Fritz Wunderlich

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Kusel: Stadtmuseum (mit Fritz-Wunderlich-Zimmer)
Fritz-Wunderlich-Ausstellung, 2010
Fritz-Wunderlich-Museum

Friedrich Karl Otto Wunderlich (* 26. September 1930 in Kusel; † 17. September 1966 in Heidelberg) war ein deutscher Opernsänger (Lyrischer Tenor).


Leben

Familie

Fritz Wunderlich wuchs in einfachen Verhältnissen in Kusel in der Pfalz auf. Sein aus Thüringen stammender Vater Paul war Cellist, Kapellmeister und Chordirigent, seine im Erzgebirge geborene Mutter Anna Violinistin. In Kusel betrieben sie kurzzeitig die Gastwirtschaft Emrichs Bräustübl. Der Vater, mittlerweile wieder musikalisch tätig, wurde von örtlichen Nationalsozialisten um seine Stellung gebracht und litt außerdem an einer schweren Kriegsverletzung. In dieser hoffnungslosen Lage nahm er sich das Leben, als Fritz Wunderlich erst fünf Jahre alt war. Daraufhin verarmte die Familie vollständig. Die Mutter gab Musikunterricht, und schon früh lernte Wunderlich verschiedene Musikinstrumente und begleitete Mutter und Schwester, wenn sie abends zur musikalischen Unterhaltung aufspielten. Später konnte er sich so auch sein Musikstudium mit Tanzmusik selbst finanzieren.

1956 heiratete er die Harfenistin Eva Jungnitsch, die er in Stuttgart bei den Proben zu Antigone kennengelernt hatte (* 1934, gestorben am 20. November 2016 in München). Die Kinder Constanze, Wolfgang und Barbara kamen 1957, 1959 und 1964 zur Welt. Die Familie wohnte zunächst in Stuttgart, später in München.

Laufbahn

Fritz Wunderlich spielte von Jugend an Unterhaltungsmusik in verschiedenen Gruppen und erhielt ersten Gesangsunterricht in Kaiserslautern. Er studierte von 1950 bis 1955 an der Musikhochschule Freiburg zunächst Horn, später bei Margarethe von Winterfeldt Gesang. Seinen ersten offiziellen Opernauftritt hatte er 1954 bei einer Hochschulaufführung in Freiburg als Tamino in Mozarts Zauberflöte. Daraufhin wurde er schon 1955 an die Württembergische Staatsoper in Stuttgart engagiert. Als er dort – ebenfalls als Tamino – für einen erkrankten Kollegen, den ersten Tenor Josef Traxel, einspringen durfte, weil der eigentlich als Ersatz vorgesehene Wolfgang Windgassen zugunsten des Anfängers verzichtete, wurde er praktisch über Nacht zum Star.

Ab 1959 war er zunächst mit einem Gastvertrag, ab 1960 als festes Ensemblemitglied an der Bayerischen Staatsoper München verpflichtet. Ab 1962 gastierte er an der Wiener Staatsoper, deren Ensemble er ab 1963 bis zu seinem Tod angehörte. Seit 1959 war er regelmäßig Gast der Salzburger Festspiele, Engagements führten ihn unter anderem nach Berlin, Aix-en-Provence, Venedig, Buenos Aires, London, Edinburgh und Mailand.

Von Karl Böhm wurde Wunderlich zu den Salzburger Festspielen eingeladen, wo er 1959 debütierte. Er sang den Henry Morosus in der Oper Die schweigsame Frau von Richard Strauss in einer Inszenierung von Günther Rennert mit den Wiener Philharmonikern und dem Chor der Wiener Staatsoper. Ein Kollege in der Rolle des Barbier war Hermann Prey.[1], mit dem ihn eine sehr enge Freundschaft verband.

