Aussteuerungsmesser

Ein Aussteuerungsmesser (auch: Pegelmesser, engl.: Peak program[me] meter, kurz: PPM, Peakmeter) ist ein Anzeigeinstrument zur Kontrolle der Aussteuerung bei Tonaufnahmen. Es zeigt in der Regel den Quasispitzenpegel eines Audiosignals an.

ARD-Lichtzeiger-
Aussteuerungsmesser NTP 177–300 E.

Grundsätzliches

Ein Aussteuerungsmesser misst zwar den Spitzenwert der elektrischen Spannung (USS), zeigt aufgrund der Kombination seiner besonderen ballistisch-mechanischen und elektrischen Eigenschaften jedoch nur den fachen Wert (≈ 0,707 · USS) an (Quasispitzenspannung). Dies entspricht bei einem Sinussignal dem Effektivwert, nicht jedoch bei Musik oder Sprache. Darüberhinaus gilt die Anzeige für periodische Signale – für einmalige, sehr kurz dauernde Signale ergeben die besonderen dynamischen Eigenschaften einen niedrigeren Wert. Der Pegelmesser nimmt im Übertragungsbereich keinerlei Frequenzbewertung vor.

Analoge Umgebung

Ein etwas älterer englischer Pegelmesser. Man beachte die für britische Geräte typische Skalenteilung.

In durchgehend analogen Signalwegen kommen überwiegend Aussteuerungsmesser nach DIN 45406 (ARD-Aussteuerungsmesser) zum Einsatz. Sie besitzen eine in dB und Prozent geeichte Skala zwischen −50 dB (0,3 %) und +5 dB (180 %). Ihre Integrationszeit (Ansprechzeit) beträgt 10 ms, d. h. ein einzelner Impuls von 0 dB und 10 ms Dauer ruft eine Anzeige von −1 dB (90 %) hervor, eine Spitze von 0 dB und 3 ms Dauer eine Anzeige von −4 dB. Auf die Anzeige noch kürzerer Pegelspitzen wird verzichtet, da derart kurze Übersteuerungen (in analoger Umgebung) vom menschlichen Gehör nicht mehr wahrgenommen werden.
Die Rücklaufzeit muss für sicheres Ablesen hinreichend groß sein; die Norm sieht einen Wert von 1,5 s für einen Abfall von 0 auf −20 dB vor.

Der 0 dB-Punkt der Skala (100 %) ist auf einen absoluten Pegel von +6 dBu (entspr. 1,55 Veff bei sinusförmigem Pegelton) geeicht (ARD-Rundfunknormpegel).

Die Geräte besitzen eine Taste zur Erhöhung der Empfindlichkeit um 20 dB, damit z. B. in Modulationspausen Fremdspannungen genauer abgelesen werden können. Außerdem ist bei −9 dB (35 %) eine Eichmarkierung für die messtechnische Überprüfung von Tonfrequenzleitungen angebracht.[1]

Digitale Umgebung

Die besonderen Eigenschaften der digitalen Tonsignalverarbeitung führen zu Aussteuerungsmessern mit grundlegend anderen ballistischen Eigenschaften. Im Gegensatz zu analogen tontechnischen Geräten, bei denen im Falle einer Übersteuerung der Klirrfaktor nur mählich ansteigt, tritt bei Übersteuerung eines digitalen Gerätes nahezu schlagartig ein erheblicher Anstieg des Klirrfaktors auf (Clipping). Hier müssen also auch kürzeste Pegelspitzen sicher erfasst werden, dafür beträgt die Integrationszeit 1 ms oder weniger (bei einigen Geräten auch samplegenau). Die Rücklaufzeit entspricht der analoger Pegelmesser. Aussteuerungsmesser für digitale Umgebungen sind in DIN IEC 60268-18 genormt.

Die Anzeige, die zwischen −60 und 0 dB liegt, ist in dBfs geeicht; insofern ist ein Anzeige positiver dB-Werte nicht sinnvoll.

Wichtiger Sonderfall: Im Rundfunkbereich, insbesondere innerhalb der ARD, ist für digitale Geräte ein Headroom von 9 dB vorgesehen, damit führt ein Signal mit Studionormpegel (+6 dBu) zu einer Anzeige von −9 dBfs. (Siehe hierzu den gesonderten Artikel.)

Ausführung in anderen Ländern

Traditionell sind in verschiedenen europäischen Ländern Aussteuerungsmesser mit unterschiedlichen Skalenteilungen und Anzeigecharakteristika im Einsatz. Ihre Eigenschaften sind in DIN IEC 60268-10 beschrieben. Demnach sind folgende Typen zu unterscheiden:

  DIN IEC 60268-10 DIN IEC 60268-18
  Typ I (DIN) Typ I (Nordic) Typ IIa (British) Typ IIb (EBU) Digital
Skala
Bezugsanzeige „0 dB“ „Test“ (0 dB) „6“ „+9 dB“ „0 dB“
Bezugspegel +6 dBu (≈ 1,55 V)1 0 dBu (≈ 0,775 V)1 +8 dBu (≈ 1,94 V)1 +9 dBu (≈ 2,18 V)1 0 dBfs
Integrationszeit 5 ms 5 ms 10 ms 10 ms ≤ 1 ms
Rücklaufzeit 1,7 s („0 dB“ bis „−20 dB“) 1,7 s („0 dB“ bis „−20 dB“) 2,8 s        („7“ bis „1“)        2,8 s („+12 dB“ bis „−12 dB“) 1,7 s („0 dB“ bis „−20 dB“)
  1 bei sinusförmigem Pegelton

Aussteuerungsmesser nach DIN IEC 60268-10 I entsprechen der im Jahr 2000 ausgelaufenen DIN 45406 mit dem einzigen Unterschied, dass deren Integrationszeit nun 5 ms beträgt. Bei skandinavischen Rundfunkanstalten gebräuchliche Geräte haben gleiche Eigenschaften, jedoch eine abweichende Skala („Nordic Scale“) mit einem Bezugspunkt bei 0 dBu.

