„Wolfgang Wasow“ – Versionsunterschied

[ungesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K formatiert
pd-fix
Zeile 67: Zeile 67:


{{SORTIERUNG:}}
{{SORTIERUNG:}}
[[:Kategorie:Geboren 1909]]
[[Kategorie:Mathematiker (20. Jahrhundert)]]
[[:Kategorie:Gestorben 1993]]
[[Kategorie:Geboren 1909]]
[[Kategorie:Gestorben 1993]]


{{Personendaten
{{Personendaten
Zeile 79: Zeile 80:
|STERBEORT=Madison (Wisconsin/USA)
|STERBEORT=Madison (Wisconsin/USA)
}}
}}

[[Kategorie:Mathematiker (20. Jahrhundert)]]

Version vom 24. November 2015, 12:18 Uhr

Wolfgang Wasow (* 25. Juli 1909 in Vevey (Schweiz); † 11. September 1993 in Madison (Wisconsin)) war ein amerikanischer Mathematiker deutsch-jüdischer Abstammung.

Familiärer Hintergrund

Wie Wolfgang Wasow im 1. Kapitel seiner Memoiren schreibt[1], wurde er 1909 in Vevey als Wolfgang Richard Thal unehelich geboren.[2] Seine Mutter, Alma Thal, später Alma Lepère, stammt aus Mitau in Lettland, was damals zum Russischen Kaiserreich gehörte. Die Schweizer Behörden trugen deshalb die russische Staatsbürgerschaft in Wasows Geburtsdokumente ein. Tatsächlich jedoch hatte die Familie der Mutter littauische und deutsch-jüdische Wurzeln. Alma Thal lebte in der Schweiz, weil sie sich zu Hause politisch betätigt hatte und die Familie sie von weiteren politischen Aktivitäten abhalten wollte. Sie lernte hier aber Richard Kleineibst kennen, der, am 30. März 1886 in Weilburg an der Lahn geboren, seinerseits politischer Aktivist war und später die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) mitbegründete.[3]

Anders als bei Richard Kleineibst ist die Quellenlage zu Alma Thal (Lepère) spärlicher. Die Angaben im Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 verweisen aber auf ein sehr bewegtes Leben: 1886 geboren, Anfang 1910 Umzug von Vevey nach München[4], 1933 nach Spanien gegangen, 1936 bis 1939 für die Regierung der Spanischen Republik in Barcelona tätig, 1939 Flucht nach Frankfreich, 1941 Emigration nach Mexiko, wo sie als Photografin arbeitete. Sie starb 1950 in New York.

Wolfgang Wasow hatte drei Geschwister bzw. Halbgeschwister: Christel Otto Wasow, geboren 1917 in München, die später in Bayern lebte, Holger Lepère, geboren 1920 in Berlin, gestorben 1970 in Mexiko-City, der die gleichen Flucht- und Exilstationen wie seine Mutter durchlief, ihr aber nicht in die USA folgte, und Renate Lepère, geboren 1922 in Berlin, die 1933 auch mit nach Spanien ging, 1936 aber dann nach Italien (wo ihr Bruder Wolfgang sie als Schülerin am Landschulheim Florenz unterbringen konnte) und von dort 1938 nach Großbritannien; sie übersiedelte 1945 in die USA.

Kindheit, Jugend, Studium

Wolfgang Wasows Kindheit spielte sich an vielen Orten ab. Bereits acht Monate nach seiner Geburt übersiedelte seine Mutter von Vevey nach München. Danach folgten Stationen in Freiburg, Heidelberg und Berlin[5], bevor er 1921 Schüler der Freien Schul- und Werkgemeinschaft Letzingen wurde.[6] In dieser laut Adolf Grimme einer der originellsten Reformschulen der Weimarer Zeit[7] blieb Wasow bis 1928 und legte hier auch sein Abitur ab. Nach dem Abitur studierte Wolfgang Wasow zwischen 1928 und 1933 an der Berliner Universität, an der Sorbonne in Paris und an der Universität in Göttingen. Hier legte er auch 1933 das Staatsexamen in Mathematik, Physik und Geologie ab.

Europäische Emigration

Unmittelbar nach seinem Staatsexamen emigrierte er nach Paris. Er bereitete sich auf weitere universitäre Prüfungen vor und arbeitete als privater Tutor. Er erhielt Unterstützung vom International Student Service und dem American Friends Service.[8] Anfang 1935 erfolgte die Übersiedlung nach Camebridge.

