„Carolinensiel“ – Versionsunterschied

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== Geschichte ==
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Wo heute Carolinensiel liegt, befand sich noch vor wenigen Jahrhunderten ein Ausläufer der [[Nordsee]]. Die [[Harlebucht]] erstreckte sich zwischen dem heutigen Neuharlingersiel und Minsen bis kurz vor Funnix und Werdum. Um 1500 begann man mit der systematischen Landgewinnung durch Ein[[deich]]ung. Stück für Stück wurde der Nordsee neues, fruchtbares [[Marschland]] abgerungen.
Wo heute Carolinensiel liegt, befand sich noch vor wenigen Jahrhunderten ein Ausläufer der [[Nordsee]]. Die [[Harlebucht]] erstreckte sich zwischen dem heutigen Neuharlingersiel und [[Minsen]] bis kurz vor Funnix und [[Werdum]]. Um 1500 begann man mit der systematischen Landgewinnung durch Ein[[deich]]ung. Stück für Stück wurde der Nordsee neues, fruchtbares [[Marschland]] abgerungen.


Zur Vermeidung von Konflikten um das neue Land einigten sich im Jahr 1666 Fürstin [[Christine Charlotte (Ostfriesland)|Christine Charlotte]] von [[Ostfriesland]] und der Herr von [[Jever]], Graf [[Anton Günther (Oldenburg)|Anton Günther]] von [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]], auf die zukünftige Grenze. Vom Treffpunkt der ostfriesischen und jeverschen Deiche am Pfahldeich südöstlich von Carolinensiel zog man auf der Seekarte mit goldener Tinte eine Linie bis zu einem Punkt genau zwischen den Inseln [[Spiekeroog]] und [[Wangerooge]]. Die „[[Goldene Linie]]“ ist heute noch die Grenze zwischen dem ostfriesischen [[Landkreis Wittmund]] und dem [[Landkreis Friesland]]. Die alte Bahnlinie der ehemaligen [[Jever-Carolinensieler Eisenbahn]] nach Harlesiel und der Fähranleger nach Wangerooge liegen schon auf friesischem Gebiet. Die Grenze verläuft mitten durch das Hafenbecken.
Zur Vermeidung von Konflikten um das neue Land einigten sich im Jahr 1666 Fürstin [[Christine Charlotte (Ostfriesland)|Christine Charlotte]] von [[Ostfriesland]] und der Herr von [[Jever]], Graf [[Anton Günther (Oldenburg)|Anton Günther]] von [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]], auf die zukünftige Grenze. Vom Treffpunkt der ostfriesischen und jeverschen Deiche am Pfahldeich südöstlich von Carolinensiel zog man auf der Seekarte mit goldener Tinte eine Linie bis zu einem Punkt genau zwischen den Inseln [[Spiekeroog]] und [[Wangerooge]]. Die „[[Goldene Linie]]“ ist heute noch die Grenze zwischen dem ostfriesischen [[Landkreis Wittmund]] und dem [[Landkreis Friesland]]. Die alte Bahnlinie der ehemaligen [[Jever-Carolinensieler Eisenbahn]] nach Harlesiel und der Fähranleger nach Wangerooge liegen schon auf friesischem Gebiet. Die Grenze verläuft mitten durch das Hafenbecken.
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Im Jahr 1729 wurde die Eindeichung des Carolinengroden abgeschlossen. Wo die [[Harle]] auf den Deich traf, wurde ein [[Sielhafen]] angelegt, der heutige Museumshafen. Durch das [[Siel]] unter der Brücke konnte das Binnenwasser bei Ebbe ins Meer abfließen. Am 16. März 1730 vergab Fürst [[Georg Albrecht (Ostfriesland)|Georg Albrecht]] von Ostfriesland die ersten Grundstücke rund um den Hafen an die Neusiedler. Dies war die Geburtsstunde von Carolinensiel. Namensgeberin war die Gemahlin des Fürsten, Sophie Caroline aus dem Haus Brandenburg-Kulmbach. Ihr machte der Fürst die Domäne Fürstinnen-Grashaus im Carolinengroden zum Geschenk, von der sie bis zu ihrem Tode 1764 Einkünfte bezog.
Im Jahr 1729 wurde die Eindeichung des Carolinengroden abgeschlossen. Wo die [[Harle]] auf den Deich traf, wurde ein [[Sielhafen]] angelegt, der heutige Museumshafen. Durch das [[Siel]] unter der Brücke konnte das Binnenwasser bei Ebbe ins Meer abfließen. Am 16. März 1730 vergab Fürst [[Georg Albrecht (Ostfriesland)|Georg Albrecht]] von Ostfriesland die ersten Grundstücke rund um den Hafen an die Neusiedler. Dies war die Geburtsstunde von Carolinensiel. Namensgeberin war die Gemahlin des Fürsten, Sophie Caroline aus dem Haus Brandenburg-Kulmbach. Ihr machte der Fürst die Domäne Fürstinnen-Grashaus im Carolinengroden zum Geschenk, von der sie bis zu ihrem Tode 1764 Einkünfte bezog.


