„Aschkenasim“ – Versionsunterschied

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Als '''Aschkenasim''' ({{HeS|אַשְׁכֲּנָזִים}}, Plural von ''Aschkenasi'') oder '''aschkenasische Juden''' (יְהוּדֵי אַשְׁכֲּנָז), seltener auch als '''Aschkenasen''', werden mittel-, nord- und osteuropäische [[Juden]] und ihre Nachfahren bezeichnet. Sie bilden neben iberischen [[Sepharden]], arabisch-orientalischen [[Mizrachim]] und äthiopischen [[Falaschen]] die mit Abstand größte Gruppe im modernen [[Judentum]]. Etwa 80 Prozent der weltweit und 90 Prozent der in den USA lebenden Juden sind aschkenasischer Abstammung.
Als '''Aschkenasim''' ({{HeS|אַשְׁכֲּנָזִים}}, Plural von ''Aschkenasi'') oder '''aschkenasische Juden''' (יְהוּדֵי אַשְׁכֲּנָז), seltener auch als '''Aschkenasen''', werden im [[Judentum]] mittel-, nord- und osteuropäische [[Juden]] und ihre Nachfahren bezeichnet. Sie bilden die größte Gruppe der heute lebenden Juden.


Die Grundlagen der aschkenasischen Kultur wurden ab dem 10.Jahrhundert in den als [[SCHUM-Städte|SCHUM]]-Gemeinden bekannten Rheinstädten [[Speyer]], [[Worms]] und [[Mainz]] gelegt. Abgeleitet vom biblischen Personen- und Gebietsnamen [[Aschkenas]] (Gen 10,3; 1 Chr 1,6; Jer 51,27) wurde die Bezeichnung Aschkenasim von eingewanderten Rabbinern auf das [[Deutsche Sprache|deutschsprachige Gebiet]] und den dort lebenden Juden übertragen. Mit zunehmender Verbreitung ging der Terminus auf alle europäischen Juden über - mit Ausnahme der in Portugal und Spanien ansässigen Sepharden.
Die Bezeichnung stammt vom biblischen Personen- und Gebietsnamen [[Aschkenas]] (Gen 10,3; 1 Chr 1,6; Jer 51,27). Eingewanderte Juden übertrugen ihn im 9. Jahrhundert auf das [[Deutsche Sprache|deutschsprachige Gebiet]] und die dort lebenden Juden. Mit deren Verbreitung ging der Name auf alle europäischen Juden über, außer den [[Iberische Halbinsel|iberischen]]: Diese gehören zu den [[Sephardim]]. Beide Bezeichnungen stehen auch für verschiedene Kulturkreise im Judentum. Von etwa 1200 bis 1945 war [[Jiddisch]] die Sprache vieler Aschkenasim, vor allem der [[Ostjuden]].

Von etwa 1200 bis weit ins 20. Jahrhunderts wurde [[Jiddisch]] als eigene Sprache der Aschkenasim kultiviert, das sich in west- und ostjiddische Dialekte unterteilt und sowohl gesprochen wie geschrieben wurde. Ostjiddisch blieb Alltagssprache der kaum assimilierten Mehrheit der Juden in Osteuropa, bis der durch die Nationalsozialisten verursachte Holocaust die hauptsächlich aschkenasisch geprägten jüdischen Zentren in Europa vernichtete. Heutzutage spielt Jiddisch im Alltagsleben der meisten Aschkenasen keine Rolle mehr.


== Geschichte ==
== Geschichte ==
=== Herkunft ===
=== Herkunft ===
Seit etwa 200 v. Chr. bestand eine von palästinischen Juden gegründete jüdische Gemeinde in [[Rom]]. Infolge der Niederlagen im [[Jüdischer Krieg|jüdischen Krieg]] (70 n. Chr.) und im [[Bar-Kochba-Aufstand]] (130) gelangten viele weitere palästinische Juden als Sklaven nach Italien.<ref>Frank Kolb: ''Rom. Die Geschichte der Stadt in der Antike.'' Beck, München 2002, ISBN 3-406-46988-4, [http://books.google.de/books?id=pencrzSc6xcC&pg=PA622 S. 622 f.]</ref> Viele ihrer Nachfahren wanderten später in Gebiete nördlich der Alpen aus, andere kehrten nach der islamischen Eroberung Jerusalems im 7. Jahrhundert nach Palästina zurück. Bis etwa 1000 lebten die meisten Juden unter islamischer Herrschaft.<ref>Ingke Brodersen: ''Judentum: Eine Einführung.'' 2012, ISBN 978-3-10-400897-4, [http://books.google.de/books?id=bmlrAgAAQBAJ&pg=PT40 S. 40.]</ref>
Nach der im Jahre 1220 verfassten Gründungslegende von Rabbi [[Eleasar ben Juda ben Kalonymos]] wanderten im 10. Jahrhundert die [[Kalonymiden]], die wohl angesehenste und berühmteste Familie des frühen aschkenasischen Judentums, vom oberitalienischen [[Lucca]] nach [[Mainz]] ein.<ref>Michael Brenner: ''Kleine jüdische Geschichte.'' München 2008, [http://books.google.de/books?id=djPEOICHCJkC&pg=PA101 S. 101.]</ref><ref>Ursula Reuter: ''Beiträge zur rheinisch-jüdischen Geschichte'' Köln 2013, [http://www.juedischesmuseum-koeln.de/publik/SchUM_Mikwe.pdf S.10]</ref> So gilt Mainz (ab 917) neben den [[Rheinland|rheinischen]] Kathedralstädten [[Jüdische Gemeinde Speyer|Speyer]] und [[Worms]] (ab 980) als Geburtstätte des aschkenasischen Judentums. In diesen von den Römern strategisch an Handelswegen gegründeten Rheinstädten bildeten sich die aschkenasisch geprägten [[SCHUM-Städte|SchUM]]-Gemeinden, in denen Mitglieder der rabbinischen Kalonymos-Familie führende Positionen einnahmen. Ihre [[Jeschiwa|Talmudschulen]] waren im 10. Jahrhundert neben der Lehrtätigkeit auch für die jüdische Rechtsprechung im Gebiet ''Aschkenas'' zuständig. Die Kalonymus-Familie begründete zudem eine einflussreiche Schule zur [[Halacha|jüdischen Dichtkunst]], zu Werken des [[Saadia Gaon]] und zur [[Kabbalah|vorkabbalistischen]] [[Merkaba]]-Literatur. Sie prägten die aschkenasische [[Mystik]], aus der seit etwa 1150 der mittelalterliche [[Chassidismus]] entstand.<ref>Theologische Realenzyklopädie Band 7 (''Chassidismus''), [http://books.google.de/books?id=unszemYxWQEC&pg=PA706 S. 706–708.]</ref><ref>Susanne Galley: ''Das Judentum.'' Campus, 2006, ISBN 3-593-37977-5, [http://books.google.de/books?id=52CMXXSqjJUC&pg=PA99 S. 99 f.]</ref>

