„Tabu (Roman)“ – Versionsunterschied

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=== Personen ===
=== Personen ===
; Sebastian von Eschburg ist ein Sprössling aus verarmtem Adel. Er ist ein Einzelkind, die Eltern kümmern sich nur sporadisch um ihn, schon während seiner Internatszeit ist er ein Einzelgänger. .
==== Sebastian von Eschburg====
Er ist Synästhetiker, und diese besondere Begabung wirkt sich auf die Bilder aus, die er als Berufsfotograf herstellt.
Sebastian von Eschburg ist der Protagonist des Kriminalromans. Er stammt aus einem verarmten Adelsgeschlecht. Eschburg ist Synästhetiker und sieht viele verschiedene Farben, die normale Menschen nicht sehen. In seiner Kindheit wurde er von seinen Eltern vernachlässigt und besuchte ein Internat, wo er sich mit imaginären Personen unterhielt und viele Bücher las. Während dieser Zeit beging sein Vater Selbstmord. Nach diesem Ereignis verkaufte seine Mutter das Haus, welches Eschburg viel bedeutete. Ebenso kam er nicht mit dem neuen Liebhaber seiner Mutter zurecht. Er wird erfolgreicher Fotograf aufgrund seiner sehr speziellen Bilder. Eschburg findet eine Freundin namens Sofia, die die Einzige ist, die seine besondere Verhaltensweise akzeptiert.
Seine Freundin Sofia scheint die Einzige zu sein, die Verständnis für seine Eigenheiten aufbringt.


; Die Eltern
Auffällig ist der Umstand, dass Sebastian von Eschburg einige Parallelen mit dem Autor Ferdinand von Schirach aufweist. Beide hatten eine ähnliche Kindheit: Sie besuchten ein Internat, lasen dort viele Bücher, und ihre Väter starben während dieser Zeit. Auch von Schirach ist Synästhetiker.
Sebastians Eltern gehen ihre eigenen Wege. Als die endgültig zu scheitern droht, wird der Vater Alkoholiker und nimmt sich schließlich das Leben.
Nach seinem Tod stellt sich heraus, dass er in Österreich mit der Tochter eines Gastwirts ein Kind gezeugt hat, dessen Geburt er aber nicht mehr erlebt.


; Senja Finks
==== Die Eltern ====
Senja Finks, sie kommt aus der Ukraine, ist eine Nachbarin Sebastians.
Sebastian ist das einzige Kind seiner Eltern. Details über die Eltern lässt der Autor gezielt weg. Bekannt ist, dass der Vater ein Internat besuchte. Sebastians Vater ging mit seinem Sohn oft in Österreich jagen. Seine Mutter verdient ihr Geld mit Dressurreiten. Die Beziehung zwischen seinen Eltern verschlechtert sich im Laufe der Erzählung. Sein Vater verfällt dem Alkoholismus. Er nimmt sich an einem Abend in den Ferien das Leben. Sebastians Mutter findet Jahre später einen neuen Freund.
Eines Tages wird sie angeblich Opfer eines Gewaltverbrechens.
Am Ende wird der Suizid von Sebastians von Eschburgs Vater teilweise geklärt. Es stellt sich heraus, dass der Vater in dem Dorf in Österreich eine Affäre mit der Tochter des Gastwirts hatte. Mit ihr zusammen zeugte er die Halbschwester von Sebastian. Noch vor der Geburt der Tochter brachte Sebastians Vater sich um, da er die Zustände um ihn herum nicht mehr ertragen konnte.
Der Täter, der auch Sebastians niederschlägt, war angeblich Sonjas Zuhälter. Eine Anzeige wird nicht erstattet, ob sie überhaupt real war oder nur in der Phantasie Sebastians existiert hat, bleibt offen.


