Grabenanlage von Herxheim

Die freigelegten Funde aus der Grubenanlage in Herxheim bei Landau/Pfalz veränderte die wissenschaftliche Diskussionsgrundlagen über die Linearbandkeramische Kultur. Die Ortsgemeinde Herxheim bei Landau/Pfalz liegt im Landkreis Südliche Weinstraße. Im Jahre 1995 war ein Gelände für ein neues Gewerbegebiet West ausgewiesen worden. Da in diesem Gebiet häufiger archäologische Funde freigelegt worden waren, beauftragte man die Direktion für Landesarchäologie, noch vor Baubeginn mit großflächigen archäologischen Grabungen zu beginnen. Aufgrund der des sich bietenden Fundamterials Ergebnisse wurden die Grabungen 2005–2006 fortgesetzt. Die Auswertungen und Untersuchungen dauern an.[1]

Schädel aus den Herxheimer Funden. Er befindet sich im Museum des Institutes für Geowissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

Bei den ersten Grabungen zwischen 1996 und 1999 stieß man auf Siedlungsreste einer jungsteinzeitlichen Siedlung von der Linearbandkeramiker. Die Ausgrabungen in Herxheim, standen unter der Leitung von Andrea Zeeb-Lanz aus der Landesarchäologie Rheinland-Pfalz und wurden bis 2011 fortgeführt. Im Jahre 2001 begann die Grabung an einem Hofplatz in unmittelbaren Umfeld zur Grubenanlage.

Die Siedlung bestand von der Älteren Bandkeramik (Phase Flomborn) bis in die Jüngste Bandkeramik, nämlich etwa 5300–5150 v. Chr..

Südlich davon wurde eine Vielzahl von Gruben festgestellt, die so dicht beieinander lagen und sich immer wieder überschnitten, dass zunächst der Eindruck zweier um das Dorf laufender Gräben entstand. Dieses Grabensystem ist später als Erdwerk erkannt worden.

Ein Fund in Herxheim (Landau) veränderte die Vorstellung vom bandkeramischen Erdwerk. Die Freilegung der einzelnen Erdschichten in dieser Grubenanlage lieferte bisher Reste von mindestens 450 menschlichen Skeletten, deponierte Tierknochen und vorsätzlich zerstörte Gegenstände wie Mahlsteine und Töpferware.[2] Die hohe Anzahl der Skelettteile ist für eine einzelne Siedlung untypisch.

Funde, Grabungsergebnisse

In den Gruben, die dem jüngsten Abschnitt zuzuordnen sind, lagen eine Vielzahl menschlicher Knochen, vielfach zerschlagen, fast immer aus dem anatomischen Verband gelöst. Die Zahl von mindestens 450 Schädeln (bei noch nicht abgeschlossener Ausgrabung der Grubenanlage) belegt, dass in Herxheim sehr viel mehr Menschen bestattet wurden, als dort innerhalb der jüngsten Phase der Bandkeramik gewohnt haben können. In den Gruben fanden sich außerdem zahlreiche andere Funde, wie Töpferware, Silex oder Mahlsteine, die vielfach ebenfalls bewusst zerstört worden sind.[3]

Die Untersuchung der von Kalksinter gereinigten Knochen und der daran befindlichen Schnittspuren brachte Bruno Boulestin, einen Anthropologen der Universität Bordeaux, zu der Vermutung, dass die gefundenen Knochen Reste kannibalischer Mahlzeiten seien. Die Schnittspuren weisen darauf hin, dass die Haut abgezogen wurde, Sehnen durchtrennt wurden, um Gliedmaßen abzutrennen und Körperteile systematisch entfleischt wurden. Die Spuren seien solchen vergleichbar, die man an den Knochen geschlachteter Tiere findet. Ebenso deuten Analysen des in den Knochen enthaltenen Kollagens eindeutig darauf hin, dass dieses durch Kochen erhitzt und dabei teilweise zerstört wurden. Desgleichen werden Brandspuren an einigen Schädeln dahin gehend gedeutet, dass diese Schädel durch kurzzeitig einwirkende Feuerhitze geschädigt wurden. Denn brandtypische Verfärbungen ließen sich nur an den Vorderzähnen finden, nicht aber an den Backenzähnen. Die an der Untersuchung beteiligten Wissenschaftler wiesen darauf hin, dass derartige Spuren stets entstehen, wenn sich die Lippen eines Menschen durch das Verbrennen aufrollen und die Vorderzähne freilegen, während die Backenzähne meistens durch das dickere Muskelfleisch der Wangen besser vor der Feuereinwirkung geschützt seien.

Die bei Herxheim gefundenen Knochen zeigen Spuren gezielter Schnitte. Flache, schmale Schnitte auf Schädelkalotten weisen auf Skalpierung der betroffenen Individuen hin, Spuren an anderen menschlichen Knochen auf Enthäuten, Durchtrennung von Sehnen wie bei Amputationen sowie auf Dekarnation (= Entfleischung). Die Spuren erscheinen solchen an den Knochen geschlachteter Tiere vergleichbar. Häufig sind die Knochen zerkleinert, das Muskelfleisch abgeschabt. Nach einer Untersuchung der von Kalksinter gereinigten Knochen und der daran befindlichen Schnittspuren deute Bruno Boulestin, ein Anthropologen der Universität Bordeaux, die gefundenen Knochen als Reste kannibalischer Mahlzeiten.[4] Die Archäologen rekonstruierten, dass man auf diese Weise etwa nur 50 Jahre die Verstorbenen bestattete. Zeitlich lassen sich die Vorgänge auf das Ende der Epoche der Bandkeramiker, also zwischen etwa 5000 und 4950 v. Chr. datieren.