Der Aufenthalt hier war jedoch nur sehr kurz. Er erhielt einen Brief von Werner Peiser, der mit seiner Mutter bekannt war und den er bereits 1931 während einer Italienreise kenngelernt hatte. Peiser bot ihm an, als Mathematiklehrer am Landschulheim Florenz zu unterrichten.[9] Wasow ging auf das Angebot ein, obwohl die Konditionen für seine Mitarbeit in Florenz alles andere als üppig waren: „Meine Vergütung bestand aus Unterkunft und Verpflegung sowie einem Hungerlohn in bar, genug, um Briefmarken zu kaufen, aber nicht genug, um mir anständige Kleidung zu leisten.“[10] Wasow blieb vom Februar 1935 bis zum Sommer 1937 am Landschulheim Florenz, obwohl ihm die Zusammenarbeit mit Peiser und mit Robert Kempner, dem zweiten Schulleiter neben Peiser, nicht leicht fiel.[11] Andererseits bildeten sich aber auch enge Beziehungen zu anderen Kolleginnen und Kollegen heraus, so zu Thomas Goldstein, Ernst Moritz Manasse und den beiden Schwestern Marianne und Gabrielle Bernhard. Marianne Bernhard heiratete später Ernst Moritz Manasse, und ihre Schwester Gabrielle, die sich seit 1936 in Italien aufhielt und 1937 als Kunstlehrerin an das Landschulheim Florenz kam, wurde 1939 die erste Ehefrau von Wolfgang Wasow.

Im Sommer 1937 kam es zum endgültigen Bruch. Als Wolfgang Wasow Kempner gegenüber den Verdacht äußerte, dieser habe Briefe von ihm geöffnet, kündigte ihm Kemper.[12] Wasow durfte noch mit ins Sommerquartier der Schule nach Bordighera, aber dort fand er Anschluss an eine kleine Montessori-Schule und verließ das Landschulheim Florenz.[13] Ende 1937 ging Wasow dann an das Alpine Schulheim am Vigiljoch / Scuola Alpina di Monte San Vigilio. Das in der Gemeinde Lana angesiedelte Schulheim war, ähnlich dem Landschulheim Florenz auch, ein Internat für Schülerinnen und Schüler jüdisch-deutscher Herkunft. Auf über 1400 Meter Höhe gelegen, war es jedoch deutlich kleiner als das Landschulheim Florenz: 35 Schülerinnen und Schüler wurden von 7 bis 8 Lehrern unterrichtet. Im Dezember 1938 musste die Schule aufgrund der italiensichen Rassegesetzgebung geschlossen werden.[14]

Emigration in die USA und Karriere als Mathematiker

Mit der Unterstützung amerikanischer Hilfsorganisationen, darunter auch wieder der American Friends Service, konnten Wolfgang Wasow und seine Frau Gabrielle im März 1939 in die USA einreisen.[15] Wasow fand noch im gleichen Jahr eine Anstellung als Ausbilder (Instructor) für Mathematik und Deutsch am Goddard College[16] in Plainfield (Vermont), anschließend, von 1941 bis 1942 war er Lehrer am Connecticut College für Frauen[17] und danach von 1942 bis 1946 wiederum Ausbilder (Instructor) für Mathematik an der New York University.

Parallel zu seinen Arbeiten an den diversen Colleges studierte Wasow von 1940 bis 1942 an der New York University und wurde hier 1942 von Kurt Otto Friedrichs promoviert.[18] Seine eigentliche akademische Karriere begann dann 1946 mit einer Assisstenzprofessur für Mathematik am Swarthmore College (Pennsilvania). Darauf folgten Stellen als Forscher am Numerical Analysis Research Center der Universität von Kalifornien in Los Angeles (1949–1955) und als Forscher am Mathmatical Research Center der Universität von Wisconsin in Madison. Dazwischen (1954–1955) konnte er ein Jahr lang als Fulbright Fellow und Gastprofessor in Rom arbeiten.

1957 wurde Wolfgang Wasow zum Professor für Mathematik an der Universität von Wisconsin in Madison berufen. Hier folgte dann 1973 der Ruf auf die Rudolf E. Langer Professur[19], die er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1980 inne hatte.

Neben der bereits erwähnten Gastprofessur in Rom wirkte Wasow in gleicher Funktion auch in Haifa (1962)[20], an der New York University (1964–1965) und an der ETH Zürich. Er war seit 1968 Mitarbeiter (associated editor) der Proceedings of the American Mathematical Society und seit 1698 des SIAM Journal on Mathematical Analysis (SIMA)[21].

