Neoliberalismus

Als Neoliberalismus bezeichnet man zusammenfassend ein sozialphilosophisches und wirtschaftspolitisches Konzept, das u.a. auf dem klassischen Liberalismus und der neoklassischen Theorie basiert und staatliche Einflüsse auf das Wirtschaftsgeschehen minimieren will. Im Unterschied zum Laissez-faire des klassischen Liberalismus wird ein regulierendes Eingreifen des Staates zur Sicherstellung funktionierender Märkte als notwendig betrachtet. Ein korrekterer und besser beschreibende Begriff ist Wirtschaftsliberalismus.

Der Gedanke einer Neuformulierung der Ideen des Liberalismus ist in verschiedenen Schulen verwirklicht worden: zum einen im Ordoliberalismus der Freiburger Schule (Soziale Marktwirtschaft); zum anderen in der Österreichischen Schule, die sich selbst allerdings als klassisch liberal begreift; zum dritten im Monetarismus der Chicagoer Schule.

Begriff

Der Begriff Neoliberalismus wurde von den Ökonomen Friedrich Hayek, Wilhelm Röpke, Walter Eucken und anderen auf einer Konferenz in Paris im Jahre 1938 im Zuge der Entwicklung eines Konzepts für eine langfristige Wirtschaftspolitik geprägt, welche sich als Mittelweg zwischen reinem Kapitalismus und Sozialismus verstand. Demnach sind Eingriffe in die Wirtschaft nur dann gerechtfertigt und notwendig, wenn sie beispielsweise Marktverzerrungen durch Monopole oder Kartelle verhindern.

Der Begriff Neoliberalismus ist somit eine Selbstbezeichnung einer Gruppe von Liberalen in der Mitte des 20sten Jahrhunderts. Heute wird der Begriff in der öffentlichen Diskussion insbesondere von Globalisierungsgegnern und Gewerkschaften häufig als herabsetzendes Synonym für Kapitalismus verwendet. Die Befürworter sprechen in der Regel von liberaler Wirtschaftspolitik.

Konzepte

Ordoliberalismus

Als Ordoliberalismus bezeichnet man die deutsche Variante des Neoliberalismus. Als Grund für die Notwendigkeit einer Rahmenordnung sieht der Ordoliberalismus die Tendenz ungeregelter Märkte, den eigenen Wettbewerbsmechanismus aufzulösen. Anbieter schließen sich zusammen, bilden Kartelle und Preisabsprachen, streben nach Monopolen und können so den Markt diktieren (Vermachtung des Marktes). Schädigungswettbewerb kann das Übergewicht gegenüber Leistungswettbewerb erlangen. Die Aufgabe des Staates sei es folglich, einen Ordnungsrahmen zu entwickeln, der faktisch vor allem aus Kartell- und Wettbewerbsgesetzen besteht, Markttransparenz und freien Marktzugang fördert sowie für Preisniveaustabilität sorgen soll. Der Sozialgedanke und das Leistungsprinzip, der Ordnungsauftrag und der Dezentralismus sollen miteinander ausgesöhnt werden. Wichtiges Ziel des Ordoliberalismus ist dabei eine De-Monopolisierung. Marktversagen ist im ordoliberalen Denkansatz überall dort möglich, wo versäumt wurde, rechtzeitig die richtige Ordo zu errichten — etwa bei einer fehlenden Entgelt-Festsetzung für die verbrauchende Nutzung von Gemeingütern wie der Umwelt oder bei unzureichenden Maßnahmen gegen die Kartellbildung.

Monetarismus

Außerhalb des deutschen Sprachraums war die ordoliberale Variante des Neoliberalismus nie sehr bekannt, dort und mittlerweile auch hier werden mit Neoliberalismus vor allem die Ideen des Monetarismus der Chicagoer Schule mit ihrem bekanntesten Vertreter Milton Friedman verbunden. Der Monetarismus geht grundsätzlich von der Stabilität des privaten Sektors aus. Eine Begründung für das Vertrauen in den Markt und in die Privatwirtschaft finden wir bei Karl Brunner in The Monetarist Revolution, 1973: „Der private Sektor federt Ausschläge ab und formt sie in eine stabilisierende Bewegung um […] die Hauptinstabilitäten und Unsicherheiten des ökonomischen Prozesses [gehen] auf das Verhalten des staatlichen Sektors zurück. Die Unsicherheiten sind im besonderen den Steuer- und Ausgabenprogrammen zuzurechnen sowie den Maßnahmen eingreifender Instanzen. Die Instabilität ist vor allem der Geld-, Kredit- und Fiskalpolitik zuzuschreiben.“ Auch bei der Entstehung von Monopolen vertraut der Monetarismus, im Unterschied zum Ordoliberalismus, auf den freien Markt und geht davon aus, dass auf lange Sicht die Selbstregulierungsmechanismen des Marktes zu einem Marktgleichgewicht führen werden.