Carolinensiel entwickelte sich zum wichtigsten Hafen im nördlichen Ostfriesland. Durch den Bau des neuen Deichs und der Friedrichsschleuse im Jahr 1765 war er als einziger ostfriesischer Sielhafen vor Sturmfluten geschützt. Der Bau eines offenen Siels und einer Klappbrücke an der Friedrichsschleuse ermöglichte es den Segelschiffen, den alten Hafen problemlos zu erreichen. Von Carolinensiel aus stachen kleine Frachtensegler in See. Sie befuhren die Nord- und [[Ostsee]] und das [[Mittelmeer]]. Einige von ihnen überquerten sogar den [[Atlantischer Ozean|Atlantik]]. Die Schiffer exportierten die Agrarprodukte der Marsch: Getreide, Gemüse, Kartoffeln und Milchprodukte. Importiert wurden Holz, Steine, Kohle und Kolonialwaren.
Carolinensiel entwickelte sich zum wichtigsten Hafen im nördlichen Ostfriesland. Durch den Bau des neuen Deichs und der Friedrichsschleuse im Jahr 1765 war er als einziger ostfriesischer Sielhafen vor Sturmfluten geschützt. Der Bau eines offenen Siels und einer Klappbrücke an der Friedrichsschleuse ermöglichte es den Segelschiffen, den alten Hafen problemlos zu erreichen. Von Carolinensiel aus stachen kleine Frachtensegler in See. Mit ihrem geringen Tiefgang waren sie an das Wattenmeer angepasst. Die Schiffe hatten 3 bis 6 Mann Besatzung und befuhren die Nord- und [[Ostsee]] sowie das [[Mittelmeer]]. Einige von ihnen überquerten sogar den [[Atlantischer Ozean|Atlantik]]. Die Schiffer exportierten die Agrarprodukte der Marsch: Getreide, Gemüse, Kartoffeln und Milchprodukte. Importiert wurden Holz, Steine, Kohle und Kolonialwaren aus Skandinavien und England.


Seine Blütezeit erlebte der Hafen von Carolinensiel Mitte des 19. Jahrhunderts. Um 1860 gab es hier allein 40 Kapitäne mit insgesamt 59 Schiffen, außerdem zwei Werften, vier Brauereien und zahlreiche Gaststuben. Täglich liefen um die sieben Schiffe ein oder aus. Heute liegen im Museumshafen wieder die typischen [[Plattbodenschiff]]e vor Anker und erinnern an die große Zeit der Carolinensieler Seefahrt. In den Ausstellungen des [[Deutsches Sielhafenmuseum|deutschen Sielhafenmuseum]] werden die Segelschifffahrt, das maritime Handwerk und das Leben der Kapitänsfamilien an Land dargestellt. Anfang des 20. Jahrhunderts ging diese Epoche jedoch zu Ende. Die Segelschiffe konnten mit den größeren, schnelleren Dampfschiffen und mit der Eisenbahn nicht mehr konkurrieren. Die Carolinensieler stellten sich auf die Fischerei um. Der Sielhafen wurde nicht mehr gepflegt und setzte sich allmählich bis auf eine Entwässerungsrinne mit Schlick zu.
Seine Blütezeit erlebte der Hafen von Carolinensiel Mitte des 19. Jahrhunderts. Um 1860 gab es hier allein 40 Kapitäne mit insgesamt 59 Schiffen, außerdem zwei Werften, vier Brauereien und zahlreiche Gaststuben. Täglich liefen um die sieben Schiffe ein oder aus. Heute liegen im Museumshafen wieder die typischen [[Plattbodenschiff]]e vor Anker und erinnern an die große Zeit der Carolinensieler Seefahrt. In den Ausstellungen des [[Deutsches Sielhafenmuseum|deutschen Sielhafenmuseum]] werden die Segelschifffahrt, das maritime Handwerk und das Leben der Kapitänsfamilien an Land dargestellt. Anfang des 20. Jahrhunderts ging diese Epoche jedoch zu Ende. Die Segelschiffe konnten mit den größeren, schnelleren Dampfschiffen und mit der Eisenbahn nicht mehr konkurrieren. Die Carolinensieler stellten sich auf die Fischerei um. Der Sielhafen wurde nicht mehr gepflegt und setzte sich allmählich bis auf eine Entwässerungsrinne mit Schlick zu.

