„Teutonismus (Sprache)“ – Versionsunterschied

[ungesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K Quellen aus der Diskussion
(Eine dazwischenliegende Version desselben Benutzers wird nicht angezeigt)
Zeile 144: Zeile 144:


==Literatur==
==Literatur==
* Ulrich Ammon, Hans Bickel, Jakob Ebner u. a.: [[Variantenwörterbuch des Deutschen]]. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. Berlin/New York 2004. ISBN 3-11-016574-0.
* Ulrich Ammon: Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Berlin/New York 1995.
* Ulrich Ammon: Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Berlin/New York 1995.
* Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Band III: 19. und 20. Jahrhundert, Berlin/New York 1999. S. 412-453.
* Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Band III: 19. und 20. Jahrhundert, Berlin/New York 1999. S. 412-453.

Version vom 12. Juli 2006, 20:57 Uhr

Als Teutonismus bezeichnet man in der Germanistik wertfrei ein Merkmal der deutschen Standardsprache, das nur in Deutschland oder Teilen davon verwendet wird.

In den anderen deutschsprachigen Ländern (v.a. Deutschschweiz und Österreich) sind diese Elemente entweder

  • völlig unbekannt oder
  • signifikant seltener als in Deutschland oder
  • sie werden zwar verstanden, aber nicht aktiv gebraucht (und wenn, dann höchstens, um einer Aussage oder einem Text absichtlich ein bundesdeutsches Gepräge zu geben).

Woher ein Teutonismus letztlich stammt, ist für diese Art von Fragestellung nicht von Belang.

Zur passiven Bekanntheit vieler Teutonismen (v.a. des Wortschatzes) auch über deren ursprüngliches Verbreitungsgebiet hinaus haben die modernen Massenmedien viel beigetragen.

Begriffsgeschichte

Das Vorbild für den Ausdruck Teutonismus war der Begriff Helvetismus, womit man ein Merkmal der deutschen Standardsprache bezeichnet, das nur in der deutschsprachigen Schweiz verwendet wird.

Dieser Begriff war vom Namen des antiken Volksstamms der Helvetier abgeleitet worden, die im Altertum das Gebiet der heutigen Schweiz bewohnten. Analog dazu wurde in den 1980er Jahren vom antiken Volksstamm der Teutonen aus der Begriff Teutonismus geschaffen.

Dieser wird jedoch mancherorts als problematisch betrachtet, dies vor allem wegen der negativen Nebenbedeutungen des Begriffs „Teutonen“.

Deshalb wurden verschiedene andere, weniger missverständliche Ausdrücke vorgeschlagen, doch sind auch diese nicht unproblematisch:

  • Germanismus oder Germanizismus geht an der Tatsache vorbei, dass das Deutsche eine von vielen germanischen Sprachen ist;
  • Binnendeutsch provoziert Gegensatzbildungen wie Außendeutsch; damit wird aber das Deutsche in Deutschland auf allzu deutliche Art ins Zentrum gerückt, währenddem die Varianten der deutschen Sprache außerhalb von Deutschland implizit zu Randerscheinungen werden; oder aber es wird der Eindruck eines „hinterländischen“ Deutsch erweckt, dem der Kontakt zu anderen Sprachräumen und damit eine gewisse „Weltläufigkeit“ fehle (in dieser Bedeutung häufig von Österreichern benutzt)
  • das seit der Reichsgründung von 1871 aufgekommene Reichsdeutsch ist aufgrund der veränderten Staatsbezeichnung und möglichen Assoziationen zum Dritten Reich heute nicht mehr zeitgemäß;
  • stattdessen wäre das der heutigen politischen Situation entsprechende Bundesdeutsch verwendbar, allerdings sind auch die Republik Österreich und die Schweizerische Eidgenossenschaft Bundesstaaten;
  • die Begriffe Deutschlandismus und deutschländisches Deutsch befriedigen aus ästhetischen Gründen nicht und sind zu lang.

Aus diesen Gründen setzt sich in der Fachwelt der Ausdruck Teutonismus immer stärker durch.

Forschungssituation

Die drei Begriffe Helvetismus, Austriazismus und auch Teutonismus sind Zeichen dafür, dass die deutsche Sprache (ebenso wie auch das Englische und Spanische) heute als plurizentrische Sprache angesehen wird.

