Kleinwüchsige im Alten Ägypten

Zwerg/Pygmäe in Hieroglyphen
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Deneg/Daneg/Dag
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Zwerg/kleiner Mensch/Pygmäe
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Deneg/Daneg/Dag
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Zwerg/kleiner Mensch/Pygmäe

Kleinwüchsigen, wie zum Beispiel Zwergen und Pygmäen, wurde im Alten Ägypten eine besondere Stellung am Königshof und in der öffentlichen Gesellschaft eingeräumt. Ihr Minderwuchs wurde als besondere Gabe aufgefasst. Könige und Mitglieder der Elite betrachteten es während der Frühzeit und des Alten Reiches als Privileg, besonders einen Zwerg am Hof unterhalten zu dürfen.[1]

Darstellungen von Minderwüchsigen sind eher selten, die frühesten Beispiele stammen aus der frühdynastischen Epoche. Aus der Zeit des Alten Reiches sind die ersten genaueren Bezeichnungen und Beschreibungen von Kleinwüchsigen überliefert. Aus dieser Epoche sind auch die häufigsten Abbildungen und Inschriften über Minderwüchsige und Pygmäen erhalten. Kleinwüchsige Menschen wurden mit besonderen Ämtern, Berufen und Aufgaben betraut. Wie auch normalwüchsigen Menschen, so war ihnen jederzeit ein Karriereaufstieg und die Gründung einer eigenen Familie vergönnt. Im Alten Ägypten waren Diskriminierung oder gesellschaftliche Ausgrenzung von körperlich benachteiligten Menschen so gut wie unbekannt. Ab dem Neuen Reich scheinen Respekt und Wertschätzung gegenüber Minderwüchsigen (aber auch anderen behinderten Menschen) allmählich nachgelassen zu haben.[2][3]

Bezeichnungen und Darstellungen

Grabstele des Hofzwergs Ser Inpu (1. Dynastie), Fundort: Abydos.[4]

Die Alten Ägypter hatten drei verschiedene Bezeichnungen für Kleinwüchsige. Ab dem Alten Reich verwendeten sie je nach Transkription das Wort Deneg, Daneg oder kurz Dag, was sich mit „kleiner Mensch“, „Zwerg“ oder „Pygmäe“ übersetzen lässt. Das Wort konnte sowohl voll ausgeschrieben, mit dem Determinativ eines Kleinwüchsigen kombiniert oder nur durch das Determinativ selbst ausgedrückt werden. Es gab eine männliche Schreibform (Deneg/Dag) und eine weibliche Schreibform (Deneget/Daget).[5][6] Kombiniert mit dem Determinativ für „Tänzer“ (Gardiner-Zeichen A32) werden Kleinwüchsige als „Tanzzwerg“ (ägypt. deneg ibau) beschrieben. In Kombination mit dem Zeichen für „Kleidung“ (Gardiner-Zeichen S28) hingegen werden Kleinwüchsige als „Kleiderzwerg“ (deneg chebes) bezeichnet.[7] Ab dem Mittleren Reich tritt das Wort Nemu auf, was „Verwachsener“ bedeutet und für Zwerge in religiösen, magischen und mythologischen Kontexten verwendet wurde.[8] Eine dritte Bezeichnung, Hewa, bedeutet eigentlich „Treiber“ oder „Hirte“. In Bezug auf Zwerge bedeutet es hingegen „der Gekrümmte“, was auf die körperliche Gestalt von Kleinwüchsigen abzielt.[9][10]

Dargestellt wurden Kleinwüchsige meist mit normal proportioniertem Oberkörper und Gesicht, jedoch mit stark gedrungenen, verkürzten Gliedmaßen, was auf Minderwuchs durch Achondroplasie oder Hypochondroplasie schließen lässt.[11][12] Es gibt allerdings auch Darstellungen von Minderwüchsigen mit völlig normalen Gliedmaßenproportionen, wobei hier offen bleiben muss, ob die abgebildeten Personen tatsächlich Pygmäen eines bestimmten afrikanischen Stammes waren, oder ob sie nur so klein dargestellt wurden um a) ihre niedere Stellung auszudrücken (Bedeutungsgröße) und b) damit das Hauptmotiv des Reliefs deutlicher hervortrat.[2][13][10]

