„Paulus von Tarsus“ – Versionsunterschied

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'''Paulus von Tarsus''' (* unbekannt, † wahrscheinlich [[64]]) war ein [[Hellenismus|hellenistisch]] gebildeter [[Pharisäer]] aus der jüdischen [[Diaspora]]. Er war seit etwa [[32]] bis zu seinem Tod neben [[Simon Petrus|Petrus]] der wohl bedeutendste [[Mission]]ar und [[Theologie|Theologe]] des [[Urchristentum]]s.
'''Paulus von Tarsus''' (* unbekannt, † wahrscheinlich [[64]]) war ein [[Hellenismus|hellenistisch]] gebildeter [[Pharisäer]] aus der jüdischen [[Diaspora]]. Er war seit etwa [[32]] bis zu seinem Tod neben [[Simon Petrus|Petrus]] der wohl bedeutendste [[Mission]]ar und [[Theologie|Theologe]] des [[Urchristentum]]s.


Als gesetzestreuer Jude verfolgte Paulus die Urchristen zunächst, verstand sich seit seiner [[Bekehrung]] vor [[Damaskus]] aber als von Gott berufener "[[Apostel]] des [[Evangelium]]s für die Völker" (Gal 1,15f). Als solcher bereiste er den östlichen [[Mittelmeerraum]] und gründete dort einige Christengemeinden. Als ihr [[Seelsorge]]r schrieb er in griechischer Sprache eine Reihe von [[Paulusbriefe|Briefen]] an sie, die zu den ältesten erhaltenen urchristlichen Schriften gehören. Dreizehn ihm zugeschriebene Briefe wurden in das [[Neues Testament|Neue Testament]] aufgenommen; mindestens sieben davon erkennt die heutige historisch-kritische Forschung als echt, einige weitere als seiner Theologie nahe stehend an.
Als gesetzestreuer Jude verfolgte Paulus die Urchristen zunächst, verstand sich seit seiner [[Bekehrung]] vor [[Damaskus]] aber als von Gott berufener "[[Apostel]] des [[Evangelium]]s für die Völker" ({{Bibel|Gal|1|15f}}). Als solcher bereiste er den östlichen [[Mittelmeerraum]] und gründete dort einige Christengemeinden. Als ihr [[Seelsorge]]r schrieb er in griechischer Sprache eine Reihe von [[Paulusbriefe|Briefen]] an sie, die zu den ältesten erhaltenen urchristlichen Schriften gehören. Dreizehn ihm zugeschriebene Briefe wurden in das [[Neues Testament|Neue Testament]] aufgenommen; mindestens sieben davon erkennt die heutige historisch-kritische Forschung als echt, einige weitere als seiner Theologie nahe stehend an.


Paulus teilte den Glauben der [[Jerusalemer Urgemeinde]] an [[Jesus von Nazaret]] als [[Messias]] des Gottesvolkes [[Israel]]. Er vertrat jedoch entschieden, dass Gott mit seinem [[Sohn Gottes|Sohn]] alle Völker aus [[Gnade]] in seinen [[Berit|Bund]] aufgenommen habe, so dass die [[Taufe]] ohne [[Beschneidung]] zur Aufnahme in die Heilsgemeinschaft genüge. Damit eröffnete er dem Glauben an [[Jesus Christus]] im [[Römisches Reich|römischen Reich]] den Weg zu einer neuen [[Weltreligion]].
Paulus teilte den Glauben der [[Jerusalemer Urgemeinde]] an [[Jesus von Nazaret]] als [[Messias]] des Gottesvolkes [[Israel]]. Er vertrat jedoch entschieden, dass Gott mit seinem [[Sohn Gottes|Sohn]] alle Völker aus [[Gnade]] in seinen [[Berit|Bund]] aufgenommen habe, so dass die [[Taufe]] ohne [[Beschneidung]] zur Aufnahme in die Heilsgemeinschaft genüge. Damit eröffnete er dem Glauben an [[Jesus Christus]] im [[Römisches Reich|römischen Reich]] den Weg zu einer neuen [[Weltreligion]].
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Biografische Angaben macht Paulus selbst in seinen Briefen nur selten; Nachrichten darüber stammen fast alle aus der [[Apostelgeschichte]] (Apg) des [[Lukasevangelium|Lukas]], eines Paulusschülers.
Biografische Angaben macht Paulus selbst in seinen Briefen nur selten; Nachrichten darüber stammen fast alle aus der [[Apostelgeschichte]] (Apg) des [[Lukasevangelium|Lukas]], eines Paulusschülers.


Diese ergibt nur ein einziges Fixdatum für das Leben des Paulus: Apg 18,12 erwähnt den Statthalter ''L.J. Gallio'', einen Bruder [[Seneca]]s. Er war nach einer in [[Delphi]] gefundenen Inschrift vom März [[51]] oder [[52]] an für ein Jahr [[Prokonsul]] in [[Achaia]]. Alle übrigen Datenangaben werden von da aus ungefähr errechnet, sind aber nicht exakt feststellbar.
Diese ergibt nur ein einziges Fixdatum für das Leben des Paulus: {{Bibel|Apg|18|12}} erwähnt den Statthalter ''L.J. Gallio'', einen Bruder [[Seneca]]s. Er war nach einer in [[Delphi]] gefundenen Inschrift vom März [[51]] oder [[52]] an für ein Jahr [[Prokonsul]] in [[Achaia]]. Alle übrigen Datenangaben werden von da aus ungefähr errechnet, sind aber nicht exakt feststellbar.


*[[27 v. Chr.]] bis [[14]] n. Chr. regierte Kaiser [[Augustus]] in [[Rom]]: Man nimmt an, dass Paulus in dieser Zeit etwa 5 n. Chr. in [[Tarsos]] geboren wurde.
*[[27 v. Chr.]] bis [[14]] n. Chr. regierte Kaiser [[Augustus]] in [[Rom]]: Man nimmt an, dass Paulus in dieser Zeit etwa 5 n. Chr. in [[Tarsos]] geboren wurde.
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*Etwa [[32]] oder [[33]] wurde der Urchrist [[Stephanus]] in [[Jerusalem]] [[Steinigung|gesteinigt]]; im selben Jahr erlebte Paulus seine [[Bekehrung]] vor [[Damaskus]].
*Etwa [[32]] oder [[33]] wurde der Urchrist [[Stephanus]] in [[Jerusalem]] [[Steinigung|gesteinigt]]; im selben Jahr erlebte Paulus seine [[Bekehrung]] vor [[Damaskus]].


*Anschließend hielt er sich eine unbekannte Zeit lang in der Provinz [[Arabien|Arabia]] - dem [[Nabatäer]]reich - auf, wo er in den [[Synagoge]]n missionierte, bis er nach Damaskus zurückkehrte (Gal 1,16).
*Anschließend hielt er sich eine unbekannte Zeit lang in der Provinz [[Arabien|Arabia]] - dem [[Nabatäer]]reich - auf, wo er in den [[Synagoge]]n missionierte, bis er nach Damaskus zurückkehrte ({{Bibel|Gal|1|16}}).


*Nach weiteren drei Jahren besuchte er um [[36]] erstmals Jerusalem für zwei Wochen (Gal 1,17f), dann [[Cäsarea]] und seine Heimatstadt Tarsos (Apg 9,30) bzw. [[Syrien]] und [[Kilikien]], nicht aber [[Judäa]] (Gal 1,21f).
*Nach weiteren drei Jahren besuchte er um [[36]] erstmals Jerusalem für zwei Wochen ({{Bibel|Gal|1|17f}}), dann [[Cäsarea]] und seine Heimatstadt Tarsos ({{Bibel|Apg|9|30}}) bzw. [[Syrien]] und [[Kilikien]], nicht aber [[Judäa]] ({{Bibel|Gal|1|21f}}).


