„Jugendanwaltschaft“ – Versionsunterschied

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Die '''Jugendanwaltschaft''' oder ''Jugendstaatsanwaltschaft'' gehört in der Schweiz zu den [[Strafverfolgungsbehörde]]n. Sie ist zuständig für die Ermittlungen und Durchführung von Strafverfahren bei Jugendlichen im Alter von zehn bis achtzehn Jahren.<ref>[https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/djsg/sta/ueberuns/DieJugendanwaltschaft/Seiten/default.aspx ''Aufgaben der Jugendanwaltschaft''] Staatsanwaltschaft Kanton Graubünden, Website abgerufen am 24. November 2018</ref>
Unter '''Jugendanwaltschaft''' versteht man die in den meisten [[Kanton (Schweiz)|Kantonen]] der [[Schweiz]] zuständige Strafbehörde für Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren. Jugendanwaltschaft wird in- wie extern häufig als "JUGA" abgekürzt.


Die Jugendanwaltschaft wird in- wie extern häufig als "Juga" abgekürzt.
== Aufgaben und Zuständigkeit ==
Die Jugendanwaltschaft verfolgt und beurteilt die Straftaten von Jugendlichen. Dabei kommt ihr im Verfahren gegen Minderjährige u.a. die Stellung der [[Staatsanwaltschaft]] zu. Örtlich zuständig ist sie - im Gegensatz zu den Staatsanwaltschaften im Verfahren gegen Erwachsene - am gewönlichen Aufenthaltsort des oder der Jugendlichen. Verfügt eine beschuldigte Person über keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, so ist die Jugendanwaltschaft am Ort des Delikts zuständig.


== Gesetzliche Grundlagen ==
Während der Untersuchung ist die Jugendanwaltschaft ''Herrin des Verfahrens'' und ihr kommen umfassende Weisungskompetenzen gegenüber der [[Polizei]] zu. Anders als in der Strafverfolgung Erwachsener haben weder Übertretungsstrafbehörden noch die Bundesanwaltschaft Kompetenz zur Verfolgung der Straftaten Jugendlicher.
[[Strafmündigkeit#Rechtliche Situation in der Schweiz|Strafmündigkeit]] tritt in der Schweiz mit Vollendung des 10. Lebensjahres ein, [[Volljährigkeit#Schweiz|Volljährigkeit]] mit Vollendung des 18. Lebensjahres. Bei einer Straftat eines noch nicht 10-jährigen Kindes kann die [[Kindes- und Erwachsenenschutzrecht#Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde|Kindesschutzbehörde]] (KESB) eine Kindesschutzmassnahme anordnen.<ref>[https://www.kesb-zh.ch/kindesschutzmassnahmen ''Kindesschutzmassnahmen''] Website der KESB im Kanton Zürich, abgerufen am 24. November 2018</ref>


Grundlage jeglicher Tätigkeit der Jugendanwaltschaften bilden das Jugendstrafgesetz (JStG)<ref>[https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20031353/index.html ''Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht (Jugendstrafgesetz, JStG)''] vom 20. Juni 2003 (Stand am 1. Januar 2018)</ref> und die Jugendstrafprozessordnung (JStPO)<ref>[https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20080702/index.html ''Schweizerische Jugendstrafprozessordnung (Jugendstrafprozessordnung, JStPO)''] vom 20. März 2009 (Stand am 1. Januar 2015)</ref> und – soweit anwendbar – das [[Strafgesetzbuch (Schweiz)|Schweizerische Strafgesetzbuch]] (StGB) und die [[Strafprozessordnung (Schweiz)|Strafprozessordnung]] (StPO) in Verbindung mit dem Einführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung (EG-StPO).<ref>[https://www.gesetzessammlung.sg.ch/frontend/versions/2405 ''Einführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung (EG-StPO)''] vom 3. August 2010, in Vollzug seit: 1. Januar 2011</ref>
Ebenfalls abweichend zum Erwachsenenstrafrecht ist die Jugendanwaltschaft nicht nur Anklage- sondern auch Vollzugsbehörde.


