„Karl Dietrich Erdmann“ – Versionsunterschied

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== Leben ==
== Leben ==
Karl Dietrich Erdmann wurde in eine protestantische Familie geboren,<ref>Marcel vom Lehn: ''Westdeutsche und italienische Historiker als Intellektuelle? Ihr Umgang mit Nationalsozialismus und Faschismus in den Massenmedien (1943/45–1960).'' Göttingen 2012, S. 66.</ref> studierte seit 1928 Geschichte, Evangelische Theologie und Philosophie in [[Universität zu Köln|Köln]], [[Sorbonne|Paris]], [[Universität London|London]] und Marburg und wurde 1933 an der [[Philipps-Universität Marburg|Universität Marburg]] bei [[Wilhelm Mommsen]] [[Promotion (Doktor)|promoviert]]. Er ging anschließend in den Schuldienst, den er jedoch im Oktober 1938 verlassen musste, da seine Ehefrau keinen [[Ariernachweis]] erbrachte.<ref>[[Ernst Klee]]: ''Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945.'' Aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 138.</ref> Ein von ihm 1938 mitverfasstes und nach seinem Tod wegen deutlicher nationalsozialistischer Tendenzen heftig umstrittenes Schulbuch erschien nicht, weil der Prüfungskommission die Darstellung des Nationalsozialismus nicht positiv genug war.<ref>Marcel vom Lehn: ''Westdeutsche und italienische Historiker als Intellektuelle? Ihr Umgang mit Nationalsozialismus und Faschismus in den Massenmedien (1943/45–1960).'' Göttingen 2012, S. 68.</ref> Der Historiker [[Hans-Ulrich Wehler]] ließ das nicht gelten. Er vertrat die Ansicht, allein die Tatsache, dass Erdmann dieses Buch im nationalsozialistischen Sinne geschrieben habe, lasse Texte mit „nationalsozialistischer Geschichtsklitterung“ vermuten. Erst nach Fertigstellung habe es die Kommission überprüft, die höhere nationalsozialistische Anforderungen stellte, als Erdmann vorgesehen hatte. Der Ariernachweis für die Ehefrau sei auch eingereicht worden und Erdmann habe seine Beamtenstelle am 1. Januar 1943<ref>Vgl. Arvid von Bassi: ''Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker.'' de Gruyter, Berlin 2021 (= ''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Band 129), S. 86.</ref> erhalten. Am 1. Oktober 1940 erhielt er eine Stelle als Studienassessor am [[Dreikönigsgymnasium]] und die vollen Bezüge seit September 1941 ohne eine Tätigkeit als Lehrer auszuüben.<ref>Vgl. Arvid von Bassi: ''Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker.'' de Gruyter, Berlin 2021 (= ''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Band 129), S. 86.</ref> Das Gehalt sei bis Kriegsende gezahlt worden.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Nationalsozialismus und Historiker.'' In: Winfried Schulze, [[Otto Gerhard Oexle]] (Hrsg.): ''Deutsche Historiker im Nationalsozialismus.'' Fischer, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-596-14606-2, S. 306–340, hier: S. 325.</ref> Im August 1939 trat Erdmann als Soldat in die Wehrmacht ein.<ref>Vgl. Arvid von Bassi: ''Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker.'' de Gruyter, Berlin 2021 (= ''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Band 129), S. 82–106.</ref> Im Mai 1940 wurde er mit dem Rheinischen Grenadier-Regiment Nr. 366 an die Front nach Holland verlegt und nahm mit dieser Einheit auch am Angriff auf Frankreich teil.<ref>Vgl. Arvid von Bassi: ''Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker.'' de Gruyter, Berlin 2021 (= ''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Band 129), hier S. 90 und 91.</ref> Der Einheit gehörte er bis Ende März 1944 an.<ref>Vgl. Arvid von Bassi: ''Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker.'' de Gruyter, Berlin 2021 (= ''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Band 129), S. 82–106, hier S. 90.</ref> Er war gegen Ende des Krieges in der Offiziersausbildung tätig. Im September 1945 wurde er wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar in Köln und [[Habilitation|habilitierte]] sich dort 1947 bei [[Peter Rassow]].
