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Sowohl mit Blick auf den [[Intergovernmental Panel on Climate Change|IPCC]]-Bericht und die Auswirkungen der Klimakrise, als auch mit Blick auf die Finanzierung des [[Putinismus|russischen Regimes]] und dessen [[Russischer Überfall auf die Ukraine 2022|Überfall der Ukraine]] fordert die Gruppe ein Ende der staatlichen Finanzierung von Infrastruktur, welche der Bereitstellung fossiler Energieträger wie [[Kohle]], [[Erdöl]] und [[Erdgas]] dient.<ref>{{Internetquelle |autor=n-tv NACHRICHTEN |url=https://www.n-tv.de/regionales/berlin-und-brandenburg/Demonstranten-blockieren-Strassen-in-Regierungsviertel-article23206912.html |titel=Demonstranten blockieren Straßen in Regierungsviertel |sprache=de |abruf=2022-03-21}}</ref> Ein demokratisch geloster Bürgerrat soll gesellschaftlichen Wandel ermöglichen.
Sowohl mit Blick auf den [[Intergovernmental Panel on Climate Change|IPCC]]-Bericht und die Auswirkungen der Klimakrise, als auch mit Blick auf die Finanzierung des [[Putinismus|russischen Regimes]] und dessen [[Russischer Überfall auf die Ukraine 2022|Überfall der Ukraine]] fordert die Gruppe ein Ende der staatlichen Finanzierung von Infrastruktur, welche der Bereitstellung fossiler Energieträger wie [[Kohle]], [[Erdöl]] und [[Erdgas]] dient.<ref>{{Internetquelle |autor=n-tv NACHRICHTEN |url=https://www.n-tv.de/regionales/berlin-und-brandenburg/Demonstranten-blockieren-Strassen-in-Regierungsviertel-article23206912.html |titel=Demonstranten blockieren Straßen in Regierungsviertel |sprache=de |abruf=2022-03-21}}</ref> Ein demokratisch geloster Bürgerrat soll gesellschaftlichen Wandel ermöglichen.


Zu diesem Zweck postulieren die Aktivisten vier Kernforderungen zur [[Emissionsreduktion]]:
Zu diesem Zweck postulieren die Aktivisten vier Kernforderungen zur [[Dekarbonisierung]]:


* Stärkung [[Erneuerbare Energien|erneuerbarer Energien]]. Schließung der Kohle-, Öl- und Gasindustrie, die dadurch bedrohten Arbeitnehmenden nicht entlassen, sondern beurlauben und umschulen
* Stärkung [[Erneuerbare Energien|erneuerbarer Energien]]. Schließung der Kohle-, Öl- und Gasindustrie, die dadurch bedrohten Arbeitnehmenden nicht entlassen, sondern beurlauben und umschulen

Version vom 23. Oktober 2022, 23:47 Uhr

Straßenblockade am Hauptbahnhof Berlin (2022)

Letzte Generation ist ein Bündnis von Aktivisten aus der Umweltschutzbewegung mit dem erklärten Ziel, durch Mittel des zivilen Ungehorsams Maßnahmen der deutschen und der österreichischen Bundesregierung gegen die Klimakrise zu erzwingen. Es bildete sich 2021 aus Teilnehmern des Hungerstreiks der letzten Generation. Ihre Anfang 2022 einsetzenden Aktionen bezeichnen die Aktivisten des Bündnisses als Aufstand der Letzten Generation. Der Begriff wurde von ihnen gewählt, weil die Überschreitung von Kippelementen im Erdklimasystem drohe und sie der letzten Generation angehörten, die verhindern könne, dass die Erde unbewohnbar wird.[1][2]

Ziele und Themenschwerpunkte

Container-Aktion der Gruppe in Berlin (2022)

„Essen Retten Leben Retten“

Als erste Aktionsreihe führten die Aktivisten die Kampagne Essen Retten Leben Retten durch. Dabei wird gefordert, dass die neue deutsche Bundesregierung gesetzliche Maßnahmen für eine Agrarwende bis 2030 festlegt und als erste Sofortmaßnahme gegen Lebensmittelverschwendung vorgeht. Große Lebensmittelhändler sollen so verpflichtet werden, noch genießbares Essen zu spenden, was ein Beitrag gegen den Hunger sei und den CO₂-Ausstoß sofort reduzieren würde. Damit dies passiere, müsse die Bundesregierung ein Essen-Retten-Gesetz nach dem Vorbild Frankreichs einbringen. Um eine umfassende Agrarwende einzuleiten, solle sich die Bundesregierung an den Vorschlägen des Bürgerrat Klima orientieren. So solle sichergestellt werden, dass nachhaltig wirtschaftende Landwirtschaftsbetriebe besser entlohnt würden und eine „gute Ernährung“ für alle Menschen erschwinglich werde.[3]