In Großbritannien sind Aussteuerungsmesser mit einer Skalenteilung von „1“ bis „7“ („British Scale“) üblich; zwischen den Teilstrichen liegen jeweils 4 dB. Der Bezugspunkt liegt bei „6“, bei einem Bezugspegel von +8 dBu. Diese Geräte sind in DIN IEC 60268-10 IIa genormt.

Für internationale Tonübertragungen im Rahmen der EBU sind Geräte nach DIN IEC 60268-10 IIb mit einer Skala von −12 bis +12 dB (ein Teilstrich entspricht 2 dB) im Gebrauch. Der Bezugspunkt liegt bei +9 dB, der Bezugspegel bei +9 dBu; eine Referenzmarke ist bei 0 dB(u) angebracht.[2]

Praxis

Der Aussteuerungsmesser muss ein präzises und ermüdungsfreies Ablesen ermöglichen. Dabei ist die technische Ausführung prinzipiell nachrangig: „Zeigerinstrument“ bedeutet nicht unbedingt „VU-Meter“; „LED-Kette“ nicht zwangsläufig „Spitzenwertanzeige“. Entscheidend ist die Qualität des vorgeschalteten Messverstärkers. So waren in deutschen Tonstudios durchaus Drehspulmesswerke mit Rohrzeigern gebräuchlich – verbreiteter waren Geräte mit Lichtzeiger –, die ab den späten 1970er Jahren von Geräten mit LED-Ketten oder Gasplasmaanzeigen abgelöst wurden. Während früher Messverstärker (U70, U270, U370…) und Anzeigegerät (J45, J47, J645…) in separaten Gehäusen untergebracht waren, sind heute ausschließlich integrierte Geräte auf dem Markt. Diese besitzen zum Teil einen eingebauten Korrelationsgradmesser zur Anzeige der Monokompatibilität.

Aussteuerungsmesser eignen sich nicht für eine Lautstärkemessung bzw. einen Lautstärkevergleich. Nur mit einiger Erfahrung kann von der Anzeige ungefähr auf die Lautstärkeverhältnisse geschlossen werden. Werden unterschiedliche Tonprogramme mit gleichem Pegel ausgesteuert, ergeben sich unterschiedliche Lautheiten.

Die unterschiedlichen ballistischen Eigenschaften von Aussteuerungsmessern für analoge und digitale Umgebung führen zu Schwierigkeiten bei der praktischen Beurteilung des Durchschnittspegels. Aussteuerung lediglich mit einem Gerät mit kurzer Integrationszeit führt tendenziell zu Untersteuerung, da durch die Anzeige kürzester Pegelspitzen ein scheinbar höherer Durchschnittspegel angezeigt wird. Manche Aussteuerungsmesser sind in ihrer Anzeigecharakteristik umschaltbar; für eine korrekte Aussteuerung muss aber mit schneller und langsamer Anzeige gleichzeitig gearbeitet werden – entweder also mit zwei Geräten oder mit einem Gerät mit kombinierter Anzeige (z. B. Typ 478 des Herstellers DK-Technologies).

Die in vielen Geräten aus den USA oder Japan eingebauten VU-Meter haben eine zu große Integrationszeit (um 300 ms) um Signalspitzen anzuzeigen. Sie werden daher manchmal mit einer zusätzlichen einzelnen LED zur Anzeige des Spitzenwerts versehen, was in der Praxis aber eine unzureichende Lösung darstellt.

Neben auf ARD-Normpegel (+6 dBu) geeichten tontechnischen Geräten treten zunehmend auf den internationalen Wert für Vollaussteuerung (+4 dBu, entspr. 1,228 Veff bei sinusförmigem Pegelton) geeichte auf den Markt. Moderne Aussteuerungsmesser besitzen daher einen umschaltbaren Bezugspegel.

Als Hersteller von Aussteuerungsmessern sind im wesentlichen nur noch die Firmen RTW (Köln) sowie DK-Technologies (vormals NTP, Dänemark; Markenname „DK-Audio“) auf dem Markt vertreten (früher z. B. auch AEG-Telefunken, Siemens oder EAB).

Literatur

  • DIN 45406: Aussteuerungsmesser für elektroakustische Breitbandübertragung.
  • DIN-IEC 60268-10: Elektroakustische Geräte – Teil 10: Spitzenspannungs-Aussteuerungsmeßgerät.
  • Michael Dickreiter: Handbuch der Tonstudiotechnik. 6. Auflage. Saur-Verlag, München 2006, ISBN 3-446-40198-9.

Quellen

  1. Michael Dickreiter: Handbuch der Tonstudiotechnik. Saur-Verlag, München.
  2. Technische Richtlinie 3205-E der EBU