„Politische Korrektheit“ – Versionsunterschied

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Entsprechende Unterüberschriften und ich hab die Quellen noch mals explizit zu dem Betreffenden Punkt angegeben.
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== Entwicklung und Funktion des Anti-PC-Arguments ==
== Entwicklung und Funktion des Anti-PC-Arguments ==

=== In der politischen Auseinandersetzung Linker Debatten ===


Das Anti-PC-Argument hat seinen Ursprung aus einer internen Auseinandersetzung der politischen Linken um den politischen Gehalt des Begriffes der „politischen Korrektheit“ . Kritisiert wurde vor allem die Gefahr der Verfestigung eines Opferstatus, der als nicht ungefährlich angesehen wurde. Die Opferrolle sei kein politisches Programm, könne aber andererseits politische Ansprüche legitimieren.
Das Anti-PC-Argument hat seinen Ursprung aus einer internen Auseinandersetzung der politischen Linken um den politischen Gehalt des Begriffes der „politischen Korrektheit“ . Kritisiert wurde vor allem die Gefahr der Verfestigung eines Opferstatus, der als nicht ungefährlich angesehen wurde. Die Opferrolle sei kein politisches Programm, könne aber andererseits politische Ansprüche legitimieren.
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Bald wurde aus der Kritik an der Politischen Korrektheit innerhalb der undogmatischen Linken der [[1970|70iger]] Jahre eine Redewendung, die u.a. übertriebenen politischen Ernst und Humorlosigkeit sowie autoritäre Strukturen verpönte, während Politiker keine Probleme damit hatten, in weichen, politisch korrekten Begriffen zu sprechen, aber inhaltlich ihre Politik fortzusetzen. Kritisiert wurde von links das politisch korrekte Sprechen als Ritual sowohl der politischen Klasse, als auch der Stellvertreterpolitik innerhalb der Linken selbst.
Bald wurde aus der Kritik an der Politischen Korrektheit innerhalb der undogmatischen Linken der [[1970|70iger]] Jahre eine Redewendung, die u.a. übertriebenen politischen Ernst und Humorlosigkeit sowie autoritäre Strukturen verpönte, während Politiker keine Probleme damit hatten, in weichen, politisch korrekten Begriffen zu sprechen, aber inhaltlich ihre Politik fortzusetzen. Kritisiert wurde von links das politisch korrekte Sprechen als Ritual sowohl der politischen Klasse, als auch der Stellvertreterpolitik innerhalb der Linken selbst.


=== Im Medien-Mainstrem ===
Eine neue Qualität bekam das Anti-PC-Argument durch die Aufnahme von internen Auseinandersetzungen der politischen Linken durch den Medien-Mainstream in den 1980er-Jahren. Hier wandelte sich der Begriff Politischen Korrektheit zur reinen [[Chiffre]] für „neue Denkverbote“ und war damit eine Steilvorlage für Satiriker und alle Arten von ''Tabubrechern''. Satirikern wie [[Harald Schmidt]], [[Wiglaf Droste]] und seitens der [[Neue Frankfurter Schule|Neuen Frankfurter Schule]] gelang das auf zum Teil hohem künstlerischen Niveau.
Eine neue Qualität bekam das Anti-PC-Argument durch die Aufnahme von internen Auseinandersetzungen der politischen Linken durch den Medien-Mainstream in den 1980er-Jahren. Hier wandelte sich der Begriff Politischen Korrektheit zur reinen [[Chiffre]] für „neue Denkverbote“ und war damit eine Steilvorlage für Satiriker und alle Arten von ''Tabubrechern''. Satirikern wie [[Harald Schmidt]], [[Wiglaf Droste]] und seitens der [[Neue Frankfurter Schule|Neuen Frankfurter Schule]] gelang das auf zum Teil hohem künstlerischen Niveau.