Version vom 1. April 2007, 14:52 Uhr

Hafen von Carolinensiel

Carolinensiel ist ein Ort der Stadt Wittmund des gleichnamigen Landkreises Wittmund in Niedersachsen.

Geschichte

Wo heute Carolinensiel liegt, befand sich noch vor wenigen Jahrhunderten ein Ausläufer der Nordsee. Die Harlebucht erstreckte sich zwischen dem heutigen Neuharlingersiel und Minsen bis kurz vor Funnix und Werdum. Um 1500 begann man mit der systematischen Landgewinnung durch Eindeichung. Stück für Stück wurde der Nordsee neues, fruchtbares Marschland abgerungen.

Zur Vermeidung von Konflikten um das neue Land einigten sich im Jahr 1666 Fürstin Christine Charlotte von Ostfriesland und der Herr von Jever, Graf Anton Günther von Oldenburg, auf die zukünftige Grenze. Vom Treffpunkt der ostfriesischen und jeverschen Deiche am Pfahldeich südöstlich von Carolinensiel zog man auf der Seekarte mit goldener Tinte eine Linie bis zu einem Punkt genau zwischen den Inseln Spiekeroog und Wangerooge. Die „Goldene Linie“ ist heute noch die Grenze zwischen dem ostfriesischen Landkreis Wittmund und dem Landkreis Friesland. Die alte Bahnlinie der ehemaligen Jever-Carolinensieler Eisenbahn nach Harlesiel und der Fähranleger nach Wangerooge liegen schon auf friesischem Gebiet. Die Grenze verläuft mitten durch das Hafenbecken.

Im Jahr 1729 wurde die Eindeichung des Carolinengroden abgeschlossen. Wo die Harle auf den Deich traf, wurde ein Sielhafen angelegt, der heutige Museumshafen. Durch das Siel unter der Brücke konnte das Binnenwasser bei Ebbe ins Meer abfließen. Am 16. März 1730 vergab Fürst Georg Albrecht von Ostfriesland die ersten Grundstücke rund um den Hafen an die Neusiedler. Dies war die Geburtsstunde von Carolinensiel. Namensgeberin war die Gemahlin des Fürsten, Sophie Caroline aus dem Haus Brandenburg-Kulmbach. Ihr machte der Fürst die Domäne Fürstinnen-Grashaus im Carolinengroden zum Geschenk, von der sie bis zu ihrem Tode 1764 Einkünfte bezog.

Carolinensiel entwickelte sich zum wichtigsten Hafen im nördlichen Ostfriesland. Durch den Bau des neuen Deichs und der Friedrichsschleuse im Jahr 1765 war er als einziger ostfriesischer Sielhafen vor Sturmfluten geschützt. Der Bau eines offenen Siels und einer Klappbrücke an der Friedrichsschleuse ermöglichte es den Segelschiffen, den alten Hafen problemlos zu erreichen. Von Carolinensiel aus stachen kleine Frachtensegler in See. Mit ihrem geringen Tiefgang waren sie an das Wattenmeer angepasst. Die Schiffe hatten 3 bis 6 Mann Besatzung und befuhren die Nord- und Ostsee sowie das Mittelmeer. Einige von ihnen überquerten sogar den Atlantik. Die Schiffer exportierten die Agrarprodukte der Marsch: Getreide, Gemüse, Kartoffeln und Milchprodukte. Importiert wurden Holz, Steine, Kohle und Kolonialwaren aus Skandinavien und England.

