„Faust. Der Tragödie zweiter Teil“ – Versionsunterschied

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* Schlussvers des ''Chorus Mysticus'':
* Schlussvers des ''Chorus Mysticus'':
''Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis; das Unzulängliche, hier wird's Ereignis; das Unbeschreibliche, hier ist's getan; das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.''
''Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis; das Unzulängliche, hier wird's Ereignis; das Unbeschreibliche, hier ist's getan; das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.''

===Interpretation des Schlussverses===

''„Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis“'' steht für ein zyklisches Zeitverständnis [Gegensatz: Lineare Zeitbetrachtung]. [[Nietzsche]] hat diese Sicht des Historischen die ''"ewige Wiederkehr“'' genannt. In ihr sieht er das Kennzeichen des Ursprünglichen. Zyklisches Zeitverständnis fordern Biologie, Meteorologie, Psychologie und der Mythos. Mythische Themen haben exemplarischen Charakter. Der Mythos ist „die Abbreviatur der Erscheinung“ [Nietzsche]. Faust II ist voll von mythischen und historischen Anspielungen.
''„Das Unzulängliche, hier wird´s Ereignis“'' beschreibt die Vervollkommnung der stets unzulänglichen Wirklichkeit durch Kunst, im Spiegel der Kunst. Das Kunsterlebnis wird zum„Ereignis“ durch die Suggestion, die von aller großen Kunst ausgeht. Sie hebt für den Augenblick die Gegensätze und [[Aporien]] auf.

''„Das Unbeschreibliche, hier ist´s getan“'' nimmt Bezug auf die Forderung des Herrn während des Prologs im Himmel, im Beginn der Dichtung. Dort hatte er gefordert: ''„Und was in schwankender Erscheinung schwebt, befestiget in dauerndem Gedanken.“''

Goethes Faust ist ein deutsches Welt- und Menschheitsgedicht. Entschlüsseln lässt sich das ''„Das Ewig-Weibliche“'' sprachpsychologisch. Zahlreiche positiv konnotierte Intentionen und Begriffe sind im Deutschen ein [[Femininum]]: Die Liebe, die Zukunft, die Hoffnung, die Treue, die Beständigkeit, die Geburt usf. Regressives ist im Deutschen häufig ein [[Maskulinum]]: Der Tod, der Krieg, der Glaube [mit seinem Beharren], der Hass. Gretchens [[Apotheose]], als sie unter den himmlischen Heerscharen wieder erscheint, allegorisiert ''„Das Ewig-Weibliche“.''


== Literatur ==
== Literatur ==

Version vom 17. September 2006, 04:16 Uhr

Faust-Ausgabe von 1932

Faust, der Tragödie zweiter Teil, (kurz: Faust II) wurde von Johann Wolfgang von Goethe 1832 als Fortsetzung von Faust I veröffentlicht.

Goethe arbeitete mit Unterbrechungen über sechs Jahrzehnte am Fauststoff, den er bereits in seiner Kindheit kennengelernt hatte. Der Zweite Teil der Dichtung bildete das "Hauptgeschäft" seiner letzten Lebensjahre und erschien posthum 1832. Im Unterschied zum ersten Teil stehen nicht mehr das Seelen- und Gefühlsleben des einzelnen Menschen im Mittelpunkt, sondern historische Ereignisse, mythologische Themen und soziale Visionen.


Inhaltsangabe, Interpretation

Das Stück besteht aus fünf Akten, die jeweils für sich relativ abgeschlossene Episoden darstellen.

Peter Stein, der Regisseur der ersten ungekürzten, ideologisch unbefrachteten, 21- stündigen Gesamtaufführung im Jahr 2000, zum Inhalt:

  • Das Tragödienhafte des Faust 2 besteht darin, dass auf des Menschen Tun das Desaster folgt und daraufhin die Bestrafung, und aus dem dann folgenden Tun wieder das Desaster resultiert, wodurch das tragische Paradox entsteht, daß Lernen nicht möglich ist, es ohne Lernen aber auch nicht geht, es also immer neue Fehler geben wird.
  • Die Handlung von Faust 2 läßt sich um den Begriff der Projekte einordnen. Im 1. Akt bemüht sich Faust um eine Wirtschafts- und Kulturreform, im 2. und 3. Akt um die Suche und den Besitz Helenas, und im 4. und 5. Akt um eine Militärreform und um die Realisierung seines Landgewinnungsprojekts. Diese drei großen Kreisbewegungen enden alle mit dem Scheitern Fausts.