*Aus [[Caligula]]s Regierungszeit ([[37]]-[[41]]) ist vom Wirken des Paulus nichts bekannt. Unter Kaiser [[Claudius]] ([[41]]-[[54]])erhielt [[Herodes Agrippa I.]] ([[41]]-[[44]]) die Regierungsvollmacht über Judäa; kurz nachdem er den Apostel [[Jakobus der Ältere|Jakobus]], den Bruder des Urgemeindeleiters [[Johannes (Apostel)|Johannes]], hatte enthaupten lassen, starb er (Apg 12,23).
*Aus [[Caligula]]s Regierungszeit ([[37]]-[[41]]) ist vom Wirken des Paulus nichts bekannt. Unter Kaiser [[Claudius]] ([[41]]-[[54]])erhielt [[Herodes Agrippa I.]] ([[41]]-[[44]]) die Regierungsvollmacht über Judäa; kurz nachdem er den Apostel [[Jakobus der Ältere|Jakobus]], den Bruder des Urgemeindeleiters [[Johannes (Apostel)|Johannes]], hatte enthaupten lassen, starb er ({{Bibel|Apg|12|23}}).


*Zwischen 44 und 48 unternahm Paulus mit [[Barnabas]] wohl eine erste längere Missionsreise über [[Zypern]] nach [[Perge]] in [[Pamphylien]], dann nach [[Antiochien]] in [[Pisidien]], [[Lystra]], [[Ikonion]] und [[Derbe]] (Apg 13-14).
*Zwischen 44 und 48 unternahm Paulus mit [[Barnabas]] wohl eine erste längere Missionsreise über [[Zypern]] nach [[Perge]] in [[Pamphylien]], dann nach [[Antiochien]] in [[Pisidien]], [[Lystra]], [[Ikonion]] und [[Derbe]] ({{Bibelkapitel|Apg|13}}-{{Bibelkapitel|Apg|14|text=14}}).


*Um das Jahr [[48]] oder [[49]] wurde das [[Apostelkonzil]] in Jerusalem einberufen: Paulus reiste mit Barnabas und [[Titus]] über [[Phönizien]] und [[Samarien]] dorthin (Apg 15,3) und erhielt den Auftrag, die gesetzesfreie Heidenmission von [[Antiochien]] aus fortzusetzen (Apg 15,30).
*Um das Jahr [[48]] oder [[49]] wurde das [[Apostelkonzil]] in Jerusalem einberufen: Paulus reiste mit Barnabas und [[Titus]] über [[Phönizien]] und [[Samarien]] dorthin ({{Bibel|Apg|15|3}}) und erhielt den Auftrag, die gesetzesfreie Heidenmission von [[Antiochien]] aus fortzusetzen ({{Bibel|Apg|15|30}}).


*Im Jahr [[49]] erließ Claudius ein Edikt, das die [[Jude]]n aus Rom vertrieb ([[Sueton]] berichtet davon). Kurz darauf traf Paulus auf seiner zweiten großen Missionsreise das mitvertriebene Christenpaar [[Aquila]] und [[Priska]] in [[Korinth]] (Apg 18,2), wo er sich 18 Monate aufhielt, dem Statthalter Gallio vorgeführt wurde (s.o.) und wohl den [[Galaterbrief]] verfasste.
*Im Jahr [[49]] erließ Claudius ein Edikt, das die [[Jude]]n aus Rom vertrieb ([[Sueton]] berichtet davon). Kurz darauf traf Paulus auf seiner zweiten großen Missionsreise das mitvertriebene Christenpaar [[Aquila]] und [[Priska]] in [[Korinth]] ({{Bibel|Apg|18|2}}), wo er sich 18 Monate aufhielt, dem Statthalter Gallio vorgeführt wurde (s.o.) und wohl den [[Galaterbrief]] verfasste.


*Von etwa Sommer [[52]] bis [[55]] war Paulus in [[Ephesus]], von wo aus er seine dritte Missionsreise mit [[Silas]] nach [[Europa]] unternahm. Im Winter [[56]] hielt er sich in [[Makedonien]] und [[Achaia]] auf. Hier können nacheinander die beiden Korintherbriefe entstanden sein.
*Von etwa Sommer [[52]] bis [[55]] war Paulus in [[Ephesus]], von wo aus er seine dritte Missionsreise mit [[Silas]] nach [[Europa]] unternahm. Im Winter [[56]] hielt er sich in [[Makedonien]] und [[Achaia]] auf. Hier können nacheinander die beiden Korintherbriefe entstanden sein.


*Von [[58]]-[[60]] war [[Festus]] [[Prokurator]] von Judäa. In dieser Zeit reiste Paulus wieder nach Jerusalem (Apg 21,17), geriet dort in Gefangenschaft, wurde nach seinem Prozess vor dem [[Sanhedrin]] nach [[Caesarea Maritima]] verlegt (Apg 23,23) und dem Statthalter [[Felix]] vorgeführt (Apg 24). Aufgrund seines Appells an den Kaiser wurde Paulus nach Rom verschifft (Apg 27), erlitt unterwegs Schiffbruch, landete auf [[Malta]] (Apg 28) und erreichte Rom etwa [[62]]. Dort konnte er nach Apg 28,30 mindestens zwei volle Jahre unbehelligt predigen, bis er wahrscheinlich bei der [[Christenverfolgung]] unter [[Nero]] im Jahr [[64]] den [[Märtyrer]]tod erlitt.
*Von [[58]]-[[60]] war [[Festus]] [[Prokurator]] von Judäa. In dieser Zeit reiste Paulus wieder nach Jerusalem ({{Bibel|Apg|21|17}}), geriet dort in Gefangenschaft, wurde nach seinem Prozess vor dem [[Sanhedrin]] nach [[Caesarea Maritima]] verlegt ({{Bibel|Apg|23|23}}) und dem Statthalter [[Felix]] vorgeführt ({{Bibelkapitel|Apg|24}}). Aufgrund seines Appells an den Kaiser wurde Paulus nach Rom verschifft ({{Bibelkapitel|Apg|27}}), erlitt unterwegs Schiffbruch, landete auf [[Malta]] ({{Bibelkapitel|Apg|28}}) und erreichte Rom etwa [[62]]. Dort konnte er nach {{Bibel|Apg|28|30}} mindestens zwei volle Jahre unbehelligt predigen, bis er wahrscheinlich bei der [[Christenverfolgung]] unter [[Nero]] im Jahr [[64]] den [[Märtyrer]]tod erlitt.


''Siehe auch:'' [[Zeittafel Geschichte des Christentums]]
''Siehe auch:'' [[Zeittafel Geschichte des Christentums]]
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==Leben==
==Leben==
===Herkunft und Ausbildung===
===Herkunft und Ausbildung===
Nach Apg 22,3 stammte Paulus aus einer strenggläubigen jüdischen Familie aus [[Tarsos]] in der damaligen römischen Provinz [[Kilikien]], einem Landstrich in der heutigen [[Türkei|Südtürkei]] im Grenzgebiet zu [[Syrien]]. Diese Hafenstadt war damals ein bedeutendes Handelszentrum mit einer größeren jüdischen [[Synagoge]]ngemeinde, wie es sie in vielen Küstenstädten des Mittelmeerraums gab.
Nach {{Bibel|Apg|22|3}} stammte Paulus aus einer strenggläubigen jüdischen Familie aus [[Tarsos]] in der damaligen römischen Provinz [[Kilikien]], einem Landstrich in der heutigen [[Türkei|Südtürkei]] im Grenzgebiet zu [[Syrien]]. Diese Hafenstadt war damals ein bedeutendes Handelszentrum mit einer größeren jüdischen [[Synagoge]]ngemeinde, wie es sie in vielen Küstenstädten des Mittelmeerraums gab.
Von seinem Vater erbte Paulus das [[Römisches Bürgerrecht|römische Bürgerrecht]] (Apg 16,37; 22,28), das nur eine Minderheit der jüdischen Reichsbewohner besaß. Darauf berief er sich später erfolgreich in Konflikten um seine Mission.
Von seinem Vater erbte Paulus das [[Römisches Bürgerrecht|römische Bürgerrecht]] ({{Bibel|Apg|16|37}}; {{Bibel|Apg|22|28|text=22,28}}), das nur eine Minderheit der jüdischen Reichsbewohner besaß. Darauf berief er sich später erfolgreich in Konflikten um seine Mission.


