Stop Online Piracy Act

Der Stop Online Piracy Act (SOPA), auch bekannt unter dem Kürzel H.R. 3261, ist ein Gesetzentwurf, der am 26. Oktober 2011 im US-amerikanischen Repräsentantenhaus vom Abgeordneten Lamar S. Smith (Republikanische Partei Texas) und einer Gruppe von zwölf Unterstützern eingebracht wurde. Das Gesetz soll es amerikanischen Urheberrechtsinhabern ermöglichen, die Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte wirksam zu verhindern.[1] Anfang 2012 wird das geplante Gesetz im Justizausschuss des Repräsentantenhauses beraten, was international starke, kontroverse Reaktionen hervorgerufen hat. SOPA baut auf Gesetzen bzw. Gesetzesvorhaben aus den Jahren 2008 und 2011 auf (PRO-IP act und PROTECT IP act (PIPA)).[2]

Inhalt

Das Gesetz würde es dem US-Justizministerium und Urheberrechtsinhabern erlauben, gerichtliche Verfügungen gegen die Betreiber von Internetseiten zu beantragen, die einen Verstoß gegen das US-amerikanische Urheberrecht darstellen. Den Zweck der Maßnahme wählt der Antragsteller. Zum Beispiel kann eine Verfügung Werbeagenturen und Bezahldiensten die Zusammenarbeit mit Inhabern betroffener Internetseiten untersagen und so das Tätigen weiterer Geschäfte verhindern.

Auch das Anzeigen der Internetseite in Suchmaschinen könnte blockiert werden. Durch das Gesetz würde das Herunterladen geschützter Inhalte zu einer schweren Straftat. Denjenigen Internetprovidern, die gegen vermutlich rechtswidrige Internetseiten vorgehen, würde Straffreiheit gewährt. Gleichzeitig würde jeder Urheberrechtsinhaber, der wissentlich falsch darstellt, dass eine Internetseite dementsprechende Gesetzesverstöße begeht, hierfür strafrechtlich belangt werden.[3]

Positionen

Die englischsprachige Wikipedia-Seite zeigte am 18. Januar 2012 eine Protestseite gegen SOPA und PIPA.

Unterstützer des Gesetzes sagen, es diene dazu, Urheberrechte („geistiges Eigentum“) sowie die damit verbundenen Firmen und Arbeitsplätze zu schützen. Auch sei es notwendig, Behörden mit Mitteln auszustatten, die es ihnen erlauben, das Urheberrecht in einem Bezug auf ausländische Internetseiten durchzusetzen.[4] Als Unterstützer hervorgetan haben sich insbesondere große Medienkonzerne sowie deren Interessenverbände, so beispielsweise die Motion Picture Association of America (MPAA) und die Recording Industry Association of America (RIAA). Der Pharmakonzern Pfizer gab während der Anhörung an, dass Patienten nicht immer selbst Webseiten erkennen könnten, die entweder eine falsche Marke angeben oder komplette Fälschungen sind.[5]

Gegner erklärten, es handele sich um eine Zensur,[6] die das Internet knebeln werde.[7] Außerdem sei das Gesetz nicht mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit vereinbar, da es das Whistleblowing entscheidend erschwere oder praktisch unmöglich mache.[8] Kritisiert wird der Gesetzesvorschlag unter anderem von potenziell betroffenen Unternehmen wie Google, Yahoo, Facebook, Ebay[9] sowie von Bürgerrechtlern und Journalisten.[10] Auch das Europäische Parlament unterstrich in einem Entschließungsantrag zum Gipfeltreffen EU-USA im November 2011, „dass die Integrität des weltweiten Internets und die Kommunikationsfreiheit geschützt werden müssen, indem von einseitigen Maßnahmen zum Entzug von IP-Adressen oder Domänennamen abgesehen wird“.[11]

Presseberichten zufolge ziehen Internetunternehmen wie Google, Facebook und Amazon die Möglichkeit in Betracht, ihre Webangebote aus Protest zeitweise vollständig abzuschalten.[12][13] Die englischsprachige Wikipedia ist am 18. Januar 2012 seit 5 Uhr koordinierter Weltzeit (6 Uhr MEZ) für 24 Stunden „abgeschaltet“ worden, indem via Javascript die Seiten mit einem schwarzen Protesthinweis überblendet werden.[14]