Unterschied zum Libertarismus

Zuweilen wird der Neoliberalismus fälschlicherweise mit dem Libertarismus gleichgesetzt. Hierbei handelt es sich um ein in Deutschland weithin unbekanntes Konzept, welches das Recht auf Eigentum verabsolutiert und Steuern und Sozialpolitik vollständig ablehnt und damit im Gegensatz zum Neoliberalismus steht. Ziel des Neoliberalismus ist es, das Funktionieren der marktwirtschaftlichen Ordnung zu sichern, sprich die Wirtschaft effizient zu gestalten. Ein Wohlfahrtsstaat kann nach Meinung vieler Neoliberaler auf Dauer gar nicht, schwer oder nur auf einem niedrigen Niveau finanziert werden.

Elemente neoliberaler Politik

  • Normativer Individualismus: Quelle für wirtschaftspolitische Entscheidungen ist die individuelle Präferenz der Wirtschaftssubjekte. Aufgrund von Aggregationsproblemen individueller Präferenzen wird daher eine Kritik staatlicher Wirtschaftsprogramme geübt, wenn dieses aus allgemeinen Prinzipien abgeleitet wird (Ablehnung von Agendapolitik). Diese Prinzip ähnelt dem Prinzip der Volkssouveränität in der liberalen politischen Theorie.
  • Privateigentum/Privatisierung: Nach neoliberaler Auffassung ist es nicht Aufgabe des Staates, unternehmerisch tätig zu werden. Gefordert wird deshalb die Privatisierung von Staatsbetrieben bzw. Aufgabe von Staatsbeteiligungen, insbesondere auch von staatlichen Monopolen im Bereich der Infrastruktur (Daseinsvorsorge) wie Telekommunikation, Verkehr, Energie oder Bildung. Die Weltbank hat als übergeordnete Strategie das sogenannte Private Sector Development, vergleiche auch Konzept der Public Private Partnership. Der Staat hat aber durch eine Wettbewerbspolitik für funktionsfähige Märkte zu sorgen und der Bildung von Monopolmärkten und Marktversagen vorzubeugen. Der Vorrang von Privateigentum und privatwirtschaftlichen Regelungsformen gegenüber staatlichem Einfluss wird mitunter aus einer bestimmten Sichtweise auf die ökonomische Theorie der Verfügungsrechte abgeleitet. Demnach steige der volkswirtschaftliche Wohlstand, je mehr Eigentum sich in privater Hand befindet. Bei sozialistischen Regelungsformen komme es hingegen zwangsläufig zur sogenannten Tragik der Allmende.
  • Markt als Steuerungsinstrument: Nach neoliberaler Überzeugung soll der Markt, also Angebot und Nachfrage, über Art, Preis und Menge der Sach- und Dienstleistungen entscheiden, da so eine optimale Allokation der Ressourcen stattfinde.
  • Wettbewerb: Der Staat hat für funktionierende Märkte zu sorgen und im Falle deutlich unvollkommener Märkte regulierend einzugreifen, etwa durch Steuern auf externe Effekte und durch Kartellgesetzgebung. Im Unterschied zur Neoklassik wird der Wettbewerb auch auf die Institutionen ausgeweitet, mit der Meinung, dass die „fittest“ auf dem Markt überleben, deren Bedeutung wird anerkannt („neuer Institutionalismus“).
  • Deregulierung: Neoliberale fordern eine Deregulierung und Liberalisierung der Wirtschaft im Sinne einer Reduzierung der Gesetze und Verordnungen, soweit sie als übertrieben bürokratisch und nicht wirklich notwendig angesehen werden, weil dadurch einzelwirtschaftliche Handlungen verhindert würden.
  • Welthandel: Neoliberale befürworten die Globalisierung im Sinne einer Förderung des Freihandels zwischen den Staaten, sei es durch globale Organisationen wie der WTO mit ihren Vereinbarungen wie GATT, GATS, TBT, SPS, TRIPS, oder sei es durch Freihandelszonen und vermehrte Sonderwirtschaftszonen oder der Abschaffung der Grenzen der Nationalstaaten. Der freie Handel trägt nach Einschätzung des Neoliberalismus zur Förderung von weltweitem Wohlstand bei. Die Einschränkung des Handels mittels tarifärer (Schutzzölle) und nicht-tarifärer Handelshemmnisse und eine Förderung bestimmter Wirtschaftszweige durch den Staat (Subventionen) hingegen führt nach neoliberaler Vorstellung zu Ungleichverteilung und Armut auf der Welt. So haben es zum Beispiel Entwicklungsländer schwer, gegenüber der hochsubventionierten europäischen Agrarwirtschaft konkurrenzfähig zu bleiben. Neoliberale werfen den Industriestaaten vor, nur von den Entwicklungsländern Handelsfreiheit zu fordern, diese jedoch nicht im eigenen Land einführen zu wollen.
  • Steuerpolitik: Gefordert werden in der Regel niedrige Steuersätze, etwa in Form eines Proportionaltarifs oder Stufentarifs, und ein einfaches Steuersystem anstelle eines Systems vielfältiger Einzelbestimmungen. Indirekte Steuern werden gegenüber direkten Steuern vorgezogen. Steuern auf die Substanz und Vermögen werden als Doppelbesteuerung ebenso abgelehnt wie Bagatellsteuern, bei denen die Einnahmen oft kaum höher sind als der Aufwand zu ihrer Erhebung. Insgesamt wird die Senkung von Unternehmenssteuern befürwortet, zumal damit oft sogar eine Erhöhung der staatlichen Steuereinnahmen einher ginge.
  • Sozialsystem: Auch im Bereich der Sozialsysteme befürworten Neoliberale privatwirtschaftlich organisierte Lösungen anstelle der als bürokratisch angesehenen staatlichen Systeme. Damit soll eine effizientere Verwaltung der Mittel des Bürgers erreicht werden. Das Umlageverfahren wird kritisiert, da es auf keiner soliden Basis stehe. Statt dessen wird private Vorsorge im Rahmen des Kapitaldeckungsverfahrens befürwortet. Das bedeutet, dass die sozialen Sicherungssysteme umgebaut werden: Der Umverteilungsstaat wird abgebaut, marktwirtschaftliche Systeme werden aufgebaut. Staatliche Leistungen würden sich dann wirksam auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren, also diejenigen, die nicht in der Lage sind, für ihren eigenen Lebensunterhalt aufzukommen. Milton Friedman hat eine negative Einkommensteuer vorgeschlagen. Danach würde das Finanzamt jedem Steuerpflichtigen, dessen Einkommen unter einem festzulegenden Minimum liegt, die Differenz ohne weitere Prüfungen überweisen. Link
  • Vermachtung: Der Neoliberalismus kritisiert Machtkonzentration in Wirtschaft (Kartellbildung) und Staat und wendet sich gegen gruppenegoistische („rent-seeking“) Machtentfaltung von Gewerkschaften, Umweltverbänden und Arbeitgeberverbänden.
  • Konjunkturpolitik: Es wird gefordert, dass auch in rezessiven Phasen der Wirtschaft keine antizyklischen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen seitens der Politik stattfinden sollen. Konjunkturprogramme seien Strohfeuer, die langfristig mehr schaden als nutzen würden. Subventionen verzerren nach neoliberaler Auffassung den Wettbewerb, verhindern Innovation und Strukturwandel und sollen deshalb abgebaut werden. Stattdessen wird eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik verfolgt, bei der man versucht durch günstigere Produkte den Konsum anzuregen. Dies geschieht unter anderem durch die Senkung von Löhnen, Lohnnebenkosten und Unternehmenssteuern. Gemäß der G-I-B-Formel wird erhofft, dass niedrigere Löhne zu höheren Gewinnen (G) führen, die zu höheren Investitionen (I) anregen, was mehr Beschäftigung (B) schafft.