Lukas führt ihn mit dem jüdischen Vornamen [[Saulus]] ein (Apg 7,58; 8,1.3), der von [[Saul]] (hebräisch ''Schaul''), dem ersten König [[Israel|Israels]], abgeleitet ist. Wie dieser stammte seine Familie aus dem Stamm [[Benjamin]] (1. Sam 9,1), der als der kleinste der zwölf Stämme Israels galt. Darauf kann der griechische Name ''Paulos'' (= der Kleine; lateinisch ''Paulus'') anspielen und auch wegen seiner Lautähnlichkeit zu ''Schaul'' gewählt worden sein. Paulus selbst verwendete ihn immer in seinen Briefen.
Lukas führt ihn mit dem jüdischen Vornamen [[Saulus]] ein ({{Bibel|Apg|7|58}}; {{Bibel|Apg|8|1.3}}), der von [[Saul]] (hebräisch ''Schaul''), dem ersten König [[Israel|Israels]], abgeleitet ist. Wie dieser stammte seine Familie aus dem Stamm [[Benjamin]] ({{Bibel|1.Sam|9|1|buchname=1. Sam}}), der als der kleinste der zwölf Stämme Israels galt. Darauf kann der griechische Name ''Paulos'' (= der Kleine; lateinisch ''Paulus'') anspielen und auch wegen seiner Lautähnlichkeit zu ''Schaul'' gewählt worden sein. Paulus selbst verwendete ihn immer in seinen Briefen.


Lukas erwähnt den Doppelnamen beiläufig erst in Apg 13,9. Saulus wechselte seinen Namen also nicht wegen seiner Bekehrung und Taufe zu Paulus, wie es die bekannte [[Redewendung]] irrtümlich nahelegt, sondern trug beide Namen wohl seit seiner Geburt. Mehrsprachige Vor- oder Doppelnamen waren damals unter Diasporajuden üblich. Allerdings kam der Name ''Paulus'' nur extrem selten vor.
Lukas erwähnt den Doppelnamen beiläufig erst in {{Bibel|Apg|13|9}}. Saulus wechselte seinen Namen also nicht wegen seiner Bekehrung und Taufe zu Paulus, wie es die bekannte [[Redewendung]] irrtümlich nahelegt, sondern trug beide Namen wohl seit seiner Geburt. Mehrsprachige Vor- oder Doppelnamen waren damals unter Diasporajuden üblich. Allerdings kam der Name ''Paulus'' nur extrem selten vor.


Paulus selbst betont zwar den völligen Wesenswandel, der ihm durch seine Begegnung mit [[Jesus Christus]] widerfuhr, bringt diesen aber nicht mit einem Namenswechsel in Verbindung. Er hat sich entschieden dagegen verwahrt, diesen Wandel als Aufgabe seines Judeseins misszuverstehen. Gegenüber innerchristlichen Gegnern hob er seine Abstammung in seinen Briefen später immer wieder voll Stolz hervor (z.B. Phil 3,5f):
Paulus selbst betont zwar den völligen Wesenswandel, der ihm durch seine Begegnung mit [[Jesus Christus]] widerfuhr, bringt diesen aber nicht mit einem Namenswechsel in Verbindung. Er hat sich entschieden dagegen verwahrt, diesen Wandel als Aufgabe seines Judeseins misszuverstehen. Gegenüber innerchristlichen Gegnern hob er seine Abstammung in seinen Briefen später immer wieder voll Stolz hervor (z.B. Phil 3,5f):
:''...einer aus dem Volk Israel, vom Stamme Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, nach dem Gesetz ein Pharisäer...''
:''...einer aus dem Volk Israel, vom Stamme Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, nach dem Gesetz ein Pharisäer...''


Demnach erhielt Paulus wohl schon in seiner Jugend eine Ausbildung als [[Tora]]lehrer. Laut Apg 22,3 wuchs er in [[Jerusalem]] auf und wurde dort vom damals berühmten [[Rabbiner]] [[Gamaliel]] I. unterrichtet; er selbst erwähnt diesen Umzug und Lehrer jedoch nirgends, auch nicht, wo es ihm genützt hätte. Seine Briefe zeigen aber gleichermaßen solide Kenntnisse des [[Tanach]] und philosophischer Traditionen, Rede- und Argumentationsweisen des [[Hellenismus]].
Demnach erhielt Paulus wohl schon in seiner Jugend eine Ausbildung als [[Tora]]lehrer. Laut {{Bibel|Apg|22|3}} wuchs er in [[Jerusalem]] auf und wurde dort vom damals berühmten [[Rabbiner]] [[Gamaliel]] I. unterrichtet; er selbst erwähnt diesen Umzug und Lehrer jedoch nirgends, auch nicht, wo es ihm genützt hätte. Seine Briefe zeigen aber gleichermaßen solide Kenntnisse des [[Tanach]] und philosophischer Traditionen, Rede- und Argumentationsweisen des [[Hellenismus]].


Nach jüdischem Brauch lernte Paulus neben seiner [[Bibel]]ausbildung auch das [[Handwerk]] des Zeltmachers, vergleichbar mit dem des [[Sattler]]s (Apg 18,3). Mit dieser Tätigkeit verdiente er auch später als christlicher Missionar seinen Lebensunterhalt (1. Thess 2,9; 1. Kor 4,12; 2. Kor 11,27).
Nach jüdischem Brauch lernte Paulus neben seiner [[Bibel]]ausbildung auch das [[Handwerk]] des Zeltmachers, vergleichbar mit dem des [[Sattler]]s ({{Bibel|Apg|18|3}}). Mit dieser Tätigkeit verdiente er auch später als christlicher Missionar seinen Lebensunterhalt ({{Bibel|1.Thess|2|9|buchname=1. Thess}}; {{Bibel|1.Kor|4|12|buchname=1. Kor}}; {{Bibel|2.Kor|11|27|buchname=2. Kor}}).


===Christenverfolger===
===Christenverfolger===
Paulus vertrat bis zu seiner Bekehrung einen strengen [[Pharisäismus]], der verlangte, dass auch [[Proselyten]] (zum Judentum übergetretene Nichtjuden) zu [[Beschneidung|beschneiden]] seien. Er übte diese Praxis früher offenbar selbst aus (Gal 5,11). Er verstand sich als "Eiferer für das Gesetz" (Gal 1,14), der dessen Vorschriften auch gegenüber Mitjuden vorbildlich erfüllt habe (Phil 3,6).
Paulus vertrat bis zu seiner Bekehrung einen strengen [[Pharisäismus]], der verlangte, dass auch [[Proselyten]] (zum Judentum übergetretene Nichtjuden) zu [[Beschneidung|beschneiden]] seien. Er übte diese Praxis früher offenbar selbst aus ({{Bibel|Gal|5|11}}). Er verstand sich als "Eiferer für das Gesetz" ({{Bibel|Gal|1|14}}), der dessen Vorschriften auch gegenüber Mitjuden vorbildlich erfüllt habe ({{Bibel|Phil|3|6}}).


In diesem Streben wurde er ein erbitterter Gegner jener hellenistischen [[Judenchristen]], die in der jüdischen [[Diaspora]] missionierten und dabei neugetauften [[Heiden]] die Befolgung der [[Tora]] erleichterten, indem sie auf deren Beschneidung verzichteten.
In diesem Streben wurde er ein erbitterter Gegner jener hellenistischen [[Judenchristen]], die in der jüdischen [[Diaspora]] missionierten und dabei neugetauften [[Heiden]] die Befolgung der [[Tora]] erleichterten, indem sie auf deren Beschneidung verzichteten.


Laut Lukas war Paulus sogar im Auftrag des [[Sanhedrin]] an der Aufsicht über die vorschriftsmäßige [[Steinigung]] des ersten christlichen [[Märtyrer]]s [[Stephanus]] beteiligt (Apg 7,58; 8,1). Dieser erscheint als Wortführer jener Gruppe von [[Hellenisten]], die in der Jerusalemer Urgemeinde als erste mit der Heidenmission begannen, den Tempelkult ablehnten und dadurch in Konflikt mit den sadduzäischen Tempelpriestern gerieten.
Laut Lukas war Paulus sogar im Auftrag des [[Sanhedrin]] an der Aufsicht über die vorschriftsmäßige [[Steinigung]] des ersten christlichen [[Märtyrer]]s [[Stephanus]] beteiligt ({{Bibel|Apg|7|58}}; {{Bibel|Apg|8|1|text=8,1}}). Dieser erscheint als Wortführer jener Gruppe von [[Hellenisten]], die in der Jerusalemer Urgemeinde als erste mit der Heidenmission begannen, den Tempelkult ablehnten und dadurch in Konflikt mit den sadduzäischen Tempelpriestern gerieten.