Die [[Jüdische Geschichte in Köln|Gemeinde von Köln]] ist 321 die erste belegte jüdische Gemeinde im deutschsprachigen Raum. In [[Paris]] und [[Orléans]] sind vor 500 erstmals [[Synagoge]]n belegt. Ob diese Gemeinden durchgehend bestanden, ist ungewiss. 825 gewährte [[Ludwig der Fromme]] gegen kirchlichen Widerstand jüdischen Händlern seines Reichs Lebensschutz, Steuerbefreiung, freie Religionsausübung, rabbinische Gerichte und Schutz ihrer Sklaven vor [[Zwangstaufe]]n.<ref>Michael Brenner: ''Kleine jüdische Geschichte.'' Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57668-3, [http://books.google.de/books?id=djPEOICHCJkC&pg=PA103 S. 103.]</ref>

Nach der Familienchronik (1220) von Rabbi [[Eleasar ben Juda ben Kalonymos]] brachte [[Karl der Große]] seine Vorfahren, die [[Kalonymiden]], von [[Lucca]] nach [[Mainz]].<ref>Michael Brenner: ''Kleine jüdische Geschichte.'' München 2008, [http://books.google.de/books?id=djPEOICHCJkC&pg=PA101 S. 101.]</ref> Die Gemeinden in Mainz (ab 917), [[Jüdische Gemeinde Speyer|Speyer]] und [[Worms]] (ab 980) im [[Rheinland]] gelten als Beginn des aschkenasischen Judentums: Ihre [[Talmud]]schulen ([[Jeschiwa|Jeschiwot]]) wurden im 10. Jahrhundert für die jüdische Rechtsprechung im Gebiet ''Aschkenas'' zuständig.<ref>Susanne Galley: ''Das Judentum.'' Campus, 2006, ISBN 3-593-37977-5, [http://books.google.de/books?id=52CMXXSqjJUC&pg=PA99 S. 99 f.]</ref>


Eine andere Hypothese führt die mittel- und osteuropäischen Aschkenasim überwiegend auf Zuwanderung aus dem ehemaligen Reich der [[Chasaren]] in Südosteuropa und der [[Kaukasus]]region zurück, die großenteils von [[Konvertiten]] abstammten. Für beide Herkunftshypothesen gibt es verschiedene [[Genetik|genetische Studien]] mit jeweils umstrittener Methodik und Aussagekraft.<ref>Ingo Way: [http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/15024 ''Genetik: Rheinland oder Kaukasus?''] In: ''Jüdische Allgemeine.'' 24. Januar 2013.</ref>
Eine andere Hypothese führt die mittel- und osteuropäischen Aschkenasim überwiegend auf Zuwanderung aus dem ehemaligen Reich der [[Chasaren]] in Südosteuropa und der [[Kaukasus]]region zurück, die großenteils von [[Konvertiten]] abstammten. Für beide Herkunftshypothesen gibt es verschiedene [[Genetik|genetische Studien]] mit jeweils umstrittener Methodik und Aussagekraft.<ref>Ingo Way: [http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/15024 ''Genetik: Rheinland oder Kaukasus?''] In: ''Jüdische Allgemeine.'' 24. Januar 2013.</ref>