=== Als "Kampfbegriff" in der Rechten ===
Der Anti-PC-Argumentation wird in den 1990er-Jahren zu einem Mittel politischer Kommunikation von rechts. Hier geht es nicht mehr darum einen Sachverhalt (z.B. Auschwitz, Sexuelle Gewalt, Ausbeutung) hinsichtlich Ursache und Wirkung (Täter und Opfer …) und seiner Vorgeschichte daraufhin zu prüfen, ob er gegeben ist und wie mit ihm inhaltlich umzugehen ist. Den Sprechern geht es allein um die Verschiebung des Vorrats verfügbarer Deutungsmuster auf die politischen Gegenspieler: die Täter werden zu Opfern des „Terrors der Gutmenschen“ und erhalten den Opferbonus. Glaubt man an die These vom „Terrors der Gutmenschen“ („Moralkeule“ etc.), so lassen sich diese Deutungsmuster beliebig erzeugen. Dieses Argument funktioniert wie jede Opferrolle, sie immunisiert sich gegen jegliche Kritik, da Kritik die Opferrolle vermeintlich bestätigt. Am Beispiel des [[Geschichtsrevisionismus]] sind dann nicht mehr die am Nationalsozialismus beteiligten Akteure das Ergebnis ihrer eigenen Vorgeschichte, sondern sie sind motiviert durch den letztlich verantwortlichen kommunistischen Gegenspieler (Vgl. [[Historikerstreit]]). Entschuldigt werden damit alle am Nationalsozialismus beteiligten, weil sie ja gegen eine Bedrohung nachvollziehbar gehandelt haben. Es entsteht in der politischen Kommunikation ein Paradox, in dem sich die Täter als Opfer umdeuten und gleichfalls die Opfer in einer Opferrolle festgeschrieben werden, gegen die sie sich kaum wehren können. (Quelle vgl. Weblinks: Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung s.u.; Literatur: Koblauch, Brigitta Huhnke)


== Literatur ==
== Literatur ==

Version vom 26. Januar 2006, 01:15 Uhr

Politische Korrektheit ist eine aus den USA (dort engl.: Political Correctness) übernommene, häufiger in Adjektiv-Form (politisch korrekt) verwendete Bezeichnung für bestimmte Wertmaßstäbe und Aktivitäten vorwiegend linker (im amerikanischen Sprachgebrauch "liberaler") Interessengruppen zur Änderung als diskriminierend erachteter Sprachgewohnheiten, Bräuche und Verhaltensmuster in den westlichen Industriestaaten.

Die hinter der Politischen Korrektheit stehenden Interessengruppen beanstanden unter anderem eine andro- und eurozentrisch geprägte Mehrheitsgesellschaft, in welcher der allgemeine Sprachgebrauch Personen mit davon abweichenden Merkmalen vernachlässige (weibliches Geschlecht) oder durch abwertende oder gedankenlose Kennzeichnung diskriminiere (wegen Abstammung, Herkunft, körperlicher oder geistiger Fähigkeiten, sexueller Veranlagung, religiösen Bekenntnisses, sozialer Stellung usw.). Dieses Weltbild sei über die Sprache zu korrigieren, weil so ein Bewußtseinswandel der Öffentlichkeit und schließlich eine Gleichberechtigung der Minderheiten erreicht werde. Deshalb treten an die Stelle der beanstandeten Formulierungen politisch »korrekte«, vorzugsweise solche, die von den zu schützenden Gruppen selbst verwendet werden.

Da hinter der Politischen Korrektheit keine homogene Gruppe steht, sind Art und Intensität der Maßnahmen zur Veränderung dieses Weltbildes unterschiedlich und reichen von der bloßen Ablehnung bestimmter Begriffe über einfache Formulierungs-Vorschläge bis zu rechtlich verbindlichen und sogar sanktionsbewehrten Vorgaben. Dabei kann die Durchsetzung von Diskriminierungsverboten zu schwerwiegenden Folgen wie der Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis oder hohen Schadensersatzforderungen führen, besonders in den USA, wo die Bewegung ihren Ursprung hat und sich am weitesten in der Gesellschaft verbreiten konnte. Dort umfasst politisch korrektes Handeln mit Rücksicht auf andere Glaubensrichtungen bisweilen sogar eine Änderung der Bräuche während der christlichen Feiertage im öffentlichen Leben.

Die Haltung gegenüber der Politischen Korrektheit ist ebenso heterogen, wie die Bewegung selbst. Kritik gegenüber einzelnen Auswirkungen der Politischen Korrektheit kommt deshalb auch aus den Reihen der Befürworter und wohlwollenden Betrachter, gerade wenn einzelne Vorschläge als kontraproduktiv, stilistisch unbeholfen oder überzogen bewertet werden. Außenstehende Kritiker rügen einzelne Auswirkungen der Politischen Korrektheit als Sprachmanipulation und diagnostizieren zum Teil eine Umkehrung der Diskriminierung durch eine als überzogen betrachtete Bevorzugung einzelner unter Schutz gestellter Gruppen. Wegen der schwerwiegenden Sanktionen und der besonders in den USA zu beobachtenden gesellschaftlichen Ausbreitung sehen viele in der Politischen Korrektheit eine Gefahr für die Meinungsfreiheit und den westlichen Lebensstandard. Der Begriff Politische Korrektheit wird deshalb oft ironisch und als Schimpfwort benutzt, nicht nur von den politischen Gegnern aus konservativen und rechtsextremen Kreisen.