Die Errichtung der Jugendanwaltschaften ist Angelegenheit der Kantone (Art. 2, Art. 6 1c JStPO). Dies hat zur Folge, dass in einigen Kantonen eine einzige Jugendanwaltschaft für den ganzen Kanton zuständig ist,<ref>vgl. Marianne Aeberhard, Christoph Urwyler: [https://www.soziale-arbeit.bfh.ch/uploads/tx_frppublikationen/Broschuere_Praxisanalyse_050308.pdf ''Organisation und Funktionsweise der Jugendstrafrechtspflege. Darstellung am Beispiel von sechs Kantonen der Deutschschweiz''] ''Ein Bericht im Rahmen des Forschungsprojekts „Klientel und Praxis der Jugendstrafrechtspflege“.'' Berner Fachhochschule, Februar 2008, S. 6 für den Kanton [[Basel-Landschaft]]</ref> in einigen die Jugendanwaltschaft eine Abteilung der [[Staatsanwalt#Schweiz|Staatsanwaltschaft]] ist,<ref>vgl. Art. 26b [https://lex.vs.ch/frontend/versions/2343#/de/artncre_18079 ''Gesetz über die Rechtspflege (RPflG)''] für den [[Kanton Wallis]]</ref> während im [[Kanton Zürich]] die fünf Jugendanwaltschaften der Oberjugendanwaltschaft unterstellt sind,<ref>[http://www.jugendstrafrechtspflege.zh.ch/internet/justiz_inneres/jst/de/home.html ''Jugendstrafrechtspflege''] Website des Kantons Zürich, Direktion der Justiz und des Innern, abgerufen am 25. November 2018</ref> wobei der Oberjugendanwaltschaft gegenüber den Jugendanwaltschaften dieselben Rechte und Kompetenzen zukommen wie der Oberstaatsanwaltschaft gegenüber den Staatsanwaltschaften.
== Gesetzliche Grundlagen ==
Grundlage jeglicher Tätigkeit der Jugendanwaltschaften bilden das Jugendstrafgesetz und die Jugendstrafprozessordnung und - soweit anwendbar - das [[Strafgesetzbuch (Schweiz)]] und die [[Strafprozessordnung (Schweiz)]]. Daneben gelten diverse kantonale Erlasse und Gesetze.


== Aufgaben und Zuständigkeit ==
== Verfahren vor der Jugendanwaltschaft ==
Die Jugendanwaltschaft verfolgt und beurteilt die Straftaten von Jugendlichen und hat gem. Art. 21 JStPO folgende Aufgaben:
Die Jugendanwaltschaft wird tätig aufgrund einer polizeilichen Verzeigung oder einer Anzeige bei ihr selbst. Sie untersucht dabei, was genau geschehen ist und wie dies rechtlich zu bewerten ist.
# Sie erhebt Anklage vor dem [[Jugendgericht#Schweiz|Jugendgericht]],
# kann an der Hauptverhandlung vor dem Jugendgericht und vor der Berufungsinstanz teilnehmen; sie ist dazu verpflichtet, wenn das Gericht sie dazu auffordert,
# kann gegen Urteile des Jugendgerichts Berufung einlegen,
# vertritt die Anklage vor der Berufungsinstanz und
# nimmt jene Aufgaben wahr, welche ihr das kantonale Recht überträgt.


Örtlich zuständig ist sie im Gegensatz zu den Staatsanwaltschaften im Verfahren gegen Erwachsene am gewöhnlichen Aufenthaltsort des oder der Jugendlichen. Verfügt eine beschuldigte Person über keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, so ist die Jugendanwaltschaft am Ort des Delikts zuständig.
Gewöhnlich wird die beschuldigte Person mit Vorladung auf die Jugendanwaltschaft aufgeboten und hat zum vorgeworfenen Tatbestand Stellung zu nehmen. Des Weiteren wird die persönliche Situation des oder der Jugendlichen abgeklärt. Ergeben sich Hinweise auf das Bedürfnis weitergehender Betreuung, verfügt die Jugendanwaltschaft vorsorgliche Massnahmen wie z.B. Psychotherapie, Fremdplatzierung oder Unterbringung in einer Erziehungsanstalt.


Während der Untersuchung ist die Jugendanwaltschaft ''Herrin des Verfahrens''. Ihr kommen umfassende Weisungskompetenzen gegenüber der [[Polizei]] zu. Anders als in der Strafverfolgung Erwachsener haben weder Übertretungsstrafbehörden noch die Bundesanwaltschaft Kompetenz zur Verfolgung der Straftaten Jugendlicher.
Zumeist wird das Verfahren mit einem Strafbefehl abgeschlossen. Übersteigt die gesetzliche Sanktion die Strafkompetenz der Jugendanwältin oder des Jugendanwalts oder ist eine dauerhafte Unterbringung angezeigt, erhebt die Jugendanwaltschaft Anklage an das Jugendgericht.