Um darauf aufmerksam zu machen, dass ein erheblicher Teil der heute produzierten Lebensmittel weggeworfen wird, führt die Gruppe deutschlandweit Container-Aktionen durch. Dabei entnehmen Aktivisten weggeworfene Lebensmittel aus Supermarktmülltonnen und verschenken diese öffentlich mit dem Hinweis auf deren illegale Herkunft. Einige Aktivisten zeigten sich aus Protest gegen die rechtliche Einordnung des Containerns als Diebstahl selbst an.[4][5] Somit soll mediale Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt werden.[6] In der Schweiz hatten Gerichte schon in früheren Jahren festgestellt, dass es sich bei Containerentnahmen nicht um Diebstahl handelt.

Wie in einem Gespräch der Aktivisten Henning Jeschke und Lea Bonasera mit Bundeskanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) im November 2021 angekündigt, sperren die Aktivisten seit Beginn des Jahres 2022 Autobahnzufahrten mittels Sitzblockaden.[7][8][9]

In Österreich fordert die Gruppe von der Bundesregierung, Maßnahmen gegen eine weitere Bodenversiegelung und für eine Agrarwende bis 2030 zu treffen.[10]

„Stoppt den fossilen Wahnsinn“

Sowohl mit Blick auf den IPCC-Bericht und die Auswirkungen der Klimakrise, als auch mit Blick auf die Finanzierung des russischen Regimes und dessen Überfall der Ukraine fordert die Gruppe ein Ende der staatlichen Finanzierung von Infrastruktur, welche der Bereitstellung fossiler Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas dient.[11] Ein demokratisch geloster Bürgerrat soll gesellschaftlichen Wandel ermöglichen.

Zu diesem Zweck postulieren die Aktivisten vier Kernforderungen zur Dekarbonisierung:

Es ist die Vision der Gruppe, dass die Bürger selbst, mittels repräsentativer Bürgerräte, über ihre Zukunft entscheiden. Die Kosten des Wandels dürften dabei nicht auf die Arbeitenden umgelegt werden. Einkommensstarke sollten an den Kosten beteiligt werden. Der globale Süden solle entlastet werden. Die Gruppe fordert einen Schuldenerlass und Entschädigung für Schäden in Staaten des globalen Südens.[13]

Aktionsformen

Notarzt löst die Handfläche eines am Asphalt festgeklebten Aktivisten in Freiburg (2022)

Vor allem zu Beginn der Kampagne wurden in verschiedenen Städten containerte Lebensmittel öffentlichkeitswirksam verschenkt.[14]

Daneben bilden Straßenblockaden einen Schwerpunkt der Aktivitäten. Dabei orientiert sich die Gruppe am Vorbild der britischen Klimaschutz-Aktionsgruppe Insulate Britain.[15] Um die Räumung von Straßenblockaden durch die Polizei zu erschweren, kleben sich wie auch in Großbritannien immer wieder einzelne Aktivisten mit ihren Hand- oder Fußflächen auf den Straßenbelag. Dabei wird meist Sekundenkleber oder Bauschaum benutzt.

Aktionen

Am 14. Dezember 2021 schrieben fünf Aktivistinnen der Gruppe die Forderung „Essen Retten Agrarwende Gesetz jetzt! 2030“ auf das Bundeskanzleramt in Berlin. Die Polizei schritt ein und ließ den Schriftzug von der Fassade entfernen.[16][17]

Am 24. Januar 2022 blockierten Aktivisten erstmals die Ausfahrten der Autobahnen A 103 und A 114 in Berlin, was sich später durch ähnliche Aktionen an der Berliner Stadtautobahn A 100 fortsetzte. Bis zum 20. Februar 2022 registrierte die Berliner Polizei 44 Blockaden, bei denen 180 Menschen vorläufig festgenommen wurden. In zwölf Fällen ordneten Richter einen 24-stündigen Gewahrsam an, um weitere Taten zu verhindern.[18] Zur Bündelung der Ermittlungen richtete das Landeskriminalamt Berlin die Ermittlungsgruppe „EG Asphalt“ ein.[19] Straßenblockaden gab es nach Angaben der Aktivisten auch in Bayreuth,[20] Frankfurt am Main, Freiburg,[21] Göttingen, Hamburg, München und Stuttgart.[22]