; Der Rechtsanwalt
==== Senja Finks ====
Senja Finks ist eine Nachbarin Sebastians in der Linienstraße. Sie ist bei der ersten Begegnung mit Sebastian Mitte dreißig und hat ein helle Narbe auf der Stirn. Eines Tages wird die Ukrainerin angeblich Opfer eines Gewaltverbrechens, bei welchem ihr mit einem Messer in den Bauch gestochen wird. Als Sebastian dies beobachtet, will er eingreifen, wird dabei aber selbst mit einen Totschläger bewusstlos geschlagen. Nach dem Vorfall erzählt Senja Finks, dass sie Opfer von Zuhältern war. In der Krankenhausakte ist die Beteiligung von Senja Finks allerdings nicht vermerkt. In Eschburgs Akte ist nur von einer Platzwunde am Kopf und einem Schädeltrauma die Rede, welche er sich durch einen Sturz zugezogen hatte.
Nachdem Eschburg Rechtsanwalt Biegler gegenüber Senja Finks erwähnte, informiert Biegler sich über diese Frau. Er findet heraus, dass es nie eine Nachbarin dieses Namens gegeben hat. Er vermutet eine versteckte Botschaft im Namen und lässt seine Sekretärin den Namen übersetzen. Biegler findet heraus, dass der erste Buchstabe ihres Vornamens verbunden mit ihrem Nachnamen das ukrainische Wort für „[[Sphinx (griechisch)|Sphinx]]“ ist. In der Antike war die Sphinx ein mythisches Wesen, deren Rätsel gelöst werden musste. In diesem Zusammenhang besteht die Vermutung, dass Senja Finks nie existierte, sondern nur eine Einbildung beziehungsweise erdachte Person Eschburgs ist, um seine Vernehmer weiter in die Irre zu führen.


==== Der Rechtsanwalt ====
Konrad Biegler ist seit 31 Jahren Strafverteidiger in Berlin. Erst sehr spät tritt Biegler im Roman in Erscheinung, als er sich auf einer vom Arzt verschriebenen Burnout-Kur in den Bergen erholen soll. Doch Biegler hält von der Natur und insbesondere von den Bergen sehr wenig. Schon der erste Satz im Kapitel „blau“: „Konrad Biegler stand auf der Terrasse des Zimmerhofs und war schlecht gelaunt“, charakterisiert seine Einstellung. Seine schlechte Laune wirkt sich zunehmend auf seine Mitmenschen aus. So wählt seine Frau die letzte Möglichkeit der Selbsthilfe-Bücher für ihren Mann, um ihn positiv zu stimmen.
Konrad Biegler ist seit 31 Jahren Strafverteidiger in Berlin. Erst sehr spät tritt Biegler im Roman in Erscheinung, als er sich auf einer vom Arzt verschriebenen Burnout-Kur in den Bergen erholen soll. Doch Biegler hält von der Natur und insbesondere von den Bergen sehr wenig. Schon der erste Satz im Kapitel „blau“: „Konrad Biegler stand auf der Terrasse des Zimmerhofs und war schlecht gelaunt“, charakterisiert seine Einstellung. Seine schlechte Laune wirkt sich zunehmend auf seine Mitmenschen aus. So wählt seine Frau die letzte Möglichkeit der Selbsthilfe-Bücher für ihren Mann, um ihn positiv zu stimmen.
In einen Anruf seiner Sekretärin, erfährt Biegler von einem interessanten Verteidigungsfall und bricht die Kur ab. Er verliert keine Zeit und widmet sich trotz seiner Krankheit sofort dem Fall.
In einen Anruf seiner Sekretärin, erfährt Biegler von einem interessanten Verteidigungsfall und bricht die Kur ab. Er verliert keine Zeit und widmet sich trotz seiner Krankheit sofort dem Fall.

Version vom 14. Februar 2014, 22:30 Uhr

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Tabu ist der zweite Roman von Ferdinand von Schirach. Das Buch erschien im September 2013. „Tabu“ thematisiert am Beispiel der Lebensgeschichte des Installationskünstlers Sebastian von Eschburg die Frage nach Schuld, Unschuld und Entschuldigung.