== Kompetenzen der Jugendanwaltschaft ==
Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft kann die Jugendanwaltschaft auch [[Untersuchungshaft]] bis zu sieben Tagen in eigener Kompetenz anordnen. Erst danach ist das Gericht anzurufen.
Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft kann die Jugendanwaltschaft auch [[Untersuchungshaft]] bis zu sieben Tagen in eigener Kompetenz anordnen. Erst danach ist das Gericht anzurufen.


Einschneidende Massnahmen wie vorsorgliche Unterbringung, geschlossene Beobachtung etc. können sofern angezeigt angeordnet werden.
Einschneidende Massnahmen wie vorsorgliche Unterbringung, geschlossene Beobachtung etc. können sofern angezeigt angeordnet werden. Im Kanton Zürich geriet die Behörde im Rahmen des sogenannten „Fall Carlos“ unter starke mediale Kritik, insbesondere durch das von der Firma [[RiesenOggenfuss|RiesenOggenfuss GmbH]] durchgeführte [[Setting (Psychologie)|Sondersetting]].<ref>Tages-Anzeiger: [http://www.tagesanzeiger.ch/dossiers/zuerich/dossier2.html?dossier_id=2153 Dossier: Der Fall Carlos]</ref>


Zwangsmassnahmen wie Hausdurchsuchung und Vorführung werden bei Notwednigkeit ebenfalls verfügt.
Zwangsmassnahmen wie Hausdurchsuchung und Vorführung werden bei Notwendigkeit ebenfalls verfügt.


Abweichend zum Erwachsenenstrafrecht ist die Jugendanwaltschaft nicht nur Anklage-, sondern auch Vollzugsbehörde (Art. 21 EG-StPO).
== Organisation ==

Die Organisation der Jugendanwaltschaften ist Angelegenheit der Kantone. Dies hat zur Folge, dass in einigen Kantonen eine einzige Jugendanwaltschaft für den ganzen Kanton zuständig ist, in einigen die Jugendanwaltschaft sodann eine Abteilung der Staatsanwaltschaft ist, während im Kanton Zürich die fünf Jugendanwaltschaften der Oberjugendanwaltschaft unterstellt sind, wobei der Oberjugendanwaltschaft gegenüber den Jugendanwaltschaften die selben Rechte und Kompetenzen zukommen wie der Oberstaatsanwaltschaft gegenüber den Staatsanwaltschaften.
== Verfahren vor der Jugendanwaltschaft ==
Die Jugendanwaltschaft wird tätig aufgrund einer polizeilichen Verzeigung oder einer Anzeige bei ihr selbst. Sie untersucht dabei, was genau geschehen ist und wie dies rechtlich zu bewerten ist.

Gewöhnlich wird die beschuldigte Person mit Vorladung auf die Jugendanwaltschaft aufgeboten und hat zum vorgeworfenen Tatbestand Stellung zu nehmen. Des Weiteren wird die persönliche Situation des oder der Jugendlichen abgeklärt. Ergeben sich Hinweise auf das Bedürfnis weitergehender Betreuung, verfügt die Jugendanwaltschaft vorsorgliche Massnahmen wie z.&nbsp;B. Psychotherapie, Fremdplatzierung oder Unterbringung in einer Erziehungsanstalt.

Zumeist wird das Verfahren mit einem Strafbefehl abgeschlossen. Übersteigt die gesetzliche Sanktion die Strafkompetenz der Jugendanwältin oder des Jugendanwalts oder ist eine dauerhafte Unterbringung angezeigt, erhebt die Jugendanwaltschaft Anklage an das Jugendgericht.


Die Jugendanwaltschaften bilden zumeist ein interdisziplinäres Team aus
Die Jugendanwaltschaften bilden zumeist ein interdisziplinäres Team aus
* Jugendanwältinnen und Jugendanwälten ([[Jurist|Juristen]])
* Jugendanwältinnen und Jugendanwälten ([[Jurist]]en)
* Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ([[Soziale Arbeit]])
* Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ([[Soziale Arbeit]])
* Verwaltungssekretärinnen und Verwaltungssekretären ([[Öffentliche Verwaltung|Verwaltungspersonal]])
* Verwaltungssekretärinnen und Verwaltungssekretären ([[Öffentliche Verwaltung|Verwaltungspersonal]])


== Weblinks ==
== Literatur ==
* Peter Aebersold, Ineke Pruin, Jonas Peter Weber: ''Schweizerisches Jugendstrafrecht.'' 4. Auflage. Stämpfli, Bern 2024, ISBN 978-3-7272-3543-6.
[http://www.jugendstrafrechtspflege.zh.ch/internet/justiz_inneres/jst/de/home.html Jugendstrafrechtspflege Kanton Zürich]
* P. Manzoni, D. Baier, S. Eberitzsch: ''Zum Umgang mit Jugendkriminalität in der Schweiz.'' In: Bernd Dollinger, Henning Schmidt-Semisch (Hrsg.): ''Handbuch Jugendkriminalität. Interdisziplinäre Perspektiven.'' Springer VS, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-531-19952-8.