Wolfgang Wasow verstarb am. 11. September 1993 in Madison (Wisconsin). Nach seinem Tod stifteten seine Kinder an der Universität von Wiscon die Wolfgang Wasow Memorial Lecture, durch die jährlich ein Wissenschaftler eingeladen wird.[22]

Familiäres Umfeld

Es wurde schon darauf hingewiesen, dass Wolfgang Wasow seit 1939 mit Gabrielle Bernhard verheiratet war und im gleichen Jahr mit ihm zusammen in die USA emigrierte. Sie[23] war im März 1913 in Berlin geboren worden, jüdischer Abstammung, und hatte Kunst in Berlin und in Wien studiert, bevor sie 1936 nach Italien kam und dort dann über ihre Schwester Marianne das Landschulheim Florenz und auch ihren späteren Ehemann Wolfgang Wasow kennenlernte. In den USA wurden zwei Kinder geboren:

  • Bernhard Wasow, geboren 1944, ein Ökonom und Professor an mehreren amerikanischen Universitäten sowie nationalen und internationalen Institutionen[24];
  • Thomas Wasow, geboren 1945, ein emeritierter Linguist und Philosoph an der Stanford University[25]

Die Ehe von Wofgang und Gabrielle Wasow wurde 1959 geschieden. Wolfgang Wasow heiratete danach Mona Cantor[26], deren beide Kinder Robin und David Murie er adoptierte. 1960 wurde der gemeinsame Sohn Oliver geboren. Die Ehe wurde 1980 geschieden. Wasows erste Ehefrau, Gabrielle, hat laut Aussage ihres Sohnes auch in den USA noch einmal Kunst studiert. Sie heiratete nach der Scheidung den Künstler Klaus Brill und erlangte Aufmerksamkeit mit Zeichnungen, Druckgrafiken und Skulpturen.[27] Einen Druck seiner Oma hat ihr Enkel, Omar Wasow ins Netzt gestellt.[28] Gabrielle Brill feierte im März 2013 ihren hundersten Geburtstag. Zwei Jahre zuvor hatte sie aufgehört, künstlerisch tätig zu sein. Nachdem sie lange Zeit in Laurel Canyon in den Hollywood Hills bei Los Angeles gelebt hatte, zog sie um 2013 in ein Altersheim in Menlo Park, um näher bei ihrem Sohn sein zu können. Auf einer Auktionsseite[29] findet sich der Hinweis, dass die Künstler Gabrielle & Klaus Brill langjährige Unterstützer von Interessenvertretungen für Obdachlose gewesen seien Interessenvertretung und die Familie Brill die Auktionserlöse der GAAP spenden werde, einer Non-Profit-Organisatuin zur Unterstützung von Obdachlosen. Dieses soziale Engagement deckt sich mit einem Blog-Eintrag, in dem gesagt wird, Gabrielle Brill habe noch 2002, im Alter von neunundachtzig Jahren, Freiwilligenarbeit in einer Hollywood-Suppenküche geleistet.[30]

Werke

  • Wolfgang R. Wasow: Memories of seventy years : 1909 to 1979, Madison (Wisconsin), 1986 (im Selbstverlag). Dieses Buch ist eine sehr ausführliche Autobiografie (über 400 Seiten, davon ca. 40 Seiten über Wasows Zeit als Lehrer am Landschulheim Florenz). Es ist allerdings nur schwer zugänglich. Im Katalog des Online Computer Library Center (OCLC) werden weltweit nur zwei Exemplare nachgewiesen: eins im General Library System der University of Wisconsin in Madison, und eins im Lesesaal des Deutschen Exilarchivs 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt.[31]

Auf einer Seite des Department of Mathematics der Universität von Wisconsin wird Wolfgang Wasow als Spezialität für asymptotische Entwicklungen und deren Anwendungen in Differenzialgleichungen gewürdigt, der drei heute klassische Bücher verfasst habe[32]:

  • Finite Difference Methods for Partial Differential Equations (with George E. Forsythe), John Wiley & Sons, New York (u. a.), 1960
  • Asymptotic expansions for ordinary differential equations, Interscience Publishers, New York, 1965, überarbeitete Neuauflage 1976
  • Linear Turning Point Theory, Springer-Verlag, New York, 1985

Literatur

  • Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, hrsg. vom Institut für Zeitgeschichte unter der Gesamtleitung von Werner Röder, Volume 2: The arts, sciences, and literature, Part 2: L – Z, Saur, München, 1983 (Biografie Wolfgang Wasow: S. 1209–1210)
  • Anikó Szabó: Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung. Göttinger Hochschullehrer im Schatten des Nationalsozialismus, Wallstein Verlag GmbH, Göttingen, 2000, ISBN 3-89244-381-5 (Biografie Wolfgang Wasow: S. 653–654)
  • Irmtraud Ubbens: Das Landschulheim in Florenz In: Kindheit und Jugend im Exil – Ein Generationenthema (= Exilforschung. Ein Internationales Jahrbuch, Band 24, S. 117ff). edition text + kritik, München, 2006, ISBN 3-88377-844-3.