Beispiele neoliberaler Politik

Als das wohl bedeutendste Beispiel neoliberaler Politik gilt die Politik in der Bundesrepublik Deutschland unter Ludwig Erhard (1949-1963 Bundeswirtschaftsminister, 1963-1966 Bundeskanzler). Erhard und sein Staatssekretär Alfred Müller-Armack, der den Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ prägte, waren beide Wirtschaftswissenschaftler, Vertreter der Freiburger Schule und Mitglieder der Mont Pèlerin Society und hatten regelmäßigen Kontakt zu den führenden Vertretern des Neoliberalismus wie Eucken, Röpke, Böhm und Hayek. Auch der in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts geprägte Begriff „Sozial-ökologische Marktwirtschaft“ basiert wesentlich auf dem Neoliberalismus. So ist die Internalisierung negativer externer Effekte (z. B. bei Umweltschäden) eine Grundforderung des Neoliberalismus.

Als Experimentierfeld für die neoliberale Wirtschaftspolitik moderner Prägung gilt Chile. Jose Pinera als Arbeitsminister unter dem Diktator Pinochet spielte dort eine besondere Rolle, da er in seiner Funktion die sozialstaatlichen Züge Chiles abschaffte und ein arbeitgeberfreundliches Klima schuf. Von Milton Friedman stammt der Begriff des „Wunders von Chile“. Er wunderte sich über die liberale ökonomische Ausrichtung des ansonsten diktatorischen Regimes. Ronald Reagan („Reaganomics“) und Margaret Thatcher („Thatcherismus“) waren die ersten bedeutenden Politiker, die die neuen neoliberalen Ansätze in den Industriestaaten umsetzten. Großbritannien erlebte aber erst nach der Regierungszeit von Margeret Thatcher und John Major eine ökonomische Blüte, deren Ursachen deshalb umstritten sind.

Als neoliberales Musterland gilt vielen Befürwortern Neuseeland. Das Land hat – eingeleitet durch eine Labour-Regierung, fortgeführt von den Konservativen – einen radikalen Wechsel von einer der am stärksten regulierten Volkswirtschaften zu einer sehr liberalen vollzogen. Subventionen wurden radikal gestrichen, die Sozialsysteme stark zurückgebaut. Staatsbetriebe wurden privatisiert, Agrarsubventionen abgebaut, Kapitalverkehrskontrollen abgeschafft, die Zentralbank erlangte Unabhängigkeit, und der Spitzensteuersatz wurde halbiert. Neuseeland zählt heute zu den am stärksten deregulierten und privatisierten Volkswirtschaften der Welt. Die Arbeitslosigkeit lag 2004 bei 3,6 Prozent und das Wachstum bei 4,4 Prozent und Neuseeland nahm damit in der OECD eine Spitzenposition ein.

Als neoliberales Musterland gilt manchen Kritikern Argentinien, was aber sachlich inkorrekt ist, da Argentinien z. B. viele der im Washingtoner Konsensus formulierten Politikempfehlungen ignorierte und über Jahrzehnte eine exzessive Verschuldungspolitik verfolgte. Der ehemalige Chefvolkswirt des IWF forderte eine Übernahme der "Tragödie" in Argentinien, da sich der IWF "permanent und tiefgreifend in die Wirtschaftspolitik des Landes eingemischt" habe.

Die neoliberalen europäischen Länder sind baltische Staaten Estland, Litauen (baltische Tiger). Als Grund für die dauerhafte Binnennachfrage und rasant wachsenden Export sehen die Analysten die neoliberale Politik und freien Wettbewerb im Baltikum. Die Arbeitslosenquote in Estland beträgt 7,9%, in Litauen liegt sie bei etwa 9%.

In Österreich wandte sich die SPÖ/FPÖ Regierung 1985 mit einer Absage an den Keynesianismus einer restriktiven Budgetpolitik zu, 2003 setzte die ÖVP/FPÖ auf einen neoliberalen Kurs.

Weltweit ging der Neoliberalismus seit dem Dekadenwechsel von den 70er auf die 80er Jahre mit gemessen am Wirtschaftswachstum im Vergleich zur vorherigen keynesianischen Epoche mit deutlich höheren Zinssätzen, also mit einem knapperen Angebot an Geldkapital einher (Abbildung). Gemessen an der Goldenen Regel der Akkumulation waren die langfristigen Zinssätze im keynesianischen Zeitalter, also etwa bis Ende der 70er Jahre, zu niedrig, und im neoliberalen Zeitalter, also etwa ab Anfang der 80er Jahre, zu hoch.

Denkfabriken

Friedrich Hayek dachte, dass zur Durchsetzung des Konzepts des Neoliberalismus mit einem Prozess zu rechnen wäre, der über zwei bis drei Generationen dauern würde, er gründete 1947 mit 36 liberalen Wissenschaftlern, vorwiegend Ökonomen, darunter auch Friedman, die Denkfabrik Mont Pelerin Society. Diese hat sich – neben der Verteidigung von Freiheit und Rechtsstaat – die Förderung von Privateigentum und Wettbewerb zur Aufgabe gemacht, die als wesentlich für eine freie Gesellschaft angesehen werden. Weitere wichtige Institute wurden in der Folge gegründet: das Institute of Economic Affairs 1971 in London, die Heritage Foundation 1973 in Washington, D.C und die Atlas Economic Research Foundation, sowie das Fraser Institute und das Manhattan Institute for Public Policy Research.

In Deutschland gibt es z. B. den Kronberger Kreis – als wissenschaftlicher Beirat der Stiftung Marktwirtschaft, die es sich nach eigener Aussage zur Aufgabe gemacht hat, „zukunftsweisende marktwirtschaftliche Konzepte zu entwickeln, bekannt zu machen und Politik und Öffentlichkeit für sie zu gewinnen“.