=== Hochmittelalter ===
=== Hochmittelalter ===
Speyer, Worms und Mainz waren von Römern gegründete Städte an alten Handelswegen. Ihre Judengemeinden bildeten vom 11. bis 13. Jahrhundert den Bund der [[SCHUM-Städte]], den die Kalomyniden lenkten.<ref>Michael Brenner: ''Kleine jüdische Geschichte.'' München 2008, [http://books.google.de/books?id=djPEOICHCJkC&pg=PA102 S. 102.]</ref> Die Schutzbriefe Ludwigs des Frommen wurden im 11. Jahrhundert zum Vorbild für Schutzbriefe von [[Reichsstadt|Reichsstädten]] für lokale Judengemeinschaften, die deren Aufschwung ermöglichten.<ref>Ivan G. Marcus: [http://www.yivoencyclopedia.org/article.aspx/Ashkenaz ''Ashkenaz''] (Yivo Encyclopedia of Jews in Eastern Europe)</ref>
Im Hochmittelalter umfasste Aschkenas neben dem deutschsprachigen Raum das gesamte [[Heiliges Römisches Reich|Heilige Römische Reich]] inklusive Niederlande, Schweiz, Österreich, Böhmen, Mähren, Slowenien und Südtirol sowie England. Mit den freiwilligen, häufiger aber erzwungenen Migrationen der aschkenasischen Juden sollte sich die Lage von Aschkenas über die Jahrhunderte immer wieder verändern.Im Spätmittelalter dehnte sich der aschkenasische Kulturkreis dann auf Norditalien und Polen aus – überall dahin, wo aschkenasische Juden lebten und ihr religiöses Brauchtum praktizieren konnten.<ref>Ursula Reuter: ''Beiträge zur rheinisch-jüdischen Geschichte'' Köln 2013, [http://www.juedischesmuseum-koeln.de/publik/SchUM_Mikwe.pdf S.13]</ref>


Die Kalomyniden begründeten eine einflussreiche Schule zur jüdischen Dichtkunst, [[Halacha]], Werken von [[Saadia Gaon]], etwa seinen Kommentar zum [[Sefer Jetzira]], und [[Merkaba]]-Literatur. Sie prägten die aschkenasische [[Mystik]], aus der seit etwa 1150 der mittelalterliche [[Chassidismus]] entstand.<ref>Theologische Realenzyklopädie Band 7 (''Chassidismus''), [http://books.google.de/books?id=unszemYxWQEC&pg=PA706 S. 706–708.]</ref>
Ab dem 11.Jahrhundert stellten diverse [[Reichsstädte]] den aschkenasischen Judengemeinschaften Schutzbriefe aus, um von der regen Handelstätigkeit der aschkenasischen Juden und einem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung zu profitieren.<ref>Ivan G. Marcus: [http://www.yivoencyclopedia.org/article.aspx/Ashkenaz ''Ashkenaz''] (Yivo Encyclopedia of Jews in Eastern Europe)</ref> Trotz dieses Protektionsversprechens der Reichsstädte für die aschkenasischen Juden zerstörten im Jahre 1096 beim [[Erster Kreuzzug|ersten Kreuzzug]] christliche Kreuzfahrer die Judengemeinden des Rheinlands, ermordeten die meisten Mitglieder oder versuchten, sie zwangszutaufen. Dem kamen manche aschkenasische Gemeinden durch Gruppenselbsttötung zuvor, die sie als Heiligung des [[JHWH|Gottesnamens]] (''Kiddusch Haschem'') verstanden.<ref>[http://books.google.de/books?id=3cSytf4nC_4C&pg=PA508 S. 508–512.]</ref>


Beim [[Erster Kreuzzug|ersten Kreuzzug]] (1096) zerstörten christliche Kreuzfahrer die Judengemeinden des Rheinlands, ermordeten die meisten Mitglieder oder versuchten, sie zwangszutaufen. Dem kamen manche jüdische Gemeinden durch Gruppenselbsttötung zuvor, die sie als Heiligung des [[JHWH|Gottesnamens]] (''Kiddusch Haschem'') verstanden.<ref>[http://books.google.de/books?id=3cSytf4nC_4C&pg=PA508 S. 508–512.]</ref>
Ab etwa 1200 entstand [[Jiddisch]], eine Art [[mittelhochdeutsch]]er, mit vielen [[Hebraismus|Hebraismen]] angereicherter und hebräisch geschriebener Dialekt. Diese Sprache breitete sich mit den Aschkenasim zunächst nach Osteuropa, später in die ganze Welt aus, trug entscheidend zu ihrer eigenen Kultur bei und ist bis heute, wenn auch nur noch sehr selten gesprochen, erhalten.<ref>Marion Aptroot, Roland Gruschka: ''Jiddisch: Geschichte und Kultur einer Weltsprache.'' Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-52791-3, [http://books.google.de/books?id=BT_QUGukIG0C&pg=PA33 S. 33–35.] und 173</ref>

Ab etwa 1200 entstand [[Jiddisch]], eine Art [[mittelhochdeutsch]]er, mit vielen [[Hebraismus|Hebraismen]] angereicherter und hebräisch geschriebener Dialekt. Diese Sprache breitete sich mit den Aschkenasim zunächst nach Osteuropa, später in die ganze Welt aus, trug entscheidend zu ihrer eigenen Kultur bei und ist bis heute erhalten.<ref>Marion Aptroot, Roland Gruschka: ''Jiddisch: Geschichte und Kultur einer Weltsprache.'' Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-52791-3, [http://books.google.de/books?id=BT_QUGukIG0C&pg=PA33 S. 33–35.] und 173</ref>