Einzelnachweise

  1. Wolfgang R. Wasow: Memories, S. 1–11
  2. Da er (s. u.) eine Stiefschwester mit dem Namen Wasow hatte, liegt die Vermutung nahe, dass der Name Wasow ihm im Zuge einer späteren Verbindung seiner Mutter und einer damit einhergehenden Adoption übertragen wurde.
  3. Im Internet finden sich viele Quellen zum Leben von Richard Kleineibst, u. a. auch eine guter biografischer Überblick: Biografie Richard Kleineibst. Er starb am 27. April 1976 in Kilchberg bei Zürich.
  4. Wolfgang R. Wasow: Memories, S. 12
  5. Wolfgang R. Wasow: Memories, S. 12–51
  6. Alle nachfolgenden biografischen Daten über Wolfgang Wasow – soweit nicht explizit andere Quellen zitiert werden – stützen sich auf das Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 (Seite 1209–1210) und auf Anikó Szabó: Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung (Seite 653–654). Auf Einzelnachweise zu diesen Werken wird deshalb verzichtet.
  7. Die Freie Schul- und Werkgemeinschaft Letzlingen
  8. Zur Arbeit des American Field Service in der Zeit der Naziherrschaft und während des 2. Weltkrieges sei eher auf die englischsprachige Wikipedia verwiesen: en:American Friends Service Committee
  9. Wolfgang R. Wasow: Memories, S. 163
  10. übersetzt nach Wolfgang R. Wasow: Memories, S. 163
  11. „Es gibt nur wenige Menschen, mit denen ich in meinem Leben zu tun hatte und die ich gründlich verabscheute. Kemper war einer von ihnen.“ Übersetzt nach Wolfgang R. Wasow: Memories, S. 176
  12. Vergl. hierzu auch: Irmtraud Ubbens: Das Landschulheim in Florenz, S. 130–131
  13. Wolfgang R. Wasow: Memories, S. 186ff
  14. Die Quellen über das „Alpine Schulheim am Vigiljoch/Scuola Alpina di Monte San Vigilio“ sind nicht sehr zahlreich und umfassend. Die Angaben hier wurden der 2008 erschienen Studie „Le leggi razziali antiebraiche fra le due guerre Mondiali“ (S. 81) entnommen. Fundstelle Alpines Schulheim am Vigiljoch/Scuola Alpina di Monte San Vigilio
  15. Es ist nicht klar, wo die beiden die Zeit nach der Schließung des Alpinen Schulheims am Vigiljoch verbracht haben und von wo aus sie ihre Reise in die USA antraten. Auch ihre Heirat hat vermutlich noch vor der Einreise in die USA stattgefunden.
  16. Goddard College
  17. Zur Geschichte des Connecticut Colleges
  18. Wolfgang Wasow im Mathematics Genealogy Project (mit Verweis auf seine Dissertation)
  19. Rudolf Ernst Langer
  20. Wahrscheinlich war er hier am Technion tätig, denn die Universität Haifa wurde erst 1963 gegründet.
  21. SIAM Journals
  22. Wasow Lectures
  23. Alle nachfolgenden Angaben zu Gabrielle Bernhard, Gabrielle Wasow bzw. Gabrielle Brill beruhen auf einem kurzen Blogbeitrag ihres Sohnes Bernahrd Wasow: Bernhard Wasow: About my mother
  24. Kurzbiografie Bernahrd Wasow
  25. http://web.stanford.edu/~wasow/ Thomas Wasow’s Home Page
  26. In einer Veröffentlichung der University of Wisconsin aus dem Jahre 2011 wird sie als emeritierte Professorin Mona Cantor Wasow erwähnt: Mona Cantor. Anikó Szabó (Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung) führt aus, sie sei 1933 in Rom geboren und Professorin für Sozialarbeit gewesen.
  27. Im Internet finden sich verstreute Hinweise auf Werke von Gabrielle und Klaus Brill. Biografische Daten zu Klaus Brill sind allerdings keine zu finden.
  28. https://www.flickr.com/photos/82959570@N00/5553056672/ Ein Druck von Gabrielle Brill
  29. http://www.artslant.com/sf/events/show/329651-artvocacy Auktion eines Brill-Bildes
  30. http://thehivedesign.blogspot.de/2008/02/art-and-etc-midwest.html Gabrielle Brills soziales Engagement
  31. Wolfgang Wasows Autobiografie im OCLC WorldCat
  32. The Wolfgang Wasow Lecture series