Schweizer Parlamentswahlen 1914

1911Gesamterneuerungswahlen
des Nationalrats 1914
1917
Wahlbeteiligung: 46,4 %
 %
60
50
40
30
20
10
0
56,1
21,1
10,1
7,4
2,7
2,6
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu
 %p
   8
   6
   4
   2
   0
  −2
  −4
  −6
  −8
−10
+6,6
+2,0
−9,9
+0,6
−0,4
+1,1
Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Anmerkungen
Anmerkungen:
b 1911: KK
d 1911: LM

Die Schweizer Parlamentswahlen 1914 fanden am 25. Oktober 1914 statt. Zur Wahl standen 189 Sitze des Nationalrates. Die Wahlen wurden nach dem Majorzwahlrecht vorgenommen, wobei das Land in 49 unterschiedlich grosse Nationalratswahlkreise unterteilt war. Wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs verzichteten die Parteien weitgehend auf einen Wahlkampf und es kam nur zu wenigen Verschiebungen. Das neu gewählte Parlament trat in der 23. Legislaturperiode erstmals am 7. Dezember 1914 zusammen.

Wahlkampf

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 28. Juli 1914 und auftretende Probleme bei der Mobilmachung führten zu Überlegungen, die Wahlen zu verschieben. Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken sah der Bundesrat aber davon ab. Daraufhin versuchten die Parteien, die Wahlen möglichst ohne vorherige Kampagnen durchzuführen. Nur die Liberale Partei der Schweiz, die 1913 aus der Fraktion der liberalen Mitte hervorgegangen war, hielt sich nicht an diese Abmachung eines «Burgfriedens», da ihr im Kanton Genf keine Konzessionen gemacht worden waren. Eine Konkurrenzsituation gab es sonst nur in den Kantonen Uri und Thurgau, wo jeweils eine Bankenpleite für politische Aufregung sorgte, sowie in den Kantonen Basel-Landschaft und Waadt. Drei Jahre früher als in der übrigen Schweiz begann im Thurgau der Freisinn in rivalisierende Gruppen auseinanderzubrechen (Landwirtschaft, Gewerbe, Jungfreisinnige, bisheriger «Alt-Freisinn»).[1]

Während der 22. Legislaturperiode hatte es aufgrund von Vakanzen 24 Ersatzwahlen in 13 Wahlkreisen gegeben, bei denen die Sozialdemokraten um fünf Sitze zulegen konnten (vor allem auf Kosten der Freisinnigen). 1914 gab es insgesamt 55 Wahlgänge (einen mehr als drei Jahre zuvor). In 43 von 49 Wahlkreisen waren die Wahlen bereits nach dem ersten Wahlgang entschieden. Nur in vier Wahlkreisen traten mehr Kandidaten an, als Sitze zu vergeben waren, was den fast komplett fehlenden Wahlkampf zusätzlich unterstreicht. Mit dem letzten Wahlgang am 8. November 1914 war der Nationalrat komplett. Die Wahlbeteiligung sank gegenüber 1911 um 6,3 Prozentpunkte. Den höchsten Wert wies der Kanton Aargau auf, wo 85,9 % ihre Stimme abgaben. Über 80 % Beteiligung verzeichnete sonst nur der Kanton Uri. Am tiefsten war die Beteiligung im Kanton Zug, wo nur 21,2 % an den Wahlen teilnahmen. Die meisten Sitzverschiebungen waren bereits vor 1914 bei Ersatzwahlen erfolgt, am eigentlichen Wahltag ergaben sich nur geringe Änderungen. Dass die Sozialdemokraten trotz insgesamt drei Sitzgewinnen gegenüber 1911 fast zehn Prozent Wähleranteil einbüssten, ist einzig darauf zurückzuführen, dass sie auf alle aussichtslosen Kandidaturen verzichtete. Der Sitz der aufgelösten Aargauer Rheinkreispartei fiel an die FDP zurück. Die Demokratisch-volkswirtschaftliche Vereinigung, eine FDP-Abspaltung im Kanton Basel-Landschaft, konnte einen Sitz erringen, ebenso ein unabhängiger Bauernkandidat im Kanton Thurgau.

Ergebnis der Nationalratswahlen

Gesamtergebnis

Von 851'377 volljährigen männlichen Wahlberechtigten nahmen 395'431 an den Wahlen teil, was einer Wahlbeteiligung von 46,4 % entspricht.[2]

Die 189 Sitze im Nationalrat verteilten sich wie folgt:[3][4]

18
4
112
1
16
1
37
18 112 16 37 
Insgesamt 189 Sitze
  • SP: 18
  • DL: 4
  • FDP: 112
  • DVV: 1
  • LPS: 16
  • unabh.: 1
  • KVP: 37
ParteiSitze
1911
vor Auf-
lösung
Sitze
1914
+/−Wähler-
anteil
+/−
FDP115110112−356,1 %+6,6 %
KVP383837−121,1 %+2,0 %
SP151918+310,1 %−9,9 %
LPS141416+207,4 %+0,6 %
DL664−202,7 %−0,4 %
kl. Parteien*122+102,0 %+1,1 %
Diverse00,6 %

* 1 Sitz für DVV, 1 Sitz für Unabhängigen

Ergebnisse in den Kantonen

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Verteilung der errungenen Sitze auf die Kantone.[5][6]