Während der [[Schwarzer Tod|Pestepidemie von 1349]] kam es im französischen und deutschen Sprachraum erneut zu zahlreichen [[Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes|Pogromen]] gegen die aschkenasischen Gemeinden. Viele Überlebende flohen, vor allem nach [[Polen-Litauen]], wo sie willkommen waren und beim Aufbau der Wirtschaft mitwirkten.
Während der [[Schwarzer Tod|Pestepidemie von 1349]] kam es im französischen und deutschen Sprachraum erneut zu zahlreichen [[Judenverfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes|Pogromen]] gegen die aschkenasischen Gemeinden. Viele Überlebende flohen, vor allem nach [[Polen-Litauen]], wo sie willkommen waren und beim Aufbau der Wirtschaft mitwirkten.
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Die kulturelle Kluft zwischen Aschkenasim und anderen jüdischen Gruppen hinsichtlich politischen Einflusses, Brauchtum, Glaubensvorstellungen, Bildung, Gewohnheiten und Sprache ist vor allem im von aschkenasischen Juden gegründeten [[Israel]] unübersehbar. In [[Anthropologie|anthropologischer]] Hinsicht unterscheiden sich die Aschkenasim im Gegensatz zu allen anderen jüdischen Gruppen durch etwa 10 Prozent sog. ''hellfarbiger'' (blond, blauäugig) Elemente.<ref>Georg Herlitz, Bruno Krischner (Hrsg.): ''Jüdisches Lexikon. Ein enzyklopädisches Handbuch des jüdischen Wissens in vier Bänden''. Nachdruck der 1. Auflage. Athenäum Verlag, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-610-00400-2 (Bd. 1: „A–C“), S. 497.</ref>
Die kulturelle Kluft zwischen Aschkenasim und anderen jüdischen Gruppen hinsichtlich politischen Einflusses, Brauchtum, Glaubensvorstellungen, Bildung, Gewohnheiten und Sprache ist vor allem im von aschkenasischen Juden gegründeten [[Israel]] unübersehbar. In [[Anthropologie|anthropologischer]] Hinsicht unterscheiden sich die Aschkenasim im Gegensatz zu allen anderen jüdischen Gruppen durch etwa 10 Prozent sog. ''hellfarbiger'' (blond, blauäugig) Elemente.<ref>Georg Herlitz, Bruno Krischner (Hrsg.): ''Jüdisches Lexikon. Ein enzyklopädisches Handbuch des jüdischen Wissens in vier Bänden''. Nachdruck der 1. Auflage. Athenäum Verlag, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-610-00400-2 (Bd. 1: „A–C“), S. 497.</ref>

Kulturelle Unterschiede lassen sich auch an verschiedenen Bestattungsweisen erkennen. Der [[Jüdischer Friedhof Altona|jüdische Friedhof in Hamburg-Altona]] ist einzigartig, da hier Aschkenasim und Sepharden auf einem Friedhof ruhen. Im aschkenasischen Teil des Friedhofs sind die Grabsteine stehend aufgestellt und tragen hebräische Inschriften, während im sephardischen Teil Grabplatten in den Boden eingelassen wurden, die oft portugiesische Inschriften tragen und reich mit Reliefs geschmückt sind.


== Familiennamen ==
== Familiennamen ==
{{Hauptartikel|Jüdischer Name}}
{{Hauptartikel|Jüdischer Name}}
Aschkenasische Juden hatten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts meist noch keine festen [[Familienname]]n. In aller Regel wurde der [[Patronym|Name des Vaters]] als zweiter Name benutzt, also beispielsweise Jakob ben Nathan = Jakob, Sohn des Nathan. Grund dafür ist u. A. die Verordnung von [[Rabbenu Tam]] (Jacob ben Meir) aus dem 12. Jahrhundert, dass in einer Scheidungsurkunde nur von Juden unter Juden verwendete Namen (d.&nbsp;h. Eigen- und Vatersnamen) verwendet werden durften, aber nicht von Juden ausschließlich im Verkehr mit Nichtjuden verwendete Beinamen. Diese Anweisung wurde danach bei vergleichbaren Verträgen, z.&nbsp;B. [[Ketubba|Ehe-]] und Geschäftsverträgen, adäquat angewendet. Bis heute bestehen jüdische Namen aus dem [[Vorname]]n und dem Vornamen des Vaters, wobei ein ''ben'' („Sohn von“) bzw. ''bat'' („Tochter von“) dazwischengeschoben wird. Im religiösen Bereich wird der Name besonders zu rituellen Zwecken benutzt, so bei Jungen erstmals bei der [[Brit Mila|Beschneidung]] sowie bei der [[Bar Mitzwa]] anlässlich des [[Alijah laTora|Aufrufs]] zur [[Tora]]lesung. In der Regel steht dieser Name auch auf dem [[Mazewa|Grabstein]] eines Juden.


