„Gustl Mollath“ – Versionsunterschied

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Im September 2003 kam es wegen gefährlicher Körperverletzung an seiner Ehefrau zu einem Strafverfahren gegen Mollath vor dem [[Amtsgericht Nürnberg]]. 2004 erfolgte die Scheidung. Im September 2004 wurde Mollath zur Erstellung eines [[Psychologisches Gutachten|psychologischen Gutachtens]] erstmals für fünf Wochen durch Gerichtsbeschluss in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Zwei vorgeschlagene Termine zur ambulanten Begutachtung hatte Mollath zuvor abgelehnt.<ref name="urteil_LG_N" /> Anfang 2005 kam der Vorwurf des Zerstechens von Autoreifen hinzu.
Im September 2003 kam es wegen gefährlicher Körperverletzung an seiner Ehefrau zu einem Strafverfahren gegen Mollath vor dem [[Amtsgericht Nürnberg]]. 2004 erfolgte die Scheidung. Im September 2004 wurde Mollath zur Erstellung eines [[Psychologisches Gutachten|psychologischen Gutachtens]] erstmals für fünf Wochen durch Gerichtsbeschluss in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Zwei vorgeschlagene Termine zur ambulanten Begutachtung hatte Mollath zuvor abgelehnt.<ref name="urteil_LG_N" /> Anfang 2005 kam der Vorwurf des Zerstechens von Autoreifen hinzu.


Das Landgericht Nürnberg-Fürth sprach Mollath im August 2006 schließlich frei, da die Taten aus Sicht des Gerichtes zwar erwiesen waren, aber die „Aufhebung der Steuerungsfähigkeit […] gemäß {{§|20|StGB|juris}} StGB […] nicht ausgeschlossen werden“ konnte. Das Gericht ordnete seine [[Unterbringung (Deutschland)|Unterbringung]] in einem psychiatrischen Krankenhaus an, da weitere Taten zu befürchten seien.<ref name="urteil_LG_N" /><ref name="taz1" /> Das Urteil stützte sich u.a. auf das Gutachten eines Sachverständigen, das Mollath paranoide Wahnvorstellungen attestierte, die sich im Wesentlichen um einen „Schwarzgeldkomplex“ drehten.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/bayern/chronologie-zum-fall-gustl-mollath-schwierige-suche-nach-der-wahrheit-1.1542305-7 Chronologie zum Fall Mollath], SZ-Online, abgerufen am 17. Januar 2013</ref>
Das Landgericht Nürnberg-Fürth sprach Mollath im August 2006 schließlich frei, da die Taten aus Sicht des Gerichtes zwar erwiesen waren, aber die „Aufhebung der Steuerungsfähigkeit […] gemäß {{§|20|StGB|juris}} StGB […] nicht ausgeschlossen werden“ konnte. Das Gericht ordnete seine [[Unterbringung (Deutschland)|Unterbringung]] in einem psychiatrischen Krankenhaus an, da weitere Taten zu befürchten seien.<ref name="urteil_LG_N" /><ref name="taz1" /> Das Urteil stützte sich u.a. auf das Gutachten eines Sachverständigen, das Mollath paranoide Wahnvorstellungen attestierte, die sich im Wesentlichen um einen „Schwarzgeldkomplex“ drehten.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/bayern/chronologie-zum-fall-gustl-mollath-schwierige-suche-nach-der-wahrheit-1.1542305-7 Chronologie zum Fall Mollath], SZ-Online, abgerufen am 17. Januar 2013</ref>


Mollath befindet sich seitdem in der forensischen Psychiatrie des [[Bezirkskrankenhaus Bayreuth]].
Seit 30. März 2012 wird Mollath von der Rechtsanwältin Erika Lorenz-Löblein vertreten, die Rechtsanwalt [[Gerhard Strate]] hinzuzog, um das Wiederaufnahmeverfahren zu betreiben. Sie berichtet von erheblichen Schwierigkeiten, an die Akten des Falles zu gelangen.<ref>http://www.heise.de/tp/artikel/38/38632/1.html</ref>