Seine Blütezeit erlebte der Hafen von Carolinensiel Mitte des 19. Jahrhunderts. Um 1860 gab es hier allein 40 Kapitäne mit insgesamt 59 Schiffen, außerdem zwei Werften, vier Brauereien und zahlreiche Gaststuben. Täglich liefen um die sieben Schiffe ein oder aus. Heute liegen im Museumshafen wieder die typischen Plattbodenschiffe vor Anker und erinnern an die große Zeit der Carolinensieler Seefahrt. In den Ausstellungen des deutschen Sielhafenmuseum werden die Segelschifffahrt, das maritime Handwerk und das Leben der Kapitänsfamilien an Land dargestellt. Anfang des 20. Jahrhunderts ging diese Epoche jedoch zu Ende. Die Segelschiffe konnten mit den größeren, schnelleren Dampfschiffen und mit der Eisenbahn nicht mehr konkurrieren. Die Carolinensieler stellten sich auf die Fischerei um. Der Sielhafen wurde nicht mehr gepflegt und setzte sich allmählich bis auf eine Entwässerungsrinne mit Schlick zu.

Im Hafen an der Friedrichsschleuse waren die Fischkutter beheimatet. Sie fingen Plattfisch und Muscheln, vor allem aber Krabben (Nordseegarnelen). Bis in die 1930er Jahre war in Carolinensiel eine Konservenfabrik ansässig, die Muscheln und Krabben bis nach Berlin verschickte. Viele Bauernfamilien im Hinterland verdienten sich ein Zubrot durch das Schälen von Granat, den Speisekrabben für den menschlichen Verzehr. Vor der Friedrichsschleuse betrieb die Firma Albrecht eine Darre, auf der kleinere Krabben, der Gammel, für die Verarbeitung zu Viehfutter getrocknet wurden. Nach dem Bau des neuen Außenhafens in Harlesiel fanden die Carolinensieler Kutter dort eine neue Heimat.

Mit der ersten Badesaison auf Wangerooge im Jahr 1804 begann auch für Carolinensiel die Geschichte des Nordseetourismus. Der Ort wurde zur Durchgangsstation für die Badegäste der Inseln. Die Fährschiffe nach Wangerooge und Spiekeroog legten zunächst von der Friedrichsschleuse ab. Die Jever-Carolinensieler Eisenbahn eröffnete 1888 die Bahnlinie von Jever nach Carolinensiel (1988 Stilllegung). 1890 wurde sie zum Fähranleger in Harlesiel verlängert. Der Zugfahrplan richtete sich nach den Gezeiten. Der Versuch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Carolinensiel selbst als Seebad zu etablieren scheiterten noch an der Konkurrenz der Inseln.

Die Entwicklung hin zum Nordseebad begann 1953 mit dem Bau des neuen Deichs, des Schöpfwerks und des Hafens in Harlesiel. Durch die Aufschüttung von 20.000 m³ Sand schuf man einen eigenen Badestrand. In der Folgezeit kamen Strandhalle, Campingplatz und Meerwasserfreibad hinzu. Bis 1987 unterhielt die Deutsche Bundesbahn einen Bahnhof in Harlesiel, der Flughafen Harle nahm 1973 seinen Betrieb auf. Die Konzentration von Bahnstation, Fähranleger und Flughafen im Umkreis von 500 m war weltweit einmalig. 1980 wurde das Haus des Gastes an der Kurpromenade fertiggestellt, 1983 der Ort als Nordseebad Carolinensiel-Harlesiel staatlich anerkannt. 1984 öffnete das Deutsche Sielhafenmuseum seine Türen, und von 1986 bis 1990 wurden der Museumshafen und die Friedrichsschleuse wiederhergestellt.

In Carolinensiel, Friedrichsschleuse und Harlesiel mit den drei Deichen und den drei Häfen ist die Geschichte vom Frachthafen über den Fischereistandort bis hin zum Nordseebad noch heute hautnah erlebbar.

Ortsentwicklung und Fremdenverkehr

Carolinensiel 2005

Mit der Eindeichung des Bereiches wurde 1617 begonnen, die mit der Gründung des Ortes Carolinensiel im Jahr 1730 beendet war. Obwohl die Grundstücke überregional zur Verteilung ausgeschrieben wurden, meldeten sich nur Personen aus der näheren Umgebung in der Hoffnung auf bessere ökonomische Verhältnisse. Die Entwicklung des Ortes folgte einem detaillierten Plan für museale Möglichkeiten, die Häuser waren am Hafen meist einstöckig und im rückwärtigen Bereich zweistöckig. Der Plan ermöglichte eine siedlungs-architektonische Einheit durch die Verschmelzung von Hafen, Deichnische, Verkehrslinien und Häuserzeilen.

