„Sándor Márai“ – Versionsunterschied

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== Leben ==
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Sándor Márai wurde am [[11. April]] [[1900]] in Kaschau (ungarisch ''Kassa'', slowakisch ''Košice''), das damals Bestandteil des [[Königreich Ungarn|Königreichs Ungarn]] war und [[1918]]/[[1919]] Bestandteil der [[Tschechoslowakei]] wurde, als Sohn eines Juristen geboren. In bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen, Ordnung, Langsamkeit und an den ruhigen Lauf der Dinge entsprechend althergebrachter Traditionen gewöhnt, emigrierte er [[1919]] als Reaktion auf den Zerfall der Donaumonarchie in die Staaten [[Ungarn]], [[Österreich]], [[Tschechoslowakei]], [[Rumänien]], [[Polen]], [[Italien]] und [[Jugoslawien]] nach [[Deutschland]], studierte hier [[Journalistik]] am Institut für Zeitungskunde der Universität [[Leipzig]], in [[Frankfurt am Main]] und [[Berlin]], ohne jemals zu einem Abschluss zu kommen.
Sándor Márai wurde am [[11. April]] [[1900]] in Kaschau (ungarisch ''Kassa'', slowakisch ''Košice''), das damals zum [[Königreich Ungarn]] gehörte, seit [[1918]]/[[1919]] zu der [[Tschechoslowakei]], seit [[1993]] zu der [[Slowakei]], als Sohn eines Juristen geboren. In bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen, Ordnung, Langsamkeit und an den ruhigen Lauf der Dinge entsprechend althergebrachter Traditionen gewöhnt, emigrierte er [[1919]] als Reaktion auf den Zerfall der Donaumonarchie in die Staaten [[Ungarn]], [[Österreich]], [[Tschechoslowakei]], [[Rumänien]], [[Polen]], [[Italien]] und [[Jugoslawien]] nach [[Deutschland]], studierte hier [[Journalistik]] am Institut für Zeitungskunde der Universität [[Leipzig]], in [[Frankfurt am Main]] und [[Berlin]], ohne jemals zu einem Abschluss zu kommen.


Literarisch versuchte er sich in dieser Zeit nach dem ersten großen Umbruch seines Lebens zunächst in Artikeln für das Satireblatt ''Der Drache'' des sächsischen Herausgebers Hans Reimann. Später schrieb er im Feuilleton der ''[[Frankfurter Zeitung]]'' – der seiner Meinung nach einzig echten Weltzeitung Deutschlands.
Literarisch versuchte er sich in dieser Zeit nach dem ersten großen Umbruch seines Lebens zunächst in Artikeln für das Satireblatt ''Der Drache'' des sächsischen Herausgebers Hans Reimann. Später schrieb er im Feuilleton der ''[[Frankfurter Zeitung]]'' – der seiner Meinung nach einzig echten Weltzeitung Deutschlands.

Version vom 1. Mai 2005, 22:19 Uhr

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Sándor Márai

Sándor Márai Vorlage:Lautschrift (* 11. April 1900 in Kaschau, Österreich-Ungarn (Slowakei); † 22. Februar 1989 in San Diego, USA (Suizid)), war ein ungarischer Autor. Mit der Neuausgabe seines Romans Die Glut erfuhr er 1999 eine vielbeachtete Renaissance. Zu seinen Charaktereigenschaften gehören Scharfsinn und Humor. Er war ein depressiver und äußerst politischer Exilliterat.

Leben

Sándor Márai wurde am 11. April 1900 in Kaschau (ungarisch Kassa, slowakisch Košice), das damals zum Königreich Ungarn gehörte, seit 1918/1919 zu der Tschechoslowakei, seit 1993 zu der Slowakei, als Sohn eines Juristen geboren. In bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen, Ordnung, Langsamkeit und an den ruhigen Lauf der Dinge entsprechend althergebrachter Traditionen gewöhnt, emigrierte er 1919 als Reaktion auf den Zerfall der Donaumonarchie in die Staaten Ungarn, Österreich, Tschechoslowakei, Rumänien, Polen, Italien und Jugoslawien nach Deutschland, studierte hier Journalistik am Institut für Zeitungskunde der Universität Leipzig, in Frankfurt am Main und Berlin, ohne jemals zu einem Abschluss zu kommen.