Paulus selbst schweigt jedoch über diesen Prozess. Wo er über seine frühere Christenfeindschaft berichtet, betont er, er sei erst nach seiner Bekehrung erstmals nach Jerusalem gereist (Gal 1,18), die Gemeinden Judäas hätten ihn vorher nicht gekannt (Gal 1,22). Die Verfolgung galt also wohl nur den hellenistischen Christengemeinden außerhalb Palästinas, die die Tora für ihre Mitglieder nicht verbindlich machten.
Paulus selbst schweigt jedoch über diesen Prozess. Wo er über seine frühere Christenfeindschaft berichtet, betont er, er sei erst nach seiner Bekehrung erstmals nach Jerusalem gereist ({{Bibel|Gal|1|18}}), die Gemeinden Judäas hätten ihn vorher nicht gekannt ({{Bibel|Gal|1|22}}). Die Verfolgung galt also wohl nur den hellenistischen Christengemeinden außerhalb Palästinas, die die Tora für ihre Mitglieder nicht verbindlich machten.


[[Bild:Conversión_de_San_Pablo.jpg|thumb|die Bekehrung des „Saulus“]]
[[Bild:Conversión_de_San_Pablo.jpg|thumb|die Bekehrung des „Saulus“]]
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===Die Bekehrung===
===Die Bekehrung===
Paulus selbst erwähnt das Ereignis, durch das er Christ wurde, mehrfach in seinen Briefen:
Paulus selbst erwähnt das Ereignis, durch das er Christ wurde, mehrfach in seinen Briefen:
*Gal 1,15-17
*{{Bibel|Gal|1|15-17}}
*Phil 3,7-9
*{{Bibel|Phil|3|7-9}}
*1. Kor 15, 8f
*{{Bibel|1.Kor|15|8f|buchname=1. Kor}}
*2. Kor 4,1.5-6.
*{{Bibel|2.Kor|4|1.5-6|buchname=2. Kor}}
Es fällt auf, dass keine dieser Stellen die Erfahrung ausmalt, die Paulus vom Christenverfolger zum Verkünder des [[Evangelium]]s verwandelte. An allen Stellen ist dieses persönliche Erlebnis nur Beispiel für die Erkenntnis [[Jesus Christus|Jesu Christi]], die dieser selbst allen Menschen eröffnen und ermöglichen will. Es lässt sich nicht isoliert von seiner universalen Zielrichtung beschreiben.
Es fällt auf, dass keine dieser Stellen die Erfahrung ausmalt, die Paulus vom Christenverfolger zum Verkünder des [[Evangelium]]s verwandelte. An allen Stellen ist dieses persönliche Erlebnis nur Beispiel für die Erkenntnis [[Jesus Christus|Jesu Christi]], die dieser selbst allen Menschen eröffnen und ermöglichen will. Es lässt sich nicht isoliert von seiner universalen Zielrichtung beschreiben.


Nach Gal 1,11 ist dieses Evangelium ''nicht menschlicher Art''; es habe ihn ''ergriffen'' (Phil 3,8) und geradezu gezwungen, sein bisheriges Leben aufzugeben und nur noch Jesus Christus zu verkünden. Paulus deutet dieses Ergriffenwerden als Entscheidung Gottes über sein Leben, die vor seiner [[Geburt]] gefallen sei: Dieser habe ihn ''von meiner Mutterleib an'' auserwählt und ihm seinen [[Sohn Gottes|Sohn]] offenbart, um ihn zum [[Apostel]] der [[Mission|Völkermission]] zu berufen (Gal 1,15). Er verstand sein Amt also analog zu [[Jeremia]], der sich ebenso zum [[Prophet]]en für Israel und die Völker berufen fühlte (Jer 1,5; vgl. Jes 49,1).
Nach {{Bibel|Gal|1|11}} ist dieses Evangelium ''nicht menschlicher Art''; es habe ihn ''ergriffen'' ({{Bibel|Phil|3|8}}) und geradezu gezwungen, sein bisheriges Leben aufzugeben und nur noch Jesus Christus zu verkünden. Paulus deutet dieses Ergriffenwerden als Entscheidung Gottes über sein Leben, die vor seiner [[Geburt]] gefallen sei: Dieser habe ihn ''von meiner Mutterleib an'' auserwählt und ihm seinen [[Sohn Gottes|Sohn]] offenbart, um ihn zum [[Apostel]] der [[Mission|Völkermission]] zu berufen ({{Bibel|Gal|1|15}}). Er verstand sein Amt also analog zu [[Jeremia]], der sich ebenso zum [[Prophet]]en für Israel und die Völker berufen fühlte ({{Bibel|Jer|1|5}}; vgl. {{Bibel|Jes|49|1}}).


Paulus betont, er sei dieser Berufung drei Jahre lang gefolgt und habe erst dann die [[Jerusalemer Urgemeinde]] besucht (Gal 1,17-20). Man nimmt an, dass er dort das schon fixierte urchristliche [[Glaubensbekenntnis]] mit der Liste der [[Auferstehung]]szeugen übernahm, das er in seinem etwa [[56]] verfassten [[1. Korintherbrief]] zitiert (1. Kor 15,3-7) und ergänzt (Vers 8f):
Paulus betont, er sei dieser Berufung drei Jahre lang gefolgt und habe erst dann die [[Jerusalemer Urgemeinde]] besucht ({{Bibel|Gal|1|17-20}}). Man nimmt an, dass er dort das schon fixierte urchristliche [[Glaubensbekenntnis]] mit der Liste der [[Auferstehung]]szeugen übernahm, das er in seinem etwa [[56]] verfassten [[1. Korintherbrief]] zitiert ({{Bibel|1.Kor|15|3-7|buchname=1. Kor}}) und ergänzt (Vers {{Bibel|1.Kor|15|8f|text=8f}}):
:''Zuletzt von allen ist er auch von mir, einer Missgeburt, gesehen worden. Denn ich bin der Geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, ein Apostel zu heißen, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.''
:''Zuletzt von allen ist er auch von mir, einer Missgeburt, gesehen worden. Denn ich bin der Geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, ein Apostel zu heißen, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.''
Er stellte seine Bekehrung also in die Reihe der älteren Jüngerberufungen, die ihm die Jerusalemer Augenzeugen um [[36]] berichteten. Welcher Art diese waren, erfährt man nicht. Der formelhafte Ausdruck ''ophtae'' (gesehen worden = erschienen) verweist auf [[Vision]]en analog zur jüdischen [[Apokalyptik]], die als von Gott offenbarte Vorwegnahme endzeitlicher Ereignisse erfahren und weitergegeben wurden (z.B. Dan 7,1-14). Denn Paulus schloss hier sein berühmtes Kapitel über die Totenauferstehung an, einen Glauben, den er mit anderen jüdischen Gruppen wie [[Pharisäer]]n, [[Zeloten]] und [[Essener]]n teilte.
Er stellte seine Bekehrung also in die Reihe der älteren Jüngerberufungen, die ihm die Jerusalemer Augenzeugen um [[36]] berichteten. Welcher Art diese waren, erfährt man nicht. Der formelhafte Ausdruck ''ophtae'' (gesehen worden = erschienen) verweist auf [[Vision]]en analog zur jüdischen [[Apokalyptik]], die als von Gott offenbarte Vorwegnahme endzeitlicher Ereignisse erfahren und weitergegeben wurden (z.B. {{Bibel|Dan|7|1-14}}). Denn Paulus schloss hier sein berühmtes Kapitel über die Totenauferstehung an, einen Glauben, den er mit anderen jüdischen Gruppen wie [[Pharisäer]]n, [[Zeloten]] und [[Essener]]n teilte.