Karl Dietrich Erdmann wurde in eine protestantische Familie geboren,<ref>Marcel vom Lehn: ''Westdeutsche und italienische Historiker als Intellektuelle? Ihr Umgang mit Nationalsozialismus und Faschismus in den Massenmedien (1943/45–1960).'' Göttingen 2012, S. 66.</ref> studierte seit 1928 Geschichte, Evangelische Theologie und Philosophie an den Universitäten [[Universität zu Köln|Köln]], [[Sorbonne|Paris]], [[University of London|London]] und Marburg und wurde 1933 an der [[Philipps-Universität Marburg|Universität Marburg]] bei [[Wilhelm Mommsen]] [[Promotion (Doktor)|promoviert]]. Er ging anschließend in den Schuldienst, den er jedoch im Oktober 1938 verlassen musste, da seine Ehefrau keinen [[Ariernachweis]] erbrachte.<ref>[[Ernst Klee]]: ''Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945.'' Aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 138.</ref> Ein von ihm 1938 mitverfasstes und nach seinem Tod wegen deutlicher nationalsozialistischer Tendenzen heftig umstrittenes Schulbuch erschien nicht, weil der Prüfungskommission die Darstellung des Nationalsozialismus nicht positiv genug war.<ref>Marcel vom Lehn: ''Westdeutsche und italienische Historiker als Intellektuelle? Ihr Umgang mit Nationalsozialismus und Faschismus in den Massenmedien (1943/45–1960).'' Göttingen 2012, S. 68.</ref> Der Historiker [[Hans-Ulrich Wehler]] ließ das nicht gelten. Er vertrat die Ansicht, allein die Tatsache, dass Erdmann dieses Buch im nationalsozialistischen Sinne geschrieben habe, lasse Texte mit „nationalsozialistischer Geschichtsklitterung“ vermuten. Erst nach Fertigstellung habe es die Kommission überprüft, die höhere nationalsozialistische Anforderungen stellte, als Erdmann vorgesehen hatte. Der Ariernachweis für die Ehefrau sei auch eingereicht worden und Erdmann habe seine Beamtenstelle am 1. Januar 1943<ref>Vgl. Arvid von Bassi: ''Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker.'' de Gruyter, Berlin 2021 (= ''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Band 129), S. 86.</ref> erhalten. Am 1. Oktober 1940 erhielt er eine Stelle als Studienassessor am [[Dreikönigsgymnasium]] und die vollen Bezüge seit September 1941, ohne eine Tätigkeit als Lehrer auszuüben.<ref>Vgl. Arvid von Bassi: ''Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker.'' de Gruyter, Berlin 2021 (= ''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Band 129), S. 86.</ref> Das Gehalt sei bis Kriegsende gezahlt worden.<ref>Hans-Ulrich Wehler: ''Nationalsozialismus und Historiker.'' In: Winfried Schulze, [[Otto Gerhard Oexle]] (Hrsg.): ''Deutsche Historiker im Nationalsozialismus.'' Fischer, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-596-14606-2, S. 306–340, hier: S. 325.</ref> Im August 1939 trat Erdmann als Soldat in die Wehrmacht ein.<ref>Vgl. Arvid von Bassi: ''Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker.'' de Gruyter, Berlin 2021 (= ''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Band 129), S. 82–106.</ref> Im Mai 1940 wurde er mit dem Rheinischen Grenadier-Regiment Nr. 366 an die Front nach Holland verlegt und nahm mit dieser Einheit auch am Angriff auf Frankreich teil.<ref>Vgl. Arvid von Bassi: ''Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker.'' de Gruyter, Berlin 2021 (= ''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Band 129), hier S. 90 und 91.</ref> Der Einheit gehörte er bis Ende März 1944 an.<ref>Vgl. Arvid von Bassi: ''Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker.'' de Gruyter, Berlin 2021 (= ''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Band 129), S. 82–106, hier S. 90.</ref> Er war gegen Ende des Krieges in der Offiziersausbildung tätig. Im September 1945 wurde er wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar der Universität zu Köln und [[Habilitation|habilitierte]] sich dort 1947 bei [[Peter Rassow]]. Seine Habilitationsschrift behandelte die Volkssouveränität und die Rolle der Kirche in den frühen Phasen der Französischen Revolution.