Früheste, eindeutig zuweisbare Darstellungen von Kleinwüchsigen treten auf Grabstelen der 1. Dynastie auf. Die meisten von ihnen stammen aus der königlichen Nekropole von Abydos und sind heute stark beschädigt oder zerbrochen. Weitere Darstellungen finden sich als eingebrannte Tintenaufschriften auf Ton- und Alabastergefäßen. Des Weiteren stammen von dort kleine Elfenbein- und Schmuckstein­statuetten, die sowohl männliche als auch weibliche Minderwüchsige porträtieren.[2][3][10] Auf sämtlichen erhaltenen Abbildungen und Statuetten tragen die Kleinwüchsigen feine Schurze, breite Goldcolliers und stufenlockige Perücken, was eine besondere Stellung bei Hofe nahelegt. Auf den Grabstelen halten die Figuren Sechem-Zepter und/oder Stoffsiegel, wie sie auch von Priestern des Alten Reiches getragen wurden. Einige weibliche Figuren, die Kleinwüchsige darstellen, werden in einer Körperhaltung gezeigt, die typisch für eine Geburt im Stehen ist. Andere Figuren weisen körperliche Merkmale einer Schwangerschaft auf. Möglicherweise wurden solche Zwergenfiguren als Votivgaben und Talismane verwendet, um Schwangeren Glück und gesunde Kinder zu bescheren.[2][14][10]

Im Mittleren Reich und während der Amarna-Zeit werden Abbildungen von Kleinwüchsigen immer seltener. Es muss offenbleiben, ob Minderwuchs tatsächlich weniger vorkam, oder ob der allgemeine Status immer tiefer gesunken war, beziehungsweise, ob Minderwuchs nicht mehr als solche Besonderheit angesehen wurde, wie noch im Alten Reich und davor. Die erhaltenen, figürlichen wie zweidimensionalen Darstellungen von Zwergen weisen deutliche, künstlerische Hommages an das Alte Reich auf, wie Alabasterfiguren aus dem Grab des Tutanchamun (18. Dynastie) belegen. In Texten und privaten Reliefs tauchen Bezeichnungen und Abbildungen von Kleinwüchsigen so gut wie gar nicht mehr auf.[2][14][10]

Möglicher Kauf und Erwerb

Kleinwüchsig Geborene wurden möglicherweise durch Kauf erworben. Hermann Junker verweist auf Reliefinschriften sowie die Arbeiten von Jacques Jean Clére und Hans Felix Wolf und führt als möglichen Beleg das ägyptische Wort Isuu an. Dieses bedeutet übersetzt „Ich habe (dies) gekauft“, woraus sich sinnbildlich „Käufling“ ableiten lässt.[15][16] Es muss allerdings offenbleiben, ob Kleinwüchsige tatsächlich aus Menschenhandel stammten, oder ob diese sich nicht eher selbst „vermieteten“. Es war auch unter Normalwüchsigen nicht unüblich, dass beim Wechsel des Arbeitgebers/Hausherrn oder bei außerhäuslichen Aufführungen und Tätigkeiten soetwas wie Ablösesummen in Form von Naturalien ausgehandelt wurden. Es sind durch Inschriften aber auch Fälle belegt, in denen Minderwuchs innerhalb einer Familie auftrat und der jeweilige Kleinwüchsige somit nicht käuflich oder durch Schenkung erworben worden war.[17]

Unterscheidung von kleinwüchsigen Ägyptern und Pygmäen

Die Ägypter unterschieden offenbar zwischen kleinwüchsigen Einheimischen und den tanzbegabten Pygmäen afrikanischer Stämme. Hermann Junker vermutet Volksstämme von Pygmäen aus dem heutigen Sudan oder Äthiopien als Herkunft der Tanzzwerge. Letztere wurden ausschließlich für den Tempeltanz und für besondere, akrobatische Festaufführungen angestellt. Kleinwüchsige Ägypter hingegen erfuhren berufliche Karrieren in Amts- und Handwerksbereichen. Allerdings muss hier klar von sozialer Diskriminierung abgesehen werden, die Ägypter wählten schlicht nach besonderen Fähigkeiten, in denen sich die Pygmäen und die Kleinwüchsigen voneinander unterschieden.[16][15]