Am 7. Februar 2022 blockierten Vertreter der Initiative mit dem Wiener Gürtel erstmals auch in Österreich eine Hauptstraße. Am 8. Februar 2022 wurde mit dem Verteilerkreis Favoriten auch eine Autobahnzufahrt behindert.[23][24]

Am 12. Februar 2022 pflanzten Aktivisten auf einer Rasenfläche am Bundeskanzleramt in Berlin Kartoffeln.[25]

Mitte Februar 2022 kündigte die Gruppe eine neue Phase mit radikaleren Aktionsformen an, sollte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht bis zum 20. Februar 2022 auf ihre Forderung reagieren, einen Zeitplan zur Einbringung eines „Essen-Retten-Gesetzes“ in den Bundestag zu verkünden.[26][27] Dann wollte man anfällige Infrastruktur stören und „zum Innehalten bringen“. Als Beispiele wurden Häfen und Flughäfen genannt, die Ausdruck eines unverändert fossilen Alltags seien.[28] Am 21. Februar 2022 kam es nach Ablauf des Ultimatums[26] zu den zuvor angekündigten Aktionen. Dabei blockierten etwa 35 Aktivisten Teile des Hamburger Hafens und die Köhlbrandbrücke, um gegen Lebensmittelverschwendung zu protestieren. Nach eigenen Angaben vergoss die Gruppe 60 Liter Rapsöl auf der Fahrbahn der Brücke; sie wollte damit eine „Störung des todbringenden Alltags“ erreichen. Ein Aktivist sprang in das Hafenbecken, um den Schiffsverkehr zu stören. Politiker verschiedener Parteien lehnten die Aktion ab und verlangten teilweise eine strafrechtliche Ahndung.[29][30]

Am 23. Februar 2022 blockierten Aktivisten Zufahrtsstraßen zu Flughäfen in Berlin, Frankfurt am Main und München,[31] nachdem sie zuvor angekündigt hatten, mit Ballons in die Flugsicherheitszonen der Flughäfen einzudringen.[32] Am 25. Februar wurden in Frankfurt Aktivisten mit Ballons von der Polizei angehalten und die Aktion damit beendet.[33]

Im April 2022 führte die Gruppe in Frankfurt am Main innerhalb einer Woche rund 20 Blockadeaktionen durch, die an neuralgischen Verkehrsknotenpunkten stattfanden. Einige Teilnehmer hatten sich auf der Fahrbahn festgeklebt und eine ölartige Flüssigkeit auf der Fahrbahn verteilt, wodurch vier Radfahrer stürzten und sich zum Teil verletzten. Insgesamt wurden fast 200 Personen festgenommen und etwa 140 Ermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen Nötigung, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Körperverletzung und Sachbeschädigung. Über 30 Personen wurden längerfristig in Gewahrsam genommen.[34] Die Aktionen waren zuvor angekündigt worden. Laut den Ankündigungen seien bei zurückliegenden Vorträgen und Trainingsveranstaltungen weitere Menschen für die Teilnahme an den Störaktionen motiviert worden.[35]

In Berlin rissen im April 2022 als Bauarbeiter verkleidete Aktivisten vor dem Bundeswirtschaftsministerium den Bürgersteig auf und legten Rohre mit der Aufschrift „Qatar Stream“ ab.[36] Außerdem beschmutzten sie die Fassade des Ministeriums mit einer schwarzen Flüssigkeit aus Protest gegen die Pläne, Erdöl in der Nordsee zu fördern.[37]

Des Weiteren versuchten Aktivisten, im April und Mai 2022 die Notabschaltung von Ölpipelines zu manipulieren, um den Ölfluss zu stoppen. Dies erfolgte an mehreren Orten in Norddeutschland, darunter in Demmin, Schwedt und Strasburg. Die Polizei entfernte die teilweise angeketteten und angeklebten Aktivisten, nahm sie längerfristig in Gewahrsam und leitete Ermittlungsverfahren wegen Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Störung öffentlicher Betriebe ein.[38]