Aschkenasische Juden hatten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts meist noch keine festen [[Familienname]]n. In aller Regel wurde der Name des Vaters als zweiter Name ([[Patronym]]) benutzt, also beispielsweise Jakob ben Nathan = Jakob, Sohn des Nathan. Grund dafür ist u. A. die Verordnung von [[Rabbenu Tam]] (Jacob ben Meir) aus dem 12. Jahrhundert, dass in einer Scheidungsurkunde nur von Juden unter Juden verwendete Namen (d.&nbsp;h. Eigen- und Vatersnamen) verwendet werden durften, aber nicht von Juden ausschließlich im Verkehr mit Nichtjuden verwendete Beinamen. Diese Anweisung wurde danach bei vergleichbaren Verträgen, z.&nbsp;B. [[Ketubba|Ehe-]] und Geschäftsverträgen, adäquat angewendet. Bis heute bestehen jüdische Namen aus dem [[Vorname]]n und dem Vornamen des Vaters, wobei ein ''ben'' („Sohn von“) bzw. ''bat'' („Tochter von“) dazwischengeschoben wird. Im religiösen Bereich wird der Name besonders zu rituellen Zwecken benutzt, so bei Jungen erstmals bei der [[Brit Mila|Beschneidung]] sowie bei der [[Bar Mitzwa]] anlässlich des [[Alijah laTora|Aufrufs]] zur [[Tora]]lesung. In der Regel steht dieser Name auch auf dem [[Mazewa|Grabstein]] eines Juden.
Es gab viele Ausnahmen von dieser Regel. Am wichtigsten war der Brauch, eine rabbinische [[Dynastie]] mit einem – meist vom Herkunftsort des Gründers abgeleiteten – Familiennamen zu bezeichnen, z. B. von [[Katzenelnbogen]] (damals in Hessen) oder [[Jacob Emden|Emden]]. Diese Nachnamen dienten teils als Familiennamen, teils sozusagen als Markennamen. Schwiegersöhne, die Rabbiner wurden, erbten oft den Namen, und Söhne, die nicht Rabbiner wurden, trugen ihn meistens nicht.


Es gab viele Ausnahmen von dieser Regel. Am wichtigsten war der Brauch, eine rabbinische [[Dynastie]] mit einem – meist vom Herkunftsort des Gründers abgeleiteten – Familiennamen zu bezeichnen, z. B. von [[Katzenelnbogen]] (damals in Hessen) oder [[Jacob Emden|Emden]]. Diese Nachnamen dienten teils als Familiennamen, teils sozusagen als Markennamen. Schwiegersöhne, die Rabbiner wurden, erbten oft den Namen, und Söhne, die nicht Rabbiner wurden, trugen ihn meistens nicht.
Aus dem Buch Mose des [[Altes Testament|Alten Testaments]] leiten sich z.B. die aschkenasischen Namen [[Rubin]], [[Bernstein]], [[Diamant]] und diesen ihnen zuzuordnenden Fahnenfarben [[Roth]], [[Grün]], [[Schwarz]], [[Weiss]], [[Rosa]], oftmals erweitert um Zusätze, etwa Grünspan, Rosenblatt, Rosenzweig und Rosenthal ab. Vergleichbar sind [[Silber]] und [[Gold]] beinhaltende Namen, die mit den Erzengeln Michael und Gabriel in Verbindung gebracht werden, denn Gabriel brachte nach der Überlieferung das Gold zur Erde, daher Silbermann, Goldberg, Goldmann oder auch Goldschmied. Die recht häufig vertretenen aschkenasischer Nachnamen [[Weizenbaum]], [[Feigenbaum]], [[Honigmann]] und [[Teitelbaum]] beschreiben die heiligen Früchte im [[Deuteronomium|5.Buch Mose]].


Die [[Sippe]]n- oder [[Volksstamm|Stammnamen]] [[Kohanim|Kohen]] und [[Leviten|Levi]] (mit vielen Varianten) wurden von Vater auf Sohn weitergetragen und erschienen in fast allen jüdischen Urkunden, Grabsteinen usw., wenn ein dort erwähnter Mann (oder der Vater oder Ehemann einer Frau) dem Stamm zugehörte. In den [[Absolutismus|absolutistisch]] regierten Staaten Mitteleuropas wurde Ende des [[18. Jahrhundert]]s damit begonnen, jüdische Bewohner als Bedingung für erweiterte Bürgerrechte zur Annahme eines unveränderbaren Familiennamens zu zwingen. Zuerst geschah dies 1787 in den [[Habsburgische Erblande#Erblande|Habsburgischen Erbländern]], es folgten weitere Staaten und Städte. Nach und nach führten dann alle Staaten Europas ähnliche Regelungen ein.
Die [[Sippe]]n- oder [[Volksstamm|Stammnamen]] [[Kohanim|Kohen]] und [[Leviten|Levi]] (mit vielen Varianten) wurden von Vater auf Sohn weitergetragen und erschienen in fast allen jüdischen Urkunden, Grabsteinen usw., wenn ein dort erwähnter Mann (oder der Vater oder Ehemann einer Frau) dem Stamm zugehörte. In den [[Absolutismus|absolutistisch]] regierten Staaten Mitteleuropas wurde Ende des [[18. Jahrhundert]]s damit begonnen, jüdische Bewohner als Bedingung für erweiterte Bürgerrechte zur Annahme eines unveränderbaren Familiennamens zu zwingen. Zuerst geschah dies 1787 in den [[Habsburgische Erblande#Erblande|Habsburgischen Erbländern]], es folgten weitere Staaten und Städte. Nach und nach führten dann alle Staaten Europas ähnliche Regelungen ein.

