„Sandstreueinrichtung“ – Versionsunterschied

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Angaben zur Bedienung aktualisiert, es wird im Regelfall nicht mehr gesandet (Sandstreuer ist kein fachlicher Begriff, durch Sandstreueinrichtung ausgetauscht)
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Version vom 16. Januar 2024, 02:02 Uhr

Sandungsvorrichtung an einer Lok der DB-Baureihe 103
Ein ICE 3 sandet bei 300 km/h
Sandeinfüllstutzen am Wagenkasten eines Triebzugs der DB-Baureihe 442

Eine Sandstreueinrichtung ist eine in Schienenfahrzeugen verwendete Einrichtung, bei der mit Hilfe von Druckluft (ca. 8 bar) oder durch Wirkung der Schwerkraft Sand aus einem Vorratsbehälter (Sandkasten) durch Sandfallrohre unter die Räder geblasen bzw. vor den Rädern auf die Schienen gestreut wird, um die Reibung zwischen Rad und Schiene zu erhöhen. Dies ist vor allem bei (etwa aufgrund von Nässe) reduziertem Reibungskoeffizienten und starken Zug- oder Bremskräften sinnvoll, um die Traktions- bzw. Bremswirkung zu verbessern und ein Durchrutschen der Räder (Schleudern bzw. Gleiten) zu verhindern. Steht bei niedrigen Kraftschlusswerten keine funktionierende Sandstreueinrichtung und keine Magnetschienenbremse zur Verfügung, kann es zu deutlich verlängerten Anhaltewegen kommen.[1] Der Sandvorrat ist daher so bemessen, dass er in der Regel nur von Nachschau zu Nachschau ergänzt werden muss.

Als Bremssand kommt Sand mit hoher Festigkeit durch einen hohen Quarzanteil zum Einsatz. Der Sand sollte eine Körnung von 0,8–1,6 mm gemäß TL 918 2243-5 bzw. 0,71–1,6 mm gemäß BN 918 224 (s. Grobsand) haben und lehmfrei sein. Der Sandvorrat ist im Rahmen der Abschlussarbeiten am Fahrzeug zu überprüfen und gegebenenfalls aufzufüllen.

Geschichtliches

Werbung für Lokomotivstreusand der Amberger Kaolinwerke, 1928

Die Erfindung der Sandstreueinrichtung ist einem unbekannten Beschäftigten der Camden and Amboy Railroad (C&A) zu verdanken: 1836 wurde New Jersey durch eine Plage von Grashüpfern heimgesucht. Der Besatz war so dicht, dass die Sicherheit des Zugbetriebes nicht mehr gewährleistet war. Die C&A stellte eigens Personen ein, die die Gleise freifegen sollten, was nur wenig bis gar nichts half. Gleichfalls wurde mit Bürsten und Kratzern experimentiert, die den Lokomotiven vorgespannt wurden, die allerdings die Geschwindigkeiten so stark verzögerten, dass dies sich ebenfalls als nutzlos erwies. Ein Beschäftigter experimentierte mit feinem Sand, der direkt vor der Lokomotive auf die Schienen rieselte, was das Problem löste. Es erwies sich ebenfalls für feuchte und schlüpfrige Schienen im Allgemeinen als nützlich und ist seitdem im Gebrauch.[2]

2017 startete das britische Rail Safety & Standards Board ein Forschungsprojekt, zur Anordnung von Sandstreueinrichtungen und Besandungsraten. Es wurden 225 Versuchsfahrten durchgeführt. Im Ergebnis zeigte sich, dass mit Dual Variable Rate-Sandstreueinrichtungen relativ kurze Bremswege unabhängig von der Adhäsion erreicht werden konnten.[3]