Am Morgen des 9. Mai 2022 blockierten mehrere Aktivisten der Gruppe für etwa anderthalb Stunden die Leipziger Jahnallee, indem sie sich auf der Fahrbahn festklebten.[39] Wenige Tage später, am 11. Mai 2022, begann durch Mitglieder der Gruppe sowie durch Studierende die Besetzung von Teilen des Geländes der Universität Leipzig, vornehmlich des Auditorium maximum. Die Besetzer fordern durch die Rektorin der Universität, Eva Inés Obergfell, eine Positionierung „offiziell, öffentlich und gerichtet an Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) gegen den Neubau von fossilen Infrastrukturprojekten“, insbesondere „gegen neue Ölbohrungen in der Nordsee“. Ein Gesprächsangebot vonseiten der Kanzlerin der Universität, Birgit Dräger, blieb ohne Erfolg; man wolle eine offizielle Stellungnahme der Rektorin abwarten.[40]

Am 16. Mai 2022 beeinträchtigten Aktivisten durch Festkleben auf der Straße den morgendlichen Berufsverkehr in mehreren deutschen Städten, darunter Göttingen, München und Stuttgart. Die Aktionsgruppe forderte dabei Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) dazu auf, von den Plänen für vermehrte Ölbohrungen in der Nordsee abzurücken.[41][42] Zu gleichartigen Aktionen mit derselben Begründung kam es am 24. Mai 2022 in Oldenburg, am 30. Mai 2022 in Braunschweig.[43][44] und am 14. Juni 2022 in Wolfsburg.[45][46]

Am 22. Juni 2022 beschmierten etwa 20 Aktivisten eine Wand des Bundeskanzleramtes in Berlin mit schwarzer Flüssigkeit und zeigten Transparente mit der Aufschrift „Öl sparen statt bohren“. Sie verlangten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Erklärung, dass keine neue Infrastruktur für fossile Energieträger gebaut wird. Bereits in den beiden Tagen zuvor hatten Aktivisten Ausfahrten der Berliner Stadtautobahn A 100 blockiert.[47]

Am 23. August 2022 klebten zwei Aktivisten der Gruppe in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden sich selbst mit jeweils einer Hand am Rahmen der Sixtinischen Madonna fest, um damit nach eigenen Angaben auf die Zerstörungen durch den menschgemachten Klimawandel aufmerksam zu machen. Das Gemälde selbst überstand die Aktion unbeschädigt.[48] Eine ähnliche Aktion erfolgte einen Tag später im Städel Museum in Frankfurt am Main am Gemälde Gewitterlandschaft mit Pyramus und Thisbe von Nicolas Poussin.[49]

Akteure und Unterstützer

Ein Teil der Aktiven rekrutiert sich aus Teilnehmern des „Hungerstreiks der letzten Generation“, die vor der Bundestagswahl 2021 im Berliner Regierungsviertel in den Hungerstreik getreten waren, um auf den Klimawandel, dessen Auswirkungen und die Verantwortung der kommenden Bundesregierung aufmerksam zu machen.[50] Das Alter der Aktivisten reicht von etwa 19 Jahren bis zu 73 Jahren.[51][52]

In Österreich bestehen Überschneidungen mit der Umweltaktionsgruppe Extinction Rebellion sowie der Protestbewegung gegen die Stadtstraße Aspern.[53]

International ist die Aktionsgruppe Letzte Generation nach eigenen Angaben mit Klimaschutzgruppen in neun Ländern vernetzt. Dies sind unter anderem die kanadische Gruppe Save Old Growth, die australische Gruppe Fireproof Australia, die französische Gruppe Derniere Renovation, die italienische Gruppe La Ultima Generatione, die amerikanische Gruppe Declare Emergency und die britische Gruppe Insulate Britain.[54]

Finanzielle Unterstützung erhält die Aktionsgruppe unter anderem vom kalifornischen Climate Emergency Fund (CEF)[55], den die US-amerikanischen Philanthropen Aileen Getty, Rory Kennedy und Trevor Neilson 2019 gründeten. Die Stiftung unterstützt auch andere Umweltschutzgruppen wie Extinction Rebellion.

