Diskussion:Gewissenskonflikt

Der Artikel „Gewissenskonflikt“ wurde im März 2014 für die Präsentation auf der Wikipedia-Hauptseite in der Rubrik „Schon gewusst?vorgeschlagen. Die Diskussion ist hier archiviert. So lautete der Teaser auf der damaligen Hauptseite; die Abrufstatistik zeigt die täglichen Abrufzahlen dieses Artikels.

S.T, a.s.A.

Schwieriges Thema, aber schöner Artikel.

Aber fehlt nicht noch der "Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust"-Aspekt? Auch das "persönliche Wollen" und das "persönliche Sollen" im täglichen Leben - von der zweiten Ritter-Sport-Schokolade über das an der Supermarktkasse zuviel zurückgegebene Wechselgeld bis zur Nachbarin, die Morgengymnastik am offenen Fenster macht - führen im Minutentakt zu Gewissenskonflikten... GEEZER… nil nisi bene 08:30, 9. Apr. 2014 (CEST)Beantworten
hm. Ich habe ein wenig Bauchschmerzen bei dem Artikel: "Er kann auch Folge eines ethischen Dilemmas sein," -warum "auch"? Meinereiner würde ja behaupten, dass ein Gewissenskonflikt _immer_ ein ethisches Dilemma darstellt, mithin exakt das gleiche ist; eigentlich ein Fall für WP:MFE. --Janneman (Diskussion) 15:43, 9. Apr. 2014 (CEST)Beantworten
Hallo, heißt es im zweiten Abschnitt zwei Zeilen vor vor "Gewissenskonflikte in der Literatur" wirklich "Mythiker"? Wenn ja, dann klafft in mir wohl eine BildungsLücke. --Daily-Delight (Diskussion) 17:22, 9. Apr. 2014 (CEST)Beantworten

Guten Abend,

ich habe eigentlich im Moment nicht die Zeit, nicht die Kraft und nicht den Wunsch, mich hier zu äußern, zeichne und fühle mich aber verantwortlich für diesen Artikel, deshalb möchte ich zu den genannten Punkten noch manches anmerken:

@Grey Geezer: Der Artikel ist in der jetzigen Form sicher nicht vollständig. Ich würde es begrüßen, wenn er von kundigen Menschen erweitert und ergänzt werden könnte, ich sehe mich dazu jedoch aktuell nicht in der Lage. Vielleicht kann ich aber noch einige Denkanstöße mitgeben; ich danke Dir auch für das freundliche Lob.

@Janneman: Ich stimme zu, dass der semantische Unterschied zwischen einem Gewissenskonflikt und einem ethischen Dilemma vielleicht nicht gleich offensichtlich ist und wohl auch in diesem Artikel noch näher herausgearbeitet werden kann. Ich halte die beiden Begriffe jedoch mitnichten für deckungsgleich oder, wie Du es ausdrückst, für „exakt das gleiche“. Das hat mehrere Gründe. Zunächst einmal ist der Begriff des Gewissenkonfliktes sehr viel umfassender, der des ethischen Dilemmas ist – so wie der der Pflichtenkollision – auf ganz bestimmte Kontexte beschränkt, beide kommen außerhalb philosophischer oder juristischer Diskurse nur selten vor. Der Begriff Gewissenskonflikt ist tendenziell auch mehrdeutiger, weil er einerseits einen Widerstreit unterschiedlicher Normen, gleichwertiger Gewissensgründe bezeichnet, aber auch zwischen dem inneren Gewissen und dem äußeren Zwang. Beides, vor allem letzteres, muss nicht zwingend einem ethisch Richtigen entsprechen. Auch das, was das Gewissen einem Menschen subjektiv als moralisch geboten vorgibt, ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit dem, was ethisch richtig wäre, es sei denn, man vertritt einen streng intuitionistischen Standpunkt. Eine Gleichsetzung des Begriffs Gewissenskonflikt mit dem des ethischen Dilemmas verstieße also im Grunde gegen den Neutralitätsanspruch, weil er einer bestimmten philosophischen Strömung einen Vorrang vor anderen gäbe.