KantonSitze
total
Wahl-
kreise
Betei-
ligung
FDPKVPSPLPSDLDVVunabh.RP
Kanton Aargau Aargau12485,9 %9+13−1
Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden3167,3 %21
Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell Innerrhoden1171,2 %1
Kanton Basel-Landschaft Basel-Landschaft4147,0 %3−11+1
Kanton Basel-Stadt Basel-Stadt7129,4 %2−13+12
Kanton Bern Bern32729,1 %24−124+12
Kanton Freiburg Freiburg7235,7 %25
Kanton Genf Genf8152,9 %3−2113+2
Kanton Glarus Glarus2157,0 %1+11−1
Kanton Graubünden Graubünden6147,3 %411
Kanton Luzern Luzern8331,4 %35
Kanton Neuenburg Neuenburg7152,3 %4−12+11
Kanton Nidwalden Nidwalden1127,8 %1
Kanton Obwalden Obwalden1130,7 %1
Kanton Schaffhausen Schaffhausen2178,7 %2
Kanton Schwyz Schwyz3122,7 %12
Kanton Solothurn Solothurn6131,9 %411
Kanton St. Gallen St. Gallen15570,1 %762
Kanton Tessin Tessin8229,5 %521
Kanton Thurgau Thurgau7178,8 %4−1111+1
Kanton Uri Uri1182,4 %1+1−1
Kanton Waadt Waadt16337,2 %11−15+1
Kanton Wallis Wallis6244,9 %15
Kanton Zug Zug1121,2 %1
Kanton Zürich Zürich25551,2 %18+161−1
Schweiz1894946,4 %112−337−118+316+24−21+11+1−1

Ständerat

Die Wahlberechtigten konnten die Mitglieder des Ständerates in 18 Kantonen selbst bestimmen: In den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Genf, Graubünden, Luzern, Schwyz, Solothurn, Tessin, Thurgau, Zug und Zürich an der Wahlurne, in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Glarus, Nidwalden, Obwalden und Uri an der Landsgemeinde. In allen anderen Kantonen erfolgte die Wahl indirekt durch die jeweiligen Kantonsparlamente. In vielen Kantonen fanden die Ständeratswahlen damals zudem nicht gleichzeitig mit den Nationalratswahlen statt.

Sitzverteilung

Die Sitzverteilung im Ständerat sah wie folgt aus:

1
1
24
2
16
24 16 
Insgesamt 44 Sitze
ParteiWahlen 1914Wahlen 1911
FDP2425
KVP1616
LPS211
DP11
SP11
1 
Fraktion der Liberalen Mitte

Gewählte Ständeräte

Kanton1. Ständeratssitz2. Ständeratssitz
Kanton Aargau AargauPeter Emil Isler, FDPGottfried Keller, FDP
Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell AusserrhodenJohannes Baumann, FDPnur 1 Sitz
Kanton Appenzell Innerrhoden Appenzell InnerrhodenJohann Baptist Edmund Dähler, KVPnur 1 Sitz
Kanton Basel-Landschaft Basel-LandschaftGustav Schneider, FDPnur 1 Sitz
Kanton Basel-Stadt Basel-StadtPaul Scherrer, FDPnur 1 Sitz
Kanton Bern BernGottfried Kunz, FDPAdolf von Steiger, FDP
Kanton Freiburg FreiburgGeorges Python, KVPErnest de Weck, KVP
Kanton Genf GenfAdrien Lachenal, FDPJacques Rutty, LPS
Kanton Glarus GlarusDavid Legler, DPPhilippe Mercier, FDP
Kanton Graubünden GraubündenAndreas Laelys, FDPFriedrich Brügger, KVP
Kanton Luzern LuzernJosef Dürig, KVPJosef Winiger, KVP
Kanton Neuenburg NeuenburgAuguste Pettavel, FDPPaul Robert-Tissot, LPS
Kanton Nidwalden NidwaldenJakob Konstantin Wyrsch, KVPnur 1 Sitz
Kanton Obwalden ObwaldenAdalbert Wirz, KVPnur 1 Sitz
Kanton Schaffhausen SchaffhausenAlbert Ammann, FDPHeinrich Bolli, FDP
Kanton Schwyz SchwyzMartin Ochsner, KVPJosef Maria Schuler, KVP
Kanton Solothurn SolothurnCasimir von Arx, FDPOskar Munzinger, FDP
Kanton St. Gallen St. GallenJohannes Geel, FDPHeinrich Scherrer, SP
Kanton Tessin TessinStefano Gabuzzi, FDPAdolfo Soldini, FDP
Kanton Thurgau ThurgauJohann Georg Leumann, FDPAlbert Böhi, FDP
Kanton Uri UriFlorian Lusser, KVPFranz Muheim, KVP
Kanton Waadt WaadtAdrien Thélin, FDPHenri Simon, FDP
Kanton Wallis WallisJoseph Ribordy, KVPHeinrich von Roten, KVP
Kanton Zug ZugJosef Andermatt, KVPJosef Hildebrand, KVP
Kanton Zürich ZürichOskar Wettstein, FDPPaul Usteri, FDP

Literatur

  • Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 1, erster Teil. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1442-9.
  • Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 1, zweiter Teil. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1443-7.
  • Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 2. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1444-5 (Anmerkungen).
  • Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 3. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1445-3 (Tabellen, Grafiken, Karten).

Einzelnachweise

  1. Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 1, zweiter Teil, S. 784–785.
  2. Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 3, S. 369.
  3. Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 1, zweiter Teil, S. 786.
  4. Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 3, S. 485.
  5. Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 3, S. 313–323
  6. Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 3, S. 367.