Um [[90]] berichtete der Paulusschüler Lukas über das sogenannte [[Damaskuserlebnis]] in drei Versionen:
Um [[90]] berichtete der Paulusschüler Lukas über das sogenannte [[Damaskuserlebnis]] in drei Versionen:
*erzählend in Apg 9,1-18;
*erzählend in {{Bibel|Apg|9|1-18}};
*als Eigenbericht des Paulus in Apg 22, 6-16 und 26,12-14.
*als Eigenbericht des Paulus in {{Bibel|Apg|22|6-16}} und {{Bibel|Apg|26|12-14|text=26,12-14}}.


===Missionsreisen===
===Missionsreisen===
Einige Jahre nach seiner Bekehrung unternahm Paulus mit Barnabas mehrere Missionsreisen, die ihn nach [[Kleinasien]] und [[Griechenland]] führten. Die Kapitel 13-20 der Apostelgeschichte berichten detailliert von Auseinandersetzungen mit [[Juden]] und [[Römisches Reich|Römern]] sowie von Gefahren der Reisen. - In [[Antiochien]] in [[Pisidien]] gründeten sie eine größere Gemeinde, überwiegend aus "gottesfürchtigen" [[Proselyten]] und [[Heidenchristen]] (Apg 13,43.48). Von dort aus zogen sie weiter nach [[Ikonion]], wo sie fast gesteinigt wurden (Apg 14,5), [[Lystra]], wo Paulus einen Steinigungsversuch überlebte (Apg 14,19f), und [[Derbe]] sowie [[Attalia]] (Apg 14,25), wo er weitere Gemeinden gründete.
Einige Jahre nach seiner Bekehrung unternahm Paulus mit Barnabas mehrere Missionsreisen, die ihn nach [[Kleinasien]] und [[Griechenland]] führten. Die Kapitel 13-20 der Apostelgeschichte berichten detailliert von Auseinandersetzungen mit [[Juden]] und [[Römisches Reich|Römern]] sowie von Gefahren der Reisen. - In [[Antiochien]] in [[Pisidien]] gründeten sie eine größere Gemeinde, überwiegend aus "gottesfürchtigen" [[Proselyten]] und [[Heidenchristen]] ({{Bibel|Apg|13|43.48}}). Von dort aus zogen sie weiter nach [[Ikonion]], wo sie fast gesteinigt wurden ({{Bibel|Apg|14|5}}), [[Lystra]], wo Paulus einen Steinigungsversuch überlebte ({{Bibel|Apg|14|19f}}), und [[Derbe]] sowie [[Attalia]] ({{Bibel|Apg|14|25}}), wo er weitere Gemeinden gründete.


Beim [[Apostelkonzil]] (um 48) erreichte er die Freigabe ihrer Heidenmission. Die Apg berichtet von zusätzlichen Auflagen für Heidenchristen (Apg 15,28f), doch Paulus betont ausdrücklich, dass nichts entsprechendes beschlossen wurde (Gal 2,6.9). In Antiochien kam es später zu einem Konflikt mit [[Petrus]] um die Frage der Tischgemeinschaft (Gal 2,11-14).
Beim [[Apostelkonzil]] (um 48) erreichte er die Freigabe ihrer Heidenmission. Die Apg berichtet von zusätzlichen Auflagen für Heidenchristen ({{Bibel|Apg|15|28f}}), doch Paulus betont ausdrücklich, dass nichts entsprechendes beschlossen wurde ({{Bibel|Gal|2|6.9}}). In Antiochien kam es später zu einem Konflikt mit [[Petrus]] um die Frage der Tischgemeinschaft ({{Bibel|Gal|2|11-14}}).


===Verhältnis zu Frauen, Krankheit===
===Verhältnis zu Frauen, Krankheit===
Paulus blieb, im Unterschied zum Apostel [[Simon Petrus|Petrus]], sein Leben lang unverheiratet und hatte zur Sexualität eine negative, wenngleich nachsichtige Einstellung (1.Kor 7,1f). Nach 2.Kor 12,7 litt er unter einer schmerzhaften Körperbehinderung (der „Pfahl im Fleisch“, der „Engel Satans, der mich mit Fäusten schlagen muss, damit ich mich nicht überhebe“), die vielleicht eine [[Rheuma|rheumatische]] Erkrankung oder eine [[Arthrose]] war, die ihn zwar nicht am Reisen hinderte, aber bewirkte, dass seine Handschrift groß und ungelenk wurde ([[Galaterbrief|Gal]] 6,11).
Paulus blieb, im Unterschied zum Apostel [[Simon Petrus|Petrus]], sein Leben lang unverheiratet und hatte zur Sexualität eine negative, wenngleich nachsichtige Einstellung ({{Bibel|1.Kor|7|1f|buchname=1. Kor}}). Nach {{Bibel|2.Kor|12|7|buchname=2. Kor}} litt er unter einer schmerzhaften Körperbehinderung (der „Pfahl im Fleisch“, der „Engel Satans, der mich mit Fäusten schlagen muss, damit ich mich nicht überhebe“), die vielleicht eine [[Rheuma|rheumatische]] Erkrankung oder eine [[Arthrose]] war, die ihn zwar nicht am Reisen hinderte, aber bewirkte, dass seine Handschrift groß und ungelenk wurde ({{Bibel|Gal|6|11}}).


===Gefängnisaufenthalte===
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Durch den von ihm verfassten Römerbrief hat Paulus die Kirchengeschichte später noch wesentlich beeinflusst: sowohl [[Augustinus von Hippo|Augustinus]] als auch [[Martin Luther]] und [[John Wesley]] führen ihre eigentliche Bekehrung auf die Lektüre des Römerbriefes zurück.
Durch den von ihm verfassten Römerbrief hat Paulus die Kirchengeschichte später noch wesentlich beeinflusst: sowohl [[Augustinus von Hippo|Augustinus]] als auch [[Martin Luther]] und [[John Wesley]] führen ihre eigentliche Bekehrung auf die Lektüre des Römerbriefes zurück.


Ein weiteres Schlüsselthema paulinischer Theologie lässt sich mit dem Stichwort „Christus und seine [[Gemeinde]]“ umschreiben. Schon in seiner Bekehrungsgeschichte klingt dieses Thema an. Jesus fragt Saulus: „Warum verfolgst du mich?“ (Apg 9, 4 f.) Diese Identifikation des bereits zum Himmel aufgefahrenen Christus mit seiner irdischen Gemeinde veranlasst Paulus nach immer neuen Bildern zu suchen, die das enge Verhältnis zwischen Christus und seiner Gemeinde beschreiben. Das bekannteste Bild findet sich in 1. Korinther 12: Christus ist das Haupt (= der Kopf) der Gemeinde - die Gemeinde ist der Leib des Christus (vergleiche Römer 12; Epheser 1,20-23; 5,23-32 uvam).
Ein weiteres Schlüsselthema paulinischer Theologie lässt sich mit dem Stichwort „Christus und seine [[Gemeinde]]“ umschreiben. Schon in seiner Bekehrungsgeschichte klingt dieses Thema an. Jesus fragt Saulus: „Warum verfolgst du mich?“ ({{Bibel|Apg|9|4f}}) Diese Identifikation des bereits zum Himmel aufgefahrenen Christus mit seiner irdischen Gemeinde veranlasst Paulus nach immer neuen Bildern zu suchen, die das enge Verhältnis zwischen Christus und seiner Gemeinde beschreiben. Das bekannteste Bild findet sich in {{Bibelkapitel|1.Korinther|12|buchname=1. Korinther}}: Christus ist das Haupt (= der Kopf) der Gemeinde - die Gemeinde ist der Leib des Christus (vergleiche {{Bibelkapitel|Roemer|12|buchname=Römer}}; {{Bibel|Epheser|1|20-23}}; {{Bibel|Epheser|5|23-32|text=23-32}} uvam).