Begriffsentwicklung

Binnen-I auf einem Linzer Verkehrszeichen

Ursprünglich bezeichnete der Begriff Politische Korrektheit die loyale Unterstützung einer politischen Partei.

Seit den 1960er-Jahren wurde der Begriff im Zuge der Bürgerrechtsbewegung, der Anti-Vietnamkriegsbewegung und der zweiten Welle der feministischen Bewegung zur moralpolitischen Beurteilung von Sprache und Verhaltensweisen genutzt. Linke, Schwarze und Feministinnen in den USA kämpften damals mit einer Kampagne für Political Correctness für die Veränderung von Sprache, von der sie sich eine Zurückdrängen der Diskriminierung von Minderheiten erhofften.

Durch eine aus verschiedenen politischen Strömungen gespeiste Gegenbewegung seit den 1980er-Jahren bekam der Begriff eine negative Bedeutung. Die Möglichkeit, durch Sprache das Bewusstsein zu verändern, wird von dieser Bewegung bezweifelt. Auch werden die sprachlichen Begründungen der PC-Bewegung teilweise bestritten und die Legitimität von politisch motivierten Sprachregeln angezweifelt. Von manchen wird der Begriff politische Korrektheit heute mit erweiterter Bedeutung auf verschiedene Formen politischer Einflussnahme auf Sprache angewendet, auch wenn diese von anderen politischen Strömungen als den oben aufgezählten ausgeübt wird.

In den 1980er Jahren wurde der Begriff akademisiert. Sprachliche Konventionen zu bestimmten Themen – vor allem zu Fragen der Geschlechterbeziehung und gesellschaftlicher Minderheiten – wurden an nordamerikanischen Universitäten eingeführt oder breiteten sich dort aus. Danach verbreiteten sie sich in den meisten an Nordamerika orientierten Ländern.

Ein moralischer Anspruch entspringt dabei der These, dass manche ethnische, kulturelle oder sexuelle Kategorie (zum Beispiel Neger, Fräulein oder Krüppel) Ausdruck eines bestimmten Weltbildes und mit einer negativen Wertung verbunden sei. Ihre Verwendung und die eben damit einhergehende Kategorisierung würden, nach dieser Vorstellung, die zugrundeliegenden abwertenden Denkmuster weiter zementieren.

Stattdessen sollten andere, nicht (negativ) wertende Begriffe gefunden werden. Dadurch sollten diskriminierende Konzepte und Negativklischees, die mit diesen Worten verbunden sind, aus dem Sprachgebrauch und so auch aus dem Denken verschwinden. Dies sollte ein Nachdenken über die Konzepte anregen und eine weitere Diskriminierung dieser Gruppen verhindern. Auch durch die Einführung neuer, nicht-wertender Begriffe sollte dieses Umdenken auf sprachlicher Ebene manifestiert werden.

Die durch die feministische Sprachforschung im deutschsprachigen Raum vorgeschlagenen Änderungen im Sprachgebrauch bilden ein Beispiel für Symbolpolitik. Beispiele hierfür sind die Verwendung des so genannten Binnen-I und die alternative Schreibung der Pronomina „er/sie“ oder „jede/r“, da die üblicherweise gebrauchte Sprechweise sich sprachlich nur auf Männer beziehe und so Frauen "unsichtbar" mache. Man findet diesen Sprachgebrauch besonders in staatlichen Einrichtungen wie Universitäten, Schulen, Verwaltung etc.

Bereits in den 70ern wurde, so Brigitta Huhnke, von Konservativen ein „Kampf um die Wiedergewinnung der sprachlichen Vorherrschaft und der politischen Moral“ (Wengeler 1995) gefordert. In dieser Kritik standen Begriffe wie „Emanzipation“, „Demokratisierung“, „Selbstverwirklichung“, „Aussöhnung“, „Interessenausgleich“ und „Entspannung“. Dagegen wurden Slogans wie „Freiheit statt Sozialismus“ gesetzt. Seit 1989 will Brigitta Huhnke eine „(philosophische) Renaissance des Bösen“ bemerkt haben. Besonders Thomas Hobbes werde für Feldzüge gegen das „Gute“, die so genannten „Gutmenschen“ sowie gegen die „Moral“ und ihre „Denkverbote“ vereinnahmt. Hier übernehme (Adaption) weniger ein akademischer, sondern vielmehr ein medialer Diskurs eine deutsche Version des US-amerikanischen „Political Correctness“.