Durch seine sehr gute Verkehrsanbindung und fruchtbaren Marschen erlebte der Ort bereits zu seiner Gründerzeit einen wirtschaftlichen Aufschwung, so dass bereits 1758 der Bebauungsplan nicht mehr eingehalten werden konnte und der Ort entlang der Ausfallstraßen zu wachsen begann. Die Ansiedlung bekam ein zunehmend fleckenmäßiges Aussehen.

1756 beschloss Preußen ein Programm zur Neulandgewinnung, welches in dieser Region die Einweihung des Friedrich-Augstengroden am 6. März 1768 zur Folge hatte. Damit drohte der Ort vom Meer abgeschnitten zu werden, also ließ man im neuen Deich ein offenes Siel. Dadurch gewann der Hafen in Carolinensiel den Vorteil der Sturmflut- und Hochwassersicherheit. Der Hafen wurde bedeutendster ostfriesischer Hafen nach Emden. Um 1800 zählt der Ort 749 Personen. Das hat ein verstärkte Ansiedlung von handwerklichen, gewerblichen und dienstleistungsorientierten Betrieben zur Folge. Es erfolgten weitere Ringbebauungen. Diese Neusiedlungen zeichneten sich durch eine Geschlossenheit und giebelständige Anordnung aus, zusammen mit dem älteren Gebieten entstand ein weitgehend zusammengesetzter Grundriss, welcher durch die hohe Bebauungsdichte fast städtische Züge trug. Unter der napoleonischen Fremdherrschaft stagnierte der Ort, danach florierten zwar Handel und Schifffahrt wieder, Handwerker und Arbeiter wanderten jedoch ab (--> 1870).

Danach verlor der Ort an Bedeutung, weil der binnenländische Handel vom Ort abgezogen wurde. Man wandte sich der Fischerei zu, was für die Bevölkerung einen sozialen Abstieg bedeutete. Der Hafen wurde zur Friedrichschleuse verlagert und der Ort ging zur Selbstversorgung über (-->Heller, Deiche = Viehweiden). Ab 1880 diente er zunehmend nur noch als Schlafstätte für seine Bewohner, die zur Arbeit nach Wilhelmshaven pendelten. 1956 verliert der Ort endgültig seinen Hafen.

Es gab vor den 1. Weltkrieg Ansätze in Carolinensiel als Fremdenverkehrsort zu begreifen, was allerdings recht bald wieder einschlief. In den 50ern gab es erste Versuche den Fremdenverkehr zu etablieren (1956 Bade- und Verkehrsverein). In den 70ern geht man dazu über, die „vererbten“ Anlagen als Grundlagen für den Fremdenverkehr zu nutzen. Dies wird bis heute getan, was man an der musealen Ausrichtung des Ortes erkennen kann. Durch den Fremdenverkehr bleibt die Vielseitigkeit der Betriebe erhalten, sie ist fast schon städtisch zu nennen. 1983 findet diese Entwicklung ihren vorläufigen Höhepunkt in der Anerkennung Carolinensiels als Nordseebad.

Siedlungsstruktur und Raumnutzung im Zeichen des Fremdenverkehrs

Der Ortskern Carolinensiels insbesondere der ehemalige Hafenbereich ist auf touristische Sehbetrachtung ausgelegt. Dies wird gekennzeichnet durch die „schon fast als typisch zu bezeichnenden repräsentativen Gärten, die „unsere Dörfer schöner werden lassen sollen““ (S. 52). Aber auch die „geplante Wiederherstellung des historischen, musealen Zwecken dienenden „Hafens ohne Nutzen““ ist ein weiterer Schaueffekt, „welcher die Freiräume okkupiert und doch nur die baulichen Sünden der Vergangenheit kaschiert, der die Vielfalt des Gebrauchssystem und ihre Originalität zum Opfer fielen“ (S. 54) Dieser Schaueffekt geht sogar soweit, dass die Einheimischen ihre Häuser alle gleich bauen und die Touristen auf der Such nach idealisierten Familienleben in der musealen Umgebung über halböffentliche Erschließungswege zwischen den Häusern die Hintergärten betreten und fotografieren.