Als Quelle 1. Ordnung für eine (fragmentarische) Paulus-Biographie kommen nur die sieben unbestrittenen Paulusbriefe in Frage, vor allem Gal 1-2. Die Angaben der Apostelgeschichte stehen in einem teilweisen Widerspruch dazu, dürfen also nur mit Vorbehalt benutzt werden.
Als Quelle 1. Ordnung für eine (fragmentarische) Paulus-Biographie kommen nur die sieben unbestrittenen Paulusbriefe in Frage, vor allem {{Bibelkapitel|Gal|1}}-{{Bibelkapitel|Gal|2|text=2}}. Die Angaben der Apostelgeschichte stehen in einem teilweisen Widerspruch dazu, dürfen also nur mit Vorbehalt benutzt werden.


==Paulusbriefe im Neuen Testament==
==Paulusbriefe im Neuen Testament==

Version vom 18. Januar 2006, 20:13 Uhr

„Apostel Paulus“ von Dürer

Paulus von Tarsus (* unbekannt, † wahrscheinlich 64) war ein hellenistisch gebildeter Pharisäer aus der jüdischen Diaspora. Er war seit etwa 32 bis zu seinem Tod neben Petrus der wohl bedeutendste Missionar und Theologe des Urchristentums.

Als gesetzestreuer Jude verfolgte Paulus die Urchristen zunächst, verstand sich seit seiner Bekehrung vor Damaskus aber als von Gott berufener "Apostel des Evangeliums für die Völker" ((Gal 1,15f EU)). Als solcher bereiste er den östlichen Mittelmeerraum und gründete dort einige Christengemeinden. Als ihr Seelsorger schrieb er in griechischer Sprache eine Reihe von Briefen an sie, die zu den ältesten erhaltenen urchristlichen Schriften gehören. Dreizehn ihm zugeschriebene Briefe wurden in das Neue Testament aufgenommen; mindestens sieben davon erkennt die heutige historisch-kritische Forschung als echt, einige weitere als seiner Theologie nahe stehend an.

Paulus teilte den Glauben der Jerusalemer Urgemeinde an Jesus von Nazaret als Messias des Gottesvolkes Israel. Er vertrat jedoch entschieden, dass Gott mit seinem Sohn alle Völker aus Gnade in seinen Bund aufgenommen habe, so dass die Taufe ohne Beschneidung zur Aufnahme in die Heilsgemeinschaft genüge. Damit eröffnete er dem Glauben an Jesus Christus im römischen Reich den Weg zu einer neuen Weltreligion.

Die paulinische Theologie beeinflusste die weitere Kirchengeschichte maßgebend und rief immer wieder epochale Wendepunkte hervor. Sie prägte u.a. Augustinus von Hippo, Martin Luther und Karl Barth.

Quellen und Chronologie

Biografische Angaben macht Paulus selbst in seinen Briefen nur selten; Nachrichten darüber stammen fast alle aus der Apostelgeschichte (Apg) des Lukas, eines Paulusschülers.

Diese ergibt nur ein einziges Fixdatum für das Leben des Paulus: (Apg 18,12 EU) erwähnt den Statthalter L.J. Gallio, einen Bruder Senecas. Er war nach einer in Delphi gefundenen Inschrift vom März 51 oder 52 an für ein Jahr Prokonsul in Achaia. Alle übrigen Datenangaben werden von da aus ungefähr errechnet, sind aber nicht exakt feststellbar.

  • Anschließend hielt er sich eine unbekannte Zeit lang in der Provinz Arabia - dem Nabatäerreich - auf, wo er in den Synagogen missionierte, bis er nach Damaskus zurückkehrte ((Gal 1,16 EU)).
  • Im Jahr 49 erließ Claudius ein Edikt, das die Juden aus Rom vertrieb (Sueton berichtet davon). Kurz darauf traf Paulus auf seiner zweiten großen Missionsreise das mitvertriebene Christenpaar Aquila und Priska in Korinth ((Apg 18,2 EU)), wo er sich 18 Monate aufhielt, dem Statthalter Gallio vorgeführt wurde (s.o.) und wohl den Galaterbrief verfasste.
  • Von etwa Sommer 52 bis 55 war Paulus in Ephesus, von wo aus er seine dritte Missionsreise mit Silas nach Europa unternahm. Im Winter 56 hielt er sich in Makedonien und Achaia auf. Hier können nacheinander die beiden Korintherbriefe entstanden sein.

Siehe auch: Zeittafel Geschichte des Christentums

Leben

Herkunft und Ausbildung

Nach (Apg 22,3 EU) stammte Paulus aus einer strenggläubigen jüdischen Familie aus Tarsos in der damaligen römischen Provinz Kilikien, einem Landstrich in der heutigen Südtürkei im Grenzgebiet zu Syrien. Diese Hafenstadt war damals ein bedeutendes Handelszentrum mit einer größeren jüdischen Synagogengemeinde, wie es sie in vielen Küstenstädten des Mittelmeerraums gab. Von seinem Vater erbte Paulus das römische Bürgerrecht ((Apg 16,37 EU); (Apg 22,28 EU)), das nur eine Minderheit der jüdischen Reichsbewohner besaß. Darauf berief er sich später erfolgreich in Konflikten um seine Mission.

Lukas führt ihn mit dem jüdischen Vornamen Saulus ein ((Apg 7,58 EU); (Apg 8,1.3 EU)), der von Saul (hebräisch Schaul), dem ersten König Israels, abgeleitet ist. Wie dieser stammte seine Familie aus dem Stamm Benjamin (([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|1.Sam]] 9,1 EU)), der als der kleinste der zwölf Stämme Israels galt. Darauf kann der griechische Name Paulos (= der Kleine; lateinisch Paulus) anspielen und auch wegen seiner Lautähnlichkeit zu Schaul gewählt worden sein. Paulus selbst verwendete ihn immer in seinen Briefen.

Lukas erwähnt den Doppelnamen beiläufig erst in (Apg 13,9 EU). Saulus wechselte seinen Namen also nicht wegen seiner Bekehrung und Taufe zu Paulus, wie es die bekannte Redewendung irrtümlich nahelegt, sondern trug beide Namen wohl seit seiner Geburt. Mehrsprachige Vor- oder Doppelnamen waren damals unter Diasporajuden üblich. Allerdings kam der Name Paulus nur extrem selten vor.

Paulus selbst betont zwar den völligen Wesenswandel, der ihm durch seine Begegnung mit Jesus Christus widerfuhr, bringt diesen aber nicht mit einem Namenswechsel in Verbindung. Er hat sich entschieden dagegen verwahrt, diesen Wandel als Aufgabe seines Judeseins misszuverstehen. Gegenüber innerchristlichen Gegnern hob er seine Abstammung in seinen Briefen später immer wieder voll Stolz hervor (z.B. Phil 3,5f):

...einer aus dem Volk Israel, vom Stamme Benjamin, ein Hebräer von Hebräern, nach dem Gesetz ein Pharisäer...

Demnach erhielt Paulus wohl schon in seiner Jugend eine Ausbildung als Toralehrer. Laut (Apg 22,3 EU) wuchs er in Jerusalem auf und wurde dort vom damals berühmten Rabbiner Gamaliel I. unterrichtet; er selbst erwähnt diesen Umzug und Lehrer jedoch nirgends, auch nicht, wo es ihm genützt hätte. Seine Briefe zeigen aber gleichermaßen solide Kenntnisse des Tanach und philosophischer Traditionen, Rede- und Argumentationsweisen des Hellenismus.

Nach jüdischem Brauch lernte Paulus neben seiner Bibelausbildung auch das Handwerk des Zeltmachers, vergleichbar mit dem des Sattlers ((Apg 18,3 EU)). Mit dieser Tätigkeit verdiente er auch später als christlicher Missionar seinen Lebensunterhalt (([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|1.Thess]] 2,9 EU); ([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|1.Kor]] 4,12 EU); ([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|2.Kor]] 11,27 EU)).

Christenverfolger

Paulus vertrat bis zu seiner Bekehrung einen strengen Pharisäismus, der verlangte, dass auch Proselyten (zum Judentum übergetretene Nichtjuden) zu beschneiden seien. Er übte diese Praxis früher offenbar selbst aus ((Gal 5,11 EU)). Er verstand sich als "Eiferer für das Gesetz" ((Gal 1,14 EU)), der dessen Vorschriften auch gegenüber Mitjuden vorbildlich erfüllt habe ((Phil 3,6 EU)).