Version vom 22. September 2014, 10:31 Uhr

Als Aschkenasim (hebräisch אַשְׁכֲּנָזִים, Plural von Aschkenasi) oder aschkenasische Juden (יְהוּדֵי אַשְׁכֲּנָז), seltener auch als Aschkenasen, werden im Judentum mittel-, nord- und osteuropäische Juden und ihre Nachfahren bezeichnet. Sie bilden die größte Gruppe der heute lebenden Juden.

Die Bezeichnung stammt vom biblischen Personen- und Gebietsnamen Aschkenas (Gen 10,3; 1 Chr 1,6; Jer 51,27). Eingewanderte Juden übertrugen ihn im 9. Jahrhundert auf das deutschsprachige Gebiet und die dort lebenden Juden. Mit deren Verbreitung ging der Name auf alle europäischen Juden über, außer den iberischen: Diese gehören zu den Sephardim. Beide Bezeichnungen stehen auch für verschiedene Kulturkreise im Judentum. Von etwa 1200 bis 1945 war Jiddisch die Sprache vieler Aschkenasim, vor allem der Ostjuden.

Geschichte

Herkunft

Seit etwa 200 v. Chr. bestand eine von palästinischen Juden gegründete jüdische Gemeinde in Rom. Infolge der Niederlagen im jüdischen Krieg (70 n. Chr.) und im Bar-Kochba-Aufstand (130) gelangten viele weitere palästinische Juden als Sklaven nach Italien.[1] Viele ihrer Nachfahren wanderten später in Gebiete nördlich der Alpen aus, andere kehrten nach der islamischen Eroberung Jerusalems im 7. Jahrhundert nach Palästina zurück. Bis etwa 1000 lebten die meisten Juden unter islamischer Herrschaft.[2]

Die Gemeinde von Köln ist 321 die erste belegte jüdische Gemeinde im deutschsprachigen Raum. In Paris und Orléans sind vor 500 erstmals Synagogen belegt. Ob diese Gemeinden durchgehend bestanden, ist ungewiss. 825 gewährte Ludwig der Fromme gegen kirchlichen Widerstand jüdischen Händlern seines Reichs Lebensschutz, Steuerbefreiung, freie Religionsausübung, rabbinische Gerichte und Schutz ihrer Sklaven vor Zwangstaufen.[3]

Nach der Familienchronik (1220) von Rabbi Eleasar ben Juda ben Kalonymos brachte Karl der Große seine Vorfahren, die Kalonymiden, von Lucca nach Mainz.[4] Die Gemeinden in Mainz (ab 917), Speyer und Worms (ab 980) im Rheinland gelten als Beginn des aschkenasischen Judentums: Ihre Talmudschulen (Jeschiwot) wurden im 10. Jahrhundert für die jüdische Rechtsprechung im Gebiet Aschkenas zuständig.[5]

Eine andere Hypothese führt die mittel- und osteuropäischen Aschkenasim überwiegend auf Zuwanderung aus dem ehemaligen Reich der Chasaren in Südosteuropa und der Kaukasusregion zurück, die großenteils von Konvertiten abstammten. Für beide Herkunftshypothesen gibt es verschiedene genetische Studien mit jeweils umstrittener Methodik und Aussagekraft.[6]

Hochmittelalter

Speyer, Worms und Mainz waren von Römern gegründete Städte an alten Handelswegen. Ihre Judengemeinden bildeten vom 11. bis 13. Jahrhundert den Bund der SCHUM-Städte, den die Kalomyniden lenkten.[7] Die Schutzbriefe Ludwigs des Frommen wurden im 11. Jahrhundert zum Vorbild für Schutzbriefe von Reichsstädten für lokale Judengemeinschaften, die deren Aufschwung ermöglichten.[8]

Die Kalomyniden begründeten eine einflussreiche Schule zur jüdischen Dichtkunst, Halacha, Werken von Saadia Gaon, etwa seinen Kommentar zum Sefer Jetzira, und Merkaba-Literatur. Sie prägten die aschkenasische Mystik, aus der seit etwa 1150 der mittelalterliche Chassidismus entstand.[9]

Beim ersten Kreuzzug (1096) zerstörten christliche Kreuzfahrer die Judengemeinden des Rheinlands, ermordeten die meisten Mitglieder oder versuchten, sie zwangszutaufen. Dem kamen manche jüdische Gemeinden durch Gruppenselbsttötung zuvor, die sie als Heiligung des Gottesnamens (Kiddusch Haschem) verstanden.[10]

Ab etwa 1200 entstand Jiddisch, eine Art mittelhochdeutscher, mit vielen Hebraismen angereicherter und hebräisch geschriebener Dialekt. Diese Sprache breitete sich mit den Aschkenasim zunächst nach Osteuropa, später in die ganze Welt aus, trug entscheidend zu ihrer eigenen Kultur bei und ist bis heute erhalten.[11]

Während der Pestepidemie von 1349 kam es im französischen und deutschen Sprachraum erneut zu zahlreichen Pogromen gegen die aschkenasischen Gemeinden. Viele Überlebende flohen, vor allem nach Polen-Litauen, wo sie willkommen waren und beim Aufbau der Wirtschaft mitwirkten.