Bedienung der Sandstreueinrichtung

Bremssand auf einer Schiene

Die Sandstreueinrichtung wird vom Führerstand aus bedient. Bei Dampflokomotiven erfolgte die Betätigung über Druckluft, mechanisches Gestänge oder über einen Seilzug; der Sand fiel dann allein durch die Schwerkraft über die Sandrohre vor beide Räder der Achse auf die Schiene. Dabei befand sich der Sandkasten daher oftmals auf dem Scheitel des Langkessels in einem separaten Sanddom, in dem der Sand durch die Kesseltemperatur warm und trocken gehalten wurde. Bei modernen Triebfahrzeugen erfolgt das Sanden auf Tastendruck oder automatisch durch den Gleit- bzw. Schleuderschutz. Dazu wird ein Magnetventil angesteuert, das Druckluft aus der Hauptluftbehälterleitung (HBL) in eine Düse der Sandstreueinrichtung leitet und dadurch bewirkt, dass Sand über eine Schlauch- oder Rohrleitung unter die Räder geblasen wird. Bei modernen Fahrzeugen ist zumeist eine elektrische Heizspirale im Sandvorratsbehälter eingebaut, die den Sand trocken hält. Bei einfachen Verhältnissen kann sich der Sandkasten auch im beheizbaren Fahrgastraum befinden.

Wird das Ansprechen der Gleitschutzeinrichtungen erkannt oder eine Schnellbremsung eingeleitet, muss gemäß DB-Richtlinie[4] die Sandstreueinrichtung betätigt werden. Auf Brücken, Weichen, Drehscheiben, Schiebebühnen, Gleiswaagen und im Bereich von Tankstellen von Schienenfahrzeugen darf jedoch außer bei Gefahr im Verzug nicht gesandet werden, da hier durch Sanden die Funktion beweglicher und empfindlicher Bauteile beeinträchtigt werden könnte.[5]

Gefahren

Gefahr durch mögliche Gleisisolierung

Bei niedriger Geschwindigkeit gestreuter Bremssand kann bei einzeln fahrenden Triebfahrzeugen eine isolierende Wirkung zwischen Rad und Schiene verursachen. Durch so entstandene fehlerhafte Gleisfreimeldungen an elektrischen Gleisstromkreisen kam es wiederholt zu teils tödlichen Unfällen.[6] Das Eisenbahn-Bundesamt wies die Eisenbahnverkehrsunternehmen Ende der 2000er Jahre an, bei scheibengebremsten Triebfahrzeugen das Sanden bei Geschwindigkeiten von 25 km/h (oder weniger) zu vermeiden.[7]

Am 1. August 2013 kam es dann im Mainzer Hauptbahnhof zu einem Beinahe-Zusammenstoß zweier S-Bahn-Züge, da auch hier eine Gleisisolierung stattgefunden hatte.[8][9] Mit Mitteilung vom 8. August 2013 verschärfte das EBA mit sofortiger Wirkung die Regelung zum Bedienen der Sandstreueinrichtung. Galt sie bis dahin für Zug- und Rangierfahrten, bei denen der gebildete Fahrzeugverband insgesamt weniger als neun Radsätze hat oder bei denen zwischen aktiven Sandstreueinrichtungen weniger als neun Radsätze vorhanden waren, war sie nun unabhängig von der Länge bzw. von daher Anzahl der Radsätze.[10]

Gefahr durch mögliches Aufsteigen

Wird an den gleichen Stellen wiederholt gesandet und das Gleis nicht davon befreit, kann es mit unter zu einem Aufsteigen der Schienenfahrzeuge kommen (ähnlich wie in Sandgleisen). Gleisstellen, an denen der Sand seitlich nicht abrutschen kann z. B. bei Bahnübergängen, sind daher besonders anfällig. Negativ beeinflusst der Sand auch die Reibung zwischen Schiene und Spurkranz, was der Spurkranzschmierung entgegenwirkt und wodurch die Gefahr des Aufsteigens steigt.