Lebensende

Wunderlich war auf dem Höhepunkt seiner Karriere – zwei Wochen später, am 8. Oktober, sollte er sein Debüt als Don Ottavio in Mozarts Don Giovanni an der Metropolitan Opera in New York geben –, nicht erst im kommenden Jahr[2] als er sich, kurz vor seinem 36. Geburtstag, bei einem (durch nachlässig gebundene Schuhe verursachten)[3] Sturz von einer Treppe im Haus von Heinz Blanc († 1978), Sohn von Heinrich Blanc, in Derdingen im Kraichgau einen Schädelbruch zuzog, an dem er am darauffolgenden Tag in einer Klinik in Heidelberg starb. Er wurde in München im Alten Teil des Waldfriedhofs beigesetzt (Grab Nr. 212-W-18).

Bedeutung

Datei:WunderlichF01.jpg
Plakat über dem Stadtmuseum Kusel, 2005

Berühmt wurde Wunderlich durch seine strahlende, klare, über zwei Oktaven ausgeglichene Stimme, die insbesondere seit seiner Zusammenarbeit mit Hubert Giesen einen natürlichen, ungekünstelten Sitz besaß. Außergewöhnlich waren seine sängerische Intensität und sein Vermögen, sich in eine Rolle einzufühlen. Bis heute gilt er als vielleicht größter lyrischer Tenor des 20. Jahrhunderts, mit Sicherheit aber als einer der bedeutendsten deutschen Sänger. Luciano Pavarotti antwortete, als er bei einem Interview im Jahre 1990 gefragt wurde, wer für ihn der herausragendste Tenor der Geschichte sei: „Fritz Wunderlich.“

Einige von Wunderlichs berühmtesten Rollen waren der Tamino in Mozarts Zauberflöte, der Belmonte in Die Entführung aus dem Serail, der Almaviva in Rossinis Der Barbier von Sevilla und der Henry in Die schweigsame Frau von Richard Strauss. Als bedeutendster Mozartsänger seiner Zeit setzte er neue Maßstäbe, die bis heute noch Gültigkeit haben. In Stuttgart und bei den Schwetzinger Festspielen wirkte er auch an Uraufführungen moderner Opern mit (z. B. Der Revisor von Werner Egk). Erwähnenswert sind auch sein Lenski in Tschaikowskis Eugen Onegin sowie seine herausragende, für einen jungen Sänger ungewöhnlich reife Interpretation des Palestrina in der gleichnamigen Oper von Hans Pfitzner. Nicht zu vergessen auch sein Hans in B. Smetanas Verkaufter Braut. Neben der Oper umfasste sein großes Repertoire auch die Tenorpartien der großen Oratorien, Operetten (hier einige Gesamtaufnahmen unter Franz Marszalek), Lieder und Unterhaltungsmusik. Wunderlichs Lied-Interpretationen (u. a. Schubert, Schumann) mit seinem Mentoren Hubert Giesen als Begleiter finden auch heute noch einhellige Bewunderung. Seine Leistungen sind auf zahlreichen Rundfunkaufnahmen (v. a. des SWF, des WDR, des SDR und des BR) und Schallplatten dokumentiert, die auch Jahrzehnte nach seinem Unfalltod immer wieder neu veröffentlicht werden.

Freundschaftlich verbunden war er mit dem Bariton Hermann Prey, der oft mit ihm auf der Bühne stand. Einen väterlichen Freund fand Wunderlich, der seinen eigenen Vater in jungen Jahren verloren hatte, in dem Bassisten Gottlob Frick, in dessen Haus er immer wieder zu Gast war. Mit Frick ging er dem gemeinsamen Hobby, der Jagd, nach.

Seine Heimatverbundenheit zeigte Wunderlich mit dem von ihm im Alter von 20 Jahren getexteten und vertonten „Kusellied“, das er am 26. Juni 1963 bei einem Auftritt in Robert Lembkes Rateshow „Was bin ich?“ vorstellte und das seither quasi die Kuseler „Nationalhymne“ geworden ist. Dass er Kusel in der Sendung als „Nest“ bezeichnete, stieß bei zahlreichen Kuselern auf Empörung. Daraufhin verfasste Fritz Wunderlich den folgenden Brief:

„Liebe Kuseler, zu meiner tiefen Betrübnis habe ich vernommen, daß Ihr Euch ein wenig geärgert habt über das Wort 'Nest', das ich gestern Abend während meiner Fernsehsendung bei Robert Lembke gebraucht habe. Dabei hatte ich mir den Anfang dieses Interviewsgenau zurechtgelegt, ich wollte eigentlich sagen 'süßes Nest'. Was doch so ein kleines Wörtchen ausmacht!