Da für viele Sprecher des Deutschen das in Deutschland gesprochene und geschriebene Deutsch lange Zeit als die deutsche Sprache schlechthin galt, bestand die Tendenz, Helvetismen und Austriazismen als Abweichung von der Norm zu betrachten. Dies zeigt sich z.B. auch in Wörterbüchern wie dem Duden, der bislang nur Austriazismen und Helvetismen als solche markiert, aber auf Deutschland beschränkte Ausdrücke nicht erwähnt. Dadurch entsteht beim Leser die Illusion, es gebe überhaupt keine deutschen Wörter, die nur in Deutschland gebräuchlich sind.

Die erwähnte mangelnde Sensibilität hat auch Auswirkungen auf den Stand der Forschung: Zwar stehen Helvetismen und Austriazismen seit längerer Zeit im Blickfeld der Forschung, doch existierte bislang keine eigenständige, wissenschaftlich verlässliche Sammlung von Teutonismen. Diese Lücke wird, was den Wortschatz betrifft, durch das 2004 erschienene Variantenwörterbuch des Deutschen gefüllt.

Andere für Deutschland charakteristische Merkmale der deutschen Sprache (Aussprache, Morphologie, Wortbildung und Syntax) sind noch genauer zu erforschen.

Regionale Beschränkung vieler Teutonismen

Noch wenig untersucht ist bislang die nur regionale Ausbreitung vieler dieser deutschen Eigenheiten. Allein schon aufgrund der Größe Deutschlands und wegen des relativ starken Regionalbewusstseins sind viele Teutonismen nur in Teilen Deutschlands bekannt.

Andererseits ist zu bedenken, dass der seit 1871 bestehende deutsche Nationalstaat mit der immer weiter gehenden Vereinheitlichung des öffentlichen Lebens auch sprachlich vereinheitlichend gegen innen gewirkt hat. Gleichzeitig gingen jedoch die Schweiz und Österreich oftmals eigene Wege. Dies betrifft nicht bloß den spezifischen Wortschatz der öffentlichen Verwaltung im engeren Sinne (Statalismen), sondern auch andere, zunehmend zentral gelenkte Teile des Lebens, so zum Beispiel alle Bereiche der Ausbildung und den öffentlichen Verkehr, neuerdings auch die Freizeit.

Teutonismen im Wortschatz

Küche

Haus, Haushalt

  • bohnern (polieren mit Wachs, CH: blochern)
  • Bohnerwachs (CH: Bodenwachs)
  • Diele (Hausflur)
  • Mülleimer (A: Müllkübel, Mistkübel CH: Abfallkübel, Kehrichteimer)
  • Nudelholz (A: Nudelwalker; CH: Wallholz, bair.: Woigler)
  • Reinemachen (Saubermachen)
  • Tüte (A, CH: Sack; A: Sackerl)

Staatsverwaltung

Rechtswesen

Ausbildung

  • Abitur (A, CH: Matura; CH: Matur)
  • Abiturient (CH: Maturand; A,CH: Maturant)
  • Auszubildender bzw. Azubi (A: Lehrling, auch in der bundesdt. Umgangssprache)
  • Bafög (A, CH: nicht vorhanden)
  • die Eins (A, CH, bair.: der Einser)
  • die Grundschule (A: Volksschule; CH: Primarschule)
  • Zensuren (Leistungsbeurteilung, Noten)

Armee

Kirche

  • Küster (Mesner; CH [z. T.] Sigrist)
  • Traufe ugs. (gleichzeitig durchgeführte Trauung und Taufe eines Kindes der Getrauten)

Verkehr

Handel, Gewerbe, Berufe

Sitten, Gebräuche

Freizeit

  • Freizeit (Gruppenunternehmung über mehrere Tage; A, CH: Lager)

Verschiedenes

  • gerade mal (nur)
  • hoch gehen (A: hinaufgehen, nach oben gehen)
  • kucken/gucken (umgangssprachlich, v.a. Norddeutschland; schauen)
  • anbacken, backsig (umgangssprachlich, v.a. Norddeutschland: ankleben, klebrig)
  • Mensch! (als Ausruf)

Literatur

  • Ulrich Ammon, Hans Bickel, Jakob Ebner u. a.: Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. Berlin/New York 2004. ISBN 3-11-016574-0.
  • Ulrich Ammon: Die deutsche Sprache in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Berlin/New York 1995.
  • Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Band III: 19. und 20. Jahrhundert, Berlin/New York 1999. S. 412-453.