Soziale Stellung und Berufe

Soziale Stellung

Während des Alten Reiches genossen kleinwüchsige Ägypter aufgrund ihres Minderwuchses eine besondere soziale Stellung bei Hofe. Die Alten Ägypter fassten Minderwuchs als besondere Gabe auf, Diskriminierung oder gesellschaftliche Ausgrenzung war ihnen zunächst fremd.[18] In vielen Fällen scheinen Minderwüchsige in Familien, in die sie aufgenommen wurden, als vollwertige Mitglieder akzeptiert worden zu sein, ihnen wurden besondere Aufgaben anvertraut und sie wurden von Familiengeneration zu Generation weiter angestellt. Im Haushalt des Königs genossen sie ebenfalls hohes Ansehen, auch hier wurden ihnen innerfamiliäre Aufgaben und Stellungen zugesprochen, für die eigentlich besondere Amts- und Rangtitel nötig waren. Daraus kann geschlossen werden, dass zu dieser Zeit Minderwüchsige in der ägyptischen Gesellschaft hohes Ansehen genossen und nicht bloß Statussymbol waren, auch wenn sie für ihren Hausherren/König ein solches darstellen konnten. Minderwüchsige waren der wohlhabenden Elite und dem Königshof vorbehalten. Die gehobene gesellschaftliche Stellung Minderwüchsiger drückt sich auch in den Nebenbegräbnissen der 1. Dynastie aus. Zu dieser Zeit war es üblich, dass die engsten Vertrauten und Verwandten ihrem Herrscher in den Tod folgen mussten. Die mitbestatteten Kleinwüchsigen gehörten demzufolge zum engeren Familienkreis und durften daher direkt neben ihrem Herrscher begraben liegen.[2][14][10]

Aus der Regierungszeit von König Pepi II. (6. Dynastie) ist ein Brief des Herrschers an Harchuf, einem hohen Beamten und General der königlichen Armee auf Elephantine, erhalten. Harchuf hat von einer Expedition aus Punt einen Zwerg mitgebracht, den der junge König unbedingt sehen möchte und deshalb Harchuf anweist, alles Mögliche zu tun, damit der Zwerg heil in der Residenz ankomme. Er mahnt Harchuf zur Eile und weist ihn an, ständig Wachen für den Zwerg aufzustellen, damit er während der Fahrt auf dem Nil auf keinen Fall ins Wasser fällt. Der Brief besagt, dass König Pepi sich mehr freue, „jenen Tanzzwerg“ zu sehen, als über „alle schönen Dinge, die aus Punt sind“. Auch verspricht Pepi dem General, dass er ihn für seine Mühen reichlich belohnen würde. In dem Brief wird auch erwähnt, dass schon früher Zwerge aus Punt nach Ägypten gebracht worden seien, so unter Bawerdjet während der Herrschaft von König Djedkare-Isesi.[16][19]

Familiengründung

Statuengruppe des kleinwüchsigen Hofbeamten Seneb und seiner Familie.

Der besondere Fall des Hofbeamten Seneb (späte 4. oder frühe 5. Dynastie; Altes Reich) belegt, dass es Minderwüchsigen vergönnt war, eigene Familien zu gründen und eigene Kinder zu haben. So war Seneb mit der normalwüchsigen Prinzessin Senetites verheiratet und hatte mit ihr zwei Töchter (Auib-en-Chufu und Semeret-Radjedef) und einen gemeinsamen Sohn (Anch-ima-Radjedef). Senebs Fall beweist zudem, dass die Kinder von Minderwüchsigen körperlich gesund zur Welt kommen konnten.[15] In Fällen, in denen Kleinwüchsige als Aufseher von weiteren Zwergen ausgewiesen sind, ist denkbar, dass es sich um minderwüchsige Familienmitglieder des erstgenannten handelt, doch muss dies offen bleiben, da typische Bezeichnungen wie „Sohn“ und/oder „Tochter“ fehlen. Außerdem war es unter Künstlern des Alten Reiches nicht unüblich, ein- und dieselbe Person mehrmals abzubilden, zum Beispiel wenn diese mehrere Ämter und Berufe gleichzeitig ausübte.[2][14][10]