Zu meiner Rechtfertigung kann ich nur sagen, daß ich aus Wien, wo ich in der Staatsoper Proben hatte, zu dieser Sendung fast zu spät gekommen wäre, weil das Flugzeug wegen einer Gewitterfront über dem Münchener Flughafen nicht landen konnte. Nachdem wir eine geschlagene Stunde vor dieser schwarzen Wand im Kreis herumgeflogen waren, setzte die Maschine trotz des Wetters zur Landung an. Wer schon einen Gewitterflug mitgemacht hat, kann sich den Zustand meines Magens unschwer vorstellen! Unter Mißachtung sämtlicher Geschwindigkeitsbeschränkungen fuhr mich ein Taxi vom Flughafen nach Freimann ins Fernsehstudio, wo ich gerade noch zur rechten Zeit ankam. So kam es, daß ich nicht ganz frei von Nervosität war und meine schön ausgedachte Rede etwas in die Binsen ging.

Aber sagt einmal ehrlich, ist es so schlimm, unser schönes Kusel mit 'Nest' zu bezeichnen? Wie anders liegt es denn eingebettet zwischen den drei Hügeln? Ist ein Nest nicht etwas, in dem man sich geborgen fühlt, in dem man glücklich ist? Ich bin sicher, daß ich im Leben nicht so weit gekommen wäre, hätte ich nicht während meiner Kindheit diese Nestwärme genießen dürfen und Ihr dürft mir glauben, mein Beruf ist nicht leicht.

Wer mich kennt, der weiß, es war nur die Liebe und ein bißchen Heimweh nach unserer gemeinsamen Heimat, die mich dieses Wort gebrauchen ließen, wer mich nicht kennt, den bitte ich hiermit herzlich um Verzeihung! Tut Ihr mich nun in Acht und Bann, oder darf ich wiederkommen in das 'süße Nest', das ich vielleicht mehr liebe als Ihr, denn ich kann mich nicht oft dorthinein verschlüpfen! Euer Fritz Wunderlich“

Fritz Wunderlich (im Original nachzulesen im Heimatmuseum Kusel)

Zahlreiche Berichte befassen sich mit seiner außergewöhnlichen Musikalität und dem Eindruck, den er auf Menschen machte.

Ein Beispiel (www.fonoforum.de):

Württembergisches Staatstheater Stuttgart, September 1963. Neuinszenierung von Verdis „La Traviata“, man probt den ersten Akt. Beim Duett Violetta-Alfred unterbricht Regisseur Arno Assmann und bittet einen Assistenten, schnell einen Cognac zu holen. Der ist für Ruth-Margret Pütz, die Sängerin der Titelrolle. Sie weint, und „Schuld“ daran ist Fritz Wunderlich. Er hat die Liebeserklärung des Alfredo an die schwindsüchtige Violetta so herzbewegend gesungen, dass die Sopranistin ganz außer Fassung ist. Noch Jahrzehnte später schießen ihr die Tränen in die Augen, wenn sie sich daran erinnert: ‚Sein Gesang ist mir derart unter die Haut gegangen, dass ich zu ihm gesagt habe: Hör auf, du machst mich fertig! – Und ich muss ehrlich sagen: Noch heute trifft mich das so, wenn ich seine Platten höre.‘“

www.fonoforum.de[4]

Der österreichische Komponist und Dirigent Robert Stolz, der mit ihm die Schallplatte „Wunderlich in Wien“ aufgenommen hatte, schrieb am 29. Juni 1966 einen Brief an Fritz Wunderlich (Auszug):

„Sie haben von unserem Herrgott nicht nur eine prachtvolle Stimme, die Sie durch mustergültige Schulung, Studium und Training zur Vollkommenheit entwickelt haben und beherrschen, sondern auch noch eine Musikalität, die ans Metaphysische grenzt, ein hochkünsterlisches Musikantentum verbunden mit so viel Herz, Gefühl und Können, wie es in der ganzen Musikgeschichte nur vielleicht ganz wenige Sänger gegeben hat. All diese gottbegnadeten Eigenschaften eines Tenors und dazu diese Bescheidenheit, dieser Humor! Das Musizieren mit Ihnen war für mich ein Fest.“