In diesem Streben wurde er ein erbitterter Gegner jener hellenistischen Judenchristen, die in der jüdischen Diaspora missionierten und dabei neugetauften Heiden die Befolgung der Tora erleichterten, indem sie auf deren Beschneidung verzichteten.

Laut Lukas war Paulus sogar im Auftrag des Sanhedrin an der Aufsicht über die vorschriftsmäßige Steinigung des ersten christlichen Märtyrers Stephanus beteiligt ((Apg 7,58 EU); (Apg 8,1 EU)). Dieser erscheint als Wortführer jener Gruppe von Hellenisten, die in der Jerusalemer Urgemeinde als erste mit der Heidenmission begannen, den Tempelkult ablehnten und dadurch in Konflikt mit den sadduzäischen Tempelpriestern gerieten.

Paulus selbst schweigt jedoch über diesen Prozess. Wo er über seine frühere Christenfeindschaft berichtet, betont er, er sei erst nach seiner Bekehrung erstmals nach Jerusalem gereist ((Gal 1,18 EU)), die Gemeinden Judäas hätten ihn vorher nicht gekannt ((Gal 1,22 EU)). Die Verfolgung galt also wohl nur den hellenistischen Christengemeinden außerhalb Palästinas, die die Tora für ihre Mitglieder nicht verbindlich machten.

die Bekehrung des „Saulus“

Die Bekehrung

Paulus selbst erwähnt das Ereignis, durch das er Christ wurde, mehrfach in seinen Briefen:

  • (Gal 1,15-17 EU)
  • (Phil 3,7-9 EU)
  • ([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|1.Kor]] 15,8f EU)
  • ([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|2.Kor]] 4,1.5-6 EU)

Es fällt auf, dass keine dieser Stellen die Erfahrung ausmalt, die Paulus vom Christenverfolger zum Verkünder des Evangeliums verwandelte. An allen Stellen ist dieses persönliche Erlebnis nur Beispiel für die Erkenntnis Jesu Christi, die dieser selbst allen Menschen eröffnen und ermöglichen will. Es lässt sich nicht isoliert von seiner universalen Zielrichtung beschreiben.

Nach (Gal 1,11 EU) ist dieses Evangelium nicht menschlicher Art; es habe ihn ergriffen ((Phil 3,8 EU)) und geradezu gezwungen, sein bisheriges Leben aufzugeben und nur noch Jesus Christus zu verkünden. Paulus deutet dieses Ergriffenwerden als Entscheidung Gottes über sein Leben, die vor seiner Geburt gefallen sei: Dieser habe ihn von meiner Mutterleib an auserwählt und ihm seinen Sohn offenbart, um ihn zum Apostel der Völkermission zu berufen ((Gal 1,15 EU)). Er verstand sein Amt also analog zu Jeremia, der sich ebenso zum Propheten für Israel und die Völker berufen fühlte ((Jer 1,5 EU); vgl. (Jes 49,1 EU)).

Paulus betont, er sei dieser Berufung drei Jahre lang gefolgt und habe erst dann die Jerusalemer Urgemeinde besucht ((Gal 1,17-20 EU)). Man nimmt an, dass er dort das schon fixierte urchristliche Glaubensbekenntnis mit der Liste der Auferstehungszeugen übernahm, das er in seinem etwa 56 verfassten 1. Korintherbrief zitiert (([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|1.Kor]] 15,3-7 EU)) und ergänzt (Vers ([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|1.Kor]] 15,8f EU)):

Zuletzt von allen ist er auch von mir, einer Missgeburt, gesehen worden. Denn ich bin der Geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, ein Apostel zu heißen, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.

Er stellte seine Bekehrung also in die Reihe der älteren Jüngerberufungen, die ihm die Jerusalemer Augenzeugen um 36 berichteten. Welcher Art diese waren, erfährt man nicht. Der formelhafte Ausdruck ophtae (gesehen worden = erschienen) verweist auf Visionen analog zur jüdischen Apokalyptik, die als von Gott offenbarte Vorwegnahme endzeitlicher Ereignisse erfahren und weitergegeben wurden (z.B. (Dan 7,1-14 EU)). Denn Paulus schloss hier sein berühmtes Kapitel über die Totenauferstehung an, einen Glauben, den er mit anderen jüdischen Gruppen wie Pharisäern, Zeloten und Essenern teilte.

Um 90 berichtete der Paulusschüler Lukas über das sogenannte Damaskuserlebnis in drei Versionen:

  • erzählend in (Apg 9,1-18 EU);
  • als Eigenbericht des Paulus in (Apg 22,6-16 EU) und (Apg 26,12-14 EU).

Missionsreisen

Einige Jahre nach seiner Bekehrung unternahm Paulus mit Barnabas mehrere Missionsreisen, die ihn nach Kleinasien und Griechenland führten. Die Kapitel 13-20 der Apostelgeschichte berichten detailliert von Auseinandersetzungen mit Juden und Römern sowie von Gefahren der Reisen. - In Antiochien in Pisidien gründeten sie eine größere Gemeinde, überwiegend aus "gottesfürchtigen" Proselyten und Heidenchristen ((Apg 13,43.48 EU)). Von dort aus zogen sie weiter nach Ikonion, wo sie fast gesteinigt wurden ((Apg 14,5 EU)), Lystra, wo Paulus einen Steinigungsversuch überlebte ((Apg 14,19f EU)), und Derbe sowie Attalia ((Apg 14,25 EU)), wo er weitere Gemeinden gründete.

Beim Apostelkonzil (um 48) erreichte er die Freigabe ihrer Heidenmission. Die Apg berichtet von zusätzlichen Auflagen für Heidenchristen ((Apg 15,28f EU)), doch Paulus betont ausdrücklich, dass nichts entsprechendes beschlossen wurde ((Gal 2,6.9 EU)). In Antiochien kam es später zu einem Konflikt mit Petrus um die Frage der Tischgemeinschaft ((Gal 2,11-14 EU)).

Verhältnis zu Frauen, Krankheit

Paulus blieb, im Unterschied zum Apostel Petrus, sein Leben lang unverheiratet und hatte zur Sexualität eine negative, wenngleich nachsichtige Einstellung (([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|1.Kor]] 7,1f EU)). Nach ([[Vorlage:Bibel: Angabe für das Buch ungültig!|2.Kor]] 12,7 EU) litt er unter einer schmerzhaften Körperbehinderung (der „Pfahl im Fleisch“, der „Engel Satans, der mich mit Fäusten schlagen muss, damit ich mich nicht überhebe“), die vielleicht eine rheumatische Erkrankung oder eine Arthrose war, die ihn zwar nicht am Reisen hinderte, aber bewirkte, dass seine Handschrift groß und ungelenk wurde ((Gal 6,11 EU)).

Gefängnisaufenthalte

Bei einer Reise nach Jerusalem wurde er von der römischen Besatzungsmacht gefangengesetzt und von der dortigen jüdischen kollaborierenden Verwaltung angeklagt. Nach einer rechtlichen Auseinandersetzung wurde er nach Rom verbracht, um dort seinen Rechtsanspruch als römischer Bürger vor dem Kaiser vorzutragen - was sein Privileg als römischer Bürger war. Mit der Ankunft in Rom endet in der Apostelgeschichte der Bericht über Paulus.

Aus einigen seiner Briefe könnte hervorgehen, dass er nach einer ersten Gefangenschaft in Rom nochmals freigelassen wurde und Griechenland, Kreta, und Kleinasien besuchte und dass er Pläne hatte, nach Spanien zu reisen. Eine solche Reise wird auch von einigen Kirchenvätern erwähnt; es ist jedoch nicht bekannt, ob sie tatsächlich stattgefunden hat. Zurück in Rom, in dem sich die politische Lage für die Judenchristen verschlechtert hatte, geriet er vermutlich von neuem in Gefangenschaft.

Märtyrertod unter Nero

Nach der Überlieferung der römischen Gemeinde wurde er dann 64 n. Chr. als Märtyrer unter Nero in Rom durch das Schwert hingerichtet - eine Kreuzigung blieb ihm aufgrund seines Bürgerrechts wohl erspart. Sein Grab soll sich in Rom unter der Kirche San Paolo fuori le mura (St. Paul vor den Mauern) befinden, das der italienische Archäologe Giorgio Filippi im Juni 2005 wiedergefunden haben will.