Rezeption

Politiker

Die Co-Vorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen Ricarda Lang verteidigte Anfang Februar 2022 mit Blick auf die Aktionen der Gruppe zivilen Ungehorsam, solange er niemanden gefährde. Die Gesellschaft müsse sich fragen, „warum junge Menschen zu solchen Mitteln greifen“.[56] Lang distanzierte sich jedoch wenige Tage später von den Aktionen der Gruppe, nachdem von den Blockaden auch ein Rettungsfahrzeug betroffen war.[57]

Später kritisierte der Co-Vorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen Omid Nouripour die Protestmethoden der Gruppe; ihm fehle das Verständnis für die Blockade von wichtigen Straßen. Für ihn habe das Angehen von kritischer Infrastruktur, die Bedrohung von Menschen und das Aussprechen von Ultimaten mit Demokratie nicht mehr viel zu tun.[58]

Bundesminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die Straßenblockaden als schädlich für das gemeinsame Ziel eines Gesetzes gegen Lebensmittelverschwendung. Man könne keine Mehrheiten gewinnen, wenn man Krankenwagen, Polizei oder Erzieherinnen auf dem Weg zur Arbeit blockiere.[59]

Die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) forderte eine strafrechtliche Verfolgung der Aktivisten, dies wurde jedoch von der Berliner Staatsanwaltschaft via Twitter zurückgewiesen. Bereits im Februar 2022 hatte Justizminister Marco Buschmann (FDP) die Umweltministerin Steffi Lemke (B90/Grüne) für ihr geäußertes Verständnis für Autobahnblockaden kritisiert; unangemeldete Proteste seien immer rechtswidrig. Juristen verweisen indes darauf, dass eine rechtswidrige Nötigung nur beim Einsatz aggressiver Gewalt vorliege; friedliche Straßenblockaden seien durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes geschützt.[60][61]

Der CDU-Generalsekretär Mario Czaja unterstützte mit Bezug auf die Straßenblockaden ein härteres Vorgehen gegen die Letzte Generation. Die Blockierer sollten „wie Hooligans […] schon vor angekündigten Aktionen konsequent und so lange wie möglich in präventiven Gewahrsam genommen werden“, so Czaja.[62]

Sonstige

Laut dem Sozialphilosophen Robin Celikates riskieren die Aktivisten mit ihren Blockadeaktionen bis zur Einführung eines Essen-Retten-Gesetzes den Vorwurf der Nötigung, wenn sie keine zusätzliche Überzeugungsarbeit in der breiten Öffentlichkeit leisten. Den von konservativen Kreisen vertretenen Vorwurf der Erpressung hält er für eine Diffamierung, da die Aktivisten keine Bereicherung anstreben. Laut Celikates, der sich mit der Erforschung des zivilen Ungehorsams beschäftigt, wollen die Aktivisten die Politik zum Handeln bewegen und durch Blockaden die Kosten in die Höhe treiben. Für Celikates gehören Protestformen wie ziviler Ungehorsam zur Demokratie und seien keine antidemokratische Praktik.[63]

Der Soziologe Harald Welzer hält den Aufstand der letzten Generation für eine radikalisierte Bewegung. Sie fühle sich als angeblich „letzte Generation“ legitimiert, die Welt vor dem Untergang zu bewahren, und sei bereit, bis zum Äußersten zu gehen. Dies sei eine Form von Selbstermächtigung auf der Basis einer absurden Legitimation. Die Blockadeaktionen sieht Welzer als Mittel, um Aufmerksamkeit für das eigene Anliegen zu erzielen. Er bezeichnet das Vorgehen der Bewegung als „zutiefst antidemokratisch“ und „infantil“.[64] Reinhard Mohr beschrieb in der NZZ die Gruppe als sektiererisch und demokratieverachtend mit ihrer Einstellung, dass nur „eine kleine, radikale Minderheit, eine selbstlose und hellsichtige politische Avantgarde“ uns vor der endgültigen Katastrophe retten könne.[65]

Für Martin Heger, Professor für Strafrecht, stellt die Ankündigung einer Blockade „eine Drohung mit einem empfindlichen Übel“ dar, so dass es sich um eine Nötigung handele.[29]

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) forderte in einer Pressemitteilung Ende Februar 2022 die Beobachtung der Organisation durch den Verfassungsschutz. Es ginge „nicht nur um ein paar junge Spinner, die man wegtragen kann, sondern um konkret staatsfeindliches Handeln“, durch das „das Leben vieler Menschen konkret in Gefahr geraten“ könne. Auch der Unterbindungsgewahrsam müsse ausgebaut und konsequent angewendet werden.[66]