Inhalt

Sebastian von Eschburg wächst in einem Jagdhaus im Süden Deutschlands auf. Seine Mutter ist passionierte Turnierreiterin, der Vater jagt in seiner Freizeit. Sebastian ist Synästhetiker. Seine Schulzeit verbringt er in einem Schweizer Internat. Während eines Ferienaufenthalts beobachtet er seinen Vater beim Ausweiden eines Rehs. Am selben Abend erschießt sich der Vater mit seinem Jagdgewehr. Der Junge findet die Leiche, nimmt das Zigarettenetui an sich und verlässt den Raum, als habe er nichts gesehen. Nach der Beerdigung löst die Mutter den Hausstand auf, und Sebastian geht wieder in seine Schweizer Schule. Er zieht sich jetzt in eine Fantasiewelt zurück, was durch seine besondere Gabe, die Farben zu erleben, gefördert wird.

Das neue Zuhause der Familie Eschburg wird ein Reiterhof, wo die Mutter sich voll auf das Turnierreiten konzentriert. Dem nun sechzehnjährigen Sebastian stellt sie neuen Freund vor, den Sebastian stets „den Macher“ nennt. Die Beziehung zwischen dem Macher und Sebastian ist angespannt, er bleibt misstrauisch und distanziert, da er den Vater immer noch nachtrauert.

Nach seinem Abitur beginnt er eine Lehre bei einem Fotografen, eröffnet nach der Ausbildung sein eigenes Atelier in Berlin. Seine unbearbeiteten Fotografien sind erschreckend naturalistisch. Er setzt auf die Wirkung von "Wahrheit" und "Wirklichkeit" der Fotos. Durch diese besonderen Merkmale wird Eschburg zu einem berühmten und gefragten Fotografen. Er beginnt eine Beziehung mit Sofia.

Dann folgt ein Schnitt in der Erzählung. Es werden neue Personen vorgestellt: Ein namenloser Polizist, der einen ebenso namenlosen Verdächtigen verhört und die Staatsanwältin Monika Landau im Mittelpunkt Offenbar wurde ein Verbrechen begangen, bei dem vermutlich eine junge Frau getötet wurde. Man findet Indizien und die mutmaßliche Mordwaffe. Allerdings fehlt die Leiche. Während des Verhörs redet sich der Polizist in Rage und droht dem Verdächtigen schließlich mit der Folter. Der Verdächtige ist Sebastian von Eschburg.

Der renommierten Berliner Anwalt Konrad Biegler übernimmt den „Fall Eschburg“. Während Bieglers und Sofias Spurensuche in Eschburgs früherer Heimat stellt sich heraus, dass Eschburg eine Halbschwester hat, die an einer ausländischen Universität Kuinst studiert. Im Prozess stellt es sich heraus, dass der mutmaßliche Mord inszeniert war.

Kindheit und Jugend

Sebastian von Eschburg wächst in dem Dorf Eschburg, das zwischen München und Salzburg gelegen ist, auf. Er lebt mit seinem Vater und seiner Mutter in einem Haus am See, in dem er auch geboren wurde. In diesem Haus gibt es viele Gegenstände aus aller Welt, die im Laufe der Zeit von vielen Generationen derer von Eschburg angesammelt worden sind. Mit zehn Jahren wird Sebastian in ein Internat in der Schweiz geschickt. Lediglich in den großen Ferien kehrt er in das Haus am See zurück. Nach dem Tod seines Vaters zieht er mit seiner Mutter auf einen gepachteten Reiterhof in der Nähe von Freiburg. Als Sebastian 16 Jahre alt ist, zieht der neue Freund der Mutter bei ihnen ein. Mit 18 Jahren verlässt Sebastian das Internat.

