestehen Überlegungen, den Port Jefferson Branch vollständig, den Greenport Branch bis Riverhead und den Montauk Branch bis Patchogue oder Speonk zu elektrifizieren.

Knoten und Endpunkte

Das verzweigte Netz der LIRR läuft an mehreren Knotenpunkten zusammen, von denen die Bahnhöfe Jamaica Station und Penn Station die wichtigsten sind. Während Jamaica den wichtigsten Verkehrsknoten im Osten New Yorks darstellt und die Anbindung an den Flughafen New York-John-F.-Kennedy via AirTrain JFK sicherstellt, liegt die Penn Station im Zentrum Manhattans und bietet Anschluss an den Fernverkehr der Amtrak und das Netz der New Jersey Transit. Eine direkte Verknüpfung zu Metro-North Railroad existiert derzeit nicht, ist aber an den Bahnhöfen Penn Station und Grand Central Terminal für die Zukunft geplant.

Weitere wichtige Endpunkte sind Atlantic Terminal in Downtown Brooklyn und Long Island City Terminal im gleichnamigen Stadtteil, sowie Montauk, Greenport und Port Jefferson im Osten Long Islands.

Atlantic Avenue Tunnel

Der Atlantic Avenue Tunnel, auch als Cobble Hill Tunnel bekannte, knapp 500 Meter lange Abschnitt der Bahn wurde zunächst in einem Einschnitt gebaut und 1850 überwölbt. Darüber lag die Atlantic Avenue, weshalb der Tunnel in der Literatur vereinzelt als erste U-Bahn der Welt bezeichnet wird. Es handelte sich jedoch um einen Eisenbahntunnel ohne Bahnhöfe. Er wurde 1861 stillgelegt.

Geschichte

Die am 25. April 1832 gegründete Brooklyn and Jamaica Railroad (B&J) eröffnete am 18. April 1836 die erste Bahnstrecke auf Long Island, die etwa 16 km weit von South Ferry in Brooklyn nach Jamaica in Queens führte. Schon vor Fertigstellung der Strecke begann der bei der B&J beschäftigte Bauingenieur David Bates Douglass mit der Planung einer Fortführung an das Ostende der Insel, um durch die Kombination von Bahn- und Fährverbindungen die Reisezeit zwischen New York und Boston zu verkürzen. Douglass und seine Finanziers gründeten dazu am 24. April 1834 die Long Island Rail Road, die die B&J-Strecke ab 1. Dezember 1836 (rückwirkend ab dem Tag ihrer Eröffnung) pachtete und im April 1836 mit dem Bau einer rund 140 km langen Strecke nach Greenport begann. Diese wurde schrittweise bis 27. Juli 1844 eröffnet; die durchgehende Verbindung bis Boston unter Einbindung von Fährschiffen aus Cornelius Vanderbilts Flotte am 9. August 1844.[3][4][5][6][7]

Konkurrierende kombinierte Schiffs- und Bahnverbindungen und vor allem die Eröffnung der Hauptstrecke der New York and New Haven Railroad am 27. Dezember 1848 als Teil der ersten durchgängigen Schienenverbindung zwischen New York und Boston führten dazu, dass das ursprüngliche Geschäftsmodell der Long Island Rail Road schon nach wenigen Jahren nicht mehr tragfähig war. Die im damals dünn besiedelten Zentrum von Long Island gebaute Strecke nach Greenport hatte jedoch auch kaum lokales Verkehrsaufkommen. Die Long Island Rail Road meldete daher am 4. März 1850 Konkurs an, konnte die Insolvenzverwaltung jedoch Anfang 1851 wieder beenden. In den folgenden Jahrzehnten wuchs das Streckennetz durch den Bau von Zweiglinien und die Übernahme benachbarter Eisenbahngesellschaften. Conrad Poppenhusen, Eigentümer mehrerer dieser Mitbewerber, erwarb Anfang 1876 die Anteilsmehrheit an der Long Island Rail Road und übernahm die Firmenleitung. 1880 kaufte Austin Corbin das Unternehmen. Durch die Investitionen von Poppenhusen und Corbin sowie den Zusammenschluss mit anderen Bahngesellschaften der beiden Investoren erreichte die Long Island Rail Road bis Ende des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen ihre heutige geographische Ausdehnung.[8][9][6][7]