Theologie

Die Theologie des Paulus ist in seinen Briefen ausgeführt (insbesondere im Römerbrief). Die wichtigsten Punkte daraus sind

- Jesus als der Auferstandene Herr, wird wiederkommen und die Toten werden ebenfalls auferstehen, „unverweslich“.

  • Gerechtigkeit vor Gott erlangt der Mensch nicht durch die Erfüllung des Gesetzes, sondern allein aus dem von Gott geschenkten Glauben an das Evangelium, durch Gnade Gottes.
  • Nicht die von außen kommende Forderung des Gesetzes sondern das befreiende Leben Christi im Gläubigen durch den Heiligen Geist ist Kraft und Richtschnur allen Handelns.
  • Es steht den Christen nicht zu, endgültig über Israels Gottesbeziehung zu urteilen.

Durch den von ihm verfassten Römerbrief hat Paulus die Kirchengeschichte später noch wesentlich beeinflusst: sowohl Augustinus als auch Martin Luther und John Wesley führen ihre eigentliche Bekehrung auf die Lektüre des Römerbriefes zurück.

Ein weiteres Schlüsselthema paulinischer Theologie lässt sich mit dem Stichwort „Christus und seine Gemeinde“ umschreiben. Schon in seiner Bekehrungsgeschichte klingt dieses Thema an. Jesus fragt Saulus: „Warum verfolgst du mich?“ ((Apg 9,4f EU)) Diese Identifikation des bereits zum Himmel aufgefahrenen Christus mit seiner irdischen Gemeinde veranlasst Paulus nach immer neuen Bildern zu suchen, die das enge Verhältnis zwischen Christus und seiner Gemeinde beschreiben. Das bekannteste Bild findet sich in Vorlage:Bibelkapitel: Christus ist das Haupt (= der Kopf) der Gemeinde - die Gemeinde ist der Leib des Christus (vergleiche Vorlage:Bibelkapitel; (Epheser 1,20-23 EU); (Epheser 5,23-32 EU) uvam).

Als Quelle 1. Ordnung für eine (fragmentarische) Paulus-Biographie kommen nur die sieben unbestrittenen Paulusbriefe in Frage, vor allem Vorlage:Bibelkapitel-Vorlage:Bibelkapitel. Die Angaben der Apostelgeschichte stehen in einem teilweisen Widerspruch dazu, dürfen also nur mit Vorbehalt benutzt werden.

Paulusbriefe im Neuen Testament

Evangelikale Theologen gehen davon aus, dass alle Schriften des Neuen Testaments, die beanspruchen, von Paulus verfasst worden zu sein, (das heißt alle Paulusbriefe) auch tatsächlich von Paulus stammen.

  • In der Überlieferung wird ihm manchmal auch der Hebräerbrief zugeschrieben

Näheres unter den einzelnen Briefen.

Bedeutung

Paulus ist, von Jesus Christus abgesehen, die Person in der Kirchengeschichte, die in praktisch allen Konfessionen als herausragend angesehen oder verehrt wird, am stärksten im Protestantismus. Diese Verehrung entwickelte sich langsam, in der frühen Kirche hatte Paulus noch nicht das Ansehen, das ihm später zuteil wurde. Im 7. Jahrhundert entwickelte sich in Kleinasien die Glaubensrichtung der Paulikianer, die seine Briefe als wichtigsten Teil der heiligen Schrift ansahen.

Andererseits ist Paulus auch mindestens seit der frühen Neuzeit ein beliebtes Ziel von Angriffen durch Kritiker des bestehenden Christentum, die ihm häufig vorwerfen, die Lehre von Jesus in diese oder jene Richtung verfälscht zu haben.

In der katholischen Weltkirche ist Paulus der Schutzpatron der Theologen und Seelsorger, Weber, Zeltwirker, Korbmacher, Seiler, Sattler und Arbeiterinnen, sowie der katholischen Presse. Er wird als Heiliger angerufen für Regen und Fruchtbarkeit der Felder und gegen Furcht, Ohrenleiden, Krämpfe, Schlangenbiss.

In der Kunst wird er gewöhnlich als kahlköpfiger, bärtiger Mann mit Buch und/oder Schwert dargestellt. Der Gedenktag von Paulus (und Petrus) ist der 29. Juni, Näheres siehe Simon Petrus.

Siehe auch

Literatur

Historisch-kritische Gesamtdarstellungen

  • Jürgen Becker: „Paulus. der Apostel der Völker.“ UTB, Stuttgart 1998, ISBN 3825220141 (historisch)
  • Klaus Berger: „Paulus.“ Beck, München 2001, ISBN 3406479979 (allgemein verständlich, aber manchmal oberflächlich)
  • Günther Bornkamm: „Paulus.“ Stuttgart 1979, ISBN 3170124676 (historisch-kritisches Standardwerk; geht von den Briefen aus und zieht die Apg. erst sekundär hinzu)
  • Joachim Gnilka: Paulus von Tarsus - Zeuge und Apostel. Freiburg 1996.
  • Eduard Lohse, „Paulus“, München 1996, ISBN 3406409490 (umfangreich, informativ, leicht lesbar)
  • Gerd Lüdemann: „Paulus, der Gründer des Christentums.“ Göttingen 1980 ISBN 3934920071 (umstrittene Ansichten)
  • Ed Parish Sanders: „Paulus. Eine Einführung.“ Reclam, Stuttgart 1995, ISBN 3150093651 (knappe Einführung in die wichtigsten Probleme der historisch-krischen Paulus-Forschung)
  • Udo Schnelle, „Paulus“, Berlin 2003, ISBN 3110151642 (aus wissenschaftlicher Perspektive, sehr umfangreich)

Theologie des Paulus

  • Georg Eichholz: „Die Theologie des Paulus im Umriss.“ Neukirchen-Vluyn 1991 (Standardwerk: sieht Paulus als Begründer der reformatorischen Rechtfertigungslehre und betont seine Treue zu Israel)
  • Otto Hofius: „Paulusstudien“. Tübingen 1989
  • Hans Hübner: „Biblische Theologie des Neuen Testaments“, Band 2: „Die Theologie des Paulus und ihre neutestamentliche Wirkungsgeschichte.“ Göttingen 1993
  • Ernst Käsemann: „Gottesgerechtigkeit bei Paulus.“ in: „Exegetische Versuche und Besinnungen“, Band 2, Göttingen 1964, S. 181-193 (bahnbrechender Aufsatz, der die Rolle der spätjüdischen Apokalyptik für Paulus betont und darin die Kontinuität zu Jesus und der Urgemeinde sieht)
  • Albert Schweitzer: „Die Mystik des Apostels Paulus.“ 1930 (ein älteres Standardwerk, das Paulus gegen Luther abgrenzt)
  • Gerd Theißen: „Psychologische Aspekte paulinischer Theologie.“ Göttingen 1993 (Exegese anhand von vier psychologischen Methoden)

Biographie/Chronologie des Paulus

  • Friedrich Wilhem Horn, „Das Ende des Paulus“, Berlin 2001, ISBN 3110170019 (Aufsatzsammlung zur Endphase im Leben des Paulus)
  • Rainer Riesner, „Die Frühzeit des Apostels Paulus“, Tübingen 1994, ISBN 3161458281 (entgegen dem Titel eine vollständige Darstellung der Biographie des Apostels, sehr detailliert und fundiert)
  • Alfred Suhl, „Paulus und seine Briefe“, Gütersloh 1975, ISBN 3579044508 (Auswertung der biographischen Selbstaussagen des Apostels in seinen Briefen)
  • Holger Zeigan, „Aposteltreffen in Jerusalem“, Leipzig 2005, ISBN 3374023150 (neueste Erscheinung zur Biographie des Paulus, schwerpunktmäßig mit dem Apostelkonvent von Gal.2 beschäftigt)

Außerchristliche Darstellungen

(siehe auch die Angaben zu den Artikeln Urchristentum und Alte Kirche und die zu den einzelnen Briefen genannte Literatur)

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