1951 wurde er in Köln außerplanmäßiger Professor und hatte seit 1953 bis zu seiner Emeritierung 1978 einen Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der [[Christian-Albrechts-Universität zu Kiel|Universität Kiel]] inne. 1973 wurde er zum ordentlichen Mitglied der [[Akademie der Wissenschaften zu Göttingen|Göttinger Akademie der Wissenschaften]] gewählt.<ref>Holger Krahnke: ''Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001'' (= ''Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse.'' Folge 3, Bd. 246 = ''Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse.'' Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 77.</ref>
1951 wurde er in Köln außerplanmäßiger Professor und hatte seit 1953 bis zu seiner Emeritierung 1978 einen Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der [[Christian-Albrechts-Universität zu Kiel|Universität Kiel]] inne. 1973 wurde er zum ordentlichen Mitglied der [[Niedersächsische Akademie der Wissenschaften zu Göttingen|Göttinger Akademie der Wissenschaften]] gewählt.<ref>Holger Krahnke: ''Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001'' (= ''Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse.'' Folge 3, Bd. 246 = ''Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse.'' Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 77.</ref>


Erdmann geriet in den 1960er Jahren in einen heftigen, teilweise sehr persönlich geführten Streit mit [[Fritz Fischer (Historiker)|Fritz Fischer]], dessen Thesen (''Griff nach der Weltmacht'') zur deutschen Kriegsschuld am [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] er gemeinsam mit [[Gerhard Ritter]], [[Egmont Zechlin]] und anderen scharf angriff. Die als [[Fischer-Kontroverse]] in die Historiographie eingegangene Debatte erregte großes öffentliches Interesse, sie trug einen eminent politischen Charakter und eskalierte zusehends, als Erdmann von einigen Wissenschaftlern (hier vor allem [[Bernd Sösemann]]) vorgeworfen wurde, einige der Dokumente, die er als Belege für seine Ansichten vorgebracht hatte (insbesondere die 1972 von ihm edierten Tagebücher von [[Kurt Riezler]]), seien von ihm oder den Anhängern seiner Position möglicherweise absichtlich verändert oder gar gefälscht worden.<ref>Bernd Sösemann: ''Die Tagebücher Kurt Riezlers. Untersuchungen zu ihrer Echtheit und Edition''. In: ''[[Historische Zeitschrift]]'' 236 (1983), Heft 2, S. 327–369; Karl Dietrich Erdmann: ''Zur Echtheit der Tagebücher Kurt Riezlers. Eine Antikritik''. In: ''Historische Zeitschrift'' 236 (1983), Heft 2, S. 371–402.</ref> [[Bruno Thoß]] beschreibt das 1994 mit den Worten, dass „die allgemein als besonders zuverlässig geltende Ausgabe der Riezler-Tagebücher unter scharfen Beschuss geraten sei“. Er meint, dass der Streit nicht „endgültig entschieden sei und sich zum Vorwurf der Fälschung hochgeschaukelt habe.“<ref>Bruno Thoß: ''Der erste Weltkrieg als Ereignis und Erlebnis. Paradigmenwechsel in der westdeutschen Weltkriegsforschung seit der Fischer-Kontroverse''. In: [[Wolfgang Michalka]] (Hrsg.): ''Der Erste Weltkrieg'', Piper, München 1994, ISBN 3-492-11927-1, S. 1016. </ref> Thomas Becker vertritt in der ''Enzyklopädie Erster Weltkrieg'' die Meinung, die Tagebücher seien von Erdmann unvollständig und dadurch entstellt ediert worden.<ref> Thomas Becker: ''Riezler, Kurt''. In: [[Gerhard Hirschfeld]], [[Gerd Krumeich]], Irina Renz (Hrsg.): ''Enzyklopädie Erster Weltkrieg''. Schöningh, Paderborn 2003, ISBN 3-506-73913-1, S. 797.</ref> Als Mitglied der [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] nahm Erdmann auch zur Tagespolitik – etwa zur Ostpolitik der sozialliberalen Regierung – Stellung.
Erdmann führte in den 1960er Jahren einen heftigen, teilweise sehr persönlich ausgetragenen Streit mit [[Fritz Fischer (Historiker)|Fritz Fischer]], dessen Thesen (''Griff nach der Weltmacht'') zur deutschen Kriegsschuld am [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] er gemeinsam mit [[Gerhard Ritter]], [[Egmont Zechlin]] und anderen scharf angriff. Die als [[Fischer-Kontroverse]] in die Historiographie eingegangene Debatte erregte großes öffentliches Interesse, sie trug einen eminent politischen Charakter und eskalierte zusehends, als Erdmann von einigen Wissenschaftlern (hier vor allem [[Bernd Sösemann]]) vorgeworfen wurde, einige der Dokumente, die er als Belege für seine Ansichten vorgebracht hatte (insbesondere die 1972 von ihm edierten Tagebücher von [[Kurt Riezler]]), seien von ihm oder den Anhängern seiner Position möglicherweise absichtlich verändert<ref>{{Literatur |Autor=Bernd F. Schulte |Titel=Die Fälschung der Riezler Tagebücher |Ort=Frankfurt am Main, Bern, New York |Datum=1985 |ISBN=3-8204-8057-9}}</ref> oder gar gefälscht worden.<ref>Bernd Sösemann: ''Die Tagebücher Kurt Riezlers. Untersuchungen zu ihrer Echtheit und Edition''. In: ''[[Historische Zeitschrift]]'' 236 (1983), Heft 2, S. 327–369; Karl Dietrich Erdmann: ''Zur Echtheit der Tagebücher Kurt Riezlers. Eine Antikritik''. In: ''Historische Zeitschrift'' 236 (1983), Heft 2, S. 371–402.</ref> [[Bruno Thoß]] beschreibt das 1994 mit den Worten, dass „die allgemein als besonders zuverlässig geltende Ausgabe der Riezler-Tagebücher unter scharfen Beschuss geraten sei“. Er meint, dass der Streit nicht „endgültig entschieden sei und sich zum Vorwurf der Fälschung hochgeschaukelt habe.“<ref>Bruno Thoß: ''Der erste Weltkrieg als Ereignis und Erlebnis. Paradigmenwechsel in der westdeutschen Weltkriegsforschung seit der Fischer-Kontroverse''. In: [[Wolfgang Michalka]] (Hrsg.): ''Der Erste Weltkrieg'', Piper, München 1994, ISBN 3-492-11927-1, S. 1016.</ref> Thomas Becker vertritt in der ''Enzyklopädie Erster Weltkrieg'' die Meinung, die Tagebücher seien von Erdmann unvollständig und dadurch entstellt ediert worden.<ref>Thomas Becker: ''Riezler, Kurt''. In: [[Gerhard Hirschfeld]], [[Gerd Krumeich]], Irina Renz (Hrsg.): ''Enzyklopädie Erster Weltkrieg''. Schöningh, Paderborn 2003, ISBN 3-506-73913-1, S. 797.</ref> Als Mitglied der [[Christlich Demokratische Union Deutschlands|CDU]] nahm Erdmann auch zur Tagespolitik – etwa zur [[Ostpolitik der Bundesrepublik Deutschland bis 1990|Ostpolitik]] der sozialliberalen Regierung – Stellung.


