„9. Volkspolizei-Kompanie“ – Versionsunterschied

[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:
Die '''9. Volkspolizei-Kompanie''' (kurz ''9. Kompanie'') war eine [[Spezialeinheit]] für [[Terrorismusbekämpfung]] der [[Volkspolizei-Bereitschaft]] des MdI ([[Ministerrat der DDR|Ministerium des Innern]]) der [[DDR]] und dem Chef der Bezirksbehörde der [[Deutsche Volkspolizei|Deutschen Volkspolizei]] (BDVP) [[Potsdam]] unterstellt und in der ehemaligen Heeresunteroffizierschule der [[Wehrmacht]] in [[Eiche (Potsdam)|Eiche bei Potsdam]] stationiert. Einsatzbefehle erteilte ausschließlich der Chef des Stabes des MdI [[Generaloberst]] [[Karl-Heinz Wagner (Generaloberst)|Karl-Heinz Wagner]]. Der [[Minister für Staatssicherheit]] konnte diese Einheit anfordern, wobei die Führung beim MdI verblieb. Die Existenz war [[Verschlusssache|streng geheim]].
Die '''9. Volkspolizei-Kompanie''' (kurz ''9. Kompanie'') war eine [[Spezialeinheit]] für [[Terrorismusbekämpfung]] der [[Volkspolizei-Bereitschaft]] des MdI ([[Ministerrat der DDR|Ministerium des Innern]]) der [[Deutsche Demokratische Republik|DDR]] und dem Chef der Bezirksbehörde der [[Deutsche Volkspolizei|Deutschen Volkspolizei]] (BDVP) [[Potsdam]] unterstellt und in der ehemaligen Heeresunteroffizierschule der [[Wehrmacht]] in [[Eiche (Potsdam)|Eiche bei Potsdam]] stationiert. Einsatzbefehle erteilte ausschließlich der Chef des Stabes des MdI [[Generaloberst]] [[Karl-Heinz Wagner (Generaloberst)|Karl-Heinz Wagner]]. Der [[Minister für Staatssicherheit]] konnte diese Einheit anfordern, wobei die Führung beim MdI verblieb. Die Existenz war [[Verschlusssache|streng geheim]].


Mit Bildung der [[Grenzschutzgruppe 9]] (GSG 9) des [[Bundesgrenzschutz]] wurden auch im MdI der DDR Maßnahmen zur Aufstellung solcher Anti-Terror-Einheiten durchgeführt. Die ''9. VP-Kompanie'' ist nicht identisch mit den „[[Diensteinheiten IX]]“ aus Angehörigen der Kriminal- und Schutzpolizei einiger Bezirksbehörden der DVP (BDVP).
Mit Bildung der [[Grenzschutzgruppe 9]] (GSG 9) des [[Bundesgrenzschutz]] wurden auch im MdI der DDR Maßnahmen zur Aufstellung solcher Anti-Terror-Einheiten durchgeführt. Die ''9. VP-Kompanie'' ist nicht identisch mit den „[[Diensteinheiten IX]]“ aus Angehörigen der Kriminal- und Schutzpolizei einiger Bezirksbehörden der DVP (BDVP).
Zeile 14: Zeile 14:
Die 9. Kompanie gliederte sich in:
Die 9. Kompanie gliederte sich in:
* eine Führungskomponente, bestehend aus:
* eine Führungskomponente, bestehend aus:
** dem Kompaniechef
** dem [[Kompaniechef]]
** dem Stellvertretenden Kompaniechef
** dem Stellvertretenden Kompaniechef
** dem Stellvertreter für Politische Arbeit
** dem Stellvertreter für Politische Arbeit
Zeile 36: Zeile 36:
* Außerdem gab es
* Außerdem gab es
** einen Partei-Sekretär (Er war der Kreisleitung der [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands|SED]] des MdI unterstellt.)
** einen Partei-Sekretär (Er war der Kreisleitung der [[Sozialistische Einheitspartei Deutschlands|SED]] des MdI unterstellt.)
** einen [[FDJ]]-Sekretär (Er war der Kreisleitung der FDJ des MdI unterstellt)
** einen [[Freie Deutsche Jugend|FDJ]]-Sekretär (Er war der Kreisleitung der FDJ des MdI unterstellt)
** dem Abwehroffizier des MfS, der der Hauptabteilung VII ("Abwehr") des MfS direkt unterstellt war.(war nicht Angehöriger der 9.VPK)
** dem Abwehroffizier des MfS, der der Hauptabteilung VII ("Abwehr") des MfS direkt unterstellt war.(war nicht Angehöriger der 9.VPK)