Erwachsener

Nach einem kurzem Aufenthalt auf dem Reiterhof mietet sich Sebastian ein winziges möbliertes Zimmer in Berlin-Charlottenburg. Nach einigen Jahren zieht er in ein zweistöckiges Fabrikgebäude im Hof eines Wohnhauses in der Linienstraße in Berlin-Mitte. In der unteren Etage richtet er ein Fotostudio ein, in der oberen Etage wohnt er. Vier Jahre später fliegt er für ein geschäftliches Essen mit Sofia nach Paris. In Paris beginnt ihre Liebesbeziehung. Gemeinsam fliegen sie ein wenig später nach Madrid, um sich „die bekleidete und die nackte Maja“ von Goya anzuschauen. Dieses Werk inspiriert Sebastian für seine Fotografie „Majas Männer“. Um dieses Werk zu realisieren fahren sie zu einem Pornoproduzenten, der in einem kleinen viereckigen Haus wohnt, welches ganz oben auf einem Hügel liegt. Auf dem Rückweg kommen Sofia und Sebastian nach Eschburg. Das Dorf hat sich insgesamt sehr verändert, alles wurde modernisiert. Aus dem Haus am See wurde ein Golf-Ressort erbaut. Einzig der See hat sich nicht verändert. Nach der Verhaftung Sebastians aufgrund eines Mordverdachts wird ihm in einem Verhör im Polizeipräsidium von einem Polizisten die Folter angedroht. Dadurch gesteht Sebastian seine vermeintliche Tat. In der Untersuchungshaftanstalt führen Sebastian und sein Verteidiger Biegler mehrere Gespräche, darunter eines über die Frage "Was ist Schuld?". Eine zentrale Rolle spielt der Gerichtssaal, in welchem das Geständnis Sebastians für unverwertbar erklärt wird. Dort löst sich auch das Rätsel um den Mordfall endgültig auf.

Personen

Sebastian von Eschburg ist ein Sprössling aus verarmtem Adel. Er ist ein Einzelkind, die Eltern kümmern sich nur sporadisch um ihn, schon während seiner Internatszeit ist er ein Einzelgänger. .

Er ist Synästhetiker, und diese besondere Begabung wirkt sich auf die Bilder aus, die er als Berufsfotograf herstellt. Seine Freundin Sofia scheint die Einzige zu sein, die Verständnis für seine Eigenheiten aufbringt.

Die Eltern

Sebastians Eltern gehen ihre eigenen Wege. Als die endgültig zu scheitern droht, wird der Vater Alkoholiker und nimmt sich schließlich das Leben. Nach seinem Tod stellt sich heraus, dass er in Österreich mit der Tochter eines Gastwirts ein Kind gezeugt hat, dessen Geburt er aber nicht mehr erlebt.

Senja Finks

Senja Finks, sie kommt aus der Ukraine, ist eine Nachbarin Sebastians. Eines Tages wird sie angeblich Opfer eines Gewaltverbrechens. Der Täter, der auch Sebastians niederschlägt, war angeblich Sonjas Zuhälter. Eine Anzeige wird nicht erstattet, ob sie überhaupt real war oder nur in der Phantasie Sebastians existiert hat, bleibt offen.

Der Rechtsanwalt

Konrad Biegler ist seit 31 Jahren Strafverteidiger in Berlin. Erst sehr spät tritt Biegler im Roman in Erscheinung, als er sich auf einer vom Arzt verschriebenen Burnout-Kur in den Bergen erholen soll. Doch Biegler hält von der Natur und insbesondere von den Bergen sehr wenig. Schon der erste Satz im Kapitel „blau“: „Konrad Biegler stand auf der Terrasse des Zimmerhofs und war schlecht gelaunt“, charakterisiert seine Einstellung. Seine schlechte Laune wirkt sich zunehmend auf seine Mitmenschen aus. So wählt seine Frau die letzte Möglichkeit der Selbsthilfe-Bücher für ihren Mann, um ihn positiv zu stimmen. In einen Anruf seiner Sekretärin, erfährt Biegler von einem interessanten Verteidigungsfall und bricht die Kur ab. Er verliert keine Zeit und widmet sich trotz seiner Krankheit sofort dem Fall. Aufgrund eines Zeitungsartikels, in welchem Biegler behauptet, „Wahrheit und Wirklichkeit seien ganz verschiedene Dinge, so wie Recht und Moral sich unterscheiden würden“, bittet der Angeklagte Sebastian von Eschburg ihn um seine Hilfe in einem Mordfall. Mithilfe genauer Recherchen und langer Berufserfahrung hinterfragt Biegler jeden einzelnen Beweis und klärt somit die Falschaussage seines Mandanten und die Bedrohung durch Folter auf. Durch ein Video, welches er mithilfe Sebastian von Eschburgs entwickelt hat, verdeutlicht er, dass der ganze Fall eine reine Inszenierung war, und beweist die Unschuld Eschburgs, erweist sich also ein echter "Anwalt des Rechts".