In die breite Öffentlichkeit gelangte der Fall, nachdem am 13. November 2012 die ''[[Süddeutsche Zeitung]]'' und ''[[Report Mainz]]'' über den Inhalt eines Revisionsberichts der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003 berichteten. Sie warfen der bayerischen Justizministerin [[Beate Merk]] vor, aus dem Revisionsbericht gehe hervor, dass sie die Unwahrheit gesagt habe. Sie hatte zuvor behauptet, der Bericht bestätige Mollaths Anschuldigungen gerade nicht.
In die breite Öffentlichkeit gelangte der Fall, nachdem am 13. November 2012 die ''[[Süddeutsche Zeitung]]'' und ''[[Report Mainz]]'' über den Inhalt eines Revisionsberichts der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003 berichteten. Sie warfen der bayerischen Justizministerin [[Beate Merk]] vor, aus dem Revisionsbericht gehe hervor, dass sie die Unwahrheit gesagt habe. Sie hatte zuvor behauptet, der Bericht bestätige Mollaths Anschuldigungen gerade nicht.


In der darauf folgenden medialen Berichterstattung wurden zahlreiche Details aus dem Verfahren gegen Mollath bekannt. So wurden insbesondere die Prozessführung durch den Vorsitzenden Richter Otto Brixner, angebliche selektive Berücksichtigung von Beweismitteln und Verfahrensfehler kritisch diskutiert. Im Zuge der Berichterstattung geriet Merk unter öffentlichen und politischen Druck und erklärte am 30. November 2012, den Fall Mollath neu aufrollen zu lassen.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/bayern/merk-will-fall-mollath-neu-aufrollen-gericht-ueberprueft-mollaths-richter-1.1537990 Gericht überprüft Mollaths Richter], SZ-Online vom 30. November 2012, abgerufen am 17. Januar 2013.</ref>
In der darauf folgenden medialen Berichterstattung wurden zahlreiche Details aus dem Verfahren gegen Mollath bekannt. So wurden insbesondere die Prozessführung durch den Vorsitzenden Richter Otto Brixner, angebliche selektive Berücksichtigung von Beweismitteln und Verfahrensfehler kritisch diskutiert. Im Zuge der Berichterstattung geriet Merk unter öffentlichen und politischen Druck und erklärte am 30. November 2012, den Fall Mollath neu aufrollen zu lassen.<ref>[http://www.sueddeutsche.de/bayern/merk-will-fall-mollath-neu-aufrollen-gericht-ueberprueft-mollaths-richter-1.1537990 Gericht überprüft Mollaths Richter], SZ-Online vom 30. November 2012, abgerufen am 17. Januar 2013.</ref>

Mollath befindet sich nach wie vor in der forensischen Psychiatrie, Station FP6 im [[Bezirkskrankenhaus Bayreuth]].


== Mediale Berichte und Folgen ==
== Mediale Berichte und Folgen ==

Version vom 27. Februar 2013, 04:19 Uhr

Gustl Ferdinand Mollath (* 7. November 1956 in Nürnberg) ist der frühere Angeklagte in einem Strafverfahren, das in der Öffentlichkeit eine breite, kritische und bis heute andauernde Diskussion fand.

Er ist auf Anordnung des Landgerichts Nürnberg-Fürth wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung gegen seine frühere Ehefrau sowie Sachbeschädigung[1] seit 2006 als gemeingefährlich in verschiedenen geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen in Bayern untergebracht.[2][3][4] Das Gericht begründete dies auch mit einem paranoiden Gedankensystem, das Mollath entwickelt habe, und das sich unter anderem in der Überzeugung äußere, seine frühere Ehefrau sei in ein komplexes System der Schwarzgeldverschiebung verwickelt. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde der Fall bekannt, nachdem Report Mainz am 13. November 2012 einen Revisionsbericht[5] der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003 veröffentlichte, der diesbezügliche Ausführungen Mollaths stützt. Schon ein Jahr zuvor hatte das Magazin die Frage aufgeworfen, ob Mollaths Schwarzgeldanschuldigungen zu Unrecht als Teil eines paranoiden Wahnsystems gedeutet worden seien und ob er sich daher fälschlicherweise in der forensischen Psychiatrie befände.