Neoliberale Programmatik findet man außerdem in den Zielen verschiedener außerparlamentarischer Gruppierungen und Stiftungen.

Die WTO mit Ziel des weltweiten Freihandels vertritt neoliberale Forderungen, auch Weltbank und IWF werden oft mit dem Neoliberalismus in Verbindung gebracht. Seine Verbreitung als Konzept wurde von Ökonomen der Weltbank und des IWF nach dem Zweiten Weltkrieg vorangetrieben, als Antwort auf die Programme zur Förderung von Entwicklungsländern, die nicht den gewünschten Erfolg zeigten: Förderungen für Großprojekte ließen die armen Länder mit Schulden und geringem Wirtschaftswachstum zurück, die größere Bedeutung liegt aber in den 1970er Jahren als Versuch, eine strukturelle Krise zu beantworten (s. a. Konsens von Washington). Die Gewährung von Krediten an ein Land wird oft von der Durchführung liberaler Reformen (vgl. Strukturanpassungsprogramm) abhängig gemacht. Allerdings werden IWF und Weltbank auch von neoliberaler Seite kritisiert, z. B. wenn durch Begünstigung lokaler Machteliten marktverzerrende und interventionistische Politik betrieben wird. Auch das Weltwirtschaftsforum (WEF) wird von vielen in seinen Zielsetzungen als neoliberal angesehen.

Kritik und Kritiker

Von Gewerkschaften und Globalisierungskritikern werden die von „neoliberaler“ Politik geforderten Privatisierungen und die Einschränkung staatlicher Wohlfahrtsleistungen kritisiert, da sie zu einer 'Entfesselung des Marktes', aber auch zu einer Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, führen. Dadurch verschärfe sich weltweit die soziale Lage und es komme zu einem Verlust demokratischer Teilhabe auch auf nationaler Ebene. Milton Friedman, einem Hauptvertreter des Neoliberalismus, galt die ökonomische Freiheit als Voraussetzung für die individuelle Freiheit und sie war seiner Meinung nach damit höher einzuschätzen als die politische Freiheit.

Neoliberale Positionen würden, so die Kritiker, deshalb einer Verengung der ökonomischen Sichtweise (la pensée unique – "Einheitsdenken") Vorschub leisteten, welche die betriebswirtschaftliche Rationalität über die gesamtwirtschaftliche Rationalität, etwa die "Ökonomie des ganzen Hauses" (Aristoteles), stellt. Manche Kritiker meinen, dass „Neoliberale“ andere Menschen gerne an sich selbst mäßen und dabei vergessen würden, dass soziale Umstände und Zufall maßgebliche Einflußfaktoren für den persönlichen ökonomischen Erfolg sein können.

  • Kritik durch den klassischen Liberalismus: Auch dieser kritisiert den Neoliberalismus als nicht echte Form des Liberalismus, da auch hier der Staat in die Wirtschaft eingreift. Der klassische Liberalismus ist gegen Kontrolle des Marktes durch die WTO und die Weltbank. Sie sieht in der neoliberalen Verquickung von Staat und Großindustrie, dem sogenannten "Welfare-Warfare" Staat, eine etatistische Vereinnahmung der liberalen Prinzipien, bis hin zu einer Sozialisierung derselbigen.

Der Liberalismus kritisiert die WTO, Europäische Union und Weltbank als Mitschuldige der Armutsmisere in der dritten Welt.