Staatsanwältin

Die 41 jährige Staatsanwältin Monika Landau, arbeitet seit sechs Jahren in der Abteilung für Kapitalverbrechen. Der Fall des entführten Mädchens erscheint ihr aufgrund der fehlenden Leiche sowie fehlender Forderungen des Täters, als merkwürdig. Bei der Vernehmung Sebastian von Eschburgs wird sie Zeugin einer angedrohten Folter eines Polizisten, durch welche das Versteck des entführten Mädchens herausgefunden werden soll. Da sie das Grundgesetz achtet und gewissenhaft nach diesem handelt,unterbricht sie die Vernehmung und lässt der Akte einen Vermerk der Folterandrohung beilegen.

Der Pornoproduzent

Die Person des Pornoproduzenten erscheint im Kapitel „Grün“ der Erzählung. Sebastian von Eschburg besucht ihn mit seiner Freundin Sofia in seinem Haus am See. Eschburg trifft ihn, um ihn für die Produktion seiner Interpretation des Goya-Gemäldes „die nackte Maya“ zu engagieren. Der Pornoproduzent entspricht mit seiner schwarzen Lederjacke und der Sonnenbrille dem Stereotyp seines Berufes. Er wird während seines gesamten Auftritts nicht mit Namen, sondern nur als „Pornoproduzent“ bezeichnet. Durch das Ersetzen seines Namens mit der Bezeichnung seiner Berufsgruppe wird der Fokus auf das Rollendenken gelegt. Dieses Rollenklischee wird jedoch durch das Bild des Familienvaters, das Essen des Himbeerkuchens und der Vorliebe für Singvögel aufgebrochen. Für den Leser entsteht so der Kontrast, sowohl jene gesellschaftsfähigen wie auch die tabuisierten Motive in seinem Charakter zu vereinigen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang das Vogelmotiv: Die Villa des Produzenten wurde früher von einem Vogelfänger bewohnt und die Wände des Wohnzimmers sind mit Fotografien exotischer Singvögel geschmückt. Des weiteren träumt der Produzent von der Produktion eines Dokumentarfilms über den Vogelzug.

Deutung

Die Bedeutung des Titels

Ein Tabu ist eine unumstößliche, bedingungslose Regel einer Gesellschaft. Es gehört zu den Grundübereinkünften des Zusammenlebens. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, welches aufgrund bestimmter Anschauungen innerhalb einer Gesellschaft verbietet, bestimmte Dinge zu tun oder bestimmte Themen anzusprechen, zu kritisieren oder zu diskutieren. Dazu zählen u.a. Themen wie Abtreibung, die Beschneidung von Frauen, Suizidversuche, der Empfang von Sozialhilfe, Homosexualität, häusliche Gewalt, Kindesmissbrauch oder sexueller Missbrauch in der Familie. In dem Roman „Tabu“ von Ferdinand von Schirach geht es um sehr unterschiedliche Tabubrüche im Leben der Hauptfigur Sebastian von Eschburg. Der Selbstmord des Vaters von Sebastian wird in der Familie verschwiegen. Dann gibt es den Beginn der Pornografie, die Diskussion um einen möglichen Geschwisterinzest und andere Tabubrüche, wie z.B. Mord und Folter. Folter ist eines der großen Tabus in der Rechtswissenschaft und beschäftigt daher auch den Autoren und Juristen Ferdinand von Schirach. Er möchte mit Hilfe des Romans die innere Sicherheit unserer Gesellschaft hinterfragen und dadurch das eigentliche Tabu brechen und so zu einer neuen Diskussion über Tabus und Tabubrüche anregen.