Leben

Mollath besuchte nach eigenen Angaben eine Waldorfschule und schloss 1976 mit der Fachhochschulreife ab.[6] Anschließend begann er ein Maschinenbaustudium, das er später abbrach. 1981 arbeitete er für rund zwei Jahre im Bereich Controlling bei MAN[6] und gründete danach eine Kfz-Werkstatt, die auf Reifenhandel, Tuning und Restaurierung von Oldtimern spezialisiert war.

1978 lernte Mollath seine spätere Frau Petra kennen. Sie arbeitete ab 1990 als Vermögensberaterin, zuletzt bei der HypoVereinsbank.[4][5] Sie heirateten 1991.[1] Im August 2001 kam es nach Angaben der Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung. 2002 zog sie aus.

Im September 2003 kam es wegen gefährlicher Körperverletzung an seiner Ehefrau zu einem Strafverfahren gegen Mollath vor dem Amtsgericht Nürnberg. 2004 erfolgte die Scheidung. Im September 2004 wurde Mollath zur Erstellung eines psychologischen Gutachtens erstmals für fünf Wochen durch Gerichtsbeschluss in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Zwei vorgeschlagene Termine zur ambulanten Begutachtung hatte Mollath zuvor abgelehnt.[1] Anfang 2005 kam der Vorwurf des Zerstechens von Autoreifen hinzu.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth sprach Mollath im August 2006 schließlich frei, da die Taten aus Sicht des Gerichtes zwar erwiesen waren, aber die „Aufhebung der Steuerungsfähigkeit […] gemäß § 20 StGB […] nicht ausgeschlossen werden“ konnte. Das Gericht ordnete seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, da weitere Taten zu befürchten seien.[1][3] Das Urteil stützte sich u.a. auf das Gutachten eines Sachverständigen, das Mollath paranoide Wahnvorstellungen attestierte, die sich im Wesentlichen um einen „Schwarzgeldkomplex“ drehten.[7]

Mollath befindet sich seitdem in der forensischen Psychiatrie des Bezirkskrankenhaus Bayreuth.

In die breite Öffentlichkeit gelangte der Fall, nachdem am 13. November 2012 die Süddeutsche Zeitung und Report Mainz über den Inhalt eines Revisionsberichts der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003 berichteten. Sie warfen der bayerischen Justizministerin Beate Merk vor, aus dem Revisionsbericht gehe hervor, dass sie die Unwahrheit gesagt habe. Sie hatte zuvor behauptet, der Bericht bestätige Mollaths Anschuldigungen gerade nicht.

In der darauf folgenden medialen Berichterstattung wurden zahlreiche Details aus dem Verfahren gegen Mollath bekannt. So wurden insbesondere die Prozessführung durch den Vorsitzenden Richter Otto Brixner, angebliche selektive Berücksichtigung von Beweismitteln und Verfahrensfehler kritisch diskutiert. Im Zuge der Berichterstattung geriet Merk unter öffentlichen und politischen Druck und erklärte am 30. November 2012, den Fall Mollath neu aufrollen zu lassen.[8]

Mediale Berichte und Folgen

Erster Bericht von Report Mainz

Erstmals in den Medien diskutiert wurde der Fall in einem Beitrag der Magazinsendung Report Mainz vom 13. Dezember 2011.[2] Die HypoVereinsbank hatte demnach aufgrund der Vorwürfe Mollaths, wonach seine Frau an Schwarzgeldverschiebungen beteiligt sei, interne Ermittlungen vorgenommen und ihr 2003 gekündigt, ebenso einem weiteren Mitarbeiter.

Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse kritisierte in dem Bericht der am Urteil gegen Mollath beteiligte Schöffe Westenrieder das Verfahren. Er sei zur Zeit des Prozesses davon ausgegangen, dass die Geldwäsche-Vorwürfe Mollaths ungenau gewesen seien.[2] Der Vorsitzende Richter habe Mollath jedes Mal lautstark unterbrochen und mit Saalverweis gedroht, wenn er das Thema Steuerhinterziehung und Schwarzgeldverschiebung angesprochen habe.[9]

Der Bericht kritisierte zudem, dass das Gericht Belege und handschriftliche Notizen zu Konten in der Schweiz nicht beachtete, die Mollath eingereicht hatte.