Einige von Erdmanns Arbeiten gelten bis heute weitgehend unbestritten als Standardwerke zur Geschichte des 20. Jahrhunderts, wobei die Jahre zwischen 1914 und 1949 den Schwerpunkt seiner Forschungen bildeten. Die von ihm begründete und bis zu seinem Tod betreute Zeitschrift ''[[Geschichte in Wissenschaft und Unterricht]]'' gehört bis heute zu den renommiertesten deutschen Fachorganen. Erdmann war von 1962 bis 1967 Vorsitzender des [[Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands|Verbandes deutscher Historiker und Historikerinnen]] und von 1966 bis 1970 Vorsitzender des [[Deutscher Bildungsrat|Deutschen Bildungsrates]], von 1975 bis 1980 Präsident des Historiker-Weltverbandes [[Comité International des Sciences Historiques]] (CISH). 1982 wurde er mit dem [[Kultur- und Wissenschaftspreis der Stadt Kiel|Kulturpreis der Stadt Kiel]] ausgezeichnet.
Einige von Erdmanns Arbeiten gelten bis heute weitgehend unbestritten als Standardwerke zur Geschichte des 20. Jahrhunderts, wobei die Jahre zwischen 1914 und 1949 den Schwerpunkt seiner Forschungen bildeten. Die von ihm begründete und bis zu seinem Tod betreute Zeitschrift ''[[Geschichte in Wissenschaft und Unterricht]]'' gehört bis heute zu den renommiertesten deutschen Fachorganen. Erdmann war von 1962 bis 1967 Vorsitzender des [[Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands|Verbandes deutscher Historiker und Historikerinnen]] und von 1966 bis 1970 Vorsitzender des [[Deutscher Bildungsrat|Deutschen Bildungsrates]], von 1975 bis 1980 Präsident des Historiker-Weltverbandes [[Comité International des Sciences Historiques]] (CISH). 1982 wurde er mit dem [[Kultur- und Wissenschaftspreis der Stadt Kiel|Kulturpreis der Stadt Kiel]] ausgezeichnet.
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== Schriften (Auswahl) ==
== Schriften (Auswahl) ==
<!-- Bitte Schriften immer mit dem Ersterscheinungsdatum aufführen. Das ist für die Geschichte eines Menschen das maßgebliche. Die Diskussion um seine Erkenntnisse wird vorwiegend in der Lebenszeit der betreffenden Person geführt. Nur, wenn wir wissen wollen, was wir heute in welchem Verlag von ihm lesen wollen, sind aktuelle Ausgaben zusätzlich anzugeben. -->
<!-- Bitte Schriften immer mit dem Ersterscheinungsdatum aufführen. Das ist für die Geschichte eines Menschen das maßgebliche. Die Diskussion um seine Erkenntnisse wird vorwiegend in der Lebenszeit der betreffenden Person geführt. Nur, wenn wir wissen wollen, was wir heute in welchem Verlag von ihm lesen wollen, sind aktuelle Ausgaben zusätzlich anzugeben. -->
'''Monographien'''
* ''Das Verhältnis von Staat und Religion nach der Sozialphilosophie Rousseaus (der Begriff der „religion civile“)'' (= ''Historische Studien'', Band 271). Ebering, Berlin 1935 (zugleich: Marburg, Universität, phil. Dissertation).
* ''Das Verhältnis von Staat und Religion nach der Sozialphilosophie Rousseaus (der Begriff der „religion civile“)'' (= ''Historische Studien'', Band 271). Ebering, Berlin 1935 (zugleich: Marburg, Universität, phil. Dissertation).
* (Hrsg.): ''Das Zeitalter der Weltkriege'' (=&nbsp;''Gebhardt. [[Handbuch der deutschen Geschichte]]'', 8. Aufl., Band 4), Stuttgart 1959.
* ''Der Erste Weltkrieg'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', 9. Auflage, Band 4,1), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04218-4 (=&nbsp;''Gebhardt. [[Handbuch der deutschen Geschichte]].'' Band 18).
* ''Die Weimarer Republik'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', 9. Auflage, Band 4,1), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04219-2 (=&nbsp;''Handbuch der deutschen Geschichte'', Band 19).
* ''Adenauer in der Rheinlandpolitik nach dem Ersten Weltkrieg''. Klett, Stuttgart 1966.
* ''Deutschland unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. 1933–1939'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', 9. Auflage, Band 4,2), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04220-6 (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', Band 20).
* (Hrsg.): ''Kurt Riezler: Tagebücher, Aufsätze, Dokumente.'' Göttingen 1972 (mit Schriftenverzeichnis, S. 739–742). Neuauflage mit einer Einleitung von [[Holger Afflerbach]]. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-35817-7.
* ''Der Erste Weltkrieg'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', 9. Aufl., Band 4,1), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04218-4 (=&nbsp;''Gebhardt. [[Handbuch der deutschen Geschichte]].'' Band 18).
* ''Der Zweite Weltkrieg'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', 9. Auflage, Band 4,2), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04221-4 (=&nbsp;''Handbuch der deutschen Geschichte.'' Band 21).
* ''Die Weimarer Republik'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', 9. Aufl., Band 4,1), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04219-2 (=&nbsp;''Handbuch der deutschen Geschichte'', Band 19).
* ''Das Ende des Reiches und die Entstehung der Republik Österreich, der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', 9. Auflage, Band 4,2), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04222-2 (=&nbsp;''Handbuch der deutschen Geschichte.'' Bd. 22).
* ''Deutschland unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. 1933–1939'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', 9. Aufl., Band 4,2), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04220-6 (=&nbsp;''Handbuch der deutschen Geschichte'', Band 20).
* ''Der Zweite Weltkrieg'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', 9. Aufl., Band 4,2), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04221-4 (=&nbsp;''Handbuch der deutschen Geschichte.'' Band 21).
* ''Das Ende des Reiches und die Entstehung der Republik Österreich, der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik'' (=&nbsp;''Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte'', 9. Aufl., Band 4,2), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04222-2 (=&nbsp;''Handbuch der deutschen Geschichte.'' Bd. 22).
* Bearb. mit Martin Vogt: ''Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik. Die Kabinette Stresemann I und II (1923)''. Band 1: ''13. August 1923 bis 6. Oktober 1923.'' Band 2: ''6. Oktober 1923 bis 30. November 1923''. Oldenbourg, München 1978, ISBN 3-7646-1641-5 (Band 1), ISBN 3-7646-1641-5 (Band 2).<ref>[http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/index.html ''Akten der Reichskanzlei''] auf der Webseite des [[Bundesarchiv (Deutschland)|Bundesarchivs]].</ref>
* ''Die Ökumene der Historiker. Geschichte der Internationalen Historikerkongresse und des Comité International des Sciences Historiques'', Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987 (=&nbsp;''Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse'', Folge 3, Band 158).
* ''Die Ökumene der Historiker. Geschichte der Internationalen Historikerkongresse und des Comité International des Sciences Historiques'', Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987 (=&nbsp;''Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse'', Folge 3, Band 158).