Literarisch versuchte er sich in dieser Zeit nach dem ersten großen Umbruch seines Lebens zunächst in Artikeln für das Satireblatt Der Drache des sächsischen Herausgebers Hans Reimann. Später schrieb er im Feuilleton der Frankfurter Zeitung – der seiner Meinung nach einzig echten Weltzeitung Deutschlands.

Inzwischen verheiratet, floh Márai 1923 nach einem sehr freizügigen Leben in Berlin vor der Inflation nach Frankreich. Er arbeitete dort als Korrespondent der Frankfurter Zeitung in Paris, konnte finanziell jedoch nicht wieder Fuß fassen und geriet in Armut.

Nach seiner Zeit in Paris kehrte Márai 1928 orientierungslos und verwirrt nach Ungarn zurück, um dort an längeren Texten in seiner Muttersprache zu arbeiten und so sich selbst zu finden. Damit begann seine produktivste Schaffensphase: Etliche Werke entstanden, 22 davon wurden bis heute ins Deutsche übersetzt.

1934 hatte er seinen ersten großen Erfolg mit den Bekenntnissen eines Bürgers.

In Ungarn regierte während der dreißiger und vierziger Jahre der autoritäre Diktator und ehemalige K.u.k.-Admiral Miklós Horthy. Seit 1941 befand sich daher Ungarn an der Seite Deutschlands im Krieg, obgleich sich Horthy mehr an Mussolini denn an Hitler orientierte und sein Regime weitaus weniger antisemitisch geprägt war.

Am 18. März 1944 besetzten die deutschen Truppen Ungarn. Márai versteckte sich währenddessen mit seiner Frau Lola, die jüdischer Abstammung war. Da die Ehe kinderlos blieb, adoptierten die beiden zu jener Zeit in Budapest einen Kriegswaisen: János.

Nach der Vertreibung der in Ungarn stationierten deutschen Truppen übernahm die Rote Armee im Februar 1945 die Herrschaft. Nach Kriegsende konnten die Kommunisten unter Mátyás Rákosi, eine von zwei Moskau-orientierten, bolschewistischen Gruppierungen, die Macht an sich bringen.

Márais Wohnung wurde mitsamt seiner Bibliothek, die etwa 6000 Bücher umfasste, im Krieg zerstört. Dies war ein schwerer Schlag für den ohnehin depressiven Literaten. Seine finanziellen Sicherheiten und ein seidener Faden der Bindung zu seinem – nun kommunistischen – Heimatland gingen damit verloren. Es hielt ihn von nun an nichts mehr in Ungarn, und er emigrierte nach Italien.

Doch schon nach einem kurzen Aufenthalt dort im Winter 1946/47 entschloss sich Márai, nach Ungarn zurückzukehren, um im Umfeld seiner Sprache leben und schreiben zu können, was für ihn zur literarisch notwendigen Bedingung geworden war. Er betrachtet jegliche Fremdsprache als „Krücke“, weshalb er nurmehr in seiner Muttersprache, also Ungarisch, publizieren wollte.

Im September 1948 verließ Márai Ungarn jedoch endgültig. Seine Werke waren im kommunistischen Ungarn nicht verboten, doch wurden seine Texte von der Kritik vernichtend beurteilt. Jeglicher Erfolg blieb für ihn unerreichbar. In den zwei Jahren bis 1950 in der Schweiz und den darauf folgenden zwei Jahren in Neapel lebte Márai wieder in ärmlichen Verhältnissen.

Dieser Umstand verbesserte sich etwas, als er Europa zum ersten Mal den Rücken kehrte und nach New York auswanderte. Dort erwarb er, nach einem kurzen Aufenthalt in München, 1957 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.

Literarisch führte er nun ein bescheidenes Leben. Er schrieb weiterhin auf Ungarisch, was seinem Bekanntheitsgrad in Amerika sicherlich nicht zugute kam. Verlegt wurde er von dem kleinen Emigrantenverlag Vörösváry-Weller-Publishing in Toronto (Kanada), dessen Besitzer selbst Ungar war. Márai lebte dort bis 1972. In diesem Jahr erschien Land, Land! im oben genannten Verlag.