  • Soziale Effekte der Deregulierung: Es wird kritisiert, dass Neoliberalismus den freien Wolf im freien Stall der freien Hühner frei wildern lasse, also durch diese Entfesselung des Marktes Ungleichgewichte und Unausgewogenheiten (Nord-Süd-Gefälle, soziale Ungleichheit) eher verschärft würden, anstatt sie auszugleichen. So folgt etwa die Senkung der Einkommensteuer für Spitzenverdiener der Trickle-down-Theorie, welche empirisch kaum haltbar sei. Mit dem Rückzug des Staates greift in vielen Lebensbereichen die Logik des Marktes (vergleiche Kommodifizierung). Über höhere Preise für die Versorgung im Rahmen von Privatisierungen würden die Bürger geschädigt. Kritiker beklagen hier die fehlende Regulierung durch den Staat beziehungsweise der Einschränkung durch gesellschaftliche Normen. Der von neoliberalen Denkern gepriesenen Freiheit durch Marktchancen halten sie entgegen, dass dies in erster Linie die Freiheit von Wohlhabenden und Mächtigen darstellt. Achtet man allein auf Rendite, würden moralische oder soziale Normen leiden.
  • Demokratische Teilhabe: Die Neoliberalisierung der Gesellschaft geht Kritikern zufolge mit dem Verlust demokratischer Einflussmöglichkeiten auf das Gemeinwesen einher: Wenn über die Verfügung der Mittel zur Gestaltung unseres Lebens weniger Parlamente, Parteien, Gewerkschaften u. a. entscheiden, sondern diese Entscheidungen an die Kräfte des Marktes abgegeben werden, drohe ein Rückfall in vordemokratische Strukturen, die vor dem 20. Jahrhundert vorherrschend waren. Je mehr öffentliche Bereiche (etwa Öffentlicher Raum, Bildung, gemeinnützige Wohnungsgesellschaften, Wasser, Energie, Verkehr, Kultur, Sport, medizinische Versorgung) in privates Eigentum übergehen, desto geringer wird der Einfluss der Bürger und der Parteien darauf. Soziale Aspekte werden vernachlässigt zugunsten von Rendite. Neoliberale Politik führe zur Betonung des Konsums (Konsumgesellschaft) und erhöhtem Desinteresse an politischer Teilhabe. Auf internationaler Ebene richtet sich die Kritik vor allem gegen die Macht der Welthandelsorganisation (WTO). Länder, die sich der WTO angeschlossen haben, erkennen die völkerrechtlich verbindlichen Entscheidungen der WTO-eigenen Schiedsstelle an, die bei Streitfällen vermittelt, und stellen sie damit über die nationale Gesetzgebung. So könnten etwa nationale Regelungen im Umweltschutz oder Verbraucherschutz von (privaten) Konzernen zu Fall gebracht werden, wenn die WTO diese als ein unzulässiges Handelshemmnis („Notwendigkeitstest“) anerkennt. Eine Schlichtung durch ordentliche Gerichte ist nicht vorgesehen, eine Berufung nicht möglich. Gremien wie die private Organisation Weltwirtschaftsforum, das neoliberale Ziele verfolge, träfen ohne demokratische Legitimation Weichenstellungen für die Zukunft.
  • Abbau des Sozialstaats: Die jüngeren Reformbemühungen der Bundesregierung (Agenda 2010) und die entsprechende Debatte wird von einigen Beobachtern als Praxisbeispiel neoliberaler Politik gewertet: So wird das Bildungsangebot für Arbeitslose vermindert (z. B. Umschulungen stark eingeschränkt), was aus neoliberaler Sicht damit begründet wird, dass es ohnehin genügend Qualifizierte am Arbeitsmarkt gebe. Der Bezug von Arbeitslosengeld wird an viele neue Bedingungen geknüpft, die Einzelfallprüfung der Bedürftigkeit deutlich verschärft. Bei diesen Maßnahmen wird kritisiert, dass Ämterschikane angeblich zum Maßstab im Umgang mit Hilfesuchenden