== Weblinks ==
[http://www.julex.ch/ Schweizerische Vereinigung für Jugendstrafrechtspflege]
* [http://www.julex.ch/ Schweizerische Vereinigung für Jugendstrafrechtspflege]


== Einzelnachweise ==
[http://www.admin.ch/ch/d/sr/c311_1.html JStG]
<references />


{{Rechtshinweis}}
[http://www.admin.ch/ch/d/sr/c312_1.html JStPO]


[[Kategorie:Strafrecht (Schweiz)]]
[http://www.staatsanwaltschaft.tg.ch/xml_51/internet/de/application/f11670.cfm Jugendanwaltschaft Thurgau]
[[Kategorie:Strafprozessrecht]]
[[Kategorie:Jugend und Recht]]
[[Kategorie:Kindheit und Jugend (Schweiz)]]

Aktuelle Version vom 21. Februar 2024, 10:47 Uhr

Die Jugendanwaltschaft oder Jugendstaatsanwaltschaft gehört in der Schweiz zu den Strafverfolgungsbehörden. Sie ist zuständig für die Ermittlungen und Durchführung von Strafverfahren bei Jugendlichen im Alter von zehn bis achtzehn Jahren.[1]

Die Jugendanwaltschaft wird in- wie extern häufig als "Juga" abgekürzt.

Gesetzliche Grundlagen

Strafmündigkeit tritt in der Schweiz mit Vollendung des 10. Lebensjahres ein, Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres. Bei einer Straftat eines noch nicht 10-jährigen Kindes kann die Kindesschutzbehörde (KESB) eine Kindesschutzmassnahme anordnen.[2]

Grundlage jeglicher Tätigkeit der Jugendanwaltschaften bilden das Jugendstrafgesetz (JStG)[3] und die Jugendstrafprozessordnung (JStPO)[4] und – soweit anwendbar – das Schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) und die Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit dem Einführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung (EG-StPO).[5]

Die Errichtung der Jugendanwaltschaften ist Angelegenheit der Kantone (Art. 2, Art. 6 1c JStPO). Dies hat zur Folge, dass in einigen Kantonen eine einzige Jugendanwaltschaft für den ganzen Kanton zuständig ist,[6] in einigen die Jugendanwaltschaft eine Abteilung der Staatsanwaltschaft ist,[7] während im Kanton Zürich die fünf Jugendanwaltschaften der Oberjugendanwaltschaft unterstellt sind,[8] wobei der Oberjugendanwaltschaft gegenüber den Jugendanwaltschaften dieselben Rechte und Kompetenzen zukommen wie der Oberstaatsanwaltschaft gegenüber den Staatsanwaltschaften.

Aufgaben und Zuständigkeit

Die Jugendanwaltschaft verfolgt und beurteilt die Straftaten von Jugendlichen und hat gem. Art. 21 JStPO folgende Aufgaben:

  1. Sie erhebt Anklage vor dem Jugendgericht,
  2. kann an der Hauptverhandlung vor dem Jugendgericht und vor der Berufungsinstanz teilnehmen; sie ist dazu verpflichtet, wenn das Gericht sie dazu auffordert,
  3. kann gegen Urteile des Jugendgerichts Berufung einlegen,
  4. vertritt die Anklage vor der Berufungsinstanz und
  5. nimmt jene Aufgaben wahr, welche ihr das kantonale Recht überträgt.

Örtlich zuständig ist sie – im Gegensatz zu den Staatsanwaltschaften im Verfahren gegen Erwachsene – am gewöhnlichen Aufenthaltsort des oder der Jugendlichen. Verfügt eine beschuldigte Person über keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, so ist die Jugendanwaltschaft am Ort des Delikts zuständig.