Der Journalist Christoph von Marschall (Der Tagesspiegel) sieht eine Diskrepanz zwischen „der Selbstsicht der Protestierer und ihrer Wahrnehmung durch die Bürger“. Die Wut der Autofahrer entzünde sich weniger an den Verkehrsbehinderungen, sondern „eher an der elitären Arroganz, die aus der Selbstinszenierung der Letzten Generation spricht“. Die Bewegung trete auf, „als sei sie im Besitz einer absoluten Wahrheit“. Sie nehme sich das „Recht zur Selbstjustiz und vertraut darauf, dass der Staat die Opfer ihrer Blockaden hindert, ebenfalls zur Selbstjustiz zu greifen“.[67]

Eva von Redecker, die angesichts der Dringlichkeit für entschiedenere Handlungen plädiert, kommentierte die Aktionsformen der Letzten Generation mit: „Wenn man denkt, dass Militanz jemals in der Geschichte ethisch gerechtfertigt war, dann sind es auch diese Proteste“.[68]

Der Politikwissenschaftler Alexander Straßner sieht Gruppen aus der Klimaschutzbewegung wie Letzte Generation, Ende Gelände und Extinction Rebellion besonders kritisch. Aufgrund der Blockaden von Straßen und Kohlekraftwerken warnt er vor einer weiteren Radikalisierung und sieht Parallelen zu den ersten RAF-Mitgliedern.[69] Den Vergleich von Gruppen der Klimaschutzbewegung mit der linken Terrororganisation RAF kritisierte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister scharf, da er überzeugte Klimaaktivisten diskreditieren würde.[70]