'''Herausgeberschaften'''
* ''Das Zeitalter der Weltkriege'' (=&nbsp;''Gebhardt. [[Handbuch der deutschen Geschichte]]'', 8. Auflage, Band 4), Stuttgart 1959.
* ''Adenauer in der Rheinlandpolitik nach dem Ersten Weltkrieg''. Klett, Stuttgart 1966.
* ''Kurt Riezler: Tagebücher, Aufsätze, Dokumente.'' Göttingen 1972 (mit Schriftenverzeichnis, S. 739–742). Neuauflage mit einer Einleitung von [[Holger Afflerbach]]. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-35817-7.
* Bearb. mit [[Martin Vogt (Historiker)|Martin Vogt]]: ''Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik. Die Kabinette Stresemann I und II (1923)''. Band 1: ''13. August 1923 bis 6. Oktober 1923.'' Band 2: ''6. Oktober 1923 bis 30. November 1923''. Oldenbourg, München 1978, ISBN 3-7646-1641-5 (Band 1), ISBN 3-7646-1641-5 (Band 2).<ref>[https://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/index.html ''Akten der Reichskanzlei''] auf der Webseite des [[Bundesarchiv (Deutschland)|Bundesarchivs]].</ref>


== Literatur ==
== Literatur ==
* Arvid von Bassi: ''Die Berufung Karl Dietrich Erdmanns an die Christiana Albertina im Jahre 1953.'' In: [[Christoph Cornelißen]] (Hrsg.): ''Wissenschaft im Aufbruch. Beiträge zur Wiederbegründung der Kieler Universität nach 1945'' (=&nbsp;''Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte.'' Band 88). Klartext-Verlag, Essen 2014, ISBN 978-3-8375-1390-5, S. 130–159.
* Arvid von Bassi: ''Die Berufung Karl Dietrich Erdmanns an die Christiana Albertina im Jahre 1953.'' In: [[Christoph Cornelißen]] (Hrsg.): ''Wissenschaft im Aufbruch. Beiträge zur Wiederbegründung der Kieler Universität nach 1945'' (=&nbsp;''Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte.'' Band 88). Klartext-Verlag, Essen 2014, ISBN 978-3-8375-1390-5, S. 130–159.
* Arvid von Bassi: ''Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker.'' de Gruyter, Berlin 2021 (=&nbsp;''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Band 129), ISBN 978-3-11-072811-8.
* Arvid von Bassi: ''Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker'' (=&nbsp;''Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte.'' Band 129). de Gruyter, Berlin 2022, ISBN 978-3-11-072811-8.
* [[Agnes Blänsdorf]]: ''Zur Biographie Karl Dietrich Erdmanns 1939–1945. Soldat im Zweiten Weltkrieg.'' In: ''[[Geschichte in Wissenschaft und Unterricht]]'' 61 (2010), S. 713–730.
* [[Agnes Blänsdorf]]: ''Zur Biographie Karl Dietrich Erdmanns 1939–1945. Soldat im Zweiten Weltkrieg.'' In: ''[[Geschichte in Wissenschaft und Unterricht]]'' 61 (2010), S. 713–730.
* [[Christoph Cornelißen]]: ''Karl Dietrich Erdmann. Fortsetzung einer Debatte und offene Fragen''. In: ''Geschichte in Wissenschaft und Unterricht'' 61 (2010), S. 692–699.
* [[Christoph Cornelißen]]: ''Karl Dietrich Erdmann. Fortsetzung einer Debatte und offene Fragen''. In: ''Geschichte in Wissenschaft und Unterricht'' 61 (2010), S. 692–699.
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* {{Webarchiv|url=http://www.histosem.uni-kiel.de/Historiker/Erdmann.html|wayback=20100301235059|text=Karl Dietrich Erdmann in der Professorengalerie des Historischen Seminars der Universität Kiel}}
* {{Webarchiv|url=https://www.histosem.uni-kiel.de/Historiker/Erdmann.html|wayback=20100301235059|text=Karl Dietrich Erdmann in der Professorengalerie des Historischen Seminars der Universität Kiel}}
* [https://invenio.bundesarchiv.de/invenio/direktlink/d398e0ac-a6e1-49d2-b2e4-b6f73c171435/ Nachlass Bundesarchiv N 1393]
* [https://invenio.bundesarchiv.de/invenio/direktlink/d398e0ac-a6e1-49d2-b2e4-b6f73c171435/ Nachlass Bundesarchiv N 1393]