Entwicklungsphasen des Fremdenverkehrs

Erste Berührungen mit dem Fremdenverkehr

Da sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein saisonaler Bäderbetrieb zu den Staatsbädern Norderney und Wangerooge etablierte, kam man ihn Carolinensiel zwangsläufig zu Berührungen mit dem Fremdenverkehr. Dies bezeugt der archivierte umfangreiche Schriftverkehr aus dem Jahr 1837 zwischen den oldenburgischen und hannoversch-ostfriesischen Behörden, an dem sich auch Carolinensieler Geschäftsleute und Gastwirte beteiligten.

Etwa um 1900 versuchte man, im Bereich der Harle einen Badebetrieb auf dem Festland zu etablieren, der für den Ort zum damaligen Zeitpunkt ökonomisch eher unbedeutend war und somit wieder einschlief.

Impulse zu Beginn der 50er Jahre

„Der Schöpfwerksneubau „Harlesiel“ gilt heute in Carolinensiel als Initialzündung für lokale fremdenverkehrliche Impulse.“ (S. 86) Dabei muss hinzugefügt werden, dass bei der Planung ein möglicher fremdenverkehrlicher Aspekt weder betrachtet oder vorhergesehen wurde. Sondern das vielmehr das ökonomische Umfeld Carolinensiels verbessert werden sollte. Allerdings kam es zu keiner Industrieansiedlung in der Region. So fand in dieser Situation der 1956 gegründete „Bade- und Verkehrsverein“ großen Zuspruch.

Die Entwicklung der Organisationsstrukturen im Fremdenverkehr

Da die Gründung des Vereins offenbar gut vorbereitet war (öffentliche Personen), konnte man die Skepsis im Ort gegenüber den neuen Ideen besser überwinden. Aufgrund einer guten regionalen Presse und einer geschickten Gründungsstrategie konnten bereits 120 Mitglieder zur eigentlichen Gründung begrüßt werden. Der Verein kümmerte sich danach um Belange die mit dem Fremdenverkehr zusammenhingen und half auch beim Bau von privaten Unterkünften.

„Einmal in Gang gesetzt und organisatorisch-planmäßig vorangetrieben, stieß die weitgehend unprofessionelle Arbeit des Bade- und Verkehrsverein relativ schnell an ihre Grenzen. 1964 übernahm die Gemeinde Carolinensiel die Aufgaben einer Kurverwaltung in einer eigenen Abteilung.“ (S. 96)

Im Jahre 1969 wurde die Kurverwaltung aus der Gemeindeverwaltung herausgelöst und der neu gegründeten Harlesiel GmbH übergeben. Dieser Schritt wurde vollzogen, weil man offenbar nicht glaubte, die Entwicklung aus eigener Kraft voranzutreiben. Nach dem Zusammenschluss der Gemeinden Carolinensiel, Werdum und Funnix zur Gemeinde Harlesiel unterstand dieser GmbH ein Gebiet mit mehreren fremdenverkehrsorientierten Interessen unter. Nach der Eingemeindung durch die Stadt Wittmund übernahm diese auch den Löwenanteil an der Harlesiel GmbH. Damit wurde ein wesentlicher Teil der fremdenverkehrslichen Entwicklung des Ortes den lokalen Handlungsinitiativen entzogen.

Neben den jeweiligen Organisationsstrukturen der Kurverwaltungen entwickelten sich private Initiativen der Vermieterinnen, die sich neben „spezifischen Serviceleistungen und Programmangeboten für Hausgäste“ (S. 103) auch mit der Werbung von Gästen für die eigene Unterkunft befassen. Der Grund dafür sind die Erfahrungen der Anfangszeit.

Kurtaxe vor Ort

Die Stadt Wittmund erhebt für den Bereich Carolinensiel-Harlesiel in der Zeit vom 15. März bis 31. Oktober Kurtaxe.

Literatur

  • Achim Hahn, Friedrich Reuter, Gerd Vonderach: Fremdenverkehr in der dörflichen Lebenswelt: zum sozialen Wandel in einem Sielhafenort. Campus Verlag; Frankfurt/Main 1987

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf dieses Buch

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