„Tabu“ als Kriminalroman

Tabu ist kein reiner Kriminalroman. Es handelt sich um einen eher psychologischen, gesellschaftskritischen Roman mit eingebauten kriminalistischen Elementen. Dieser ist jedoch keineswegs klassisch aufgebaut. Es fehlt ein typischer Spannungsverlauf, viel mehr kann man von der Beschreibung eines interessanten juristischen Falls sprechen. Es wird von einem Verbrechen berichtet, welches nicht stattgefunden hat. Der Täter ist gleichzeitig der Protagonist, auch gibt es keinen klassischen Ermittler, denn dieser ist gleichzeitig der Anwalt des vermeintlichen Mörders. Der Mord ist auch keineswegs das wichtigste Ereignis in dem Roman. Das Verbrechen wird vor allem juristisch, jedoch auch moralisch ausgewertet. Die Aufklärung besteht in dem Beweis, dass dieses nie stattgefunden hat. Es geht vielmehr um die gesellschaftlichen Ursachen und die Rechtmäßigkeit der Ermittlungsmethoden.

Die Bedeutung der Farben

Die Welt ist voller Farben, schon alleine deshalb sind sie immens wichtig für uns. Die verschiedenen Farbtöne spielen auch in diesem Roman eine übergeordnete Rolle, denn die Kapitel des Buches, die gleichbedeutend mit den Lebensabschnitten des Protagonisten Sebastian von Eschburg sind, sind mit den Farben grün, rot, blau und zuletzt weiß beschrieben. Daher wird dem Leser den Raum gegeben sich zuerst mit seinen eigenen Assoziationen dazu auseinanderzusetzen. Die genannten Farben sind in der Überschneidung weiß. Darauf weist auch am Beginn des Romans die Farbenlehre Helmholtz' hin. Doch die Erkenntnis bleibt, dass diese Farben immer nur ein Produkt unserer Wahrnehmung sind. Dies wird besonders in dem Charakter Eschburgs betont, da dieser Synästhetiker – wie auch Ferdinand von Schirach - ist und somit die Welt um ihn herum anders wahrnimmt, aber er leidet nicht darunter. Es vermischen sich Realität und Fantasie zu einer neuen Wirklichkeit. Diese Anomalie bei der Wahrnehmung prädestiniert ihn, sich später in seinem Leben als Künstler explizit mit diesen auseinanderzusetzten.

Die Farben der Romanabschnitte sind kennzeichnend für dessen emotionalen Inhalt, so wie ihn eine Farbe beschreiben könnte. Die erste genannte Farbe grün ist ein Zeichen für Hoffnung und Natur. Sie ist darüber hinaus auch ein Merkmal für die Heimat Eschburgs und erinnert ihn an seine Kindheit. Im emotionalen und inhaltlichen Gegensatz dazu steht die folgende Komplementärfarbe rot, drückt sie doch eher Schmerz, Schuld und Aggression, zugleich aber auch Liebe und ein Gefühl der Geborgenheit aus. Ein wichtiges rotes Material ist für Eschburg das Blut. Er hat eine gewisse Affinität dazu, wie man an dem Aufschneiden des geschossenen Rehes und auch bei dem Abschneiden der eigenen Fingerkuppe zu sehen ist. Besonders bei letzterem werden seine seelischen Wunden zu körperlichen. Er hat ein nahezu perfektes Täterprofil und mit dieser Kapitelüberschrift beginnt der Abschnitt, in dem Eschburg des Mordes angeklagt wird. Die ganze Prozedur erinnert stark an den Fall Magnus Gäfgen: ein schwieriges Vorgehen zwischen Wahrheit und Wirklichkeit sowie zwischen Recht und Moral, an dessen Ende der das Verhör leitende Polizist Eschburg die sogenannte "weiße Folter" androht, d.h. kein Mensch kann diese Foltermethode im Nachhinein an körperlichen Schäden festmachen. Es folgt der blaue Abschnitt, der sowohl tiefe Ehrlichkeit als auch eine kühle, emotionslose gelassene Art widerspiegelt. Hier geht es vor allem um die Frage der Schuld. Bevor der weiße, reine, vollkommene, idyllische, der Wahrheit entsprechend letzte Abschnitt beginnt, in dem die Erkenntnis heranwächst, dass „wir glauben, wir wären sicher“; doch unsere Realität ist anders. Es überlagern sich alle diese farblichen Eigenschaften. Ähnlich, wie im letzten Absatz des Romans beschrieben, die Angelfliege, die eben noch „grün und rot und blau in der Sonne [glänzte]“, ehe sie „der Fluss sie mit sich [riss]“. Unser Irrglaube besteht darin, zu denken, wir leben in einer sicheren Welt, doch diese Erfahrung ist falsch. Für uns wirkt die Welt als idyllische, schuldfreie, kurzum in einer Farbe beschrieben, weißen Welt.