Der Begriff der Politischen Korrektheit läßt sich nicht nur auf sprachliche Ausdrücke, sondern auch auf Verhaltensweisen anwenden.

Gegenwart

Heute wird der Begriff „politisch korrekt“ (Political Correctness, PC, ['pi: 'si:]) oft ironisch bis abwertend gebraucht und dem Begriff des Gutmenschentums zugerechnet.

Hinter der Idee der Politischen Korrektheit steht die Einschätzung der Sprache als Ergebnis einer laufend fortgeschriebenen sozialen Konvention; die Gesellschaft forme die Sprache und diese habe wiederum Einfluss auf das Denken und die Vorstellungswelt der Menschen, die die Gesellschaft formten. Deshalb könne die Sprache entweder Machtverhältnisse fortführen und verfestigen oder als Mittel sozialen Protestes eben diese untergraben. Da die Wortwahl einen Einfluss auf die Vorstellungen der Empfänger habe, könnten dadurch „Veränderungen in den Köpfen“ hervorgerufen werden. Sprache beeinflusse das Denken – dieser Prozess müsse bewusst und sichtbar gemacht werden.

Konkret werden als politisch korrekte Sprachnormierungen Bemühungen bezeichnet, im Sprachgebrauch die tatsächliche oder vermeintliche Benachteiligung verschiedener sozialer Gruppen (Frauen, Angehörige bestimmter ethnischer, religiöser oder sozialer Minderheiten) aufzuheben und so einen Bewusstseinswandel herbeizuführen, der wiederum zu einer kulturellen Veränderung und der realen Aufhebung von Diskriminierungen führen soll. Andererseits soll Politische Korrektheit helfen, direkte Diskriminierung über die Sprache zu verhindern, etwa durch das Vermeiden von als diskriminierend empfundenen Begriffen. Es gibt jedoch auch Gruppen, die sich gegen Versuche entscheiden, Politische Korrektheit durchzusetzen, und sich Bezeichnungen ihrer Personengruppe, die eigentlich diskriminierend sind, bewusst aneignen. Beispiele dafür sind die Annahme des Ausdruck „Schwule“ durch Homosexuelle, des Begriffs „Kanaken“ durch manche Türken in Deutschland oder des Begriffs „Nigger“ durch manche Schwarze in den USA.

Im deutschsprachigen Raum wird der Begriff „politisch korrekt“ eher in ablehnendem Kontext benutzt: Kaum jemand nimmt für sich in Anspruch, politisch korrekt zu sprechen oder zu schreiben.

Beispiele für Formulierungen der Politischen Korrektheit

Statt als inkorrekt empfundener Formulierungen wie „Krüppel“ werden von den Befürwortern der Politischen Korrektheit als neutraler angesehene Ausdrücke wie „Menschen mit Behinderung“ benutzt. Vor allem in den USA, wo die Politische Korrektheit extremere Züge annimmt, werden Begriffe ins Positive verschoben, um den Fokus nicht auf den Mangel zu lenken; etwa: „anders begabt“ für „geistig behindert“ oder „vertikal herausgefordert“ (vertically challenged) für kleinwüchsig. Die Grenzen zu humoristisch gemeinten Formulierungen seien hier allerdings fließend, so Kritiker (vgl. dazu auch die Theorie der Euphemismus-Tretmühle).

Polizeiberichte verwenden, grundsätzlich auf Weisung von oben, die Formulierung „südländisch aussehende“ Personen / Männer / Frauen / Jugendliche. In letzter Zeit ist auch von „Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ zu lesen.

Um Frauen "sprachlich sichtbar" zu machen, wird von manchen im Schriftdeutsch das Binnen-I verwendet („ArbeitnehmerInnen“). Andere vermeiden das generische Maskulinum durch die Nennung aller Beteiligten (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) oder Nutzung „neutraler“ Formulierungen wie „Arbeitnehmende“ oder „Studierende“. Dabei wird die Unterscheidung zwischen Genus und Sexus (Sprache) in der deutschen Sprache ignoriert.