Erster Akt, Anmutige Gegend

Datei:Paris und Helena.jpg
Der Kaiser will, es muß sogleich geschehn,
will Helena und Paris vor sich sehn;
das Musterbild der Männer so der Frauen
in deutlichen Gestalten will er schauen.
Geschwind ans Werk! ich darf mein Wort nicht brechen.
....
Erst haben wir ihn reich gemacht, nun sollen wir ihn amüsieren.

Gemälde von Jacques-Louis David (1788).
  • Anfangsvers des Ariel:

Wenn der Blüten Frühlingsregen über alle schwebend sinkt, wenn der Felder grüner Segen allen Erdgebornen blinkt, kleiner Elfen Geistergröße eilet, wo sie helfen kann, ob er heilig, ob er böse, jammert sie der Unglücksmann.

Faust erwacht in einer Anmutigen Gegend an einem Frühlingsmorgen. Die Elfen badeten ihn im Tau aus Lethes Flut nach dem furchtbaren Ende der Gretchen-Tragödie des ersten Teils.

Am Hofe des deutschen Kaisers, auf der kaiserlichen Pfalz, agiert Faust mit Mephistopheles' Hilfe als Berater und rettet mit der Erfindung des Papiergelds für kurze Zeit die kaiserlichen Finanzen. Nach dem Mummenschanz des Karnevals am Kaiserhof steigt er in die Tiefe zu den Bewahrerinnen der Mythen, ins Reich der Mütter. Dort erhält er das Rüstzeug, um vor dem Hofstaat Helena und Paris zu beschwören, die Urbilder menschlicher Schönheit.

Interpretation des Eingangs-Monologes

Fausts Erwachen steht für einen Neubeginn nach der Gretchentragödie des ersten Teiles. Elfen haben ihm den Schlaf des Vergessens bereitet, ohne zu unterscheiden, ob der Unglücksmann "heilig, ob er böse“ ist.

Analog dem ersten Teil hat Goethe auch in Faust II einen großen Eingangsmonolog vorangestellt: Im Dämmerlicht des anbrechenden Tages wartet Faust auf den Sonnenaufgang. Das ewige Licht der Sonne symbolisiert in dieser Szene Erkenntnis. Als sie endlich hinter den Berggipfeln hervortritt, trifft ihr gleißendes Licht seine Augen so schmerzhaft, dass er sich abkehrt. Das Erhellen letzter Geheimnisse ist dem Menschen nicht gemäß. Die blendende Sonne korrespondiert mit der Beschwörung des Erdgeistes in der ersten Szene von Faust I. Als dieser sich endlich gezeigt hatte, musste sich Faust abwenden. "Schreckliches Gesicht!" und "Weh! Ich ertrag´ dich nicht!"

Doch lässt das "Flammenübermaß" in Faust eine Einsicht aufblitzen, die er sich als Frage formuliert:

"Ist´s Lieb´? Ist´s Hass? die glühend uns umwinden, / Mit Schmerz und Freuden wechselnd ungeheuer,"...

Es bleibt dem Zuschauer/Leser überlassen, ob er in dem Antagonismus von sozialen Regungen und Aggressivität das erkennt, "was die Welt im Innersten zusammen hält".

Die ersten Worte Fausts in diesem Monolog waren dankbar an die Erde gerichtet. Ihren Anblick sucht er wieder, "zu bergen uns im jugendlichsten Schleier". "Jugendlichst" und "Schleier" meint Unkenntnis. Vom "Feuermeer" in seine menschlichen Schranken gewiesen, wendet er sich dem Leben zu. Hier sucht er nun die ihm zugehörige Daseinsform. Die Erde symbolisiert Leben. Das muss und kann Faust fortan genügen. Nicht in der Welt des Geistes, sondern im Weltgeschehen wird er jetzt „zum höchsten Dasein immerfort [] streben“.

Er sieht auf einen brausenden Wasserfall. Wasser ist ein Symbol und poetisches Gleichnis für Zeit. Über dem Getöse, in seinem Tröpfchendunst, steht ein sich ständig erneuernder Regenbogen: "bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend".

"Der spiegelt ab das menschliche Bestreben. / Ihm sinne nach und du begreifst genauer: / Am farbigen Abglanz haben wir das Leben."

Symbolisch verbindet der Regenbogen Himmel und Erde. In Goethes Metaphorik bildet "des bunten Bogens Wechseldauer" den ständigen Perspektivenwechsel ab, aus dem heraus der nach Wissen strebende Mensch die Welt erlebt: Von sinnlicher Wahrnehmung aufsteigend zu Erkenntnis und aus der Welt des Geistes wieder zurück zu Natur und Gegenständlichkeit. Die Welt als Wille und Vorstellung hat es Schopenhauer genannt.