Zeile 52: Zeile 52:
Als Legende kursierte unter den Offizieren der Kasernierten Einheiten:
Als Legende kursierte unter den Offizieren der Kasernierten Einheiten:
„Die 9. Kompanie sei spätestens 1978, annähernd zur gleichen Zeit wie die streng geheime [[Dienststelle Blumberg]], aufgestellt worden.
„Die 9. Kompanie sei spätestens 1978, annähernd zur gleichen Zeit wie die streng geheime [[Dienststelle Blumberg]], aufgestellt worden.
Hierzu wurden einige als Sportlehrer an der [[Deutsche Hochschule für Körperkultur |Deutschen Hochschule für Körperkultur]] in Leipzig ausgebildete Offiziere verwendet. Sie waren ursprünglich für den Truppeneinsatz als Offizier für Ertüchtigung in den [[ Volkspolizei-Bereitschaft|Volkspolizei-Bereitschaften]] vorgesehen.“
Hierzu wurden einige als Sportlehrer an der [[Deutsche Hochschule für Körperkultur|Deutschen Hochschule für Körperkultur]] in Leipzig ausgebildete Offiziere verwendet. Sie waren ursprünglich für den Truppeneinsatz als Offizier für Ertüchtigung in den [[Volkspolizei-Bereitschaft|Volkspolizei-Bereitschaften]] vorgesehen.“


Tatsächlich erließ der Minister des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei am ''1. April 1980'' den Befehl Nr. 0056/80 über die Bildung einer ''Einsatzeinheit des MdI'':
Tatsächlich erließ der Minister des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei am ''1. April 1980'' den Befehl Nr. 0056/80 über die Bildung einer ''Einsatzeinheit des MdI'':
Zeile 59: Zeile 59:
1. (1) Zur Lösung spezieller Aufgaben im Zusammenwirken mit den Kräften der Arbeitsrichtung IX ist eine Einsatzeinheit des MdI auf der Grundlage der bestätigten Strukturdokumente bis zum 30. November 1980 mit Standort Potsdam zu bilden.
1. (1) Zur Lösung spezieller Aufgaben im Zusammenwirken mit den Kräften der Arbeitsrichtung IX ist eine Einsatzeinheit des MdI auf der Grundlage der bestätigten Strukturdokumente bis zum 30. November 1980 mit Standort Potsdam zu bilden.


(2) Mit der Aufstellung der Einsatzeinheit des MdI ist die 8. Kompanie der Transportpolizei aufzulösen.
(2) Mit der Aufstellung der Einsatzeinheit des MdI ist die 8. Kompanie der [[Transportpolizei]] aufzulösen.


(3) Für die Aufstellung der Einsatzeinheit des MdI und die Auflösung der 8. Kompanie der Transportpolizei ist der Chef der BDVP Potsdam verantwortlich.
(3) Für die Aufstellung der Einsatzeinheit des MdI und die Auflösung der 8. Kompanie der Transportpolizei ist der Chef der BDVP Potsdam verantwortlich.
Zeile 80: Zeile 80:
=== Einsätze ===
=== Einsätze ===


Sie kam mehrfach zum Einsatz, so z. B. Anfang der 80er Jahre in [[Frankfurt (Oder)]], als sich zwei ausgebrochene Häftlinge,bewaffnet in einem Hochhaus verschanzten.
Die [[Kompanie (Militär)|Kompanie]] kam mehrfach zum Einsatz, so z. B. Anfang der 80er Jahre in [[Frankfurt (Oder)]], als sich zwei ausgebrochene Häftlinge,bewaffnet in einem Hochhaus verschanzten.
Unter dem Decknamen "Maske" wurden Mitglieder der Einheit in den Babelsberger Filmstudios zu Frauen. Diese fuhren tagelang mit dem Fahrrad einsame Straßen ab, auf denen wenige Stunden vorher scharf bewaffnete Angehörige der Einheit in Büschen und Gräben Stellung bezogen hatten. Ziel war die Dingfestmachung eines Sexualstraftäters.
Unter dem Decknamen "Maske" wurden Mitglieder der Einheit in den Babelsberger Filmstudios zu Frauen. Diese fuhren tagelang mit dem Fahrrad einsame Straßen ab, auf denen wenige Stunden vorher scharf bewaffnete Angehörige der Einheit in Büschen und Gräben Stellung bezogen hatten. Ziel war die Dingfestmachung eines Sexualstraftäters.
Die Einheit sicherte im Dezember 1981 den Besuch von [[Helmut Schmidt]] in [[Güstrow]] ab. Unter anderem wurde sie auch für [[Überwachung|Wachaufgaben]] mit dem Hintergrund der Verhinderung von [[Geiselnahme]]n und [[Attentat]]en im Rahmen der [[Leipziger Messe]] eingesetzt. Ein weiterer Einsatz erfolgte am Abend des 12. Dezember 1986 zur Abriegelung und Sicherstellung der [[Aeroflot]]-Maschine vom Typ [[Tu-134]], die bei [[Berlin-Bohnsdorf]] beim Landeanflug abgestürzt war.
Die Einheit sicherte im Dezember 1981 den Besuch von [[Helmut Schmidt]] in [[Güstrow]] ab. Unter anderem wurde sie auch für [[Überwachung|Wachaufgaben]] mit dem Hintergrund der Verhinderung von [[Geiselnahme]]n und [[Attentat]]en im Rahmen der [[Leipziger Messe]] eingesetzt. Ein weiterer Einsatz erfolgte am Abend des 12. Dezember 1986 zur Abriegelung und Sicherstellung der [[Aeroflot]]-Maschine vom Typ [[Tu-134]], die bei [[Berlin-Bohnsdorf]] beim Landeanflug abgestürzt war.