Bei den Knochenfunden, bei denen kleinere Knochen wie z. B. Hand- und Fußwurzelknochen fast vollständig fehlen, handelt es sich vielleicht um (nicht unwidersprochene) Zweitgrablegungen von Bandkeramikern aus weiten Teilen Europas. Keramikfunde weisen auf Verbindungen zum Pariser Becken, der Moselgegend, Belgien, dem Saarland, Mitteldeutschland und Böhmen. Es wurden Tonscherben mit Bandmustern gefunden, wie sie in diesen weit entfernten Siedlungsgebieten üblich waren. Dies könnte darauf hindeuten, dass sich in Herxheim ein zentraler Kultplatz der europäischen Linienbandkeramik befand. Vielleicht wurden Tote, die in ihrer Heimat schon einmal bestattet gewesen waren, hierher gebracht, um an diesem Kultort noch einmal beigesetzt zu werden. Archäologen vermuten hierbei ein Totenritual, auf das auch diverse Schäden an den Skeletten hinweisen.[5]

Die Untersuchung der Isotopen von Strontium-87 und Strontium-86 im Zahnschmelz von 54 Individuen zeigte, dass diese aus granitreichem Bergland stammten, also keine Bandkeramiker waren, die ja ausschließlich auf lössreichen Talebenen siedelten und ihre Äcker anlegten.[6][7]

  • Projekt Herxheim, landschaftsmuseum.de [1]
  • Museum-Herxheim, offizielle Webseite [2]
  • Herxheim, Teil 1 – Bandkeramiker-Kultplatz. 13. Juni 2013 [3]
  • Herxheim, Teil 2 – Bandkeramiker-Kultplatz. 24. Juni 2013 [4]

Literatur

  • Fabian Haack: Die frühneolithische Grabenanlage von Herxheim bei Landau: Architektur, Verfüllungsprozesse und Nutzungsdauer. Dissertationsschrift Freie Universität Berlin, Berlin 2014 online
  • Alisa Hujić: Paläodontologische Untersuchungen an Skelettresten der bandkeramischen Grubenanlage von Herxheim bei Landau /Pfalz. Magisterarbeit, Eberhard Karls Universität Tübingen, Februar 2009 [5]
  • Christian Jeunesse, Philippe Lefranc, Samuel van Willigen: Die pfälzische Bandkeramik: Definition und Periodisierung einer neuen Regionalgruppe der Linearbandkeramik. In: Andrea Zeeb-Lanz (Hrsg.): Krisen – Kulturwandel – Kontinuitäten. Zum Ende der Bandkeramik in Mitteleuropa. Beiträge der Internationalen Tagung in Herxheim bei Landau (Pfalz) vom 14.–17. 06. 2007. Marie Leidorf, Rahden/Westfalen 2009, ISBN 978-3-89646-440-8, S. 61–77.
  • Andrea Zeeb-Lanz (Hrsg.): Ritualised Destruction in the Early Neolithic - The Exceptional Site of Herxheim (Palatinate, Germany). Forschungen zur Pfälzischen Archäologie 8.1 (Speyer 2016)[6]
  • A. Zeeb-Lanz (Hrsg.): Krisen-Kulturwandel-Kontinuitäten. Zum Ende der Bandkeramik in Mitteleuropa. Beiträge der Internat. Tagung in Herxheim bei Landau (Pfalz) vom 14.-17-6.2007 (Rahden/Westf. 2009 [7]

Einzelnachweise

  1. „Die Menschenschlachter von Herxheim“ Artikel von Angelika Franz in spiegel.de vom 7. Dezember 2009
  2. Jörg Orschiedt, Miriam N. Haidle: Die menschlichen Skelettreste von Herxheim. In: Andrea Zeeb-Lanz (Hrsg.): Krisen – Kulturwandel – Kontinuitäten. Zum Ende der Bandkeramik in Mitteleuropa (= Internationale Archäologie. Band 10). Verlag Marie Leidorf, Rahden/Westf 2009, S. 41–52.
  3. „Mass cannibalism in the Linear Pottery Culture at Herxheim“ - Free Online Library (englisch)
  4. Andrea Zeeb-Lanz, Bruno Boulestin: Komplex 9 (Grabung 2005–2008): Neue Erkenntnisse zu den Menschenknochen – Ritual mit kannibalistischen Praktiken? zuletzt geändert 5. Oktober 2012.
  5. Andrea Zeeb-Lanz: Ritueller Kannibalismus in der Pfalz. Was geschah vor 7000 Jahren in Herxheim. In: Biol. Unserer Zeit. Weinheim 3/2014(44), S. 172–180.
  6. Alisa Hujić: Paläodontologische Untersuchungen an Skelettresten der bandkeramischen Grubenanlage von Herxheim bei Landau /Pfalz. Magisterarbeit. Eberhard Karls Universität, Tübingen 2009.
  7. Hans Holzhaider: Rituelle Massaker – oder Kannibalismus. In: SZ online. 3. Juni 2011.

Koordinaten: 49° 8′ 44,7″ N, 8° 11′ 28,4″ O