Der Beitrag warf der Staatsanwaltschaft vor, sie hätte den detaillierten Angaben einer Strafanzeige Mollaths gegen seine Ex-Frau vom 11. Juni 2003 nachgehen müssen und überprüfen müssen, ob es Schwarzgeldtransfers gab. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg hatte diese Anzeige als „zu pauschal“[4] abgelehnt.[10][11][12] Die Staatsanwaltschaft teilte dazu dem Magazin schriftlich mit, dass auch weiterhin kein Anlass für ein Ermittlungsverfahren bestehe.[2]

Dringlichkeitsantrag im Bayerischen Landtag

Nach einem Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag verteidigte sich die Justizministerin Beate Merk (CSU) in einer Rede vor dem Landtag am 15. Dezember 2011[13] gegen den Eindruck, Mollath sei aufgrund seiner Strafanzeige untergebracht worden. Auch ließ sie einen Tag später durch einen Sprecher erklären, die Unterbringung Mollaths in der Psychiatrie sei Folge seiner Straftaten und habe mit der Strafanzeige gegen seine Frau und die Bank nichts zu tun. Mollath habe seiner Frau Würgemale am Hals, großflächige Hämatome und eine blutende Bisswunde zugefügt. Er habe zudem Dutzende Autoreifen zerstochen, unter anderem an Fahrzeugen von Anwälten seiner Frau. Seine Unterbringung sei vom Bundesgerichtshof bestätigt und werde regelmäßig überprüft.[14] Sie wehrte sich auch gegen Vorwürfe, dass die Staatsanwaltschaft auf Grund von Weisungen aus der Politik untätig blieb.[3][15] Die Staatsanwaltschaft selbst richtete daraufhin brieflich einige Fragen an die HypoVereinsbank.[3]

Zweiter und dritter Bericht von Report Mainz

Am 13. November 2012 beschäftigte sich Report Mainz erneut mit dem Fall Gustl Mollath.[16] Das Magazin war an den Revisionsbericht der Bank gelangt, den es in der Folge öffentlich machte.[5] Nach dem Ergebnis der Untersuchung seien Mollaths Vorwürfe zwar in Teilbereichen diffus, aber seine Frau habe tatsächlich Kunden gegen Provisionen an eine Bank in der Schweiz vermittelt und Gelder dorthin transferiert.[5][17] Es seien außerdem, über Mollaths Vorwürfe hinaus, bei anderen Mitarbeitern Verstöße gegen die Abgabenordnung und das Wertpapierhandelsgesetz festgestellt[4][5] und Hinweise auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung gefunden worden. So sei einer „allgemein bekannten Persönlichkeit“ geholfen worden, Schwarzgeld zu waschen.[4]

Report Mainz konfrontierte Merk in der Sendung in einem Interview mit einem Zitat aus dem Revisionsbericht, wonach „alle nachprüfbaren Behauptungen sich als zutreffend herausgestellt“ hätten. Er stellte dies ihrer Aussage vor dem Rechtsausschuss am 30. Oktober 2012[18] gegebenüber, wonach der Bericht die Vorwürfe von Mollath gerade nicht bestätigt hätte.[17] Merk erklärte daraufhin im Interview, dass sich keine verfolgbaren Aussagen bestätigt hätten.[19] Am nächsten Tag erläuterte sie etwas ausführlicher, die laut Revisionsbericht zutreffenden Vorwürfe hätten arbeitsrechtliche Sachverhalte betroffen und seien nicht verfolgbar. Soweit strafrechtliche Sachverhalte betroffen gewesen seien, sei die Verjährung schon eingetreten.[20][21] Es gehe nicht darum, ob Mollath die Wahrheit sage, sondern es gehe um seine Gefährlichkeit.[22] Der Steuerfahnder Frank Wehrheim warf Merk in der Sendung vor, ihre Aussage sei eine „gewollte Falschaussage“.[23]

Am 4. Dezember 2012 thematisierte Report Mainz den Fall ein drittes Mal, diesmal insbesondere im Hinblick auf den Vorwurf der Befangenheit des Richters in Mollaths Verfahren.[24]