Im Jahr 1900 kaufte die Pennsylvania Railroad die Long Island Rail Road auf. Damit gelang es ihr, auf dem Schienenweg vom Osten her die Insel Manhattan zu erreichen wie zuvor es nur der New York Central und der New Haven aus dem Norden gelang. Alle anderen Bahnlinien endeten auf der westlichen Seite des Hudson Rivers. In Manhattan eröffnete die Pennsylvania Railroad 1913 die Penn Station einschließlich der im Tunnel verlaufenden und mit Gleichstrom-Stromschiene elektrifizierten Zufahrtsstrecken. Westlich dieses Bahnhofes wurde der Stromschienenbetrieb 1934 auf Oberleitung mit hochgespanntem Wechselstrom umgestellt, auf Long Island jedoch nicht. 1926 setzte die LIRR als erste Bahn in den Vereinigten Staaten Diesellokomotiven ein.[10]

Nach dem Zweiten Weltkrieg verzeichnete die LIRR infolge der Massenmotorisierung deutlich rückläufige Fahrgastzahlen. Zugleich stiegen die Betriebskosten, während teure Investitionen in Infrastruktur und Fahrzeuge nötig wurden. Fahrpreiserhöhungen waren von 1917 bis 1947 durch die New York Public Service Commission ausgeschlossen. Infolgedessen meldete die LIRR am 2. Mai 1949 Insolvenz an, führte ihren Betrieb jedoch fort.[7]

Eine von Gouverneur Thomas E. Dewey beauftragte Kommission empfahl 1951 eine Übernahme der LIRR durch den Bundesstaat, was die State Legislature jedoch ablehnte. Stattdessen wurde eine Gesetzgebung erarbeitet, mit der die LIRR 1954 restrukturiert werden konnte. Als Railroad Redevelopment Corporation wurden der LIRR für zwölf Jahre Steuerbefreiungen, die Erlaubnis zu Fahrpreiserhöhungen und das Aussetzen der Dividendenzahlungen an die Pennsylvania Railroad gestattet. Die LIRR verbuchte jedoch auch mit diesen Zugeständnissen nur in einzelnen Folgejahren Gewinne. Eine Anfang 1965 fertiggestellte Studie empfahl erneut die Übertragung der LIRR an den Bundesstaat.[7][11]

Der Staat New York und Pennsylvania Railroad verhandelten daraufhin bis Anfang Juni 1965 Kaufpreis und Übergabemodalitäten.[12] Die am 21. Mai 1965 gegründete staatliche Metropolitan Commuter Transportation Authority (MCTA) erwarb die LIRR für 65 Millionen Dollar. Die Übernahme wurde im Januar 1966 abgeschlossen.[13] Die MCTA wurde im März 1968 zur heutigen Metropolitan Transportation Authority (MTA).

Güterverkehr

Die LIRR und ihre Vorgängergesellschaften betrieben von Beginn an auch Güterverkehr. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sank seine Bedeutung jedoch sowohl im Vergleich zum umfangreichen Personenverkehr als auch im Vergleich zum Rest der USA. So sank das Aufkommen von 17.131 Wagen mit 1,1 Millionen Tonnen Ladung im Jahr 1987 auf 11.683 Wagen mit 865.857 Tonnen Ladung im Jahr 1996, womit der Bahnteil des gesamten Gütertransports auf Long Island bei etwa einem Prozent lag.[14]

In der Erwartung, dass ein externer Betreiber die Attraktivität des Schienengüterverkehrs erhöhen und zugleich der LIRR eine Konzentration auf das Kerngeschäft erlauben würde, entschied die MTA, die Güterverkehrssparte der LIRR für zunächst 20 Jahre im Franchiseverfahren anzubieten. Die New York and Atlantic Railway (NYA) der Anacostia and Pacific Company konnte das Verfahren für sich entscheiden und übernahm im Mai 1997 den Güterverkehr der LIRR.[14][7] Der Vertrag wurde 2017 um weitere zehn Jahre verlängert.[15] Im ersten Jahr nach der Übernahme wurden etwa 15.000 Güterwagen mit 1,1 Millionen Tonnen Ladung befördert; 2018 meldete die NYA 20.780 Wagen pro Jahr.[16]

Fahrzeugpark

EMD-Zweikraftlok DM30AC

Auf den elektrischen Strecken setzt die Long Island Rail Road derzeit Triebwagen der Reihen M1 bis M3 und M7 ein, die weitgehend mit denen der Metro-North Railroad baugleich sind, nur werden bei der Long Island Rail Road die Stromschienen von oben bestrichen. Früher kamen MP 54-Triebwagen zum Einsatz, die in ihrer Bauart den zeitgenössischen Reisezugwagen bzw. Oberleitungstriebwagen der PRR entsprachen.

