Effi Briest

Einband der ersten Auflage
Titelblatt und Verlagsanzeigen der ersten Buchausgabe

Effi Briest ist ein Roman von Theodor Fontane, der erstmals 1894–1895 in der Deutschen Rundschau[1] und daraufhin 1895 in Buchform erschienen ist. Als Erscheinungsjahr wurde auf dem Titelblatt 1896 angegeben. Der Gesellschaftsroman wird dem poetischen Realismus zugeordnet und spielt vor dem Hintergrund des durch strenge Normen festgelegten Lebens im Kaiserreich unter Reichskanzler Otto von Bismarck.

Inhalt

Der Roman behandelt das Leben der Effi von Briest, einer jungen Frau mit kindlichem Stolz und natürlicher Lebensfreude, die an den gesellschaftlichen Konventionen im Preußen des späten 19. Jahrhunderts zerbricht, weil ihr Mann, Geert Freiherr von Innstetten, sich sechs Jahre nach ihrer Affäre mit Major von Crampas von ihr scheiden lässt und zur Wiederherstellung seiner Ehre ihren ehemaligen Liebhaber im Duell erschießt. Auch von ihren Eltern wird Effi zunächst verstoßen.

Der 38-jährige Baron von Innstetten, ein früherer Verehrer von Effis Mutter, hält zu Beginn des Romans um die Hand des 17-jährigen Mädchens an und zieht mit Effi, nach der Heirat und anschließenden Hochzeitsreise durch Italien, nach Kessin in Hinterpommern. Der literarische Ort ist dabei nicht mit dem tatsächlichen Kessin identisch, Fontane orientierte sich vielmehr an Swinemünde. Effi wird dort nie richtig glücklich und leidet unter ihrer Angst vor einem angeblichen Spuk im geräumigen landrätlichen Haus: Sie ist davon überzeugt, dass in manchen Nächten ein Chinese erscheine, der einst in Kessin gelebt und ein sonderbares Ende gefunden haben soll. In dieser Angst wird Effi bestärkt von Innstettens Haushälterin Johanna. Trost und Schutz findet Effi nur bei Rollo, Innstettens Hund, der sie auf ihren einsamen Spaziergängen begleitet.

Freundschaft schließt Effi auch mit dem alten Alonzo Gieshübler (nicht zufällig, wie Fontane selbst, von Beruf Apotheker), der sie versteht und verehrt und ihr Halt gibt. Sie erhält von ihm täglich sorgsam präparierte Zeitungen und kleine Aufmerksamkeiten, die ihr ereignisloses Leben bereichern sollen, ein Bedürfnis, das durch die formellen Landpartien und Anstandsbesuche, an denen sie mit ihrem Mann teilnimmt, kaum befriedigt wird. Im Gegenteil: die junge Dame langweilt sich in den steifen Adelskreisen „zu Tode“.

Neun Monate nach der Hochzeit bekommt Effi eine Tochter, die auf den Namen Annie getauft wird. Während ihrer Schwangerschaft traf Effi auf einem ihrer Spaziergänge das katholische Hausmädchen Roswitha, das sie nun als Kindermädchen einstellt.

Major von Crampas taucht in Kessin auf. Er hat zusammen mit Innstetten beim Militär gedient, ist aber charakterlich dessen ganzes Gegenteil: ein spontaner, leichtlebiger und erfahrener „Damenmann“. Verheiratet mit einer eifersüchtigen, „immer verstimmten, beinahe melancholischen“ Frau, begeistert er sich für Effis jugendliche Natürlichkeit und ermuntert sie zu Abwechslung und Leichtsinn. Anfangs widersteht Effi seinem Charme, dann jedoch, als Effi immer wieder von Innstetten allein gelassen wird und sich in ihrem eigenen Hause ängstigt und einsam fühlt, kommt es zu einer heimlichen Affäre, die Effi in immer bedrängendere Gewissenskonflikte stürzt. Als einige Wochen später Innstetten nach Berlin berufen wird, um dort im Ministerium Karriere zu machen, empfindet Effi den Umzug daher als große Befreiung. Sie genießt das Leben in der Großstadt, wo sie die langweilige Zeit im ländlichen Kessin und das verbotene Verhältnis zu Crampas zu vergessen versucht.

Sechs Jahre später, während Effi gerade zur Kur in Bad Ems weilt, entdeckt Innstetten in Effis Nähkasten durch Zufall Crampas’ Briefe, die ihm die Affäre der beiden enthüllen. Aufgrund des − aus Innstettens Sicht zwar kritisch, aber doch noch als gesellschaftlich verbindlich betrachteten – Ehrenkodexes beschließt er, den Major zu einem Duell zu fordern. Dabei wird Effis einstiger Liebhaber tödlich getroffen. Innstetten trennt sich von seiner Frau, obwohl er weiß, dass er damit auch sein eigenes privates Glück zerstört.