Version vom 4. August 2012, 11:22 Uhr

Die 9. Volkspolizei-Kompanie (kurz 9. Kompanie) war eine Spezialeinheit für Terrorismusbekämpfung der Volkspolizei-Bereitschaft des MdI (Ministerium des Innern) der DDR und dem Chef der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei (BDVP) Potsdam unterstellt und in der ehemaligen Heeresunteroffizierschule der Wehrmacht in Eiche bei Potsdam stationiert. Einsatzbefehle erteilte ausschließlich der Chef des Stabes des MdI Generaloberst Karl-Heinz Wagner. Der Minister für Staatssicherheit konnte diese Einheit anfordern, wobei die Führung beim MdI verblieb. Die Existenz war streng geheim.

Mit Bildung der Grenzschutzgruppe 9 (GSG 9) des Bundesgrenzschutz wurden auch im MdI der DDR Maßnahmen zur Aufstellung solcher Anti-Terror-Einheiten durchgeführt. Die 9. VP-Kompanie ist nicht identisch mit den „Diensteinheiten IX“ aus Angehörigen der Kriminal- und Schutzpolizei einiger Bezirksbehörden der DVP (BDVP).

Das MfS verfügte mit der HA XXII ("Terrorabwehr") über eine eigene Antiterroreinheit, diese Fähigkeiten gab es aber auch in diversen weiteren Diensteinheiten, zum Beispiel im Wachregiment Feliks Dzierzynski, das seine Antiterrorkomponente bei Erkner, auf Rügen und bei Teupitz ausbildete. Verschiedene Fachpublikationen gehen davon aus, dass die 9. Volkspolizei-Kompanie des MdI tatsächlich eine komplett legendierte MfS-Diensteinheit war, so wie das auch bei Teilen der Kriminalpolizei (K) der Volkspolizei der Fall war.

Auftrag

Die 9. Volkspolizei-Kompanie war spezialisiert auf Terrorismusbekämpfung, Geiselbefreiung und Personenschutz und kam immer dann zum Einsatz, wenn besondere Gefährdungslagen vorlagen, also auch bei der Bekämpfung von Schwerstkriminalität und Amokläufen von psychisch gestörten Tätern.

Organisation

Gliederung

Die 9. Kompanie gliederte sich in:

  • eine Führungskomponente, bestehend aus:
    • dem Kompaniechef
    • dem Stellvertretenden Kompaniechef
    • dem Stellvertreter für Politische Arbeit
    • dem Innendienstleiter
    • dem Waffenmeister
    • dem Schirrmeister
    • dem Meister für Organisation (Verwalter für Vorschriften u. Ä.)
    • den Zugführern
    • den Gruppenführern
    • dem Kompanietrupp mit:
      • Sicherstellungskräften/Küchentrupp
      • einer Regulierungsgruppe
      • drei Schützenpanzerwagen/SPW PSH
      • Nachrichtengruppe mit SPW PSH K2 (Führung)und R-123, UM 2, R 108, UFT und UFS
  • den Einheiten
  • Außerdem gab es
    • einen Partei-Sekretär (Er war der Kreisleitung der SED des MdI unterstellt.)
    • einen FDJ-Sekretär (Er war der Kreisleitung der FDJ des MdI unterstellt)
    • dem Abwehroffizier des MfS, der der Hauptabteilung VII ("Abwehr") des MfS direkt unterstellt war.(war nicht Angehöriger der 9.VPK)

Truppenstärke

Die Truppenstärke betrug 111 Mann:

  • 8 Offiziere
  • 90 Unterführer, davon 17 Berufsunterführer
  • 13 Wm.