Ein ähnlicher Fall ist jener des „Hof- und Tanzzwerges“ Per-ni-anchu. Auch von ihm ist eine Statue erhalten, sie zeigt ihn mit sehr ähnlichen, körperlichen Fehlbildungen. Auch Per-ni-anchu hatte einen normal proportionierten Torso, normal großen Kopf und verkürzte Arme und Beine. Allerdings war sein Nacken verkürzt und ein Bein war etwas länger als das andere. Daher vermuten Spezialisten wie Chahira Kozma, dass Per-ni-anchu neben Achondroplasie auch unter Elephantiasis gelitten haben könnte. Da seine Mastaba sehr nahe an Seneb's Grab liegt (also ebenfalls in Gizeh), mag Per-ni-anchu der Bruder oder gar der Vater von Seneb gewesen sein. Genau wie Seneb, so war Per-ni-anchu mit einer normalwüchsigen Frau liiert gewesen.[20]

Berufe

In den Mastabas des Alten Reiches werden die verschiedenen Berufe und Ämter von Kleinwüchsigen dargestellt und beschrieben. Da ihr Minderwuchs keine schwere, körperliche Arbeit erlaubte, wurden sie in den Berufen beschäftigt, die eher Fingerfertigkeit, Geschick und Kreativität erforderte. So waren Kleinwüchsige unter anderem Juweliere, Kleider- und Stoffhersteller, Sandalen- oder Schmuck- und Gefäßträger, oder für das Ausführen von Haustieren an der Leine zuständig. Oft werden sie gezeigt, wie sie normalwüchsige Bedienstete und Opferbringer während einer Prozession oder auch bei der Jagd begleiten und ihnen assistieren.[15][14]

Kleinwüchsige scheinen gern als Tierpfleger eingesetzt worden zu sein. Insgesamt sind 22 Reliefdarstellungen aus dem Alten Reich erhalten, die Zwerge bei ihrer Berufsausübung zeigen.[21] Bevorzugt führten sie Hunde, Katzen und Meerkatzen aus, wohl deshalb, weil diese Tiere besonders leicht zu zähmen waren und den Kleinwüchsigen nicht allzu schnell gefährlich wurden. Nur eine Darstellung zeigt einen Zwerg, der einen Leopard an der Leine führt. Sie befindet sich im Grab des hohen Beamten Nianch-nesut. In einer weiteren Darstellung, im Grab des hohen Beamten Nefer, stibitzt ein Äffchen Obst aus dem Tragekorb eines Kleinwüchsigen und spielt mit seiner Leine. Weitere Abbildungen mit Kleinwüchsigen und kleinen Affen legen nahe, dass die Äffchen dem Minderwüchsigen regelrecht assistierten: Im Grab des hohen Beamten Kaaper zeigt eine Szene einen Minderwüchsigen und sein Äffchen, wie sie beide einem Flötisten und einem Harfespieler den Takt vorgeben.[22] Kleinwüchsige waren selbst oft als Musiker und Dirigent tätig, auch wenn Abbildungen von musizierenden Kleinwüchsigen sehr selten sind. Eine diesbezüglich einmalige Darstellung findet sich im Grab des hohen Beamten Nikau-Inpu in Gizeh. Der dort musizierende Zwerg spielt auf einer Harfe.[22]

Die Inschriften des Alten Reiches legen nahe, dass auch für Minderwüchsige die Möglichkeit bestand, in ihren Berufen und Ämtern Karriere zu machen und aufzusteigen. Hohe Rangtitel wie zum Beispiel „Aufseher über die Zwerge im Haus-der-Kleider“ und „Aufseher über die Goldschmiede“, sowie Ehrentitel wie zum Beispiel „Freund des Königs“, „Von seinem Herrn geliebt“ und „Palastvorsteher“ beweisen, dass Minderwüchsigen dieselben gesellschaftlichen wie beruflichen Chancen und Vergünstigungen eingeräumt wurden, wie Normalwüchsigen.[18] Ob sie auch in religiös-kultische Dienste und Rituale direkt eingebunden wurden, oder lediglich assistierende Aufgaben ausübten, ist unklar. Die Inschriften und Darstellungen, die mit Feierlichkeiten wie dem Sed-Fest und dem Hathor-Fest verbunden sind, erlauben keinerlei genaueren Rückschlüsse, da die Begleitinschriften zwar die Namen der Kleinwüchsigen nennen, nicht aber ihre Tätigkeit während des Festes.[14][18]