Zweiter Akt, Hochgewölbtes enges gotisches Zimmer

Von allen Seiten hundert Quellen
vereinen sich im reinlich hellen,
zum Bade flach vertieften Raum.
Gesunde junge Frauenglieder,
vom feuchten Spiegel doppelt wieder
ergetztem Auge zugebracht!.
....
Wundersam! auch Schwäne kommen
aus den Buchten hergeschwommen,
majestätisch rein bewegt.
Ruhig schwebend, zart gesellig,
aber stolz und selbstgefällig.

Nymphen und Schwäne von J.H. Tischbein (1817/20).)

Fausts Famulus Wagner hat ein künstliches Menschlein, den Homunculus geschaffen, der die Protagonisten zur klassischen Walpurgisnacht führt, in der verschiedenste mythologische Wesen und Götter der griechischen Antike auftreten.

Interpretation

Schon hier zeigt sich die beeindruckende Transzendenz des Goetheschen Werkes, der im Faust II verschiedenste Bereiche miteinander verbindet.Faust nimmt in dem zweiten Teil viele verschiedene Tätigkeiten an. Damit entspricht er einem Ideal der Klassik: der Mensch soll alle seine Fähigkeiten ausprägen. Als Künstler schafft er ein Schauspiel, scheitert aber daran, es in die Wirklichkeit zu überführen.

Dritter Akt, Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta

Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich ans Licht hervor!
Hier sind wir Meister, bis der Herr und König kommt.
Die grausen Nachtgeburten drängt der Schönheitsfreund Phöbus hinweg in Höhlen, oder bändigt sie.

(Vers 8693) - Bühnenbild von Goethe (1810).

Hier wird Fausts Beziehung zu Helena beschrieben, mit der er einen Sohn, Euphorion, hat, der am Ende des Aktes zu Tode stürzt, woraufhin auch Helena verschwindet.

Interpretation

Die Verbindung Fausts mit Helena symbolisiert die Verbindung von klassischer Antike (Helena) und (romantisch)germanischem Mittelalter (Faust), die kennzeichnend für die moderne europäische Geistesgeschichte ist. Dass aber moderne-geniale Höhenflüge zum Scheitern verurteilt sind, wird durch den Absturz Euphorions deutlich gemacht - die Größe der Antike kann kein moderner Mensch mehr erreichen. - Im dritten Akt begibt sich Faust auf eine Zeitreise durch die Epochen. Dabei wird der Künstler Faust mit Helena, dem Sinnbild für die Antike, verheiratet. Zusammen bekommen sie ein Kind, Euphorion, das für die deutsche Klassik steht. Damit erklärt Goethe, wie es zur deutschen Klassik gekommen ist: Durch eine Rückbesinnung der deutschen Künstler auf die Antike. Ebenfalls zeigt er mit seinem Wissen aus der Geschichte, dass die deutsche Klassik die Ewigkeit nicht gepachtet hat und lässt Euphorion abstürzen.

Vierter Akt, Hochgebirg

Im vierten Akt kehren Faust und Mephistopheles zum Kaiser zurück, der sich inzwischen im Krieg mit einem Gegenkaiser befindet. Mit Hilfe Mephistopheles´ bestellter Berggeister erringen sie den Sieg über den Gegenkaiser. Faust bekommt als Dank den Strand des Reiches und will, Taten Worten vorziehend, Dämme aufschütten, den Meeresboden entwässern und so urbar machen.

Fünfter Akt, Offene Gegend

Gerettet ist das edle Glied
der Geisterwelt vom Bösen,
wer immer strebend sich bemüht,
den können wir erlösen.
Und hat an ihm die Liebe gar
von oben teilgenommen,
begegnet ihm die selige Schar
mit herzlichem Willkommen.

Dantes Himmelsspirale von W.Blake (1824/27)

In diesem Herrschaftsdrang verursacht er im fünften Akt den Tod dreier Menschen, eines Wanderers und des friedlichen alten Ehepaars Philemon und Baucis. Mittlerweile hundert Jahre alt und blind, hält er die lärmenden Spaten, die sein Grab schaufeln, für seine Arbeiter. Schließlich erfüllt sich Fausts Schicksal, erkennt er doch den Augenblick, zu dem er sagen könnte: Verweile doch, Du bist so schön! Dies bezieht er nämlich nicht auf seine tatsächliche Situation, sondern vielmehr auf die Vision einer künftigen, freiheitlichen Gesellschaft: Solch ein Gewimmel möcht ich sehn, Auf freiem Grund mit freiem Volke stehen. Als er dies ausspricht, bricht er tot zusammen; er hat die Wette gewonnen - auch wenn Mephistopheles dies nicht wahrhaben möchte - und seine Seele wird von den guten Mächten gerettet und gen Himmel geführt.