Robert Stolz

Kulturwissenschaftler Jens Malte Fischer sagte in der Rheinpfalz (1998):

„Auf jeden Fall hatte Fritz Wunderlich ein unglaublich schönes Timbre. Sein Kollege Dietrich Fischer-Dieskau hat in seinen Memoiren geschrieben, er sei über seine 'Mischung aus berückendem Schmelz und dem Gran Metall, das der Stimme beigemischt war' regelrecht erschrocken. Der Glanz seiner Stimme ist für einen lyrischen Tenor eher ungewöhnlich. Aber er hatte wirklich Metall in der Stimme. … Hinter jeder Note stand der ganze Mann mit all seiner Spannkraft und Energie. Und eben dies strahlt bis heute ab.“

Jens Malte Fischer

In der „Langen Nacht über Fritz Wunderlich – ‚Und es blitzen die Sterne‘“ im Deutschlandfunk, 17. September 2016 (172:45 Minuten, von Andreas Kloner), sagt Fischer, der sich seit seiner Studienzeit mit Fritz Wunderlich befasst, den er einige Male selbst noch auf der Bühne erleben konnte:

„Er ist für mich nach wie vor der größte lyrische Tenor des letzten Jahrhunderts und bisher auch im 21. Jahrhundert nicht egalisiert oder gar übertroffen.

Es ist eine Begabung, sowohl was Stimmschönheit betrifft, wie auch was die Technik betrifft.

Wobei ich vielleicht noch betonen will, dass im Zusammenhang mit Wunderlich immer wieder der Begriff der Naturstimme kommt, der mir nicht sympathisch ist. Das hängt ein bisschen zusammen mit dem, was man da zu seinen Lebzeiten schon als 'naturburschenhaft' (bezeichnet hat) - also das übersprudelnd Vitale, was der Mann hatte – aus der Provinz kommend, naturverbunden seiend und so weiter, entsprechend auch Lieder und Arien in diese Richtung bevorzugend. Aber Naturbursche, sängerischer Naturbursche, hat immer den Klang – dem hat der liebe Gott etwas mitgegeben, was er einfach nur genommen hat und dann frisch fromm fröhlich frei den Leuten mitgeteilt hat als Sänger. So ist es nicht! Der Mann war ungeheuer fleißig. Der hat gelernt und gearbeitet wie ein Wahnsinniger. Also er hatte eine Begabung, eine Gabe, die ihm von einer höheren Instanz mitgegeben worden ist, ganz sicher.. das sind eben Begabungen, die nicht alle fünf Jahre einmal auftauchen, sondern nur alle fünfzig oder vielleicht auch nur alle hundert Jahre. Aber er hat aus dieser Begabung auch etwas gemacht mit enormer Intensität, denn einfach so war sie nicht da, sie musste entwickelt werden und er hat mit diesem Geschenk, das ihm in die Kehle gelegt war, wirklich etwas anfangen können und hat daraus eine der größten Sängerpersönlichkeiten der überlieferten Gesangsgeschichte gemacht.

Man muss auch bedenken, dass er durchaus mit Krankheiten zu kämpfen hatte, also Krankheiten des Halses und der Atmungsorgane und so weiter, also er war oft erkältet und musste auch Termine absagen – das kommt dann noch hinzu zu der Verwunderung, was trotzdem dabei herausgekommen ist. Auf der anderen Seite gibt es, einmal abgesehen vielleicht von ein, zwei Livemitschnitten oder -aufnahmen, wo man das Gefühl hat, dass er nicht hundertprozentig in Form ist – abgesehen davon gibt es bis zu seinem letzten Liederabend überhaupt keine Aufnahme, und ich meine jetzt auch die Live-Aufnahmen, wo man das Gefühl hat, der Mann ist müde, der Mann ist überarbeitet, der hat seine Stimme zu sehr strapaziert – gibt es einfach nicht. Als er starb, war nicht zu erkennen, dass er irgendwie zu viel gesungen hat. Er hat für alle Maßstäbe, die ein Normalmensch hat oder die vielleicht auch ein Hals-Nasen-Ohrenarzt hat – er hat für alle Maßstäbe zu viel gesungen, aber man merkt es ihm nicht an. Die Technik war so überragend, dass das bis zum Zeitpunkt seines Todes keine Rolle spielt.“