Kleinwüchsige in späteren Epochen

Im Neuen Reich und in späterer Zeit nahm die besondere Wertschätzung für Kleinwüchsige offenbar ab. Sie wurden nur noch selten im Funktionskontext bei der Ausübung ihrer Berufe gezeigt, die Darstellungen dienten nun wohl eher der Belustigung oder gar Verspottung. In den „Weisheitslehren des Amenemope“ (Papyrus British Museum 10474; 19. Dynastie) wird explizit dazu aufgerufen, Zwerge (aber auch Blinde, Krüppel und Autisten) nicht zu hänseln, oder über sie zu lästern. Historiker und Gelehrte bewerten Amenemopes Weisheitslehren als öffentlichen Appell, der sich gegen möglichen drohenden, moralischen Verfall innerhalb der ägyptischen Gesellschaft richten sollte.[23][24]

Kleinwüchsige Gottheiten

Der Gott Bes auf einem Relief aus dem Tempelkomplex von Dendera

Im Alten Ägypten beteten die Menschen verschiedene, kleinwüchsige Gottheiten an. Die bekannteste unter ihnen ist der Gott Bes, der ab der 12. Dynastie sicher belegt ist und vermutlich ursprünglich aus dem Sudan stammt. Bes war der Gott des Glücks, des Tanzes und der Träume. Er galt aber auch als Geburtsgott. Dargestellt wird er als Minderwüchsiger mit Löwenohren, krummen Beinen und mit bärtigem, fratzenhaftem Gesicht. Meist trägt er eine Federkrone auf dem Kopf, wie sie später typisch für Darstellungen von Hethitern war. Bes gehört zu den wenigen Gottheiten Ägyptens, die stets frontal dargestellt wurden und dadurch schwerlich mit anderen Gottheiten verwechselt werden konnten.[25][26]

Ab dem Neuen Reich erscheinen Zwerge in religiösen Schriften, die sich zentral um den Sonnengott Re drehen. In einem dieser Papyri aus der Ludwig Borchardt-Sammlung wird Re als „Zwerg des Himmels“, „Zwerg, der zwischen Himmel und Erde ist“ und als „Verwachsener, der in der Mitte des Himmels ist“ umschrieben.[27] In Papyrus Salt wird eine Zwergengottheit angerufen, die als „Zwerg von Ober- und Unterägypten“ verehrt wird. Der Name dieser Gottheit ist jedoch nicht überliefert.[28] Im demotischen Papyrus Leiden wird ebenfalls eine kleinwüchsige Gottheit angerufen, die sehr wahrscheinlich mit Re verknüpft oder gar mit diesem identisch ist. Die Gottheit beschreibt sich selbst als „edler Zwerg, der in den versiegelten Höhlen ist“. Die implizierte Verbindung zu Re geht aus der Erwähnung der „versiegelten Höhlen“ hervor: auch Re soll sich „versiegelten Höhlen“ verbergen, wenn er ruht.[29]

Aus dem Neuen Reich und späteren Epochen stammen beschriftete Skarabäenanhänger, auf denen Zwerge mit der Gottheit Chepri (die mythologische Jugendform des Re) gleichgesetzt und mit skarabäengestaltigem Oberkörper dargestellt werden. Der ptolemaische Papyrus Insinger enthält in Kolumne 24, Zeile 8-9 den Spruch: „Der kleine Skarabäus ist groß wegen seiner verborgenen Gestalt, der Zwerg ist groß wegen seines Namens!“[30]

Eine weitere, wenn auch recht seltene Zwergengottheit ist Ptah-Pataka („Ptah, der Starke“), eine Erscheinungsform des Hauptgottes Ptah. Ptah-Pataka wird als Minderwüchsiger mit kahlgeschorenem Kopf, beziehungsweise, mit Rundkappe (wie sie Ptah stets trägt) dargestellt. Eine andere, zwergenwüchsige Form von Ptah wurde Ptah-segem-panem („Ptah, der Zuhörer“) genannt.[3][31]