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[[Kategorie:Neuzeithistoriker]]
[[Kategorie:Neuzeithistoriker]]
[[Kategorie:Hochschullehrer (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)]]
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[[Kategorie:Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen]]
[[Kategorie:Vorstands- oder Ausschussmitglied des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands]]
[[Kategorie:Mitglied der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen]]
[[Kategorie:Rektor (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)]]
[[Kategorie:Rektor (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel)]]
[[Kategorie:Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern]]
[[Kategorie:Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern]]

Aktuelle Version vom 8. Juni 2024, 11:14 Uhr

Karl Dietrich Erdmann, aufgenommen von Friedrich Magnussen im Mai 1965

Karl Dietrich Erdmann (* 29. April 1910 in Mülheim am Rhein;[1]23. Juni 1990 in Kiel) war ein deutscher Historiker.

Leben

Karl Dietrich Erdmann wurde in eine protestantische Familie geboren,[2] studierte seit 1928 Geschichte, Evangelische Theologie und Philosophie an den Universitäten Köln, Paris, London und Marburg und wurde 1933 an der Universität Marburg bei Wilhelm Mommsen promoviert. Er ging anschließend in den Schuldienst, den er jedoch im Oktober 1938 verlassen musste, da seine Ehefrau keinen Ariernachweis erbrachte.[3] Ein von ihm 1938 mitverfasstes und nach seinem Tod wegen deutlicher nationalsozialistischer Tendenzen heftig umstrittenes Schulbuch erschien nicht, weil der Prüfungskommission die Darstellung des Nationalsozialismus nicht positiv genug war.[4] Der Historiker Hans-Ulrich Wehler ließ das nicht gelten. Er vertrat die Ansicht, allein die Tatsache, dass Erdmann dieses Buch im nationalsozialistischen Sinne geschrieben habe, lasse Texte mit „nationalsozialistischer Geschichtsklitterung“ vermuten. Erst nach Fertigstellung habe es die Kommission überprüft, die höhere nationalsozialistische Anforderungen stellte, als Erdmann vorgesehen hatte. Der Ariernachweis für die Ehefrau sei auch eingereicht worden und Erdmann habe seine Beamtenstelle am 1. Januar 1943[5] erhalten. Am 1. Oktober 1940 erhielt er eine Stelle als Studienassessor am Dreikönigsgymnasium und die vollen Bezüge seit September 1941, ohne eine Tätigkeit als Lehrer auszuüben.[6] Das Gehalt sei bis Kriegsende gezahlt worden.[7] Im August 1939 trat Erdmann als Soldat in die Wehrmacht ein.[8] Im Mai 1940 wurde er mit dem Rheinischen Grenadier-Regiment Nr. 366 an die Front nach Holland verlegt und nahm mit dieser Einheit auch am Angriff auf Frankreich teil.[9] Der Einheit gehörte er bis Ende März 1944 an.[10] Er war gegen Ende des Krieges in der Offiziersausbildung tätig. Im September 1945 wurde er wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar der Universität zu Köln und habilitierte sich dort 1947 bei Peter Rassow. Seine Habilitationsschrift behandelte die Volkssouveränität und die Rolle der Kirche in den frühen Phasen der Französischen Revolution.