Frühe Neuzeit

Um 1500 waren die meisten Aschkenasim aus West- und Mitteleuropa nach Osteuropa vertrieben worden. Einige lebten noch in manchen deutschen und italienischen Städten, der Großteil lebte im Königreich Polen-Litauen. 70 Prozent der polnischen Aschkenasim lebten in Städten gleichrangig neben Nichtjuden. Viele adeligen Grundbesitzer förderten jüdische Händler, weil diese hohe Preise auf landwirtschaftliche Produkte zahlten, gute Auslandsverbindungen hatten und sich politisch loyal verhielten. Das bewirkte einen Aufschwung vieler polnischer Ortschaften und deren Judengemeinden. Daraus entstanden die polnischen Schtetl, in denen Aschkenasim die Bevölkerungsmehrheit stellten, vorwiegend das Ortszentrum bewohnten und eine eigene soziale Organisation ausprägten. Sie bildeten auch in von nichtjüdischen Königsbeamten verwalteten und von christlichen Gilden und Zünften dominierten Städten Polens einflussreiche, aber als Konkurrenz abgelehnte Minderheiten. Im 18. Jahrhundert dominierten sie den Handel und das Handwerk in Polen.[12]

Ab 1600 begannen osteuropäische Aschkenasim und ehemalige spanische Marranen infolge von Pogromen und im Zuge des Dreißigjährigen Krieges sich erneut vermehrt in mittel- und westeuropäischen Handelszentren anzusiedeln. Um 1650 gab es insgesamt geschätzt weniger als 500.000 Aschkenasim.[13]

Zurückwandernde Aschkenasim aus Osteuropa gründeten im 17. und 18. Jahrhundert die meisten neuen jüdischen Gemeinden in großen Städten Mittel- und Westeuropas. In deutschen Gebieten erlaubte der jeweilige Herrscher zunächst einem Hofjuden und seinen Bediensteten den Zuzug. Daraus entstand eine Judengemeinde. Der jeweilige Hofjude war meist auch ihr Vertreter (Schtadlan) und gab sein Amt oft an seine Söhne weiter. Die deutschen Behörden verlangten von diesen Zuwanderern hohe Zahlungen für Ansiedlungsrechte, beaufsichtigten ihre Erwerbsquellen, begrenzten ihre Bewegungsfreiheit und griffen auch in ihre Rechtsprechung ein. Dadurch gerieten die neuen Gemeinden in starke Abhängigkeit von der Gunst der Behörden. Versuche der führenden Juden, autonome Organisationsformen in Übereinkunft mit den jeweiligen Herrschern zu bewahren, verstärkten oft die Distanz zwischen reicheren und ärmeren Juden und das Misstrauen von Nichtjuden.[14]

20. Jahrhundert bis heute

In Folge von antisemitischen Pogromen emigrierten zwischen 1881 und 1924 etwa zwei Millionen Aschkenasim aus dem Russischen Kaiserreich sowie aus Mittel- und Osteuropa vor allem in die USA, nach Südafrika und Australien. Der 2. Weltkrieg und der Holocaust lösten weitere umfangreiche Flüchtlingswellen in die USA, nach Südamerika und vor allem in das neu geschaffene Israel aus. Laut einer Studie der Hebräischen Universität von Jerusalem leben in Israel derzeit 2,8 Millionen Aschkenasim, in den USA sind geschätzte 90 Prozent der 6 Millionen dort lebenden Juden Aschkenasim. In Deutschland leben etwa 200.000 aschkenasische Juden. Das heutige Judentum besteht zu etwa 80 Prozent und entsprechend 10 Millionen Menschen aus Aschkenasim.[15] Derzeit sind New York City, London, Antwerpen, Manchester und zunehmend wieder Berlin die zahlenmäßig und kulturell bedeutendsten Metropolen aschkenasischen Wirkens.

Die kulturelle Kluft zwischen Aschkenasim und anderen jüdischen Gruppen hinsichtlich politischen Einflusses, Brauchtum, Glaubensvorstellungen, Bildung, Gewohnheiten und Sprache ist vor allem im von aschkenasischen Juden gegründeten Israel unübersehbar. In anthropologischer Hinsicht unterscheiden sich die Aschkenasim im Gegensatz zu allen anderen jüdischen Gruppen durch etwa 10 Prozent sog. hellfarbiger (blond, blauäugig) Elemente.[16]

Familiennamen

Aschkenasische Juden hatten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts meist noch keine festen Familiennamen. In aller Regel wurde der Name des Vaters als zweiter Name (Patronym) benutzt, also beispielsweise Jakob ben Nathan = Jakob, Sohn des Nathan. Grund dafür ist u. A. die Verordnung von Rabbenu Tam (Jacob ben Meir) aus dem 12. Jahrhundert, dass in einer Scheidungsurkunde nur von Juden unter Juden verwendete Namen (d. h. Eigen- und Vatersnamen) verwendet werden durften, aber nicht von Juden ausschließlich im Verkehr mit Nichtjuden verwendete Beinamen. Diese Anweisung wurde danach bei vergleichbaren Verträgen, z. B. Ehe- und Geschäftsverträgen, adäquat angewendet. Bis heute bestehen jüdische Namen aus dem Vornamen und dem Vornamen des Vaters, wobei ein ben („Sohn von“) bzw. bat („Tochter von“) dazwischengeschoben wird. Im religiösen Bereich wird der Name besonders zu rituellen Zwecken benutzt, so bei Jungen erstmals bei der Beschneidung sowie bei der Bar Mitzwa anlässlich des Aufrufs zur Toralesung. In der Regel steht dieser Name auch auf dem Grabstein eines Juden.