Auch der Mond- und Zeitgott Thot konnte zwergenförmig in Erscheinung treten: kleine Amulette zeigen den Körper von menschlichen Zwergen mit den Köpfen von Pavianen. Der Minderwuchs von Gottheiten sollte wahrscheinlich ihre schöpferischen und kreativen Aspekte sowie die Eigenschaften als Schutzgottheiten verdeutlichen, da menschliche Minderwüchsige selbst in hauptsächlich handwerklichen („schöpferischen“) wie gestalterischen („kreativen“) Berufen tätig waren.[32]

Bekannte Kleinwüchsige

Namentlich bekannte Kleinwüchsige sind unter anderem Nefer, Hed-nub und Ser Inpu, die alle in der 1. Dynastie wirkten und als Zeichen der Wertschätzung und Achtung in königlichen Nebenbegräbnissen ihre letzte Ruhe fanden. Auch in Nebenbegräbnissen der Könige Wadji und Semerchet wurden die Überreste kleinwüchsiger Menschen entdeckt. Ihre Namen sind jedoch nicht erhalten.[33] Aus dem Alten Reich sind Nianch-Djedefre, Per-ni-anchu (4. Dynastie) und eben besonders Seneb (4. oder 5. Dynastie) bekannt. In späteren Epochen blieben Zwerge oft namenlos, Ausnahmen sind die Zwergin Daget-Neith und der Kleinwüchsige Djehu, die während der Spätzeit lebten.[34]

Literatur

  • William R. Dawson: Pygmies and dwarfs in ancient Egypt. In: The Journal of Egyptian Archaeology. Bd. 24, Nr. 2, 1938, ISSN 0075-4234, S. 185–189, doi:10.2307/3854789.
  • Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. Clarendon Press u. a., Oxford u. a. 2013, ISBN 978-0-19-968086-3.
  • Hans-Werner Fischer-Elfert: „Lache nicht über einen Blinden und verspotte nicht einen Zwerg!“ Über den Umgang mit Behinderten im Alten Ägypten. In: Max Liedtke (Hrsg.): Behinderung als pädagogische und politische Herausforderung. Historische und systematische Aspekte (= Schriftenreihe zum Bayerischen Schulmuseum Ichenhausen. Bd. 14.). Klinkhardt, Bad Heilbrunn 1996, ISBN 3-7815-0791-2, S. 93–116.
  • Brigitte Goede: Brief Pepis II. an Herchuf, Gouverneur von Elephantine, wegen eines Tanzzwergs. In: Gabriele Höber-Kamel (Hrsg.): Elephantine, das Tor zu Afrika (= Kemet. Bd. 14, Heft 3, 2005, ISSN 0943-5972). Kemet-Verlag, Berlin 2005, S. 23–25.
  • Hermann Junker (Hrsg.): Die Maṣṭaba des 'Snb (Seneb) und die umliegenden Gräber (= Gîza. Bericht über die von der Akademie der Wissenschaften in Wien auf gemeinsame Kosten mit Wilhelm Pelizaeus unternommenen Grabungen auf dem Friedhof des Alten Reiches bei den Pyramiden von Gîza. Bd. 5 = Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse. Denkschriften. Bd. 71, Abh. 2, ISSN 1012-4861). Hölder-Pichler-Tempsky in Kommission, Wien u. a. 1941, S. 7–11.
  • Chahira Kozma: Dwarfs in Ancient Egypt. In: American Journal of Medical Genetics, Part A. John Wiley & Sons, Hoboken (New Jersey) 2006, 140. Ausgabe, S. 303–311 (PDF).
  • Alfred Rupp: Der Zwerg in der ägyptischen Gemeinschaft. In: Chronique d'Egypte. Vol. 40, Nr. 80. 1965, ISSN 0009-6067, S. 260–309.
  • Karl-Joachim Seyfried: Zwerg. In: Wolfgang Helck (Hrsg.): Lexikon der Ägyptologie (LÄ). Band VI, Harrassowitz, Wiesbaden 1986, ISBN 3-447-02663-4, Sp. 1432–1435.