Während der Untersuchung ist die Jugendanwaltschaft Herrin des Verfahrens. Ihr kommen umfassende Weisungskompetenzen gegenüber der Polizei zu. Anders als in der Strafverfolgung Erwachsener haben weder Übertretungsstrafbehörden noch die Bundesanwaltschaft Kompetenz zur Verfolgung der Straftaten Jugendlicher.

Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft kann die Jugendanwaltschaft auch Untersuchungshaft bis zu sieben Tagen in eigener Kompetenz anordnen. Erst danach ist das Gericht anzurufen.

Einschneidende Massnahmen wie vorsorgliche Unterbringung, geschlossene Beobachtung etc. können sofern angezeigt angeordnet werden. Im Kanton Zürich geriet die Behörde im Rahmen des sogenannten „Fall Carlos“ unter starke mediale Kritik, insbesondere durch das von der Firma RiesenOggenfuss GmbH durchgeführte Sondersetting.[9]

Zwangsmassnahmen wie Hausdurchsuchung und Vorführung werden bei Notwendigkeit ebenfalls verfügt.

Abweichend zum Erwachsenenstrafrecht ist die Jugendanwaltschaft nicht nur Anklage-, sondern auch Vollzugsbehörde (Art. 21 EG-StPO).

Verfahren vor der Jugendanwaltschaft

Die Jugendanwaltschaft wird tätig aufgrund einer polizeilichen Verzeigung oder einer Anzeige bei ihr selbst. Sie untersucht dabei, was genau geschehen ist und wie dies rechtlich zu bewerten ist.

Gewöhnlich wird die beschuldigte Person mit Vorladung auf die Jugendanwaltschaft aufgeboten und hat zum vorgeworfenen Tatbestand Stellung zu nehmen. Des Weiteren wird die persönliche Situation des oder der Jugendlichen abgeklärt. Ergeben sich Hinweise auf das Bedürfnis weitergehender Betreuung, verfügt die Jugendanwaltschaft vorsorgliche Massnahmen wie z. B. Psychotherapie, Fremdplatzierung oder Unterbringung in einer Erziehungsanstalt.

Zumeist wird das Verfahren mit einem Strafbefehl abgeschlossen. Übersteigt die gesetzliche Sanktion die Strafkompetenz der Jugendanwältin oder des Jugendanwalts oder ist eine dauerhafte Unterbringung angezeigt, erhebt die Jugendanwaltschaft Anklage an das Jugendgericht.

Die Jugendanwaltschaften bilden zumeist ein interdisziplinäres Team aus

Literatur

  • Peter Aebersold, Ineke Pruin, Jonas Peter Weber: Schweizerisches Jugendstrafrecht. 4. Auflage. Stämpfli, Bern 2024, ISBN 978-3-7272-3543-6.
  • P. Manzoni, D. Baier, S. Eberitzsch: Zum Umgang mit Jugendkriminalität in der Schweiz. In: Bernd Dollinger, Henning Schmidt-Semisch (Hrsg.): Handbuch Jugendkriminalität. Interdisziplinäre Perspektiven. Springer VS, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-531-19952-8.

Einzelnachweise

  1. Aufgaben der Jugendanwaltschaft Staatsanwaltschaft Kanton Graubünden, Website abgerufen am 24. November 2018
  2. Kindesschutzmassnahmen Website der KESB im Kanton Zürich, abgerufen am 24. November 2018
  3. Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht (Jugendstrafgesetz, JStG) vom 20. Juni 2003 (Stand am 1. Januar 2018)
  4. Schweizerische Jugendstrafprozessordnung (Jugendstrafprozessordnung, JStPO) vom 20. März 2009 (Stand am 1. Januar 2015)
  5. Einführungsgesetz zur Schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung (EG-StPO) vom 3. August 2010, in Vollzug seit: 1. Januar 2011
  6. vgl. Marianne Aeberhard, Christoph Urwyler: Organisation und Funktionsweise der Jugendstrafrechtspflege. Darstellung am Beispiel von sechs Kantonen der Deutschschweiz Ein Bericht im Rahmen des Forschungsprojekts „Klientel und Praxis der Jugendstrafrechtspflege“. Berner Fachhochschule, Februar 2008, S. 6 für den Kanton Basel-Landschaft
  7. vgl. Art. 26b Gesetz über die Rechtspflege (RPflG) für den Kanton Wallis
  8. Jugendstrafrechtspflege Website des Kantons Zürich, Direktion der Justiz und des Innern, abgerufen am 25. November 2018
  9. Tages-Anzeiger: Dossier: Der Fall Carlos