(Quelle: Stellenplan der Einsatzeinheit des MdI, gültig ab 1. November 1980, GVS I 052360 )

Geschichte

Gründung

Als Legende kursierte unter den Offizieren der Kasernierten Einheiten: „Die 9. Kompanie sei spätestens 1978, annähernd zur gleichen Zeit wie die streng geheime Dienststelle Blumberg, aufgestellt worden. Hierzu wurden einige als Sportlehrer an der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig ausgebildete Offiziere verwendet. Sie waren ursprünglich für den Truppeneinsatz als Offizier für Ertüchtigung in den Volkspolizei-Bereitschaften vorgesehen.“

Tatsächlich erließ der Minister des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei am 1. April 1980 den Befehl Nr. 0056/80 über die Bildung einer Einsatzeinheit des MdI:

… 1. (1) Zur Lösung spezieller Aufgaben im Zusammenwirken mit den Kräften der Arbeitsrichtung IX ist eine Einsatzeinheit des MdI auf der Grundlage der bestätigten Strukturdokumente bis zum 30. November 1980 mit Standort Potsdam zu bilden.

(2) Mit der Aufstellung der Einsatzeinheit des MdI ist die 8. Kompanie der Transportpolizei aufzulösen.

(3) Für die Aufstellung der Einsatzeinheit des MdI und die Auflösung der 8. Kompanie der Transportpolizei ist der Chef der BDVP Potsdam verantwortlich.

2. Die Einsatzeinheit des MdI wird dem Chef der BDVP Potsdam unterstellt.

3. Der Einsatz der Einsatzeinheit erfolgt auf der Grundlage vom Minister des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei bestätigter Einsatzgrundsätze.

7. (1) Die Einsatzausbildung der Einsatzeinheit ist auf der Grundlage eines ihren Einsatzgrundsätzen entsprechenden und durch die Hauptabteilung Bereitschaften zu erarbeitenden Ausbildungsprogramm zu organisieren und ab 1. Dezember 1980 planmäßig durchzuführen.

10. Die Einsatzbereitschaft der Einsatzeinheit des MdI ist bis zum 30. März 1981 herzustellen.

(Quelle: Bundesarchiv DO 1/0.2.2, GVS I 056101 Bl. 1 bis 3, Persönlich)

Erfahrungen in der Ausbildung von Spezial-Aufklärungskräften lagen mit den durchgeführten „Einzelkämpferkursen“ nach Vorbild der Infanterieschule Hammelburg der Bundeswehr an der Offiziershochschule Dresden vor. Diese einwöchigen Kurse (Überprüfung) liefen ab 1971 jeweils im 3. Studienjahr vor der Verwendungsausbildung. Er lief 1974 letztmals. Die Ausbildung von Spezial-Aufklärungszugführern lief weiter.

Einsätze

Die Kompanie kam mehrfach zum Einsatz, so z. B. Anfang der 80er Jahre in Frankfurt (Oder), als sich zwei ausgebrochene Häftlinge,bewaffnet in einem Hochhaus verschanzten. Unter dem Decknamen "Maske" wurden Mitglieder der Einheit in den Babelsberger Filmstudios zu Frauen. Diese fuhren tagelang mit dem Fahrrad einsame Straßen ab, auf denen wenige Stunden vorher scharf bewaffnete Angehörige der Einheit in Büschen und Gräben Stellung bezogen hatten. Ziel war die Dingfestmachung eines Sexualstraftäters. Die Einheit sicherte im Dezember 1981 den Besuch von Helmut Schmidt in Güstrow ab. Unter anderem wurde sie auch für Wachaufgaben mit dem Hintergrund der Verhinderung von Geiselnahmen und Attentaten im Rahmen der Leipziger Messe eingesetzt. Ein weiterer Einsatz erfolgte am Abend des 12. Dezember 1986 zur Abriegelung und Sicherstellung der Aeroflot-Maschine vom Typ Tu-134, die bei Berlin-Bohnsdorf beim Landeanflug abgestürzt war.

Verweise

Film

  • Rolf Sakulowski: DDR – Geheim: Die unbekannten Seiten der DDR – Teil 1: „Das unsichtbare Kommando“. Dieser Film behandelt die Diensteinheit IX der BDVP Potsdam (jetzt SEK Land Brandenburg) und erwähnt nur am Rande die 9. Kompanie.

Literatur

  • Jörn Steike: Die Bereitschaftspolizei der DDR 1950–1990. Geschichte – Struktur – Aufgaben – Rechtliche Ausgestaltung. tuduv-Verlags-Gesellschaft, München 1992, ISBN 3-88073-443-7, (Tuduv-Studien - Reihe Politikwissenschaften 55).