Commons: Aufstand der letzten Generation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Klima - Den Kollaps aufhalten. Abgerufen am 9. April 2022.
  2. Klimaaktivisten „Letzte Generation“: „Wir werden massiv stören“. 23. Februar 2022, abgerufen am 9. April 2022.
  3. Forderungen an die deutsche Bundesregierung. In: Aufstand der letzten Generation. Abgerufen am 26. Januar 2022.
  4. Enno Schöningh: Umweltaktivistin über ihre Selbstanzeige: „Wir fordern ein Essen-retten-Gesetz“. In: Die Tageszeitung: taz. 22. Januar 2022, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 26. Januar 2022]).
  5. Heidelberg: Lebensmittel-Retter wühlen im Müll und zeigen sich selbst an. Rhein-Neckar-Zeitung, 24. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
  6. Tom Schneider: Rewe: Mann zeigt sich selbst bei Polizei an – DAS ist beim Supermarkt tatsächlich strafbar. In: Der Westen. Funke Digital, 23. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
  7. Nach Gespräch mit Scholz: Klimaaktivisten drohen mit Autobahn-Blockade. Norddeutscher Rundfunk, 13. November 2021, abgerufen am 8. Februar 2022.
  8. Arte Journal. Arte, 24. Januar 2022, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 26. Januar 2022.@1@2Vorlage:Toter Link/www.arte.tv (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  9. Klimaschützer blockieren Straßen: 24 Menschen in Gewahrsam. In: RTL news. RTL interactive, 24. Januar 2022, abgerufen am 26. Januar 2022.
  10. Forderungen an die österreichische Bundesregierung. In: Aufstand der letzten Generation. Abgerufen am 13. Februar 2022.
  11. n-tv NACHRICHTEN: Demonstranten blockieren Straßen in Regierungsviertel. Abgerufen am 21. März 2022.
  12. UB: Deutschland: 100 Tage Regierung - 100 Menschen sagen “So nicht!” Abgerufen am 21. März 2022 (deutsch).
  13. Forderungen. In: Letzte Generation. Abgerufen am 21. März 2022.
  14. Cornelia Steiner: Braunschweiger verschenken gerettete Lebensmittel. 9. Dezember 2021, abgerufen am 22. Februar 2022 (deutsch).
  15. Bettina Schulz: Insulate Britain: Sie glauben nicht ans Reden. Zeit Online, 4. November 2021, abgerufen am 8. Februar 2022.
  16. Klimaaktivisten pinseln Forderungen ans Kanzleramt. In: Der Tagesspiegel. 14. Dezember 2021, abgerufen am 8. Februar 2022.
  17. Louisa Theresa Braun: Klimaaktivistinnen verzieren Bundeskanzleramt. In: nd. Journalismus von links. 14. Dezember 2021, abgerufen am 3. März 2022.
  18. Polizei bereitet sich auf Störungen von Klimaaktivisten am BER vor, Der Tagesspiegel vom 20. Februar 2022
  19. Andre Zuschlag: Blockade nach Ultimatum in Die Tageszeitung vom 21. Februar 2022
  20. Straßen-Blockierer verlagern Klima-Protest, doch Autofahrer vereiteln ihren Plan. In: FOCUS Online. Abgerufen am 3. März 2022.
  21. „Letzte Generation“ blockiert erneut B31 in Freiburg. In: SWR Aktuell. 21. Februar 2022, abgerufen am 3. März 2022.
  22. Pressemitteilungen 2022. In: Webauftritt: Aufstand der Letzten Generation. Abgerufen am 10. Februar 2022.
  23. „Letzte Generation“ sorgte für Stauchaos in Wien. In: Neue Kronen Zeitung. 8. Februar 2022.
  24. Aktivisten blockieren Verteilerkreis in Favoriten. In: Die Presse. 8. Februar 2022, abgerufen am 10. Februar 2022.
  25. Klimaaktivisten pflanzen Kartoffeln vor dem Kanzleramt in: Der Tagesspiegel vom 12. Februar 2022
  26. a b Klimaaktivisten blockieren Brücke im Hamburger Hafen in: Der Tagesspiegel vom 21. Februar 2022
  27. Blockaden, Sabotageakte und „grüne RAF“: Klimaschützer wollen radikaler werden, RND, 20. Februar 2022
  28. Blockieren und Zerstören – Klima-Aktivisten kündigen Radikalisierung an, Welt Online, 20. Februar 2022
  29. a b „Aufstand der letzten Generation“ – Aktivisten: Blockieren derzeit Teile des Hamburger Hafens, Deutschlandfunk, 21. Februar 2022.
  30. Klimaaktivisten stören Warenverkehr am Hamburger Hafen, Zeit Online, 21. Februar 2022.
  31. Aktivisten kleben sich an Straßen fest in Der Spiegel, 23. Februar 2022
  32. Ankündigung im Bayrischen Rundfunk: „Letzte Generation“ möchte Flughafenbetrieb am BER mit Ballons lahmlegen. In: Der Tagesspiegel. 23. Februar 2022, abgerufen am 24. Februar 2022.
  33. Letzte Generation: Protestaktion verhindert. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 3. März 2022]).
  34. Polizeipräsidium Frankfurt am Main: Bilanz der Polizei zu den Blockadeaktionen der Woche, Presseportal, 14. April 2022