Eine Gruppe von Politikern beider großer Parteien hat als Alternative zu SOPA den Online Protection and Enforcement of Digital Trade Act (OPEN Act) vorgeschlagen, mit dem ebenfalls gegen Urheberrechtsverletzungen vorgegangen werden soll, allerdings ohne dabei die Freiheit des Internets zu gefährden.[15]

Der Abgeordnete Lamar S. Smith, der die Gesetzesinitiative ins US-amerikanische Repräsentantenhaus eingebracht hatte, wurde im Januar 2012 selbst bei einer Urheberrechtsverletzung ertappt.[16]

Online-Proteste in den USA werden u. a. damit begründet, dass die großen amerikanischen Rundfunkkonzerne als Unterstützer des Gesetzes bisher so gut wie nicht darüber berichtet haben.[17]

Am 14. Januar 2012 wurde eine offizielle Stellungnahme von drei Mitarbeitern des Weißen Hauses veröffentlicht, die sich gegen den Gesetzentwurf aussprechen.[18] Victoria Espinel, Aneesh Chopra und Howard Schmidt erklären darin, auch angesichts der Gefahren der Online-Piraterie könnten sie ein Gesetz nicht unterstützen, das die Meinungsäußerungsfreiheit einschränke, das Sicherheitsrisiken erhöhe und das die Dynamik und die Innovation im Netz unterminiere.[19]

Gesetzgebungsverfahren

Nachdem der Gesetzentwurf am 26. Oktober 2011 im US-Repräsentantenhaus eingebracht wurde, veranstaltete der Justizausschuss am 16. November 2011 eine Anhörung.[20] Ein Sprecher des Hauses sagte, der Ausschussvorsitzende Smith plane, das Gesetz am 15. Dezember 2011 im Kongress debattieren zu lassen. Die Sache sei noch in Verhandlung, und er sei offen für Veränderungen.[21] Der Ausschussvorsitzende legte am 12. Dezember 2011 einen veränderten SOPA-Gesetzentwurf für die Anhörung am 15. Dezember vor.[22]

Nach langer Debatte im Justizausschuss wurde die Anhörung am 16. Dezember zunächst auf den frühestmöglichen Termin nach den Kongressferien Mitte Januar 2012 vertagt, jedoch kurz darauf stattdessen auf Mittwoch, den 21. Dezember 2011, angesetzt.[23]

Hintergründe der Internationalen Politik

Die US-Handelsvertretung gibt jährlich einen Bericht zum Umgang anderer Staaten mit Rechten an geistigem Eigentum heraus, den sog. Special 301 Report. Einer von Wikileaks öffentlich gemachten Botschafterdepesche vom 25. Februar 2008 ist zu entnehmen[24], dass die USA Spanien drohten, auf dieser Liste inkriminiert zu werden, sollte Spanien nicht „bis zum Sommer 2009“ bestimmte Gesetze gegen „Internetpiraterie“ beschließen. Diese sollten sich auf der Linie bereits beschlossener Gesetze in „Frankreich und/oder Großbritannien“ bewegen. Dabei handelte es sich in Spanien um das Ley de Economía Sostenible, kurz „Ley Sinde“ bzw. „Sinde-Gesetz“ genannt (der Kultusministerin Ángeles González-Sinde wegen). Nachdem durch Wikileaks die Einflussnahme der USA bekannt geworden war, wurde das Gesetzesvorhaben in Spanien zunächst abgelehnt[25], am 30. Dezember 2011 in ähnlicher Weise aber doch beschlossen und sofort durch die USA im „301 Report“ lobend erwähnt, aber eine Weiterbeobachtung und ein Verbleib Spaniens auf der Liste angekündigt.[26] Kommentatoren sehen große Übereinstimmungen zwischen SOPA und „Ley Sinde“.[27] Christian Stöcker spricht diesbezüglich von „Weltweite[n] Internetgesetze[n]“; „US-Konzerne lassen das Netz zensieren“ und verweist auf parallele Gesetze oder Gesetzesvorhaben in Großbritannien (digital economy act), Frankreich (Haute Autorité pour la diffusion des œuvres et la protection des droits sur internet, kurz „Hadopi-Gesetz“), Neuseeland (section 92a des „copyright law“, kurz „S92A“).[28] Auch bei S92A erfolgte eine massive Einflussnahme der USA, wie ebenfalls durch Botschafterdepeschen öffentlich wurde.[29][30]