Effis Eltern senden ihrer Tochter einen Brief, in dem sie erfährt, dass sie aufgrund der gesellschaftlichen Konventionen nicht mehr nach Hohen-Cremmen, das elterliche Anwesen und Haus ihrer glücklichen Kindheit, zurückkehren könne. Verstoßen von Ehemann und Eltern, zieht sie in eine kleine Wohnung in Berlin und fristet dort, zusammen mit der ihr nach wie vor in Treue verbundenen Haushälterin Roswitha, ein einsames und kümmerliches Dasein. Nach einem enttäuschenden Besuch ihrer kleinen Tochter Annie, die ihre Mutter lange Zeit nicht sehen durfte und ihr inzwischen völlig entfremdet ist, erleidet Effi einen Zusammenbruch. Ihre Eltern beschließen auf Anraten eines Arztes, ihr krankes Kind doch wieder zu sich zu nehmen. Effis gesundheitlicher Zustand verbessert sich zunächst zwar, doch kommt sie über den Schmerz nicht hinweg, der sich in ihr Herz bohrte, als sie ihre kühle, vom Vater instruierte Tochter erleben musste. Angesichts des nahenden Todes spricht sie ihren früheren Gatten von jeglicher Schuld frei. Effi Briest stirbt mit 29 Jahren in ihrem Elternhaus an „gebrochenem Herzen“. Effis Mutter glaubt, eine Mitschuld am Tod ihrer Tochter zu tragen, weil sie Effis früh eingegangener Ehe mit einem 20 Jahre älteren Mann zugestimmt hatte. Herr von Briest beendet jedoch jegliches weitere Grübeln mit seinen leitmotivisch im gesamten Roman immer wieder geäußerten Worten: „Ach, Luise, laß … das ist ein zu weites Feld“.

Figurenübersicht

Figurenübersicht zu Fontanes Effi Briest

Hintergrund

Der Bezug zum Leben der Elisabeth von Plotho liegt nahe.[2] Fontane veränderte allerdings viele Details, nicht nur um die Privatsphäre der Beteiligten zu wahren, sondern auch um den Effekt dramaturgisch zu verstärken: Elisabeth von Plotho, die spätere Baronin von Ardenne, heiratete ihren Mann nicht mit 17, sondern erst mit 19 Jahren, und er war auch nur fünf und nicht zwanzig Jahre älter als sie. Zudem hatte sie ihr Verhältnis nicht nach einem, sondern nach zwölf Jahren Ehe, und ihr Mann erschoss den Liebhaber nicht sehr viel später, sondern als das Verhältnis noch andauerte. Nach der Scheidung zog sich die Frau, wie Fontane auch wusste, keineswegs aus dem Leben zurück, sondern wurde berufstätig. Sie starb erst 1952, im Alter von 98 Jahren.

Verfilmungen

Von den ersten Jahren des Tonfilms bis zur heutigen Zeit ist Fontanes Erfolgsroman insgesamt fünfmal verfilmt worden:

  1. Der Schritt vom Wege Deutschland 1939, 97 Minuten
    Regie: Gustaf Gründgens
    Darsteller: Marianne Hoppe (Effi), Karl Ludwig Diehl (Innstetten), Paul Hartmann (Crampas), Paul Bildt (Briest), Käthe Haack (Frau von Briest), Max Gülstorff (Gieshübler), Hans Leibelt (Wüllersdorf), Elisabeth Flickenschildt (Tripelli), Renée Stobrawa (Roswitha)
  2. Rosen im Herbst BRD 1955, 103 Minuten
    Regie: Rudolf Jugert
    Darsteller: Ruth Leuwerik (Effi), Bernhard Wicki (Innstetten), Carl Raddatz (Crampas), Paul Hartmann (Briest), Lil Dagover (Frau von Briest), Günther Lüders (Gieshübler), Hans Cossy (Wüllersdorf), Lola Müthel (Tripelli), Lotte Brackebusch (Roswitha), Margot Trooger (Johanna)
  3. Effi Briest DDR 1968, 120 Minuten
    Regie: Wolfgang Luderer
    Darsteller: Angelica Domröse (Effi), Horst Schulze (Innstetten), Dietrich Körner (Crampas), Gerhard Bienert (Briest), Inge Keller (Frau von Briest), Walter Lendrich (Gieshübler), Adolf Peter Hoffmann (Wüllersdorf), Marianne Wünscher (Tripelli), Lissy Tempelhof (Roswitha), Krista Siegrid Lau (Johanna), Lisa Macheiner (Ministerin)
  4. Fontane Effi Briest BRD 1974, 140 Minuten
    Regie: Rainer Werner Fassbinder
    Darsteller: Hanna Schygulla (Effi), Wolfgang Schenk (Innstetten), Ulli Lommel (Crampas), Herbert Steinmetz (Briest), Lilo Pempeit (Frau von Briest), Hark Bohm (Gieshübler), Karl-Heinz Böhm (Wüllersdorf), Barbara Valentin (Tripelli), Ursula Strätz (Roswitha), Irm Hermann (Johanna)
  5. Effi Briest Deutschland 12. Februar 2009, 117 Minuten
    Regie: Hermine Huntgeburth
    Darsteller: Julia Jentsch (Effi), Sebastian Koch (Innstetten), Mišel Matičević (Crampas), Juliane Köhler (Frau von Briest), Thomas Thieme (Briest), Barbara Auer (Johanna), Margarita Broich (Roswitha), Rüdiger Vogler (Gieshübler)