Andreas Fischer

Bariton Michael Volle sagt über Fritz Wunderlich, ebenfalls im Deutschlandfunk (in der Sendung "Klassik, Pop et cetera“ am 5. November 2016):

„Ein Sänger hat mich ganz früh einfach umgehauen: Fritz Wunderlich. Der große deutsche Tenor, der leider viel viel zu früh, mit (knapp) 36 Jahren verstorben ist … und der trotzdem in seinen wenigen Jahren, wo auch seine Stimme und seine Auftritte dokumentiert wurden, einen unendlich großen Schatz geschaffen hat. Was mich so fasziniert an ihm und was wirklich eine Art Vorbild ist für mich, ist diese Unmittelbarkeit, diese – es ist gefährlich, wenn man diese Begriffe nimmt – diese Ehrlichkeit.. dieses Direkte in seinem Singen... Er hat natürlich gelernt, aber er hat es in sich getragen und hat es mit seinen stimmlichen Mitteln herausgelassen und auch noch heute ist es einfach überwältigend – egal ob er Oratorium, Lied, Oper, Operetten, Wiener Schmankl singt –, es ist alles ganz unmittelbar fesselnd und umwerfend. … Es ist unfassbar, und ich bereue sehr, so spät geboren zu sein, um ihn leider nicht mehr live gehört zu haben. Das muss – sagen mir Leute, die ihn live gehört haben – das muss wirklich umwerfend gewesen sein.“

Michael Volle

Aussagen von Kollegen über Fritz Wunderlich, nachzulesen im Heimatmuseum Kusel:

„Die Qualität seiner exorbitanten Stimmte ist einmalig und wird einmalig bleiben. Ein Glück, dass es das Medium Schallplatte gibt.“

„Ich werde nie vergessen, wie ich Fritz Wunderlich im Rahmen einer Münchner 'Don Giovanni'-Aufführung, in der ich die Zerlina gesungen habe, zum ersten Mal traf. Ich war so beeindruckt, dass ich ihn nach einer Probe ansprach und fragte: 'Sagen Sie, haben Sie hinten einen elektrischen Anschluss oder wie machen Sie das? Sie singen ja drei Phrasen in einem Atem!' So etwas hatte ich noch nie gehört! Und das hat ihn irrsinnig gefreut, weil es bislang noch gar keiner bemerkt hatte – auch kein Dirigent. Und ich habe dann immer alle darauf aufmerksam gemacht. Nur bei Lisa Della Casa, die natürlich selbst eine große Technikerin ist, war das nicht nötig. Sie hat auch gesagt: 'Bewundern Sie nicht nur die schöne Stimme, nicht nur seine Technik im Allgemeinen, sondern insbesondere die Atemtechnik!' Phantastisch! Da konnte man nur davon lernen, aber wirklich geschafft hat man es nicht, das konnte man nicht schaffen. In bleibender Erinnerung ist mir auch ein Telefonat mit Hubert Giesen geblieben. Giesen rief mich an, erzählte, dass Wunderlich den Liederabend seines Lebens gesungen hätte und sagte dann: 'Er ist vollendet. Ich kann ihm nichts mehr sagen, der Mann ist grandios.' Er war einfach der beste deutsche Tenor seiner Zeit und er ist ja bis heute nicht ersetzt. Da müssen Sie schon drei engagieren, die dann vielleicht das bringen, was er alleine gekonnt hat.“

Anneliese Rothenberger

„Noch heute fragen mich Sänger, natürlich vor allem Tenöre: Wie hat er das gemacht? Sie waren doch dabei damals!“

„Er hatte alles. Ob das nun Natur war oder erlernt, das weiß ich nicht. Jedenfalls sang er meines Erachtens total richtig. Er hatte nicht eine einzige Schwachstelle.“