gemacht würde. Auch im Gesundheitswesen verringert sich der Leistungsumfang, Selbstbehalte wurden erhöht, während als Folge neoliberaler Ansätze die Bürokratisierung (Beispiele: Praxisgebühr, Private Renteversicherungsfonds) sogar steige und eine Diskriminierung sozial Schwächerer erfolge. Private Absicherung könne den Sozialstaat nicht ersetzen. Die neoliberale Sicht, dass es dadurch zu einer effizientere Verwaltung der Mittel des Bürger käme, wird von den Kritikern nicht geteilt, welche z. B. auf die Gewinne der Pharmaindustrie oder der Anteilseigner privater Rentenfonds verweisen und die Ergebnisse der Reformbemühungen vor allem als Sozialabbau betrachten.
  • Kirche: Die Zunahme des Wettbewerbs solle die Bedürfnisse der Schwächsten in der Gesellschaft nicht unsichtbar machen, meinte Kardinal Karl Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz: Die Befürworter neoliberaler Thesen seien leider „blind, wenn sie auf Menschen stoßen, die keine Voraussetzung haben, am Spiel des Marktes teilzunehmen“ [1]. Vergl. auch Christliche Soziallehre.
  • Kritik am Markt als Steuerungsinstrument: Die Keynesianischen Ökonomen (wie Joseph E. Stiglitz) meinen, dass ein ungeregelter Markt in einigen Fällen ein schlechtes Instrument sei und zu Marktversagen führen könne. Für den Keynesianismus sind die Erwerbsmöglichkeiten im entwickelten Kapitalismus keine Sache individueller Tatkraft. Sie richten sich nach dieser Theorie danach, ob es über die Marktprozesse gelingt, u. a. für die Investitionstätigkeit ausreichende Konsumgüternachfrage zu mobilisieren. Die Gegner des Neoliberalismus kritisieren, dass der freie Markt schädliche volkswirtschaftliche Ungleichgewichte erzeugen könne, da nur bei entsprechender Kaufkraft die jeweilige Nachfrage bedient würde. Außerdem gäbe es die Gefahr, dass Bedürfnisse, hinter denen keine entsprechende Kaufkraft steht, nicht abgedeckt werden. Als Beleg für die Schädlichkeit von Monopolen dient u. a. das Beispiel der Regulierungsbehörden, welche den Telefoniemarkt im Sinne freien Marktzugangs regeln musste, damit es zu einem Wettbewerb auf den deregulierten Märkten kommt. Auch wird kritisiert, dass die sozialen Folgen deregulierter Märkte von der Allgemeinheit zu tragen sind. Beispiele für derartige Problemkreise sind in den Bereichen Bildung, Altenpflege, Familienpolitik und zunehmend auch im Gesundheitssystem zu finden.
  • Marxismus: Für marxistische Kritiker wird der Neoliberalismus nicht nur als Politik und als konkretes Unternehmerhandeln, sondern auch als Art und Weise der Konsumption bzw. der Lebensführung, wie Selbstmanagement (vgl. a. „Selbsttechnologie“, Michel Foucault) verstanden. Sie ist eine Antwort auf sinkende Profitraten (Karl Marx), die durch eine bis in die 1970er Jahre steigende Produktivität nicht mehr wettgemacht werden können („Krise des Fordismus“) – der Klassengegensatz, der in Institutionen (z. B. Sozialpartnerschaft, Gewinnbeteiligungen) eine Zeitlang ruhiggestellt werden konnte, bricht wieder auf. Der Neoliberalismus ist aber nicht einfach eine Ideologie, sondern ein hegemoniales und plurales Projekt, das der ständigen Reartikulierung durch Intellektuelle – Antonio Gramsci spricht hier von organischen Intellektuellen – des Kapitals bedarf, um die Akzeptanz des Kapitalismus immer wieder neu abzusichern. Über die so genannten 'sozialen Verwerfungen' des Neoliberalismus hat sich insbesondere die Kritische Theorie geäußert.