  • Schlussvers des Chorus Mysticus:

Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis; das Unzulängliche, hier wird's Ereignis; das Unbeschreibliche, hier ist's getan; das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.

Interpretation des Schlussverses

„Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis“ steht für ein zyklisches Zeitverständnis [Gegensatz: Lineare Zeitbetrachtung]. Nietzsche hat diese Sicht des Historischen die "ewige Wiederkehr“ genannt. In ihr sieht er das Kennzeichen des Ursprünglichen. Zyklisches Zeitverständnis fordern Biologie, Meteorologie, Psychologie und der Mythos. Mythische Themen haben exemplarischen Charakter. Der Mythos ist „die Abbreviatur der Erscheinung“ [Nietzsche]. Faust II ist voll von mythischen und historischen Anspielungen.

„Das Unzulängliche, hier wird´s Ereignis“ beschreibt die Vervollkommnung der stets unzulänglichen Wirklichkeit durch Kunst, im Spiegel der Kunst. Das Kunsterlebnis wird zum„Ereignis“ durch die Suggestion, die von aller großen Kunst ausgeht. Sie hebt für den Augenblick die Gegensätze und Aporien auf.

„Das Unbeschreibliche, hier ist´s getan“ nimmt Bezug auf die Forderung des Herrn während des Prologs im Himmel, im Beginn der Dichtung. Dort hatte er gefordert: „Und was in schwankender Erscheinung schwebt, befestiget in dauerndem Gedanken.“

Goethes Faust ist ein deutsches Welt- und Menschheitsgedicht. Entschlüsseln lässt sich das „Das Ewig-Weibliche“ sprachpsychologisch. Zahlreiche positiv konnotierte Intentionen und Begriffe sind im Deutschen ein Femininum: Die Liebe, die Zukunft, die Hoffnung, die Treue, die Beständigkeit, die Geburt usf. Regressives ist im Deutschen häufig ein Maskulinum: Der Tod, der Krieg, der Glaube [mit seinem Beharren], der Hass. Gretchens Apotheose, als sie unter den himmlischen Heerscharen wieder erscheint, allegorisiert „Das Ewig-Weibliche“.

Literatur

  • Gero von Wilpert: Goethe-Lexikon. Stuttgart (Kröner) 1998, ISBN 3-520-40701-9)
  • Theodor W. Adorno: Zur Schlußszene des Faust. In: Noten zur Literatur. Frankfurt a.M. (Suhrkamp) 1974.
  • Gerhard Kaiser, Ist der Mensch zu retten? Vision und Kritik der Moderne in Goethes Faust
  • Ulrich Gaier, Fausts Modernität
  • Ulrich Gaier, Faust-Dichtungen
  • Michael Jäger, Fausts Kolonie, Goethes kritische Phänomenlogie der Moderne
  • C. Eller u. T. Kaminski, Faust-Spektrum