Es gab viele Ausnahmen von dieser Regel. Am wichtigsten war der Brauch, eine rabbinische Dynastie mit einem – meist vom Herkunftsort des Gründers abgeleiteten – Familiennamen zu bezeichnen, z. B. von Katzenelnbogen (damals in Hessen) oder Emden. Diese Nachnamen dienten teils als Familiennamen, teils sozusagen als Markennamen. Schwiegersöhne, die Rabbiner wurden, erbten oft den Namen, und Söhne, die nicht Rabbiner wurden, trugen ihn meistens nicht.

Die Sippen- oder Stammnamen Kohen und Levi (mit vielen Varianten) wurden von Vater auf Sohn weitergetragen und erschienen in fast allen jüdischen Urkunden, Grabsteinen usw., wenn ein dort erwähnter Mann (oder der Vater oder Ehemann einer Frau) dem Stamm zugehörte. In den absolutistisch regierten Staaten Mitteleuropas wurde Ende des 18. Jahrhunderts damit begonnen, jüdische Bewohner als Bedingung für erweiterte Bürgerrechte zur Annahme eines unveränderbaren Familiennamens zu zwingen. Zuerst geschah dies 1787 in den Habsburgischen Erbländern, es folgten weitere Staaten und Städte. Nach und nach führten dann alle Staaten Europas ähnliche Regelungen ein.

Die aschkenasischen Juden konnten ihre neuen Namen nicht immer frei wählen. So kam es in vereinzelten Fällen zu erniedrigenden oder beleidigenden Nachnamen (Trinker, Bettelarm, Maulwurf), die allerdings später meist wieder geändert werden durften. Aber die österreichischen und französischen Gesetze ließen keine neuen Namen zu, die den jüdischen Hintergrund des Trägers deutlich herausstellten (z. B. Namen aus dem Alten Testament oder alttestamentliche Städtenamen). Die jüdischen sollten sich von deutschen Familiennamen möglichst nicht unterscheiden, um die Integration der Juden zu fördern, die in dieser Zeit zunächst meist beschränkte und später dann auch volle Bürgerrechte erhielten.

Literatur

  • Encyclopaedia Judaica: Ashkenaz. 2. Band, 2. Auflage. Macmillan Reference, Detroit 2007, S. 569–571.
  • Vorlage:GRA.

Einzelnachweise

  1. Frank Kolb: Rom. Die Geschichte der Stadt in der Antike. Beck, München 2002, ISBN 3-406-46988-4, S. 622 f.
  2. Ingke Brodersen: Judentum: Eine Einführung. 2012, ISBN 978-3-10-400897-4, S. 40.
  3. Michael Brenner: Kleine jüdische Geschichte. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57668-3, S. 103.
  4. Michael Brenner: Kleine jüdische Geschichte. München 2008, S. 101.
  5. Susanne Galley: Das Judentum. Campus, 2006, ISBN 3-593-37977-5, S. 99 f.
  6. Ingo Way: Genetik: Rheinland oder Kaukasus? In: Jüdische Allgemeine. 24. Januar 2013.
  7. Michael Brenner: Kleine jüdische Geschichte. München 2008, S. 102.
  8. Ivan G. Marcus: Ashkenaz (Yivo Encyclopedia of Jews in Eastern Europe)
  9. Theologische Realenzyklopädie Band 7 (Chassidismus), S. 706–708.
  10. S. 508–512.
  11. Marion Aptroot, Roland Gruschka: Jiddisch: Geschichte und Kultur einer Weltsprache. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-52791-3, S. 33–35. und 173
  12. Haim Hillel Ben-Sasson, Michael Brenner, Shmuel Ettinger, Abraham Malamat: Geschichte des jüdischen Volkes: Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55918-1, S. 903.
  13. Haim Hillel Ben-Sasson, Michael Brenner, Shmuel Ettinger, Abraham Malamat: Geschichte des jüdischen Volkes. München 2007, S. 895 f.
  14. Haim Hillel Ben-Sasson, Michael Brenner, Shmuel Ettinger, Abraham Malamat: Geschichte des jüdischen Volkes. München 2007, S. 951–953.
  15. Hebrew University Genetic Resource (HUGR): Ashkenazi Jews. In: The Hebrew University of Jerusalem (Projektseite).
  16. Georg Herlitz, Bruno Krischner (Hrsg.): Jüdisches Lexikon. Ein enzyklopädisches Handbuch des jüdischen Wissens in vier Bänden. Nachdruck der 1. Auflage. Athenäum Verlag, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-610-00400-2 (Bd. 1: „A–C“), S. 497.