Bezüglich der Benennung Angehöriger bestimmter Volksgruppen sind einige Massenmedien dazu übergegangen, deren als politisch korrekt gewertete Selbstbezeichnungen zu verwenden wie etwa Inuit statt Eskimo oder Sinti und Roma statt Zigeuner. Der Sonderfall, dass nämlich einige Zigeuner sich selber als Zigan, bzw. „Zigeuner“, bezeichnet sehen wollen, und das auch energisch - bisher allerdings eher vergeblich - einfordern, wurde bisher kaum in Erwägung gezogen.

Mitunter haben die Bemühungen um Politische Korrektheit neue, nicht nur sprachliche Probleme geschaffen. So werden im soeben genannten Fall durch das Herausheben zweier Gruppen der Zigeuner (genauer: einer Gruppe zuzüglich des Oberbegriffs) die anderen, zahlreichen Gruppen zurückgesetzt. Dass dafür jedoch das Bemühen um Politische Korrektheit die Verantwortung trage, wird oftmals bezweifelt, da ja gerade die Tatsache, dass die Fremdbezeichnung „Zigeuner“ viele unterschiedliche Gruppen unter einem negativ besetzen Wort subsumiere, erst durch die politisch-korrekte Sprachwandlung allgemeine Aufmerksamkeit erlange.

Auch so genannte Behindertenorganisationen beteiligten sich an der Diskussion. Ihnen zufolge beinhalte die Bezeichnung „Behinderung“ zwar eine Wertung, zugleich sage sie aber wenig darüber aus, wodurch ein Mensch „behindert“ sei, so etwa durch die Umgangsweise der so genannten Nichtbehinderten.

Vertreter einer nicht diskriminierenden Sprachverwendung betonen auch die Wichtigkeit der Diskussion und halten die Entwicklung sprachlicher Sensibilität für wichtiger als die Schaffung normativer Regeln. Sensibilität bewirke erhöhte soziale Kompetenz und Aufmerksamkeit gegenüber sprachlichen Stereotypen einerseits und benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen andererseits.

Im Rahmen der Politischen Korrektheit werden auch andere Begriffe verändert. Zum Beispiel werden zur Vermeidung der umstrittenen Bezeichnungen „Neger“ oder „Mohr“ Negerküsse (Mohrenköpfe) als Schoko- oder Schaum-Küsse bezeichnet oder ganz andere Bezeichnungen gewählt. Im Jahre 2003 änderte der Scherz-Verlag nach Protesten den Titel der deutschen Übersetzung von Agatha Christies 1939 erschienen Buch Ten Little Niggers (1989 in And Then There Were None umbenannt) von „Zehn kleine Negerlein“ zu „Und dann gab’s keinen mehr“.

In der Zeit des Ersten Weltkriegs versuchten die Kriegsgegner beider Seiten, Fremdwörter aus den Sprachen des "Feindes" in der eigenen Sprache zu beseitigen. Beispiele:

  • Im Englischen wurde die bis dahin gebräuchliche deutschstämmige Bezeichnung des Metalls "wolfram" durch die schwedische Vokabel "tungsten" ersetzt.
  • Der Battenberg-Zweig der britischen Königsfamilie änderte seinen Namen in "Mountbatten".
  • Im Deutschen wurden für bisher übliche Gallizismen verstärkt deutsche Neuprägungen propagiert (Trottoir -> Bürgersteig, Billett -> Fahrkarte u.a.) (Da die Schweiz keine Kriegspartei war, sind im Schweizer Deutsch mehr Gallizismen erhalten als im Binnendeutsch).

Vor der Wende war in Teilen der Massenmedien und teilweise im Schulunterricht Westdeutschlands die Abkürzung "BRD" für den Staat Bundesrepublik Deutschland verpönt. In Schulen wurde die Verwendung dieser Abkürzung z.T. durch schlechtere Benotung geahndet. Als Begründung wurde zumeist angeführt, dass es sich um eine in der DDR erfundene Abkürzung handele.

Kritik an Politischer Korrektheit

Der Glaube an eine derartige Macht der Wörter und insbesondere an die Möglichkeit des Änderns von Denkmustern durch veränderte Sprachregelungen ist nicht ungeteilt. Kritiker der Politischen Korrektheit betrachten sie deshalb oft, wenn nicht schon als Zwangsmoral, so doch als Ärgernis.