Aus einer eher kulturellen Perspektive wendet sich Georges Bataille gegen das Primat des Nutzens, das Wert rein ökonomisch definiert und vermeintlich unproduktive Verausgabung jenseits der Gesetze des Marktes (z. B. Kunst, Verschwendung) immer seltener werden lässt. Auch in der weltweiten 68er-Bewegung wurde, besonders in Frankreich, die Ausweitung des Marktes auf immer mehr Lebensbereiche kritisiert. Die Punk-Bewegung knüpfte teilweise an diese Kritik an, stellte diesen Tendenzen das Konzept von Do it yourself entgegen.

Die Zapatistas luden zum ersten Mal 1996 zum „intergalaktischen Treffen gegen Neoliberalismus und für Menschlichkeit“. In Brasilien wurde aus Protest gegen „neoliberale“ Globalisierung das Weltsozialforum gegründet. Opponenten des Neoliberalismus als wirtschaftliche Theorie sind Ökonomen wie Joseph E. Stiglitz und Amartya Sen. Auch der Börsenspekulant George Soros warnt nun, nach seinen Spekulationen, vor einem bedrohlichen Marktfundamentalismus. Pierre Bourdieu legte gemeinsam mit anderen mit „Das Elend der Welt“ (1997) eine cultural study (Kulturstudie) zum Thema vor: er sieht eine allgemeine Zunahme von Angst und Unsicherheit, sowie eine gesellschaftliche Spaltung und „Prekarisierung“; ein ähnliches Projekt betrieb nachfolgend Elisabeth Katschnig-Fasch. Naomi Klein kritisiert in ihrem Buch No Logo die „Machenschaften globaler Konzerne“ und Folgen neoliberaler Politik ebenso wie Noam Chomsky in Profit over people oder Richard Sennett in Der flexible Mensch. Kritik am Neoliberalismus fällt dabei oft zusammen mit der Kritik an der neoliberal geprägten Form von Globalisierung, die nach Ansicht der Kritiker einseitig eine Globalisierung des Marktes, nicht aber der Menschenrechte anstrebt.

Die WTO ist nach den Kritikern des Neoliberalismus eine demokratisch nicht legitimierte Organisation. Ihre Strategie enspräche dem Weltbild des globalisierten Kapitals. Erklärtes Ziel der WTO-Verhandlugnen sei die Beschneidung der Macht des Staates und des öffentlichen Sektors und seine Unterstellung unter ein rein marktwirtschaftliches Regime.