Auf den nicht elektrifizierten Strecken werden EMD-Diesellokomotiven der Reihen DM30AC und DE30AC eingesetzt, wobei die DM-Loks für den Stromschienenbetrieb ausgerüstete Zweikraftlokomotiven sind und die Züge bis zur Penn Station auf Manhattan Island befördern können. Sie lösten Lokomotiven der Reihen Alco FPA-2, FPA-4 und anderer Alco-Bauarten ab. Heute werden in diesen Diensten überwiegend Doppelstockwagen von Bombardier eingesetzt. Einstöckige Reisezugwagen sind nicht mehr vorhanden.

Zukunft

2002 wurde vorgeschlagen, die MTA-Töchter Metro-North Railroad und LIRR zur MTA Rail Road zu verschmelzen.[17] Die Fusionsbestrebungen wurden jedoch bislang nicht weiter verfolgt.

Einzelnachweise

  1. MTA Long Island Rail Road at a Glance. Metropolitan Transportation Authority, 2018, abgerufen am 24. Februar 2019: „Annual ridership 89,400,000; Average weekday ridership 311,100 (...) Statistical data based on final estimates for the year ending Dec. 31, 2017“
  2. Lower Manhattan Development Corporation
  3. Christopher T. Baer: 1834. In: General Chronology of the Pennsylvania Railroad Company, its predecessors and successors and its historical context. Juni 2015, abgerufen am 26. Februar 2019.
  4. Christopher T. Baer: 1836. In: General Chronology of the Pennsylvania Railroad Company, its predecessors and successors and its historical context. Juni 2015, abgerufen am 26. Februar 2019.
  5. Christopher T. Baer: 1844. In: General Chronology of the Pennsylvania Railroad Company, its predecessors and successors and its historical context. Juni 2015, abgerufen am 26. Februar 2019.
  6. a b Robert W. Andersen: Early History of the LIRR. 11. November 2007, abgerufen am 26. Februar 2019 (Mit Scans der Gründungsstatuten).
  7. a b c d e The Historical Guide to North American Railroads. Kalmbach Media, 2014, ISBN 978-0-89024-970-3, S. 174 (englisch).
  8. Christopher T. Baer: 1848. In: General Chronology of the Pennsylvania Railroad Company, its predecessors and successors and its historical context. Juni 2015, abgerufen am 26. Februar 2019.
  9. Christopher T. Baer: 1876. In: General Chronology of the Pennsylvania Railroad Company, its predecessors and successors and its historical context. April 2006, abgerufen am 26. Februar 2019.
  10. Stefan Vockrodt: Von New York nach Norden und Osten. In: Eisenbahn Geschichte Spezial. Eisenbahnen in New York. Nr. 1, 2013, S. 8 ff.
  11. Michael N. Danielson, Jameson W. Doig: New York: The Politics of Urban Regional Development. University of California Press, 1982, ISBN 978-0-520-90689-1, S. 216.
  12. Emanuel Perlmutter: State in Accord with the Pennsy on Buying L.I.R.R.; P.R.R. Agrees on Price of $65 Million With New Transportation Agency. In: The New York Times. 3. Juni 1965 (nytimes.com).
  13. Douglas E. Kneeland: State Takes Over the L.I. Rail Road; Finishes Paying the Pennsy -- Re-elects All Officers. In: The New York Times. 21. Januar 1966 (nytimes.com).
  14. a b Carol Steinberg: Bygone Era's Revival: Hauling Goods by Rail. In: The New York Times. 31. Januar 1999 (nytimes.com).
  15. Alfonso A. Castillo: LIRR, freight rail company to continue pact for another decade. In: Newsday. 29. Oktober 2017 (newsday.com).
  16. New York & Atlantic Railway Company. Railroads of New York (RONY), 2018, abgerufen am 10. März 2019.
  17. „MTA Announces Historic Restructuring“ Pressemitteilung der MTA vom 9. Oktober 2002
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