Mit der zunehmenden Durchsetzung dieser, vom vorher üblichen Sprachgebrauch abweichenden Sprachnormen in den Massenmedien, die so als gesamtgesellschaftlicher Verstärker fungierten, setzte seit etwa Mitte der 1980er Jahre, und verstärkt in den 1990er Jahren, eine zunehmende Kritik an der oftmals als Bevormundung in Sprache und Denken empfundenen Politischen Korrektheit ein.

So wurde der Begriff „political correctness“ beziehungsweise „politisch korrekt“ zunehmend ironisch oder abwertend verwendet und damit als Begriff negativ besetzt. Viele Kritiker der Politischen Korrektheit sehen die Ursache für das schlechte Ansehen derselben in einer weitgehend als ideologisiert und kaum nachvollziehbar betrachteten Argumentation ihrer Verfechter. Die Bestrebungen, Sprachnormen gegen den allgemeinen Sprachgebrauch durchzusetzen, wurden bisweilen mit Begriffen wie „Neusprech“ und „Gedankenverbrechen“ aus George Orwells Roman 1984 belegt und jene, die als Vertreter der Politischen Korrektheit angesehen werden, als „Gedankenpolizei“ bezeichnet.

Auf die bei politisch korrekter Wortwahl nicht ausbleibenden sprachlichen Komplikationen weist unter anderem Max Goldt am Beispiel des Gebrauchs von „Studierende“ statt „Studenten“ hin: die Formulierungen „biertrinkende Studierende“ bzw. „sterbende Studierende“ (im Falle eines Massakers an einer Universität) seien wohl kaum passend, denn: Man kann nicht gleichzeitig sterben und studieren, wie man wohl auch selten Bier trinkt und zugleich studiert.

Bei der Bezeichnung negativ wahrgenommener Personengruppen kollidieren die Ansprüche der Politischen Korrektheit oft mit sich selbst, was dazu führt, dass die weibliche Form fast ausschließlich bei positiv besetzen Gruppen hinzugefügt wird. Zum Beispiel wird aus Gründen der Politischen Korrektheit bei der Gruppe "Terroristen" ohne Widerspruch auf die Voranstellung von "Terroristinnen und ..." verzichtet, obwohl es genügend weibliche Terroristen gibt. Auch von Straftäterinnen wird nur gesprochen, wenn es sich ausschließlich um Frauen handelt. Bei gemischt-geschlechtlichen Opfergruppen werden bei Nachrichten Frauen meist extra hervorgehoben, während sie in Tätergruppen nicht erwähnt werden.

Slavoj Žižek weist darauf hin, dass sich politisch korrekte Begriffe abnutzten, wenn sie mit einer gewissen Aggressivität weiter benutzt würden. So sei durch eine fortwährende Neuschöpfung von Ersatzbegriffen wie in dem (US-amerikanischen) Beispiel Negroblack peoplecoloured peopleAfrican-Americans nichts gewonnen, wenn nicht den Worten eine tatsächliche Integration folge (siehe auch Euphemismus-Tretmühle). Der heutige verbale Exzess der Politischen Korrektheit enthülle vielmehr die Unfähigkeit, die tatsächlichen Ursachen von Rassismus und Sexismus zu überwinden. Žižek meint, dass die Geisteshaltung der Politischen Korrektheit versuche, alle Spuren der Begegnung mit "dem Realen" (Lacan) zu beseitigen.

Frigga Haug kritisiert die Politische Korrektheit, sofern diese nur einen Streit um Symbole darstelle und nicht für einen größeren, Politischen Streit um Emanzipation stehe: „Es gelang fast überall, die Legitimität der kulturellen Kämpfe umzudeuten in einen illegitimen Fundamentalismus. Die solcherart Angegriffenen schlugen auf der gleichen Ebene zurück und verhalfen damit dem Fundamentalismusvorwurf zu Rang und Würden.“ Sie meint, dass sich die Politische Korrektheit schon von einem politischen Kampf entfernt habe: Die Ablösung als „bloße Sprachpolitik […] war einer der Hauptsiege im ideologisch-kulturellen Feld selbst, den die konservative Rechte in den letzten zehn Jahren erzielte“. (Haug 1996)

Auch Wolfgang F. Haug wendet sich gegen „politisch korrekte Sprachnormierungen“: Er plädiert stattdessen für Spracharbeit, als Gegenpunkt zu jeder Statik einer Sprachregelung, der einer „Verbeamtung der Sprache“ und einer „Schaffung einer künstlichen Gegenwelt mit administrativen Mitteln“ (Verena Krieger zit. n. Haug 1999) zugrundeliege. Einer normativen Regelung zieht er die „Kritik mit Witz“ vor. Kritiker der Politischen Korrektheit weisen darauf hin, dass gerade diese Beeinflussung des Denkens über das Unterbewusstsein wiederum vielfältige Sprachmanipulationen durch Sprachnormierungen ermögliche („PC-Neusprech“).