Reaktionen

Der zweite Bericht löste eine Vielzahl öffentlicher Reaktionen aus. Die Opposition im Bayerischen Landtag forderte Merks Rücktritt.[25][26] Die Bank verteidigte sich gegen Vorwürfe, wegen der ermittelten Gesetzesverstöße nicht selbst Strafanzeige erstattet zu haben. Die Revisionsprüfung habe „keine ausreichenden Erkenntnisse für ein strafrechtlich relevantes Verhalten von Kunden oder Mitarbeitern [ergeben], die eine Strafanzeige als angemessen erscheinen ließen“.[17] Es hätten sich keine Beweise für strafrechtlich relevantes Verhalten gefunden und die Prüfergebnisse seien dafür zu vage gewesen. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete dies daraufhin als eine „grotesk verharmlosende Darstellung“.[27]

Thematisiert wurden auf den Bericht hin auch die psychiatrischen Gutachten über Mollath aus den Gerichtsverfahren und der laufenden Überprüfung. Der Schöffe Westenrieder sagte, er habe das psychiatrische Gutachten bereits während des Verfahrens als „schwach“ eingeschätzt, da es weitestgehend nach Aktenlage angefertigt wurde, Mollath während des Verfahrens „nicht exploriert“ worden sei und kein Zweitgutachten erfolgte.[28][29] Auch der Vorsitzende der Walter-von-Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie (GEP),[30] die Menschenrechtsbeauftragte der bayerischen Landesärztekammer,[31][32] der Regensburger Strafrechtsprofessor Henning Ernst Müller[33] sowie die Süddeutsche Zeitung[34] übten Kritik an der Qualität der medizinischen Gutachten und der Tragfähigkeit des Urteils.

Die Süddeutsche Zeitung kritisierte zudem das Verfahren. Insbesondere seien entlastende Hinweise kaum berücksichtigt worden. Mollath habe zudem einen Pflichtverteidiger zugewiesen bekommen, dem er misstraut habe und der sich daher kaum in der Lage gesehen habe, ihm zu helfen.[35] Des Weiteren widersprach sie, ähnlich wie auch Müller,[36] der Behauptung Merks, die Schwarzgeldvorwürfe Mollaths und seine Einstufung als gemeingefährlicher Geisteskranker hätten nichts miteinander zu tun. Die Annahme eines „Schwarzgeldkomplex(es)“ habe für Mollaths Einweisung nicht nur im Urteil des Landgerichts Nürnberg 2006, sondern bis ins Jahr 2011 auch in späteren richterlichen Entscheidungen eine wichtige Rolle gespielt.[37]

Verteidigung des Verfahrens

Die Journalistin Beate Lakotta verteidigte das Verfahren gegen Mollath einen Monat nach der Reportage. Für viele Ungereimtheiten in diesem Fall ließen sich plausible Erklärungen finden.[38] So sei z. B. das in der Gerichtsverhandlung vorgelegte Attest mit dem Briefkopf einer Hausärztin, das von der Süddeutschen zuvor angezweifelt worden war[35], nicht gefälscht. Die Ärztin habe es zwar nicht selbst ausgestellt, es sei aber ihr Sohn gewesen, der selbst Arzt sei und zu der Zeit als Assistent in der Praxis gearbeitet habe. Das Attest sei zwar erst im Zuge der Anzeige erstellt worden, stütze sich aber auf Einträge in der Krankenakte vom 14. August 2001.

Auch gebe es keinen Beweis für die Behauptung, Mollaths Ex-Frau sei als Angestellte der HypoVereinsbank in Schwarzgeldgeschäfte und Beihilfe zur Steuerhinterziehung verstrickt gewesen. Geld im Ausland zu besitzen sei an sich legal. Ihre außerordentliche Kündigung sei im September 2003 vom Arbeitsgericht aufgehoben worden und sie habe eine Entschädigung von 20.000 Euro erhalten. Bezüglich der Aussage „Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt“ müsse gefragt werden, was überhaupt nachprüfbar gewesen sei. Dies seien vor allem die Transfers selbst, die aber strafrechtlich nicht zu beanstanden seien. Mollath habe keine konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es sich, wie von ihm behauptet, dabei um den „größten und wahnsinnigsten Steuerhinterziehungsskandal“ oder überhaupt um Schwarzgelder gehandelt habe. Auf Bitte der Bank, doch konkrete Anhaltspunkte dafür zu nennen, habe er dies mit der Aussage „Ich mache doch nicht Ihre Revisionsarbeit“ verweigert.