Literarisches Umfeld

Effi Briest gehört in die lange Reihe Fontanescher Gesellschaftsromane, die ihre literarische Besonderheit dem leichten Ton der Erzählung und dem Verzicht auf Anklage oder Schuldzuweisung bei gleichzeitig scharfem Blick auf die gesellschaftliche und historische Situation verdanken. Wenn Innstetten den Verführer Crampas in einem Duell tötet, das nur noch sinnentleertes Ritual ist, und seine Frau wegen der selbst für ihn bedeutungslosen Liaison aus Prinzipienreiterei verstößt, darf man darin keine einseitige Verurteilung des preußischen Adligen oder gar der Gesellschaft sehen. Wie differenziert der Autor selbst diese Frage beurteilt, ist unter anderem an Innstettens diesbezüglichem Gespräch mit seinem Freund Wüllersdorf abzulesen, der hier als Sprachrohr Fontanes betrachtet werden kann. Effi verzeiht ihrem Mann, und ihre Mutter mutmaßt, sie sei bei der von ihr forcierten und protegierten Heirat „doch vielleicht zu jung“ gewesen. So entsteht ein komplexes Lebens- und Sittenbild der untergehenden altpreußischen Gesellschaft. Fontanes Werk kann auch unabhängig von preußischen Gegebenheiten als allgemeinere Betrachtung des Konfliktes zwischen Individuum und gesellschaftlichem Zwang betrachtet werden. Dies alles offenbart sich in Plaudereien der Figuren und einem fast beiläufigen Erzählton, bei dem es gilt, sozusagen zwischen den Zeilen zu lesen, denn Fontane bekannte, es komme ihm nicht auf das Was, sondern auf das Wie an.

Das heißt allerdings nicht, dass der Erzähler alles gut hieße, was seine Figuren tun. Der Ehrbegriff der Zeit zum Beispiel, der sich im literarischen Motiv des sinnlosen und illegalen Duells äußert, wird im Werk Fontanes immer wieder in verschiedenen Spielarten (zum Beispiel der todbringenden Mesalliancen im Schach von Wuthenow) aufgegriffen. Mit dem Duell-Motiv findet sich Fontane in Gesellschaft etwa Arthur Schnitzlers, der die Sinnlosigkeit des Ehrbegriffes in Leutnant Gustl (1900) satirisch zuspitzt, während für den jungen Offizier Zosima in Dostojewskis Die Brüder Karamasow (1879–80) das Duell geradezu zum Wendepunkt seines Lebens wird: Er verzichtet darauf zu schießen und wird zum frommen Einsiedler.

Literaturwissenschaftlich gesehen steht Fontanes Effi Briest auch in der speziellen Tradition des Liebes- oder Verführungsromans, vergleichbar etwa mit Madame Bovary von Gustave Flaubert oder Anna Karenina von Leo Tolstoi.

Literatur

  • Elsbeth Hamann: Theodor Fontane, Effi Briest. Interpretation. 4. Auflage. Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-88602-9.
  • Norbert Berger: Stundenblätter Fontane „Effi Briest“. Ernst Klett Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-12-927473-1.
  • Jörg Ulrich Meyer-Bothling: Klausurtraining Effi Briest. Ernst Klett Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-12-352445-5.
  • Manfred Mitter: Theodor Fontane, Effi Briest, Interpretationsimpulse. Merkur-Verlag, Rinteln, Textheft: ISBN 978-3-8120-0849-5, CD-ROM: ISBN 978-3-8120-2849-3
  • Heide Rohse: Arme Effi – Widersprüche geschlechtlicher Identität in Fontanes „Effi Briest“, in: Heide Rohse: Unsichtbare Tränen. Effi Briest – Oblomow – Anton Reiser – Passion Christi. Psychoanalytische Literaturinterpretationen zu Theodor Fontane, Iwa A. Gontscharow, Karl Philipp Moritz und Neuem Testament. Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, S. 17-31, ISBN 3-8260-1897-6

Quellen

  1. Literaturverzeichnis Fontane bei zeno.org
  2. Gotthard Erler: Elisabeth von Ardenne – die reale Effi Briest, in: Preußens Frauen. Schriften Brandenburg-Preußen-Museum 4, Wustrau 2009, S. 22–23 und 56–67

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