1951 wurde er in Köln außerplanmäßiger Professor und hatte seit 1953 bis zu seiner Emeritierung 1978 einen Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der Universität Kiel inne. 1973 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt.[11]

Erdmann führte in den 1960er Jahren einen heftigen, teilweise sehr persönlich ausgetragenen Streit mit Fritz Fischer, dessen Thesen (Griff nach der Weltmacht) zur deutschen Kriegsschuld am Ersten Weltkrieg er gemeinsam mit Gerhard Ritter, Egmont Zechlin und anderen scharf angriff. Die als Fischer-Kontroverse in die Historiographie eingegangene Debatte erregte großes öffentliches Interesse, sie trug einen eminent politischen Charakter und eskalierte zusehends, als Erdmann von einigen Wissenschaftlern (hier vor allem Bernd Sösemann) vorgeworfen wurde, einige der Dokumente, die er als Belege für seine Ansichten vorgebracht hatte (insbesondere die 1972 von ihm edierten Tagebücher von Kurt Riezler), seien von ihm oder den Anhängern seiner Position möglicherweise absichtlich verändert[12] oder gar gefälscht worden.[13] Bruno Thoß beschreibt das 1994 mit den Worten, dass „die allgemein als besonders zuverlässig geltende Ausgabe der Riezler-Tagebücher unter scharfen Beschuss geraten sei“. Er meint, dass der Streit nicht „endgültig entschieden sei und sich zum Vorwurf der Fälschung hochgeschaukelt habe.“[14] Thomas Becker vertritt in der Enzyklopädie Erster Weltkrieg die Meinung, die Tagebücher seien von Erdmann unvollständig und dadurch entstellt ediert worden.[15] Als Mitglied der CDU nahm Erdmann auch zur Tagespolitik – etwa zur Ostpolitik der sozialliberalen Regierung – Stellung.

Einige von Erdmanns Arbeiten gelten bis heute weitgehend unbestritten als Standardwerke zur Geschichte des 20. Jahrhunderts, wobei die Jahre zwischen 1914 und 1949 den Schwerpunkt seiner Forschungen bildeten. Die von ihm begründete und bis zu seinem Tod betreute Zeitschrift Geschichte in Wissenschaft und Unterricht gehört bis heute zu den renommiertesten deutschen Fachorganen. Erdmann war von 1962 bis 1967 Vorsitzender des Verbandes deutscher Historiker und Historikerinnen und von 1966 bis 1970 Vorsitzender des Deutschen Bildungsrates, von 1975 bis 1980 Präsident des Historiker-Weltverbandes Comité International des Sciences Historiques (CISH). 1982 wurde er mit dem Kulturpreis der Stadt Kiel ausgezeichnet.

Zu Erdmanns akademischen Schülern gehörten unter anderem Gerhard Beier, Helmut Grieser, Eberhard Jäckel, Erasmus Jonas, Karl-Heinz Minuth, Jens Petersen, Hagen Schulze und Romedio Graf von Thun-Hohenstein.

Schriften (Auswahl)

Monographien

  • Das Verhältnis von Staat und Religion nach der Sozialphilosophie Rousseaus (der Begriff der „religion civile“) (= Historische Studien, Band 271). Ebering, Berlin 1935 (zugleich: Marburg, Universität, phil. Dissertation).
  • Der Erste Weltkrieg (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, 9. Auflage, Band 4,1), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04218-4 (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. Band 18).
  • Die Weimarer Republik (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, 9. Auflage, Band 4,1), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04219-2 (= Handbuch der deutschen Geschichte, Band 19).
  • Deutschland unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. 1933–1939 (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, 9. Auflage, Band 4,2), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04220-6 (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, Band 20).
  • Der Zweite Weltkrieg (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, 9. Auflage, Band 4,2), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04221-4 (= Handbuch der deutschen Geschichte. Band 21).
  • Das Ende des Reiches und die Entstehung der Republik Österreich, der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, 9. Auflage, Band 4,2), Stuttgart 1973, dtv, München 1999, ISBN 3-423-04222-2 (= Handbuch der deutschen Geschichte. Bd. 22).
  • Die Ökumene der Historiker. Geschichte der Internationalen Historikerkongresse und des Comité International des Sciences Historiques, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Philologisch-Historische Klasse, Folge 3, Band 158).

Herausgeberschaften

  • Das Zeitalter der Weltkriege (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte, 8. Auflage, Band 4), Stuttgart 1959.
  • Adenauer in der Rheinlandpolitik nach dem Ersten Weltkrieg. Klett, Stuttgart 1966.
  • Kurt Riezler: Tagebücher, Aufsätze, Dokumente. Göttingen 1972 (mit Schriftenverzeichnis, S. 739–742). Neuauflage mit einer Einleitung von Holger Afflerbach. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-35817-7.
  • Bearb. mit Martin Vogt: Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik. Die Kabinette Stresemann I und II (1923). Band 1: 13. August 1923 bis 6. Oktober 1923. Band 2: 6. Oktober 1923 bis 30. November 1923. Oldenbourg, München 1978, ISBN 3-7646-1641-5 (Band 1), ISBN 3-7646-1641-5 (Band 2).[16]