Bevor Sándor Márai endgültig von Europa Abschied nahm, lebte er noch einige Jahre in Salerno (Italien). Danach ging er direkt nach San Diego im US-Bundesstaat Kalifornien. Am 4. Januar 1986 erlag seine mittlerweile erblindete Frau Lola einem Krebsleiden. Etwas mehr als ein Jahr später folgte ihr Márais Adoptivsohn János in den Tod. In unendlicher Trauer über den Verlust seiner Frau, seines Sohnes und nicht zuletzt seiner Heimat belegte Márai einen Schießkurs bei der örtlichen Polizei, erhielt einen Waffenschein und kaufte sich anschließend einen Revolver mit Munition.

Am 15. Januar 1989 schrieb er seinen letzten Tagebucheintrag, am 22. Februar 1989 wählte er den Suizid, indem er sich erschoss.

Auszüge aus den Tagebüchern

Die hier angeführten Auszüge aus den Tagebüchern Sándor Márais sollen einen Einblick in das Seelenleben des Exilliteraten bieten, die geschichtlichen Hintergründe aus seiner Perspektive beleuchten, und so zu einem tieferen Verständnis der Gründe führen, die für seinen Lebenslauf verantwortlich waren.

1945–1957

Wie Lope de Vega, der – im Sterben, flüsternd – bekannte, er habe Dante „satt“, so flüstere auch ich, wenn niemand es hört: Ich habe Goethe satt.

Aber obgleich ich ihn satt habe, gibt es doch einen Satz von ihm, der mich trifft: „In jeder großen Trennung liegt ein Keim von Wahnsinn“ – und ich begreife, warum ich, jenseits aller praktischen Schwierigkeiten und Gefahren, den Augenblick als verhängnisvoll empfand, in dem ich Ungarn verließ.

Ich frage, ob es ein Foto oder einen Film von der Hinrichtung gibt. Er weiß es nicht. Der Senatspräsident, Jancsó, hat inzwischen Selbstmord begangen. Gábor Péter wurde eingesperrt, vielleicht haben sie noch Pläne mit ihm. Das Vaterland ist wie eine Kathedrale. Und manchmal wie eine Kloake.

Wie jeder Despot wußte Caligula, dass Macht eine magische Kraft ist. Und eine Kraft nur, solange sie magisch ist. Das berichtet Suetonius.

Der Emigrant begeht einen Fehler, wenn er Persönlichkeiten und Erscheinungen des Vaterlandes kritisiert – er ist herausgetreten aus dem Zauberkreis der Emotionen, er kennt nicht mehr den wahren Sinn und Wert der Wörter und Dinge in der Heimat. Aber einen Fehler begeht auch, wer von der Heimat aus die Emigranten für einen Haufen fahrender Ritter ansieht. Schließlich sind nicht alle Vaterlandsverräter, die freiwillig und unter großen Opfern die Heimat verlassen haben aus Angst, dass man sie zwingt, bei einer Schurkerei mitzumachen.

1958–1960

Begabung, was ist das?... Thomas Hobbes, der Verfasser des Leviathan, lebte einundneunzig Jahre und immer im Zorn. Aber während er zürnte, spielte er regelmäßig Tennis, noch im Alter von fünfundsiebzig Jahren (im 17. Jahrhundert war dieser Sport nur etwas für Sonderlinge), nach dem Tennis sang er lange und laut, weil das „gut für die Lunge“ war, er rauchte ständig Pfeife, und er überlebte die englische Revolution, die Hinrichtung Karls I., Cromwell, die Thronbesteigung Karls II. und alle, die lautstark forderten, den Autor des Leviathan auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Das ist Begabung.

Flüchtlinge, ein junges Ehepaar. Sie sprechen über die „Klingelangst“ in der Heimat. Später geben sie verlegen zu, dass sie hier in Amerika die Dollarangst kennengelernt haben. Und schauen überrascht, als hätten sie endlich begriffen, dass es überall Angst gibt.

1968–1975

Auch nach dem Ende von Hitlers Terror kam aus den deutschen Schreibtischschubladen nicht jenes Manuskript zum Vorschein, das viele erwartet hätten... das Manuskript, das während des Terrors heimlich geschrieben und im Asyl versteckt wurde und auf den Tag wartete, da der Autor die Wahrheit sagen konnte... [...]

Der Tod kommt nicht von draußen, er klingelt nicht, er schreibt keinen Brief, er ruft auch nicht an: Der Tod ist in uns, ganz und gar. Eines Tages finden wir ihn wie etwas, das man in der Tasche des Wintermantels vergessen hat.