Die psychiatrischen Gutachter, die Mollath für krank und gefährlich erklärt hatten, hätten ihre Diagnose einer Wahnkrankheit auch nicht mit seinen Schwarzgeldbehauptungen begründet, sondern mit dem „wirren Inhalt“ der von ihm versandten Briefe. Die von Mollath an das Gericht übergebene 106-seitige „Verteidigungsschrift“, welche die Belege und handschriftlichen Notizen zu Konten in der Schweiz enthielt[39], knüpfe Verbindungen zwischen den Geschäften seiner Frau und der Rüstungsindustrie sowie den Rotariern. Mollath lebe offenbar noch immer im Wahn, es finde ein „Vernichtungsfeldzug“ gegen ihn statt. Er habe 129 Reifen zerstochen, und zwar in einer Weise, die nicht harmlos gewesen sei, sondern das Leben der Fahrer gefährdet habe. Seine Täterschaft ergebe sich aus einem Brief an eines seiner Opfer, in dem er die Namen aller anderen Geschädigten aufgelistet habe und ihnen darin eine Verbindung zu Schwarzgeldgeschäften vorgeworfen habe.

Lakotta kommentierte, die antipsychiatrische Kritik an Mollaths Situation sei so populär, weil es große Überschneidungen gebe zwischen den bankenkritischen Ansichten der „kleinen Leute“ und den Vorwürfen Mollaths, auch wenn er sie im Wahn erhebe.[40] Dies sei das genaue Gegenteil der Einstellung, die Insassen entgegenbracht werde, die wegen Delikten unter Drogeneinfluss in der forensischen Psychiatrie säßen. Es gebe oft Proteste gegen die Entlassung solcher Insassen und ihre durchschnittliche Aufenthaltsdauer werde immer länger, obwohl ihre Prognose weitaus besser sei als die von Mollath. Eine solche Kritik an der Psychiatrie sei sehr viel naheliegender.

Aktuelle Entwicklungen

Der Freiburger Rechtsanwalt Michael Kleine-Cosack legte im Januar 2012 im Namen Mollaths eine Verfassungsbeschwerde gegen Beschlüsse des Oberlandesgerichts Bamberg und des Landgerichts Bayreuth ein. Er strebte damit die Entlassung Mollaths aus der Psychiatrie an. Artikel 2 des Grundgesetzes sei verletzt, da die Unterbringung in der Psychiatrie nicht mehr dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entspreche. Mit einer Wiederholung der von Mollath 2001 an seiner Ehefrau begangenen Körperverletzung sei nach der Scheidung der Ehe nicht mehr zu rechnen, außerdem seien die Mittel polizeilicher Auflagen und der Führungsaufsicht ausreichend. Die Beschwerde wurde im November 2012 noch geprüft.[41][28]

Am 27. November 2012 kündigte die Staatsanwaltschaft Nürnberg an, Mollaths Zwangsunterbringung zu überprüfen. Dabei solle auch „die Verhältnismäßigkeit der Dauer der Unterbringung“ überprüft werden.[42] Auch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer schaltete sich an diesem Tag in die Diskussion ein. Aus seiner Sicht sei die Justiz „gut beraten, den Fall noch einmal neu zu bewerten“.[43][44]

Über eine eventuelle Wiederaufnahme des Verfahrens entscheidet das Landgericht Regensburg.[45] Ebenfalls am 13. Dezember 2012 berichtete der Tagesspiegel, dass die bayerische Justizministerin Beate Merk die Staatsanwaltschaft Regensburg angewiesen habe, die Wiederaufnahme des Prozesses vor dem Landgericht Regensburg zu beantragen.[46]

Im Dezember 2012 übernahm Gerhard Strate das Mandat für Mollath.[47]

Am 4. Februar 2013 entschied das Landgericht Bayreuth gegen den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einholung eines neuen psychiatrischen Gutachtens zur Frage Mollaths weiterer Unterbringung.[48] Mollaths Stellungnahme ("überflüssige und geradezu groteske Maßnahme") deute darauf hin, dass er erneut die Mitwirkung verweigeren würde, und folglich seien durch ein solches Gutachten keine neuen Erkenntnisse zu erwarten.[49] Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth will diese Entscheidung überprüfen.[50]