Kurzzeitig war ich auch versucht, als weiteres literarisches Beispiel auf Werfels Eine blaßblaue Frauenschrift zu verweisen. Das hätte jedoch mit Sicherheit näherer Erläuterungen bedurft, eben weil der Protagonist darin letztlich keinen Konflikt zwischen gleichrangigen Wertmaßstäben ausficht und sich zusätzlich letztlich klar gegen sein Gewissen entscheidet. Das ist ein Gewissenskonflikt, aber es ist kein ethisches Dilemma. Es ist keine Entscheidung zwischen ethisch richtig und ethisch richtig, sondern zwischen ethisch richtig und sozial opportun (und letztlich sicher ethisch falsch). Es kann aber, und hier komme ich nochmal darauf zurück, was ich oben schrieb, noch „schlimmer“ kommen; dass nämlich das, was das Gewissen selbst einem Menschen aufträgt, entgegen intuitionistischer Wunschvorstellungen ethisch falsch ist. Norbert Hoerster – dem man nicht zustimmen muss, aber kann – etwa schreibt in seinem Band Ethik und Interesse:

„Es gibt […] Fälle, in denen wir bei näherem Nachdenken keineswegs der Auffassung sind, Maßstab der Moral sei das Gewissen. Denn in diesen Fällen wir das, was das Gewissen einem Menschen diktiert, moralisch falsch und durchaus nicht vernünftig. Man denke etwa an die Verfolgungsaktionen gegen Andersdenkende durch ideologische oder religiöse Fanatiker.
Vielleicht wird an diesem Punkt jemand entgegnen: Diese Menschen handeln ja gar nicht nach ihrem Gewissen; sie tun das, obschon sie im Grunde wissen, dass es moralisch falsch ist. Diese Entgegnung ist jedoch – als generelle Aussage über moralisches Fehlverhalten – unzutreffend. Sie unterschätzt stark die gewissensbildende Bedeutung bestimmter weltanschaulicher, insbesondere ideologischer oder religiöser Faktoren.
Sicher gibt es Fälle, in denen etwa Nationalsozialisten, Kommunisten oder religiöse Fundamentalisten gegen ihre bessere Einsicht – etwa aus Furcht vor Sanktionen oder aus Opportunismus – Verbrechen begehen. Ebenso sicher gibt es aber auch zahlreiche solcher Verbrechen, bei denen die Täter vollkommen von der Richtigkeit ihres Tuns überzeugt sind, also durchaus, ja gerade ihrem Gewissen folgen. Und zwar ist das immer dann der Fall, wenn sie sich die die betreffende Weltanschauung Teil ihres Gewissens geworden sind.
So waren zum Beispiel einige der führenden Nationalsozialisten ideologisch derart verblendet, dass ihre Taten mit ihrem Gewissen voll in Einklang standen. Dies trifft etwa auf einen der Hauptverantwortlichen für die Judenvernichtung, Heinrich Himmler, zu. Einige seiner Reden aus den frühen vierziger Jahren zeigen, dass Himmler das Grauenhafte der Konzentrations- und Arbeitslager zwar als Selbstzweck ablehnte, dass er sich und seine Helfer jedoch zur Durchführung der Vernichtungsaktionen zur Bewahrung und Förderung des »nordischen Blutes« moralisch für verpflichtet hielt. […]“

Norbert Hoerster, Ethik und Interesse. Reclam 2003, S. 10 f.

Ich könnte das jetzt noch näher ausführen, will es aber dabei bewenden lassen. Ich werde auch nicht weiter protestieren, sollten neben Dir noch andere zu der Auffassung gelangen, hier läge begriffliche Redundanz vor, und entsprechend handeln; gesagt haben wollte ich dies zuvor aber doch.

@Daily-Delight: „Mythiker“ ist in der Tat der an der zitierten Stelle zu findende Begriff (und meines Erachtens dort auch passend).

Gruß,

-- Muruj (Diskussion) 22:06, 9. Apr. 2014 (CEST)Beantworten

huho. Bin weder ausgebildeter Philosoph noch Jurist noch Theologe, aber dann frage ich mich dennoch, wer denn nu für Gewissenskonflikte zuständig ist, wenn nicht Philosophen noch Juristen noch Theologen..mag aber auch sein, dass in den genannten Disziplinen Unterscheidungen gemacht werden. Ich hab mich vorletztes Jahr mal (wg. Roger Malvin’s Burial etwas eingehender mit der Kasuistik eines en:Jeremy Taylor beschäftigt (Ductor Dubitantium), der der englischen Sprache die Wendung case of conscience geschenkt hat; zwischenzeitlich kam ich damals auf die Idee, dass "Gewissenskonflikt" eine Lehnübertragung davon sein mag. Vielleicht auch nicht, müsste man mal im HWPh nachschlagen, jedenfalls ist es bei solchen, ähem, biegsamen Lemmata imho keine schlechte Idee, das ganze erstmal begriffsgeschichtlich aufzuziehen. --Janneman (Diskussion) 22:37, 9. Apr. 2014 (CEST)Beantworten