Literatur

  • Arvid von Bassi: Die Berufung Karl Dietrich Erdmanns an die Christiana Albertina im Jahre 1953. In: Christoph Cornelißen (Hrsg.): Wissenschaft im Aufbruch. Beiträge zur Wiederbegründung der Kieler Universität nach 1945 (= Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte. Band 88). Klartext-Verlag, Essen 2014, ISBN 978-3-8375-1390-5, S. 130–159.
  • Arvid von Bassi: Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Band 129). de Gruyter, Berlin 2022, ISBN 978-3-11-072811-8.
  • Agnes Blänsdorf: Zur Biographie Karl Dietrich Erdmanns 1939–1945. Soldat im Zweiten Weltkrieg. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 61 (2010), S. 713–730.
  • Christoph Cornelißen: Karl Dietrich Erdmann. Fortsetzung einer Debatte und offene Fragen. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 61 (2010), S. 692–699.
  • In memoriam Karl Dietrich Erdmann. Gedenkfeier anläßlich des ersten Todestages von Karl Dietrich Erdmann am 24. Juni 1991. Rektorat der Universität Kiel, Kiel 1991, ISBN 3-928794-01-9 (mit Beiträgen unter anderem von Wolfgang J. Mommsen und Eberhard Jäckel).
  • Eberhard Jäckel: Karl Dietrich Erdmann 1910–1990. In: Historische Zeitschrift 252 (1991), S. 529–539.
  • Eberhard Jäckel: Karl Dietrich Erdmann. Seine Wirkung in der Öffentlichkeit. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 61 (2010), S. 731–736.
  • Eberhard Jäckel, Agnes Blänsdorf: Noch einmal zu Karl Dietrich Erdmann. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 48 (1997), S. 744–747.
  • Martin Kröger, Roland Thimme: Die Geschichtsbilder des Historikers Karl Dietrich Erdmann. Vom Dritten Reich zur Bundesrepublik. Oldenbourg, München 1996, ISBN 3-486-56154-5.
  • Martin Kröger, Roland Thimme: Karl Dietrich Erdmann im „Dritten Reich“. Eine Antwort auf Eberhard Jäckel und Agnes Blänsdorf. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 48 (1997), S. 462–478.
  • Martin Kröger, Roland Thimme: Karl Dietrich Erdmann. Utopien und Realitäten. Die Kontroverse. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 7 (1998), S. 603–621.
  • Hartmut Lehmann: Karl Dietrich Erdmann in der Zeit des Nationalsozialismus. Erdmann als Lehrer. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 61 (2010), S. 700–712.
  • Marcel vom Lehn: Westdeutsche und italienische Historiker als Intellektuelle? Ihr Umgang mit Nationalsozialismus und Faschismus in den Massenmedien (1943/45–1960) (= Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft. Band 206). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, ISBN 978-3-525-37022-3 (Zugleich leicht gekürzte Fassung von: Berlin, Freie Universität, Dissertation, 2010).
  • Winfried Schulze, Eberhard Jäckel, Agnes Blänsdorf: Karl Dietrich Erdmann und der Nationalsozialismus. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 48 (1997), S. 220–240.
Commons: Karl Dietrich Erdmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Mülheim am Rhein wurde erst 1914 zu Köln eingemeindet.
  2. Marcel vom Lehn: Westdeutsche und italienische Historiker als Intellektuelle? Ihr Umgang mit Nationalsozialismus und Faschismus in den Massenmedien (1943/45–1960). Göttingen 2012, S. 66.
  3. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 138.
  4. Marcel vom Lehn: Westdeutsche und italienische Historiker als Intellektuelle? Ihr Umgang mit Nationalsozialismus und Faschismus in den Massenmedien (1943/45–1960). Göttingen 2012, S. 68.
  5. Vgl. Arvid von Bassi: Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker. de Gruyter, Berlin 2021 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Band 129), S. 86.
  6. Vgl. Arvid von Bassi: Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker. de Gruyter, Berlin 2021 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Band 129), S. 86.
  7. Hans-Ulrich Wehler: Nationalsozialismus und Historiker. In: Winfried Schulze, Otto Gerhard Oexle (Hrsg.): Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Fischer, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-596-14606-2, S. 306–340, hier: S. 325.
  8. Vgl. Arvid von Bassi: Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker. de Gruyter, Berlin 2021 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Band 129), S. 82–106.
  9. Vgl. Arvid von Bassi: Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker. de Gruyter, Berlin 2021 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Band 129), hier S. 90 und 91.
  10. Vgl. Arvid von Bassi: Karl Dietrich Erdmann. Historiker, Wissenschaftsorganisator, Politiker. de Gruyter, Berlin 2021 (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Band 129), S. 82–106, hier S. 90.
  11. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 77.
  12. Bernd F. Schulte: Die Fälschung der Riezler Tagebücher. Frankfurt am Main, Bern, New York 1985, ISBN 3-8204-8057-9.
  13. Bernd Sösemann: Die Tagebücher Kurt Riezlers. Untersuchungen zu ihrer Echtheit und Edition. In: Historische Zeitschrift 236 (1983), Heft 2, S. 327–369; Karl Dietrich Erdmann: Zur Echtheit der Tagebücher Kurt Riezlers. Eine Antikritik. In: Historische Zeitschrift 236 (1983), Heft 2, S. 371–402.
  14. Bruno Thoß: Der erste Weltkrieg als Ereignis und Erlebnis. Paradigmenwechsel in der westdeutschen Weltkriegsforschung seit der Fischer-Kontroverse. In: Wolfgang Michalka (Hrsg.): Der Erste Weltkrieg, Piper, München 1994, ISBN 3-492-11927-1, S. 1016.
  15. Thomas Becker: Riezler, Kurt. In: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Schöningh, Paderborn 2003, ISBN 3-506-73913-1, S. 797.
  16. Akten der Reichskanzlei auf der Webseite des Bundesarchivs.