Sandstreueinrichtung bei Straßenfahrzeugen

Auch bei Straßenfahrzeugen kommen in der Regel Sandstreueinrichtungen zum Einsatz. Im Gegensatz zur Eisenbahn dienen sie dort hauptsächlich als Anfahrhilfe bei schwierigen Straßenverhältnissen. Verbreitet sind Sandstreueinrichtungen auch bei Oberleitungsbussen, die technisch mit der Straßenbahn verwandt sind. Aufgrund von Sicherheitsüberlegungen bezüglich der elektrischen Isolation dürfen diese keine (metallischen) Schneeketten aufziehen, da ansonsten ein Rückstrom über leitende Elemente in der Straße statt über die Fahrleitung auftreten könnte.[11] Es sind aber auch Omnibusse[12][13] und LKW[14][15] bekannt, die mit Sandstreueinrichtungen ausgerüstet wurden. Dabei wird üblicherweise der Sand direkt vor die Antriebsachse gestreut. Der Sandstreueinrichtungen hat den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu Schneeketten direkt einsatzbereit ist und auch auf Straßen ohne Schnee ohne Schäden eingesetzt werden kann.

Literatur

  • Benjamin Büche, Felix Kröger: Kraftübertragung Rad/Schiene – Einfluss von Bremssand auf den Rad-Schiene-Kraftschluss. In: Eisenbahntechnische Rundschau. Nr. 1+2, Januar 2021, ISSN 0013-2845, S. 60–65.
Commons: Sandstreuer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Olga Frank, Frank Minde, Ernst Hohmann, Olaf Gröpler: ATO und Kraftschluss: Berücksichtigung extrem niedriger Kraftschlüsse (xnH) bei ATO. In: ZEVrail, Glasers Annalen, Tagungsband SFT Graz 2022. Band 146, 2022, ISSN 1618-8330, ZDB-ID 2072587-5, S. 80–89.
  2. Michael Portillo: Great American Railroad Journeys. Simon & Schuster UK Ltd., London 2017, ISBN 978-1-4711-5151-4, S. 43.
  3. Roger Ford: Process delays £4m fleet sanding pilot. In: Modern Railways. Nr. 1, Januar 2022, ISSN 0026-8356, S. 26–28.
  4. DB-Richtlinie 915.0107, Abschnitt 2, Absatz 4/5
  5. DB-Richtlinie 492.0001, Abschnitt 3, Absatz 14
  6. Sicherheitsrisiko bei der Bahn: Auf Sand gebremst. Tagesspieegel, 1. April 2013, abgerufen am 3. Januar 2024.
  7. Sicherheit hat oberste Priorität. In: Voraus, Ausgabe Januar/Februar 2009, ISSN 1438-0099, S. 8, 10
  8. Eisenbahnbundesamt ermittelt nach Beinahe-Zusammenstoß zweier S-Bahnen am Mainzer Hauptbahnhof (Memento des Originals vom 28. September 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.allgemeine-zeitung.de von Frank Schmidt-Wyk auf allgemeine-zeitung.de vom 2. August 2013.
  9. Zuviel Bremssand auf dem Gleis (Memento desOriginals vom 1. Oktober 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.swr.de auf swr.de vom 24. September 2013
  10. Das EBA hat die Allgemeinverfügung für das Bedienen der Sandstreueinrichtung auf Schienenfahrzeugen nochmals verschärft. In: eba.bund.de. Eisenbahn-Bundesamt, 8. August 2013, abgerufen am 8. Januar 2022.
  11. Verkehrsbetriebe Luzern: Geschäftsbericht und Rechnung 1999, S. 15
  12. Die spezielle Art zu reisen auf www.schwyzer-poschti.de
  13. Paul F. Schneeberger: Verkehrsbetriebe der Stadt Luzern, 100 Jahre Tram, Autobus und Trolleybus. Minirex, Luzern 1999, ISBN 3-907014-12-X
  14. Y 60 Sandstreuer auf ger.autoline.no
  15. Motorwagenfabrik FBW: Chassis Typen L50, L70