Eine Literatur kann ebensowenig ins Exil gehen wie eine Bevölkerung, die in der Heimat bleibt und die Folgen einer durch Gewalt und Betrug herbeigeführten Situation trägt. [...]

1976–1983

Der eine Emigrant erschaudert, wenn er die Grenze überschreitet, und er sagt: „Entsetzlich. Ich habe eine Welt verloren.“ Der andere Emigrant reibt sich im selben Moment die Augen und sagt: „Merkwürdig. Ich habe eine Welt gefunden.“

Emigration. Rimbaud emigrierte nach Afrika. Attila József zwischen die Schienen. Proust in die Krankheit, Nietzsche in die Irrenanstalt. Krúdy nach Alt-Buda, wo er Schweine mästet. (Nicht viele, immer nur eins.)

1984–1989

Im Kaufhaus des Todes veranstalten die Kunden auf den Korridoren einen Rollstuhlwettkampf. Manche Leichen haben sich herausgeputzt. Alles lieber, nur das nicht, diesen Konsumtod.

L. ist gestorben

Gehen auf der Straße, und auch zu Hause, ist Taumeln. Die alte Putzfrau, die einmal in der Woche die Wohnung reinigt, ist das einzige Lebewesen, mit dem ich spreche.

Der Tod ist kein Problem. Aber das Sterben.

Letzter Tagebucheintrag am 15. Januar 1989

Ich warte auf den Stellungsbefehl, bin nicht ungeduldig, will aber auch nichts hinauszögern.

Es ist Zeit.

Werke

Historische Ausgaben

Eine Auflistung aller bis 1947 in deutscher Sprache erschienenen Werke Sándor Márais in der Reihenfolge ihrer Entstehung (Jahreszahlen am Ende jeder Zeile sind das jeweilige Erscheinungsdatum der deutschen Übersetzung):

  1. Die große Nummer. Ilonka. Übersetzung: Tibor von Podmaniczky 1946
  2. Die französische Jacht und andere Erzählungen. Übersetzung: Tibor von Podmaniczky / Ludwig Górcz 1953
  3. ...Doch blieb er ein Fremder. Übersetzung: Mirza von Schüching 1935
  4. 20 Jahre, in 700 Bildern. 1910-1930. Übersetzung: unbekannt 1931
  5. Achtung! Bissiger Hund! Übersetzung: Mirza von Schüching 1940
  6. Bekenntnisse eines Bürgers. Übersetzung: Hans Skirecki 1996
  7. Die Nacht vor der Scheidung. Übersetzung: Margit Ban 1951
  8. Die Eifersüchtigen. Übersetzung: Artur Saternus 1947
  9. Schule der Armen. Übersetzung: Tibor von Podmaniczky 1947
  10. Ein Herr aus Venedig. Übersetzung: Renée von Stipsicz-Gariboldi / Georg von Komerstädt 1943
  11. Begegnung in Bolzano. Übersetzung: Renée von Stipsicz-Gariboldi / Georg von Komerstädt 1946
  12. Das letzte Abenteuer. Schauspiel in 3 Akten. Für die deutsche Bühne: Jos. Paul Toth 1941
  13. Sindbad geht heim. Übersetzung: Markus Bieler / E. Zaitai 1978
  14. Die Möwe. Übersetzung: Tibor von Podmaniczky 1948
  15. Der Richtige. Übersetzung: E. Burgenländer 1948
  16. Wandlungen der Ehe. Übersetzung: Tibor von Podmaniczky 1949
  17. Die Kerzen brennen ab. Übersetzung: Eugen Görcz 1950
  18. Verzauberung in Ithaka. Übersetzung: Tibor von Podmaniczky 1952
  19. Das Wunder des San Gennaro. Übersetzung: Tibor und Mona von Podmaniczky 1957
  20. Geist im Exil. Tagebücher 1945-1957. Übersetzung: Tibor und Mona von Podmaniczky 1960
  21. Der Wind kommt vom Westen. Amerikanische Reisebilder. Übersetzung: Artur Saternus 1964
  22. Musik in Florenz. Übersetzung: Artur Saternus 1955
  23. Die Bürger von Kaschau. Für die deutsche Bühne: Paul Mundorf 1947
  24. Der große Augenblick. Für die deutsche Bühne: Paul Mundorf 1947

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