  35. Klimaaktivisten planen neue Störaktionen ab Montag, Hannoversche Allgemeine Zeitung, 7. April 2022
  36. Klimaschutz-Aktivisten reißen vor Habecks Ministerium den Boden auf, Tagesspiegel, 19. April 2022
  37. Aktivisten verlegen symbolische Gas-Pipeline vor Bundeswirtschaftsministerium RBB, 19. April 2022
  38. Protest: Gruppe "Letzte Generation" schraubt wieder an Ölpipeline. In: Die Zeit. 29. April 2022, abgerufen am 2. Mai 2022.
  39. Waldplatz dicht: „Letzte Generation“ mit Straßenblockade am Morgen + Video auf l-iz.de, abgerufen am 12. Mai 2022.
  40. Audimax besetzt: Studierende fordern radikale Abkehr von fossilen Rohstoffen + Video auf l-iz.de, abgerufen am 12. Mai 2022.
  41. Protest gegen Ölbohrungen: Aktivisten kleben sich fest, NDR vom 16. Mai 2022
  42. Klimaaktivisten in München und Stuttgart blockieren Berufsverkehr, HAZ vom 16. Mai 2022
  43. Oldenburg: Klima-Aktivistinnen kleben sich auf Straße fest, NDR, 24. Mai 2022
  44. Klima-Aktivisten kleben sich auf Straße in Braunschweig fest, NDR, 30. Mai 2022
  45. Wolfsburg: Klima-Aktivisten legen Feierabendverkehr teils lahm, NDR vom 14. Juni 2022
  46. Andrea Müller-Kudelka: Klima-Aktivisten blockieren Braunschweiger Straße mit Kleber – so lief die Blockade ab, WAZ vom 14. Juni 2022
  47. Klimaaktivisten beschmieren Kanzleramt mit schwarzer Farbe, HAZ vom 22. Juni 2022
  48. Raffaels Gemälde in Dresden: Klimaaktivisten kleben sich an "Sixtinische Madonna". In: n-tv.de. 23. August 2022, abgerufen am 23. August 2022.
  49. Demonstrationen – Frankfurt am Main: Wieder Kleberaktion von Klimaaktivisten in Kunstmuseum. In: Süddeutsche Zeitung. 24. August 2022, abgerufen am 25. August 2022.
  50. Ingo Salmen: Klimaaktivisten versperren Zufahrten zu Berliner Autobahnen – 24 Festnahmen. In: Der Tagesspiegel Online. 24. Januar 2022, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 26. Januar 2022]).
  51. Süddeutsche Zeitung: "Wir handeln aus Verzweiflung". Abgerufen am 9. April 2022.
  52. Für den Klimaschutz: Die "Letzte Generation" blockiert Luisenring in Mannheim, Mannheimer Morgen
  53. Teresa Wirth: Aktivisten blockieren Wiener Gürtel: „Möglichst viel stören“. In: Die Presse. 7. Februar 2022, abgerufen am 10. Februar 2022.
  54. Menschen in 9 Ländern kündigen zivilen Widerstand an angesichts der Klimakrise bei Letzte Generation, 15. März 2022
  55. Wirtschaft: 'Letzte Generation' kündigt weitere Klimaproteste an. Abgerufen am 1. September 2022.
  56. Grünenchefin zu Straßenblockaden durch Klimaaktivisten »Dahinter steckt eine große Sorge um die Zukunft«. In: Der Spiegel. 6. Februar 2022, abgerufen am 8. Januar 2022.
  57. Koalitionszoff wegen Autobahnprotesten in Berlin Justizminister maßregelt Umweltministerin, auch Grünen-Chefin geht auf Distanz. In: Der Tagesspiegel. 10. Februar 2022, abgerufen am 10. Januar 2022.
  58. Omid Nouripour bezeichnet Klimaprotestblockaden als demokratiefern, Die Zeit vom 21. Februar 2022
  59. Özdemir kritisiert Straßenblockade für „Essen-Retten-Gesetz“. Zeit Online, 10. Februar 2022.
  60. "Klimaproteste: Kein richtiges Kleben im Falschen". In: Neues Deutschland. 10. Juli 2022, abgerufen am 10. Juli 2022.
  61. "Proteste auf Autobahnen - Sind Sitzblockaden legal?" In: Legal Tribune Online. 14. Februar 2022, abgerufen am 10. Juli 2022.
  62. CDU-Generalsekretär fordert Härte gegen „Letzte Generation“. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. Juli 2022, abgerufen am 2. September 2022.
  63. Ruth Lang Fuentes: „Absichtlich rechtswidrig“ in: Die Tageszeitung, 21. Februar 2022
  64. Letzte Generation: Klimaschutz-Gruppe mit „absurder Legitimation“, NDR, 22. Februar 2022
  65. Hungerstreik, Kinderverzicht, Studienabbruch – der Klimaprotest der «letzten Generation» trägt sektenhafte Züge, NZZ, 5. April 2022
  66. Kritische Infrastrukturen müssen vor Störungen besser geschützt werden! Deutsche Polizeigewerkschaft, Berlin, 21. Februar 2022, abgerufen am 8. Mai 2022 (deutsch).
  67. Christoph von Marschall: Der Protest ist nicht gewaltfrei, sondern arrogant. Der Tagesspiegel, 11. Juli 2022, abgerufen am 14. Juli 2022.
  68. Susanne Schwarz: Zeit für Notwehr? In: Die Tageszeitung: taz. 12. Februar 2022, ISSN 0931-9085, S. 3 (taz.de [abgerufen am 4. Oktober 2022]).
  69. Marie Busse: RAF-Vergleich Forscher warnt vor Radikalisierung der Klimabewegung, NOZ, 21. September 2022
  70. Klimaaktivisten wie RAF? Bischof Meister kritisiert Forscher, NDR, 21. September 2022