Jürgen Kromphardt kritisiert in seinem Buch Konzeptionen und Analysen des Kapitalismus, dass die durch den freien Markt sich ergebende Umverteilung von den ökonomisch Erfolglosen zu den ökonomischen Erfolgreichen damit begründet wird, dass auf Dauer die höheren Leistungen der Erfolgreichen auch den Erfolglosen zugute kommen (so genannter Trickle-Down-Effect). Kromphardt meint, die Unsicherheit dieser Zukunftsversprechen und die Benachteiligung der Schwächeren werden als Strukturprobleme verharmlost. Neoliberale haben seiner Meinung nach die Tendenz, Fehlentwicklungen ihrer Konzepte zu verharmlosen oder zu leugnen. Dabei benutzen sie die Strategie, reale Auswirkungen durch sprachliche Mittel zu rechtfertigen. Das wird deutlich, wenn sie den Vorwurf, man sei gegen den Sozialstaat, dadurch entkräften wollen, indem sie behaupten, nicht den Sozialstaat sondern den Wohlfahrtsstaat abschaffen zu wollen. Diese Vorgehensweise der neoliberalen Denkfabriken lässt nach Kromphardts Meinung nicht den Verdacht ausräumen, dass ihre Bemühungen nicht darauf ausgerichtet sind, die Realität wissenschaftlich zu erklären, sondern diese derart zu interpretieren, dass sie mit einer wirtschaftpolitischen Konzeption übereinstimmt, die eine vollkommene Befreiung der Privateigentümer von jeglichen gesetzlichen Einschränkungen fordert.

Entscheidend für die Kritiker ist aber das, was Hayek schreibt, nämlich dass das „Ziel der sogenannten ‚Wohlfahrtsökonomie’ auf einem grundsätzlichen Irrtum [beruhe], (...) weil die Grundidee der Maximierung der Bedürfnisbefriedigung (oder Maximierung des Sozialprodukts) nur einer Einzelwirtschaft angemessen ist, nicht jedoch der spontanen Ordnung einer Katallaxie [einer freien Gesellschaftsordnung], die keine gemeinsamen konkreten Ziele hat.“ Aus diesem Grunde müssen „alle Bestrebungen, eine „gerechte“ Verteilung sicherzustellen (...) darum darauf gerichtet sein, die spontane Ordnung des Marktes in eine Organisation umzuwandeln, mit anderen Worten, in eine totalitäre Organisation.“ Die Freiheit der Unternehmen hat also Vorrang vor der allgemeinen Wohlfahrt und so auch vor der Freiheit von materieller Not des Einzelnen, so schlimm das auch sein mag. Die einzige Freiheit, die den Menschen bleibt, ist die Freiheit "unter Brücken schlafen zu dürfen". Hayeks Freiheit ist negative Freiheit. Der neoliberale Mensch ist also nichts anderes als ein tauschendes und berechnendes kleinbürgerliches Wesen, der nicht nur produzierte Güter, Leistungen oder Arbeit tauscht, sondern alles, was man sich wünschen könnte, so auch Freundschaft, Ansehen, Schönheit oder Liebenswürdigkeit.


Zu den Gegnern des Neoliberalismus zählen sich auch die Freiwirtschaftler, nach deren Meinung schon eine dauerhaft stabile Währung ohne Umlaufsicherung unmöglich sei.

Erwiderung auf die Kritik

Das zunehmende Streben der Menschheit nach Selbstbestimmung, Demokratie, Frieden und Wohlstand beschleunigt - im Besonderen in den Entwicklungsländern - die Forderungen nach freiem Handel (vgl. Handelsschranken, Zollpolitik, Subventionen). Neoklassische, nationalökonomische, keynesianische, sozialistische und kommunistische Denkweisen geben den Befürwortern des Neoliberalismus zufolge keine Ansätze zur fairen wirtschaftlichen Interaktion zwischen Staaten und Kontinenten und somit zum Kampf gegen die weltweite Armut.

Von den Vertretern des Neoliberalismus wird den Kritikern vorgeworfen, dass sie in Wirklichkeit gar nicht am Aufschließen der Entwicklungsländer auf das Niveau der Industrieländer interessiert seien. Anhänger des Neoliberalismus fordern bekanntlich, sämtliche Handelsschranken zu anderen Ländern abzubauen und die Bevorzugung der heimischen Produkte durch Subventionen zu unterbinden. Damit könnten Entwicklungsländer faire Chancen auf dem Weltmarkt erhalten.

Über die Zukunft und den Zustand der sozialen Sicherungssysteme können sich Kritiker und Befürworter neoliberaler Reformen auch nicht einigen.

In Deutschland werben Botschafter aus Politik, Wirtschaft und Sport im Rahmen der vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft für neoliberale Reformen.

Siehe auch

Literatur

Kritik am Neoliberalismus

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Kritik am Neoliberalismus