„Fritz Wunderlich hatte eine unverwechselbare, einmalig herrliche Stimme. Er war ein wunderbarer Kollege und Mensch, an den ich noch heute gerne und oft denke, weil ich in ihm jemanden kennen lernen durfte, der sensibel, einfühlsam, humorvoll, uneitel und hilfsbereit war. Was genau ich damit meine, veranschaulicht die folgende kleine Episode wohl am besten: Wir sangen an Teatro Colón 'Die schweigsame Frau' (er Henry, ich Aminta) und ich wurde krank. Der Arzt meinte, die Premiere müsste verschoben werden  - was natürlich furchtbar gewesen wäre. Darauf sagte Fritz: 'Das kommt gar nicht in Frage. Ich werde dich fit machen.' Sprach's, ging und kam in ein paar Minuten später mit einem kleinen Köfferchen zu meiner Mutter und mir ins Hotelzimmer. Nun packte er aus: Ein Inhalationsgerät, Tropfen, Pillen, Vitamine etc. Er stellte einen regelrechten Zeit-Plan auf, wann ich was und wie einzunehmen hätte und 'verordnete' mir zwei Tage Schweige- und Bettruhe. Und siehe da – nach nur vier Tagen war ich sozusagen 'fit' für die Premiere. Ich war 'Dr. Fritz' natürlich immens dankbar. Und so habe ich noch viele kleine und für mich kostbare Erinnerungen an Fritz Wunderlich, diesen Ausnahme-Menschen und Künstler.“

„Fritz Wunderlich hat in alles, was er sang, so viel Liebe und Hoffnung, so viel Leidenschaft und Feuer hineingelegt, als wäre es der letzte Auftritt seines Lebens. Er war beim Singen nicht nur hundert Prozent Künstler, sondern auch hundert Prozent Mensch: Von seinen Gefühlen führte er immer eine direkte Verbindung zu den Gefühlen des Zuhörers. Selbst seichte Musik und unmögliche Texte klingen bei ihm so, als wären sie das Schönste von der Welt. Seine 'Granada'-Aufnahme nehme ich mit auf die einsame Insel. Das ist unglaublich, wie er da singt, er zerspringt fast vor Energie. Oder nehmen Sie 'Das Lied von der Erde'! Dies Ekstase beim 'Trinklied vom Jammer der Erde', das ist einfach irre. Das Publikum einmal so packen zu können, wie Wunderlich es immer konnte, das wär's!“

„Fritz Wunderlich ist weit mehr als ein Vorbild für mich; er ist derjenige Künstler, der mich am entscheidendsten geprägt hat. Seit dem ersten Moment, in dem ich ihn gehört habe, hat er mich begleitet. Was ihn über Stimme und Musikalität hinaus von allen anderen unterscheidet, ist seine Stilsicherheit. Egal in welchem Genre, Wunderlich hat immer den richtigen 'Blickwinkel', immer den richtigen Tonfall gefunden. Man kann die Stimme nachmachen, die Phrasierung, aber sein Stil und sein Klang bleiben einzigartig. Wenn ich ans Singen denke, fallen mir immer zuerst seine Zitate zum Thema Gesang und seine Aufnahmen (Gott sei Dank, es gibt so viele!) ein. Unbewusst ist er praktisch immer in mir präsent, unwillkürlich strebe ich so stets seinem Idealbild nach. Höre ich mir CDs mit Wunderlich an, kann ich meist kaum glauben, wie schön und gleichzeitig technisch perfekt er seine Stimme einsetzt. Die Verwunderung, das Staunen darüber, dass ein solches Maß an Perfektion und Ausdruck überhaupt erreichbar ist, weckt in mir den Ehrgeiz, diesem scheinbar unerreichbaren Ideal nachzustreben. Wunderlichs früher Tod, kurz vor meiner eigenen Geburt, ist nicht nur ein persönlicher Verlust seiner Angehörigen, sondern auch ein enormer Verlust für die Entwicklung  der Sängergeneration nach ihm vor allem im deutschsprachigen Raum. Es war eben nicht nur seine Stimme, die ihn ausmachte, sondern auch und vor allem sein 'höheres Wissen', die Wahrhaftigkeit seines Gesangs. Denn Fritz Wunderlichs Art, immer 'RICHTIG' zu singen, seine Vorstellung von Musik, ist leider mit ihm gestorben.“

