Einschätzungsprärogative

Als Einschätzungsprärogative wird das Recht (Prärogative) des Gesetzgebers bezeichnet, über die Geeignetheit einer bestimmten gesetzlichen Regelungen zur Erreichung eines legitimen Ziels letztverbindlich zu entscheiden. Die Entscheidung des Gesetzgebers ist insoweit nicht durch Gerichte, auch nicht durch das Bundesverfassungsgericht, nachprüfbar. Es ist vornehmlich Sache des Gesetzgebers, unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will.[1]

Die Einschätzungsprärogative folgt aus dem Prinzip der Gewaltenteilung und bedeutet eine im Hinblick auf einen effektiven Rechtsschutz ausnahmsweise zulässige Letztentscheidungsbefugnis des Gesetzgebers im Verhältnis zur Rechtsprechung.[2]

Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind jedoch um so engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten durch eine gesetzliche Regelung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums entspricht eine abgestufte Kontrolldichte bei der verfassungsgerichtlichen Prüfung, etwa im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde oder einer Normenkontrolle.[3]

Ist die durch Administrativorgane vorgenommene Tatbestandsausfüllung von Gesetzen der Kontrolle durch Gerichte (teilweise) entzogen, etwa bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, spricht man von Beurteilungsspielraum.

Soweit die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, also zwischen zwei Gesetzgebern, betroffen ist, besteht kein von verfassungsgerichtlicher Kontrolle freier gesetzgeberischer Beurteilungsspielraum.[4] Ob beispielsweise die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG gegeben sind, hat das Bundesverfassungsgericht voll zu überprüfen.[5]

Literatur

Einzelnachweise

  1. BVerfG, Beschluss vom 26. März 2007 - 1 BvR 2228/02 Rdnr. 38 ff.
  2. Otto Bachof: Beurteilungsspielraum, Ermessen und unbestimmter Rechtsbegriff. JZ 1955, 97 (98)
  3. BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1993 - 1 BvL 38, 40, 43/92 Rdnr. 35 f.
  4. BVerfGE 110, 141 <175>; BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –, juris, Rn. 111
  5. vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2015 – 1 BvF 2/13 B II. 2. c) cc) (1)