Einzelnachweise

  1. House Introduces Internet Piracy Bill; Washington Post; 26. Oktober 2011
  2. H.R. 3261, STOP ONLINE PIRACY ACT; House Judiciary Committee; 26. Oktober 2011
  3. The US Stop Online Piracy Act: A Primer; PC World – Business Center; 16. November 2011
  4. Beth Marlowe (17. November 2011): „SOPA (Stop Online Piracy Act) debate: Why are Google and Facebook against it?“, Washington Post. Abgerufen am 17. November 2011.
  5. Testimony of John P Clark; House Judiciary Committee Hearing; 16. November 2011; Seite 3.
  6. Albanesius, Chloe (16. November 2011): „SOPA: Is Congress Pushing Web Censorship? News & Opinion, PCMag.com. Abgerufen am 18. November 2011.
  7. Chloe Albanesius (1. November 2011): „Will Online Piracy Bill Combat 'Rogue' Web Sites or Cripple the Internet?“.
  8. Trevor Timm (2. November 2011): „Proposed Copyright Bill Threatens Whistleblowing and Human Rights. Electronic Frontier Foundation. Abgerufen am 17. November 2011.
  9. Eric Engleman: Google Founder Attacks Piracy Bill Set for House Panel Vote, bloomberg.com, 14. Dezember 2011
  10. Elizabeth Flock: SOPA denounced by newspaper journalists, too, washingtonpost.com, 14. Dezember 2011
  11. GEMEINSAMER ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zum Gipfeltreffen EU-USA am 28. November 2011 Europäisches Parlament am 18. November 2011
  12. Die Welt am 4. Januar 2012: Hollywood bringt Netzaktivisten in Rage. Abgerufen am 9. Januar 2012.
  13. CNET am 29. Dezember 2011: SOPA opponents may go nuclear and other 2012 predictions. Abgerufen am 9. Januar 2012 (englisch).
  14. Wikimedia Foundation: English Wikipedia anti-SOPA blackout. Abgerufen am 17. Januar 2012.
  15. cnn.com: SOPA supporters don't want to compromise, 9. Dezember 2011
  16. Carolin Neumann: Schöpfer des Sopa-Gesetzentwurfs: Copyright-Krieger beim Copyright-Bruch ertappt. In: Spiegel Online. 13. Januar 2012, abgerufen am 18. Januar 2012.
  17. Matthias Finger: SOPA-Proteste in den USA. In: Breitband. DeutschlandRadio Kultur. 14. Januar 2012. Abgerufen am 15. Januar 2012.
  18. Macon Phillips: Obama Administration Responds to We the People Petitions on SOPA and Online Piracy, In: White House Blog, 14. Januar 2012. Abgerufen am 15. Januar 2012.
  19. Victoria Espinel, Aneesh Chopra, Howard Schmidt: Combating Online Piracy while Protecting an Open and Innovative Internet. Official White House response. In: whitehouse.gov, ohne Datum. Abgerufen am 15. Januar 2012: „While we believe that online piracy by foreign websites is a serious problem that requires a serious legislative response, we will not support legislation that reduces freedom of expression, increases cybersecurity risk, or undermines the dynamic, innovative global Internet.
  20. USA House Of Representatives Committee on The Judiciary (16. November 2011). „Hearing on: H.R. 3261, the „Stop Online Piracy Act“.
  21. SOPA Goes for House Debate December 15; Washington Post; 21. November 2011.
  22. Managers Amendment, 12. Dezember 2011
  23. David Kravets: Stop Online Piracy Act Vote Delayed. Wired, 16. Dezember 2011, abgerufen am 29. Dezember 2011.
  24. [1] und weitere Kabel.
  25. Ralf Streck: Wikileaks kippt spanisches Gesetz zur Webseitenzensur. 22. Dezember 2010, abgerufen am 18. Januar 2012.
  26. [2], S. 39f.
  27. Katrin Haase: Anti-Piraterie: USA drängten Spanien "Sinde-Gesetz" zu erlassen. In: Musikmarkt. 9. Januar 2012, abgerufen am 18. Januar 2012.
  28. Christian Stöcker: Weltweite Internetgesetze: US-Konzerne lassen das Netz zensieren. In: Spiegel Online. 17. Januar 2012, abgerufen am 18. Januar 2012.
  29. America writing our laws? In: The Standard. 3. März 2011, abgerufen am 18. Januar 2012 (englisch).
  30. Matthew Lasar: WikiLeaks: MPAA behind Aussie ISP lawsuit (but don't tell anybody). Abgerufen am 18. Januar 2012.