Am 19. Februar 2013 stellte Strate einen Wiederaufnahmeantrag, der sich ausdrücklich nur auf altes Beweis- und Aktenmaterial stützt. Strate behauptet darin, ein Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft mit neuen Ermittlungsergebnissen stehe unmittelbar bevor, und beide Anträge würden sich wechselseitig ergänzen.[51] Die Generalstaatsanwaltschaft wies diese Behauptungen daraufhin zurück. Ein eigener Wiederaufnahmeantrag werde lediglich geprüft.[52]

Literatur und Quellen

Zeitungsberichte

Fernsehberichte

Einzelnachweise

  1. a b c d Das Urteil des Landgericht Nürnberg-Fürth (PDF, 7,79MB) vom 8. August 2006, auf Grund dessen Gustl Mollath eingewiesen wurde
  2. a b c d Unschuldig in der Psychiatrie? Beitrag in der Sendung Report Mainz am 13. Dezember 2011, Artikel und Video abgerufen am 19. Dezember 2011.
  3. a b c d Christian Rath: Wahnvorstellung oder Bankenskandal? in der Taz, 18. Dezember 2011, abgerufen am 19. Dezember 2011.
  4. a b c d e Olaf Przybilla und Uwe Ritzer: Fall Mollath und Hypo-Vereinsbank - Der Mann, der zu viel wusste. in der Süddeutschen Zeitung vom 13. November 2012
  5. a b c d e Interner Revisionsbericht Nr. 20546 (PDF, 4,98MB) der HypoVereinsbank, Kopie Internet Archive (PDF; 245 kB)
  6. a b http://www.gustl-for-help.de/chronos.html
  7. Chronologie zum Fall Mollath, SZ-Online, abgerufen am 17. Januar 2013
  8. Gericht überprüft Mollaths Richter, SZ-Online vom 30. November 2012, abgerufen am 17. Januar 2013.
  9. Jens Kuhn und Katharina Kistler: Der Fall Mollath im Bayrisches Fernsehen - Sendung Kontrovers vom 15. November 2012
  10. Wie Gustl Mollath eine Straftat aufklärte und in der Psychiatrie landete auf Zeit online vom 21. November 2012
  11. Walter-von-Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie e.V. (GEP): Rundbrief 2/12 - September 2012 (PDF; 669 kB)
  12. telepolis/heise.de Schwarzgeldgeschäfte-Whistleblower in die Psychiatrie abgeschoben? vom 13. November 2012
  13. Drucksache 16/10699 vom 14. Dezember 2012: Der Landtag wolle beschließen: Die Staatsregierung wird aufgefordert, dem Landtag über die am 13. Dezember 2011 in dem ARD-Magazin „Report aus Mainz“ gegenüber der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit der Unterbringung des Herrn Gustl Mollath und der Behandlung seiner Strafanzeige zu berichten.
  14. "REPORT MAINZ"-BERICHT Merk: Gustl Mollath sitzt zurecht in der Psychiatrie in der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 15. Dezember 2011
  15. Fall Gustl Mollath - Opposition wittert Justizskandal vom 31. Oktober 2012
  16. Vertraulicher Sonder-Revisionsbericht der HypoVereinsbank widerlegt Aussagen der bayerischen Justizministerin Beate Merk (CSU) im bayerischen Landtag, Report Mainz (ARD) vom 13. November 2012
  17. a b c Bankbericht bringt Ministerin in Not. in der Berliner Zeitung vom 14. November 2012
  18. Bayerisches Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Pressemitteilung Nr. 279/12 - Justizministerin Merk weist Vorwürfe der Opposition zum Fall Mollath scharf zurück: „Der Rechtsausschuss wurde umfassend informiert“ vom 30. Oktober 2012
  19. Report Mainz vollständiges Interview mit Beate Merk vom 13. November 2012
  20. Die Welt: Bankskandal aufgedeckt - von Ehefrau eingewiesen vom 22. November 2012
  21. Widersprüchliche Aussagen - Justizministerin in Erklärungsnot vom 14. November 2012