„Das Erlebnis, Fritz Wunderlichs Stimme zum ersten Mal zu hören, war fantastisch. Die Schönheit des Gesangs und die Schönheit der Stimme waren schier unglaublich. Es war geradezu schockierend, wie absolut wunderbar die Stimme klang. Und das Erstaunliche ist doch, wie modern sowohl Technik als auch Klang heute noch wirken. Was Dirigenten, Publikum und Kritiker heute von einem Sänger erwarten, entspricht eins zu eins dem, wie Fritz Wunderlich bereits in den 50er- und 60er-Jahren gesungen hat. Das hängt auch damit zusammen, dass er so respektvoll  mit der Partitur umgegangen ist, dass er so sehr darauf geachtet hat, was die eigentliche Botschaft des Textes ist. Ein Resultat daraus ist, dass die Botschaft und der Geist der Musik immer spürbar sind. Würde man die Stimme heute einem Opern-Einsteiger, der Fritz Wunderlich nicht kennt, vorspielen, er könnte kaum raten, wen er da gerade hört. Denn die Stimme ist so einzigartig, so individuell, klar und authentisch und mit keiner anderen vergleichbar.“

„Fritz Wunderlich verfügte über alle Gaben eines herausragenden Sängers: die Schönheit der Stimme, abr auch die Musikalität und subtile Intelligenz der Interpretation. Und man hört in seiner Stimme, was ich 'Licht' nennen würde – eine ganz besondere, offene und intensive Qualität. Es ist beeindruckend, dass er in einer Karriere, die nur ein knappes Jahrzehnt gedauert hat, so viel leistete. Einen Künstler von seinem Kaliber in seiner Mitte zu haben und ihn dann so jung zu verlieren, war eine große Tragödie, die bis heute schmerzt.

Ich empfinde eine Art Seelenverwandtschaft zu Fritz Wunderlich, weil seine Eltern, wie auch meine, Musiker waren. Wir sind beide in einer Umgebung aufgewachsen, in der Musik ein natürlicher Bestandteil unseres Alltagslebens war. Wenn ich seine Aufnahme anhöre, spüre ich, dass er Musik im Blut hatte. Ich bedaure sehr, dass sein Leben zu dem Zeitpunkt, als meine Karriere anfing, schon zu Ende war, denn im natürlichen Lauf der Dinge hätten sich unsere Karrieren überschnitten und ich hätte ihn hören und kennen lernen können. Es ist ein schrecklicher Gedanke, dass ein Mann, der heute achtzig Jahre alt geworden wäre, schon zur Hälfte dieser Zeitspanne von uns gegangen ist, und dass er uns Musikliebhabern rund um die Welt noch so viel mehr hätte schenken können.“

„Fritz Wunderlich ist einer meiner Lieblingssänger. Er hatte eine ganz besondere Stimme, voller Wärme und Leidenschaft, mild und souverän, naiv und heroisch. Er gestaltet deutsches wie italienisches Repertoire mit seinem 'Instrument', das großen Klang und feine Stilistik hatte. Ein wirklich großartiger und bewundernswerter Künstler.“

„Es ist ein Berufsrisiko, vermute ich: Ob gewollt oder nicht, klassische Sänger, besonders wir  Tenöre, neigen dazu, unsere Kollegen ein bisschen zu analytisch anzuhören. In dem Fall eines Mustervorbilds wie Fritz Wunderlich ist dies allerdings fast unmöglich. Die 'unmittelbare' Wirkung des Gesangs dieses Künstlers ist so spontan, so goldrichtig, da können wir einfach auf die analytische Mikroskopie verzichten, uns gemütlich zurücklehnen und diese kraftvolle Mischung aus sonniger mediterraner Stimmqualität und einer mitteleuropäischen, musikalischen wie darstellerischen Intelligenz genießen, über die nur ein wahrhaft charismatischer Tenor verfügen kann. Unter all dem Beeindruckenden, was er erreicht hat, ist der Beweis, dass Mozart mit Direktheit und Klarheit dargebracht werden kann, ohne auf die interpretatorischen Raffinessen, die dieser Komponist fordert, verzichten zu müssen – und er zeigte einer ganzen Generation, dass Richard Strauss Tenöre mit keinen unüberwindbaren Herausforderungen konfrontiert, solange sie ihr Handwerk beherrschen.