Weitere Kritiker erkennen in vielen politisch korrekten Begriffen eine Pseudomoral. So wird immer häufiger, nicht zuletzt von Menschen dunkler Hautfarbe selbst, die allgemein als politisch korrekt gesehene Bezeichnung „farbig“ wegen seiner Nähe zu „bunt“ als unpassend und beleidigend aufgefasst. Auch die oftmals verwendeten Bezeichnungen „Afrikaner“ oder „Afroamerikaner“ würden entsprechende Personen diffamieren, da sie über die Hautfarbe Rückschlüsse auf Herkunft und soziale Integration der Personen zögen und sie nicht als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft auffassten.

Entwicklung und Funktion des Anti-PC-Arguments

In der politischen Auseinandersetzung Linker Debatten

Das Anti-PC-Argument hat seinen Ursprung aus einer internen Auseinandersetzung der politischen Linken um den politischen Gehalt des Begriffes der „politischen Korrektheit“ . Kritisiert wurde vor allem die Gefahr der Verfestigung eines Opferstatus, der als nicht ungefährlich angesehen wurde. Die Opferrolle sei kein politisches Programm, könne aber andererseits politische Ansprüche legitimieren.

Bemerkenswert ist dabei, dass diese Auseinandersetzung bereits eine Schieflage hinsichtlich der an der Auseinandersetzung Beteiligten enthielt, die sich in der späteren Entwicklung des Anti-PC-Arguments fortschreibt. An ihr beteiligt waren fast ausschließlich selbst von der angeprangerten Diskriminierung nicht Betroffene, die sich allerdings mit den Betroffenen verbunden fühlten. Auch aus dieser Schieflage formulierten Linke für diejenigen, für die sie Politik machen wollten, ob es politisch korrekt sei, so oder so politisch zu agieren, diese oder jene Ausdrücke zu verwenden. Dieser Widerspruch zeigt sich auch an den Stellungnahmen in dieser Auseinandersetzung:

  • „Die Unterdrückten brauchen keine Fürsprecher!“
  • „Wenn sie selbst agieren, zeigt sich in der PC-Haltung der Wunsch, einen Opferstatus zu institutionalisieren“
  • „Konflikte werden damit nur harmonisiert“.

Verwiesen wurde dabei auch auf die nicht weniger erfolgreiche Selbstbezeichnungspolitik anderer Bewegungen, wie die der Schwulen- und Krüppelbewegung.

Bald wurde aus der Kritik an der Politischen Korrektheit innerhalb der undogmatischen Linken der 70iger Jahre eine Redewendung, die u.a. übertriebenen politischen Ernst und Humorlosigkeit sowie autoritäre Strukturen verpönte, während Politiker keine Probleme damit hatten, in weichen, politisch korrekten Begriffen zu sprechen, aber inhaltlich ihre Politik fortzusetzen. Kritisiert wurde von links das politisch korrekte Sprechen als Ritual sowohl der politischen Klasse, als auch der Stellvertreterpolitik innerhalb der Linken selbst.

Im Medien-Mainstrem

Eine neue Qualität bekam das Anti-PC-Argument durch die Aufnahme von internen Auseinandersetzungen der politischen Linken durch den Medien-Mainstream in den 1980er-Jahren. Hier wandelte sich der Begriff Politischen Korrektheit zur reinen Chiffre für „neue Denkverbote“ und war damit eine Steilvorlage für Satiriker und alle Arten von Tabubrechern. Satirikern wie Harald Schmidt, Wiglaf Droste und seitens der Neuen Frankfurter Schule gelang das auf zum Teil hohem künstlerischen Niveau.