Die Bedeutung der Kunst

Schon zu Beginn des Romans erkennt man die besondere Beziehung des Protagonisten Sebastian von Eschburgs zu den Farben und der Kunst. Die Kunst ist für ihn ein Zufluchtsort zur Verarbeitung von Eindrücken und ein Ausgleich zur Realität.

Seine Fotografien machen ihm Personen und Umgebung erträglich, da er sie durch eine gewisse Distanz betrachten kann. Sie bieten ihm die Möglichkeit, die Farbenflut in seinem Kopf durch eintönige Farbgebungen in seinen Bildern zu beruhigen. Seine Kunst wird als „ernst“ beschrieben. Die Bilder sind durch eine gewisse Sehnsucht gekennzeichnet, zum Teil von innerer Leere und Taubheit geprägt. In dieser Sehnsucht zeigen sich innerhalb der Bilder romantische Züge, was durch den Bezug zu Caspar David Friedrich und Goya verstärkt wird. Beispielsweise zeigt eines von Eschburgs Bildern eine nackte Frau, die „sah durch das Fenster nach draußen. Das Licht fiel in einem Rechteck auf das Laken und auf ihr Gesicht.“ (S. 67). Das zentrale Thema der Bilder ist die Verletzlichkeit menschlicher Würde beziehungsweise die Entblößung des Menschen an sich.

Insgesamt lässt sich sagen, dass der Künstler sich stets auf der Suche nach Wahrheit befindet, indem er mittels der Kunst den Versuch unternimmt, den Unterschied zwischen Wahrheit und Wirklichkeit auszudrücken. Außerdem betrachtet Eschburg die Kunst als sinngebendes Maß für sein Leben. Sie ist für ihn der einzige Weg in der Welt zu bestehen. Da ihm der Umgang mit gesellschaftlichen Definitionen und anderen Menschen schwer fällt, ist die Kunst für ihn ein Sprachrohr der Kommunikation mit Außenstehenden. Er sieht alles in Bildern und Farben und kann sich deswegen nicht anders ausdrücken. Im Verlauf des Romans wird die Sehnsucht in ihm so stark, dass er versucht die Grenzen zwischen Wahrheit und Wirklichkeit gänzlich zu durchbrechen und seine Umwelt damit zu konfrontieren.

Kritik

Die Literaturkritik reagierte negativ auf von Schirachs Buch. Verena Mayer von der SZ hält das Buch für ein "Thesengebäude mit blutleeren Figuren" [1]und trauert den beiden Vorgängerbüchern des Autors "Verbrechen" und "Schuld" nach. Der Rezensent der FAZ, Hans Hintermeier, kritisiert die blassen und schablonenhaft wirkenden Figuren und die "banalen" Dialoge. Er hält die "die philosophischen Reflexionen der Protagonisten [für] plattes Geschwurbel". [2] Ein Verriß ist die Kritik von Ulrich Greiners in der Zeit. Der Autor liebe das philosophische Faseln, und "bedeutungsschwangeren Psychologismus". Den Themen, die der Roman anreißt - Was bedeutet Wahrheit in der Kunst und was im Leben? - sei die Sprache des Autors nicht gewachsen, und im ganzen handele es sich bei dem Buch "um einen großen Bluff". [3]

Ausgabe

Einzelnachweise

  1. zitiert nach Perlentaucher.de <
  2. Perlentaucher.de
  3. Ulrich Greiner: Ein Mord der keiner war. In: Die Zeit. Nr. 37. 2013. Aktualisiert 8. September 2013.