Einzelnachweise

  1. Chahira Kozma: Dwarfs in Ancient Egypt. In: American Journal of Medical Genetics, Part A. John Wiley & Sons, Hoboken (New Jersey) 2006, 140. Ausgabe, S. 304.
  2. a b c d e f g William R. Dawson: Pygmies and dwarfs in ancient Egypt. In: The Journal of Egyptian Archaeology. Bd. 24, Nr. 2, 1938, S. 185–189.
  3. a b c Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 149.
  4. vergl.: W. M. Flinders Petrie: The Royal Tombs of the First Dynasties (= Memoir of the Egypt Exploration Fund. 18, ISSN 0307-5109). Part 1. Egypt Exploration Fund u. a., London u. a. 1900, Bildtafel XXXII., Objekt 17.
  5. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 25.
  6. Chahira Kozma: Dwarfs in Ancient Egypt. In: American Journal of Medical Genetics, Part A. John Wiley & Sons, Hoboken (New Jersey) 2006, 140. Ausgabe, S. 304.
  7. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 27.
  8. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 30.
  9. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 31.
  10. a b c d e f g Karl-Joachim Seyfried: Zwerg. In: Wolfgang Helck (Hrsg.): Lexikon der Ägyptologie (LÄ). Band VI, Harrassowitz, Wiesbaden 1986, ISBN 3-447-02663-4, Sp. 1432–1435.
  11. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 110.
  12. Chahira Kozma: Dwarfs in Ancient Egypt. In: American Journal of Medical Genetics, Part A. John Wiley & Sons, Hoboken (New Jersey) 2006, 140. Ausgabe, S. 304.
  13. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 134–135.
  14. a b c d e f Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 121–126.
  15. a b c d Hermann Junker (Hrsg.): Die Maṣṭaba des 'Snb (Seneb) und die umliegenden Gräber. 1941, S. 7–11.
  16. a b c Brigitte Goede: Brief Pepis II. an Herchuf, Gouverneur von Elephantine, wegen eines Tanzzwergs. In: Gabriele Höber-Kamel (Hrsg.): Elephantine, das Tor zu Afrika. 2005, S. 23–25.
  17. Chahira Kozma: Dwarfs in Ancient Egypt. In: American Journal of Medical Genetics, Part A. John Wiley & Sons, Hoboken (New Jersey) 2006, 140. Ausgabe, S. 305.
  18. a b c Hans-Werner Fischer-Elfert: „Lache nicht über einen Blinden und verspotte nicht einen Zwerg!“ Über den Umgang mit Behinderten im Alten Ägypten. In: Max Liedtke (Hrsg.): Behinderung als pädagogische und politische Herausforderung. Historische und systematische Aspekte. 1996, S. 93–116, hier S. 113–116.
  19. Chahira Kozma: Dwarfs in Ancient Egypt. In: American Journal of Medical Genetics, Part A. John Wiley & Sons, Hoboken (New Jersey) 2006, 140. Ausgabe, S. 305.
  20. Chahira Kozma: Dwarfs in Ancient Egypt. In: American Journal of Medical Genetics, Part A. John Wiley & Sons, Hoboken (New Jersey) 2006, 140. Ausgabe, S. 305.
  21. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 114.
  22. a b Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 124–125.
  23. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 150.
  24. James Roger Black: The Instruction of Amenemope. A Critical Edition and Commentary Prolegomenon and Prologue. University of Wisconsin, Madison WI 2002, S. 226 f. (Zugleich: Madison WI, University, Dissertation, 2002).
  25. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 50–51.
  26. Chahira Kozma: Dwarfs in Ancient Egypt. In: American Journal of Medical Genetics, Part A. John Wiley & Sons, Hoboken (New Jersey) 2006, 140. Ausgabe, S. 308-309.
  27. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 46.
  28. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 47.
  29. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 47.
  30. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 50.
  31. Chahira Kozma: Dwarfs in Ancient Egypt. In: American Journal of Medical Genetics, Part A. John Wiley & Sons, Hoboken (New Jersey) 2006, 140. Ausgabe, S. 309.
  32. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 62.
  33. Chahira Kozma: Dwarfs in Ancient Egypt. In: American Journal of Medical Genetics, Part A. John Wiley & Sons, Hoboken (New Jersey) 2006, 140. Ausgabe, S. 305.
  34. Veronique Dasen: Dwarfs in Ancient Egypt and Greece. 2013, S. 32–33.