Bedeutende Inszenierungen

  • 4. April 1854:(??) Uraufführung am Hamburger Schauspielhaus
  • 1875 /76 - Uraufführung, inklusive des posthum 1832 veröffentlichten zweiten Teils, im Hoftheater zu Weimar von Otto Devrient. Diese Inszenierung, die Devrient auch in Berlin, Köln und Düsseldorf zur Aufführung brachte, hatte noch einen starren dreigliedrigen Bühnenbau. Zusätzliche Aufbauten waren für schnelle Szenenwechsel erforderlich. Übrigens ist dies der erste Weimarer Faust seit 1829.
  • 1949 - In Hannover macht Alfred Roller mit seinem „Aluminium-Faust“, in der Titelrolle Gerhard Just, den Neuanfang nach dem Krieg. Ostern war Faust I zu sehen und Faust II am 28. August. Roller bricht mit den Prinzipien der Faust-Inszenierungen des 19. Jahrhunderts. Die Bühne von Rudolf Schulz bestand aus einem halb-kugelförmigen Gerüst aus Leichtmetall. Im Hintergrund spiegelte eine Aluminiumwand die Lichtreflexe (der Phantasie). Das Metallische symbolisiert das Kosmische. Die Räumlichkeiten vom Studierzimmer bis zum Kerker werden nur angedeutet. Die fünfstündige Version von Faust I wies nur einen Strich auf: der Walpurgisnachtstraum entfiel. Auerbachs Keller war eine derbe Saufszene, die Walpurgisnacht mit Lichtreflexen auf der metallenen Wand eine Sinnesorgie. Faust war nicht mehr die wohlredende Prunkfigur des 19. Jahrhunderts, sondern der an seinem Wissen und Denken verzweifelnde Mensch, der abtrünnige Humanist.
  • 1956/57 - Im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg erfolgt unter der Regie und Intendanz (ab 1955) Gründgens´s die Neuinszenierung des Faust mit Will Quadflieg (Faust), Gustaf Gründgens (Mephisto), Ella Büchi (Gretchen), Elisabeth Flickenschildt (Marthe), Max Eckard (Valentin), Eduard Marks (Wagner), Uwe Friedrichsen (Schüler). Gustav Gründgens erarbeitete sich mit seinem Bühnenbildner Teo Otto Schritt für Schritt die entrümpelte Fassung. Beide bekannten sich zu ihrer „Einfallslosigkeit“ und zeigten die Bühne als nacktes Gerippe. Gründgens entwickelt seine Konzeption anhand des Vorspiels auf dem Theater. Entsprechend ist alles (Himmel, Hölle, große oder kleine Welt) die Welt des Theaters. Diese gefeierte Neufassung beider Teile (?) gastiert auch in Moskau und wurde 1960 mit größten Erfolg verfilmt. Lediglich in der DDR wurde der zweite Teil negativ gesehen (Faust als kapital. Ausbeuter). Damit begannen in der DDR die Bemühungen, Faust II zu übertreffen.
  • 1977 - In Stuttgart inszenierte Claus Peymann, Achim Freyer und Hermann Beil einen frivolen Spieltext. Faust I und II an zwei Tagen als zusammenhängendes Stück zur Geschichte des Heraustretens aus dem Mittelalter bis zur Entwicklung des Bürgertums. Das Bühnengerüst ist z.T. dreistufig. Ganz oben residiert der Herr mit seinen Engeln, Fausts Welt bleibt zunächst dunkel. Die Beleuchtungstechnik erschließt beispielsweise die Gretchen-Szene. Alle Szenen wurden durch Striche gekürzt mit Ausnahme der Zueignung und des Prologs im Himmel. Die Vorstellungen des Faust waren in Stuttgart zwei Jahre ausverkauft. Große Teile des jugendlichen Publikums umjubelten die Darsteller. Als Peymann Stuttgart 1979 aus politischen Gründen verlassen musste, lagen so viele schriftliche Bestellungen vor, dass der Faust fünf Jahre hätte gespielt werden können. Martin Lüttge (Faust), Therese Affolter (Gretchen).
  • 2000 - von Peter Stein; erste professionelle Gesamtaufführung beider ungekürzter Teile - mit Bruno Ganz als „alter“ und Christian Nickel als „junger“ Faust. Johann Adam Oest und Robert Hunger-Bühler teilten sich die Rolle des Mephisto. Dorothee Hartinger gab die Margarete. Insgesamt waren 80 Mitarbeiter, davon 33 Ensemble- Schauspieler beschäftigt. Sponsoren: EXPO 2000, Deutsche Bank, DaimlerChrysler, Mannesmann, Ruhrgas,die Deutsche Bundesregierung, der Berliner Senat, die Stadt Wien und 850 Privatsponsoren. Premiere am 22./23. Juli und Serie bis 24.September 2000 auf der Expo 2000 in Hannover, Gastspiel in Berlin (21.Oktober 2000 bis 15. Juli 2001) und Wien (8.September bis 16. Dezember 2001). Die Aufführungsdauer (ìncl. Pausen) betrug 21 Stunden, reine Spielzeit 15 St., aufgeteilt auf 3 Wochenend- bzw. 4 (oder 5?) Abendvorstellungen, in eignens für dieses Großprojekt adaptierten Hallen. In den beiden Spielhallen wurden 18 unterschiedliche Bühnenräume realisiert, zwischen denen das Publikum gehend wechselte. Der einheitliche Eintrittspreis betrug 3200.- österr. Schilling (= 233.- €). Stein, heute selbstkritisch, 5 Jahre nach dem 15 Mio. € Großprojekt: Du gehst in die dritte oder vierte Vorstellung und siehst, was das für ein Schrott ist. [1] Auch der preisgekrönte, hochprofessionelle Web- Auftritt unter www.faust-stein.de und die online- videos auf zdf.de/wissen/ sind nicht mehr online (2006).

Vertonungen

Wikisource: Faust II – Quellen und Volltexte