  22. Bayerisches Fernsehen: Interview mit der bayerischen Justizministerin vom 14. November 2012
  23. Report Mainz: Justizskandal in Bayern vom 13. November 2012
  24. SWR: Der Fall Mollath - Warum Politik und Justiz versagt haben aus der Sendung Report Mainz vom 4. Dezember 2012
  25. Bayrisches Fernsehen: Justiz - Der Fall Gustl Mollath vom 14. November 2012
  26. BR Mittelfranken: Fall Gustl Mollath - „Kein Interesse, jemanden wegzusperren“ vom 28. November 2012
  27. Süddeutsche Zeitung: Gustl und das Schwarzgeld. 13. November 2012. Beitrag von Olaf Przybilla und Uwe Ritzer
  28. a b Olaf Przybilla und Frank Müller: Nach Unterbringung in Psychiatrie - Schöffe kritisiert Mollath-Verfahren in der Süddeutschen Zeitung vom 15. November 2012
  29. Olaf Przybilla und Uwe Ritzer: Fall Mollath - Vom Richter „malträtiert und provoziert“ in der Süddeutschen Zeitung vom 24. November 2012
  30. Homepage der BLÄK
  31. Vgl. Christian Rath: Wahnvorstellung oder Bankenskandal? in der Taz, 18. Dezember 2011, abgerufen am 19. Dezember 2011
  32. Brief der Menschenrechtsbeauftragten der Bayerischen Landesärztekammer (PDF; 76 kB) Frau Dr. Maria E. Fick an die Bayerische Justizministerin Frau Dr. Merk im Wortlaut vom 29. Oktober 2012
  33. Südwestpresse: Urteil gerät immer heftiger in Kritik vom 20. November 2012
  34. Olaf Przybilla und Uwe Ritzer: Psychiater im Fall Mollath - Gutachten aus der Ferne in der Süddeutschen Zeitung vom 22. Dezember 2012
  35. a b Hatte Mollath denn keinen Anwalt? in der Süddeutschen Zeitung vom 8. Dezember 2012
  36. Peter Mühlbauer: Freie Wähler fordern Merks Rücktritt In: Telepolis, heise online vom 16. November 2012
  37. Olaf Przybilla und Uwe Ritzer: Fall Mollath und Hypo-Vereinsbank. Abgestempelt als „wahnhafte Störung“. in der Süddeutschen Zeitung, 16. November 2012
  38. Beate Lakotta: Warum der Justizskandal doch keiner ist im Spiegel Online vom 13. Dezember 2012
  39. Conny Neumann: Fall Gustl Mollath - Weggeräumt und stillgestellt im Spiegel Online vom 21. November 2012
  40. Beate Lakotta: Kommentar: Schizo-Protestbürger. Spiegel 51/2012, S. 19
  41. Faksimile der Verfassungsbeschwerde auf der Unterstützerseite für Mollath. (PDF; 4,2 MB) Abgerufen am 10. Januar 2013.
  42. Zwangsunterbringung soll überprüft werden auf SPON 27. November 2012
  43. Mollaths Zwangsunterbringung soll überprüft werden Zeit online vom 27. November 2012
  44. Frank Müller und Mike Szymanski: Eingemauert im Justizpalast in der Süddeutschen Zeitung vom 28. November 2012
  45. Bayerischer Rundfunk 30. November 2012
  46. Patrick Guyton: Hoffnung für Gustl Mollath im Tagesspiegel vom 13. Dezember 2012
  47. http://www.sueddeutsche.de/bayern/verteidiger-im-wiederaufnahmeverfahren-rechtsanwalt-strate-vertritt-gustl-mollath-1.1555167
  48. Unterbringung in Psychiatrie : Mollath lehnt neues Gutachten ab. In: Spiegel Online. 4. Februar 2013, abgerufen am 5. Februar 2013.
  49. http://www.welt.de/newsticker/news3/article113394395/Gustl-Mollath-entgeht-neuer-psychiatrischen-Begutachtung.html
  50. Mollath lehnt psychiatrisches Gutachten ab. In: Bayerischer Rundfunk. 6. Februar 2013, abgerufen am 8. Februar 2013.
  51. http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-2013-02-19.pdf , S. 5
  52. http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-generalstaatsanwalt-verdonnert-kollegen-zum-schweigen-1.1607387