Seine Aufnahmen des italienischen Repertoires in deutscher Sprache demonstrieren: Wäre er nicht auf der Höhe seiner Kunst Opfer eines so tragischen Unglücksfalls geworden, hätte er vielleicht sogar unsere Art, sich mit der Vokalmusik in der Originalsprache des Komponisten auseinander zu setzen, neu definiert. Jede Sprache hätte er gesungen, als wäre er dafür geboren worden. Wie schade, dass ich zu spät auf die Welt kam, um ihn auf der Bühne erleben zu können – aber ich werde die inspirierende Erfahrung an einen der Allergrößten immer hoch schätzen, in tiefer Dankbarkeit dafür, dass uns so viele Beispiele seines Musizierens erhalten geblieben sind, Aufnahmen, die berechtigerweise heute so populär sind wie damals.“

„Fritz Wunderlich, der große Opernsänger, eine der entscheidenden Stimmen der Gesangsgeschichte, sang... Schlager. Voller Lust, Verve, ganz und gar ohne Vorbehalte gegen eine schöne Melodie und mit offensiver Herangehensweise an den Text. Die drei Minuten Seligkeit, die ein gut geschriebener Schlager jener Epoche verhieß, befeuerte er durch das speziell Jungenhafte und Klare seiner Stimme. Die gelegentlich auftauchenden Trompetensoli, schmetternd und herrlich indezent, steuerte er selbst bei. Fritz Wunderlichs grandiose Schlageraufnahmen sind eine Zierde – nicht nur dieses Genres.“

Diskografie

Die Diskografie Wunderlichs umfasst hunderte Werke aus Oper, Operette, Oratorium, Lied und Unterhaltungsmusik.

Neuere Veröffentlichungen sind:

Auszeichnungen

Literatur

  • Werner Pfister: Fritz Wunderlich. Biographie. Schweizer Verlagshaus, Zürich 1990, ISBN 3-7263-6612-1. Neue Ausgabe mit CD von August 2005, 460 Seiten, Schott. ISBN 3795705363
  • Joachim Puttkammer: Das Phänomen Fritz Wunderlich. Bülten Verlag, Kückenshagen 2005, ISBN 3-938510-12-9.
  • Fred Scharf: Fritz Wunderlich zur Erinnerung. Verzeichnis seiner Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen. 3. Auflage. Selbstverlag, Stockelsdorf 2002.
  • Horst Ferdinand: Wunderlich, Fritz. In: Baden-Württembergische Biographien. Band 2, Kohlhammer, Stuttgart 1999, ISBN 3-17-014117-1, S. 502–504 (E-Text)

Dokumentarfilme

Hörbeispiele

Einzelnachweise

  1. Programm Salzburger Festspiele 1959 – Richard Strauss • Die Schweigsame Frau
  2. Die Abkürzung AZ ist obsolet; bitte verwende Vorlage:Arbeiterzeitung.
  3. Hubert Giesen: Am Flügel: Hubert Giesen. Meine Lebenserinnerungen. Fischer, Frankfurt am Main 1972, ISBN 3-10-025401-5, S. 251–260. Aus: Fritz Wunderlich – The Great German Tenor. In: andreas-praefcke.de. 1998, abgerufen am 29. April 2016.
  4. fonoforum
  5. audite CD 95.619 – Igor Stravinsky: Perséphone
  6. Guy Wagner: Zum Tode von Fritz Wunderlich († 17.9.1966). In: guywagner.net. Oktober 1966, abgerufen am 29. April 2016.

6. http://www.derwesten.de/kultur/vor-50-jahren-starb-der-tenor-fritz-wunderlich-id12193953.html