Als "Kampfbegriff" in der Rechten

Der Anti-PC-Argumentation wird in den 1990er-Jahren zu einem Mittel politischer Kommunikation von rechts. Hier geht es nicht mehr darum einen Sachverhalt (z.B. Auschwitz, Sexuelle Gewalt, Ausbeutung) hinsichtlich Ursache und Wirkung (Täter und Opfer …) und seiner Vorgeschichte daraufhin zu prüfen, ob er gegeben ist und wie mit ihm inhaltlich umzugehen ist. Den Sprechern geht es allein um die Verschiebung des Vorrats verfügbarer Deutungsmuster auf die politischen Gegenspieler: die Täter werden zu Opfern des „Terrors der Gutmenschen“ und erhalten den Opferbonus. Glaubt man an die These vom „Terrors der Gutmenschen“ („Moralkeule“ etc.), so lassen sich diese Deutungsmuster beliebig erzeugen. Dieses Argument funktioniert wie jede Opferrolle, sie immunisiert sich gegen jegliche Kritik, da Kritik die Opferrolle vermeintlich bestätigt. Am Beispiel des Geschichtsrevisionismus sind dann nicht mehr die am Nationalsozialismus beteiligten Akteure das Ergebnis ihrer eigenen Vorgeschichte, sondern sie sind motiviert durch den letztlich verantwortlichen kommunistischen Gegenspieler (Vgl. Historikerstreit). Entschuldigt werden damit alle am Nationalsozialismus beteiligten, weil sie ja gegen eine Bedrohung nachvollziehbar gehandelt haben. Es entsteht in der politischen Kommunikation ein Paradox, in dem sich die Täter als Opfer umdeuten und gleichfalls die Opfer in einer Opferrolle festgeschrieben werden, gegen die sie sich kaum wehren können. (Quelle vgl. Weblinks: Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung s.u.; Literatur: Koblauch, Brigitta Huhnke)

Literatur

  • Susan Arndt und Antje Hornscheidt (Hg.: Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. ISBN 3-89771-424-8 - Zu N-Word, Stamm, Neger, Häuptling, Ethnie etc.
  • Sebastian Barsch, Tim Bendokat: Political Correctness in der Heilpädagogik. In: Zeitschrift für Heilpädagogik Jg. 52 (Nr. 11/2002) Seite 451–455
  • Diedrich Diederichsen: Politische Korrekturen. Kiepenheuer & Witsch, 1996. ISBN 3-462-02551-1
  • Norman Fairclough et al.: Re-visiting 'PC' , Spezialausgabe von Discourse and Society[1], Heft 14/1 (2003).
  • Robert Hughes: Political Correctness oder die Kunst, sich selbst das Denken zu verbieten (OT: Culture of Complaint). Droemer-Knaur, München 1995, ISBN 3-426-77203-5
  • Frigga Haug: „pc-Diskurs und neuer Antifeminismus in der Bundesrepublik“ in: Das Argument 213, (1996).
  • Wolfgang Fritz Haug: Politisch richtig oder Richtig politisch, Argument Verlag: Hamburg 1999. ISBN 3886193179 (1999).
  • Brigitta Huhnke: „pc“ - Das neue Mantra der Neokonservativen. In: Andreas Disselnkötter, Siegfried Jäger, Helmut Kellershohn, Susanne Slobodzian (Hg.) : Evidenzen im Fluss. Demokratieverluste in Deutschland. ISBN 3-927388-60-2
  • Clemens Knobloch: Moralisierung und Sachzwang. Politische Kommunikation in der Massendemokratie, DISS, Duisburg 1998, ISBN 3927388696
  • Jürgen Schiewe: Die Macht der Sprache. C.H. Beck, 1998
  • Rainer Wimmer: „Political Correctness“ - ein Fall für die Sprachkritik. In: Andreas Disselnkötter, Siegfried Jäger, Helmut Kellershohn, Susanne Slobodzian (Hg.) : Evidenzen im Fluss. Demokratieverluste in Deutschland ISBN 3-927388-60-2
  • Dieter E. Zimmer, Die Berichtigung. Über die Sprachreform im Zeichen der Politischen Korrektheit, in: D.E.Zimmer, Deutsch und anders. Die Sprache im Modernisierungsfieber, Reinbek 1997, S.105,180
  • Uwe Pörksen: Plastikwörter. Die Sprache einer internationalen Diktatur. Stuttgart 1988.
  • Martin Wengeler: „1968“, öffentliche Sprachsensibilität und political correctness. Sprachgeschichtliche und sprachkritische Anmerkungen. In: Muttersprache 2002. Heft 1. Gesellschaft für deutsche Sprache e.V., Wiesbaden.

Siehe auch

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