Mohn

Mohn

Schlafmohn (Papaver somniferum), (Typusart), Illustration

Systematik
Klasse: Bedecktsamer (Magnoliopsida)
Eudikotyledonen
Ordnung: Hahnenfußartige (Ranunculales)
Familie: Mohngewächse (Papaveraceae)
Unterfamilie: Papaveroideae
Gattung: Mohn
Wissenschaftlicher Name
Papaver
L.

Mohn (Papaver) ist eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Mohngewächse (Papaveraceae). Die weltweit 50 bis 120 Arten gedeihen hauptsächlich in den gemäßigten Gebieten der Nordhalbkugel.[1][2][3] Nur eine Art kommt auf der Südhalbkugel in Südafrika vor. Einige Mohnarten werden vielseitig genutzt, beispielsweise wegen der enthaltenen Wirkstoffe, und zählen zu den ältesten Heilpflanzen.

Beschreibung

Klatschmohn-Blüte unmittelbar nach ihrer Entfaltung noch mit den zwei behaarten Kelchblättern
Die vielen Staubblätter und der Fruchtknoten des Alpen-Mohns (Papaver alpinum subsp. alpinum)

Vegetative Merkmale

Mohn-Arten sind ein-, zwei-, mehrjährige (selten monokarpisch) oder ausdauernde krautige Pflanzen. Die Pflanzenteile führen einen weißen oder gelben Milchsaft, der giftige Alkaloide enthält. Die aufsteigenden bis aufrechten Stängel sind meist borstig behaart, selten kahl. Sie können verzweigt oder unverzweigt beblättert oder unbeblättert sein.

Die wechselständig, spiralig am Stängel verteilt oder in einer basalen Rosette angeordneten Laubblätter sind gestielt bis ungestielt. Die Blattspreite kann geteilt oder einfach sein. Die Blattränder sind selten kahl, meist gebuchtet oder gesägt. Nebenblätter fehlen.[1][2][3]

Generative Merkmale

Die Blüten stehen meist einzeln oder selten in traubigen zymösen Blütenständen. Wenn Blütenstandschäfte vorhanden sind, dann sind sie meist borstig behaart. Meist sind die eiförmigen bis kugeligen Blütenknospen vor dem Aufblühen herabhängend und die Kronblätter in „geknitterter“ Knospenlage. Die zwittrigen Blüten sind radiärsymmetrisch mit einer doppelten Blütenhülle. Die zwei (selten drei) freien meist borstig behaarten Kelchblätter fallen beim Öffnen der Blüte ab. Die Farbe der vier (selten fünf oder sechs) Kronblätter variiert je nach Art von meist rot, orangerot bis gelb, selten weiß oder lavendelfarben. Die vielen (50 bis 100) freien, fertilen Staubblätter werden zentripetal gebildet. Die Staubfäden sind weiß, gelb, grün, purpurfarben bis rot oder manchmal schwärzlich. Die Staubbeutel sind länglich bis kugelförmig. Vier bis 24 Fruchtblätter sind zu einem oberständigen, einkammerigen Fruchtknoten verwachsen, der borstig behaart oder kahl und meist eiförmig ist. Es sind viele Samenanlagen vorhanden. Es sind gleich viele Narben wie Fruchtblätter vorhanden. Diese sitzen direkt auf dem Fruchtknoten und bilden eine „Narbenscheibe“; Griffel fehlen. Die Ränder des Diskus sind gebuchtet oder geteilt.

Kapsel des Schlafmohns (Papaver somniferum) mit Milchsaft
Mohnkapseln im Wappen von Wahlheim
Morphin – ein Opiat
Samen vom Schlafmohn (Papaver somniferum) unter dem Stereomikroskop (Skala in mm)

Die borstig behaarten oder kahlen, selten stacheligen, harten, offenen oder geschlossenen Kapselfrüchte enthalten viele Samenkörner. Dabei handelt es sich um so genannte Porenkapseln, eine in nur wenigen Pflanzengattungen verbreiteten Form der Kapselfrüchte. Diese dienen einer semachoren Verbreitung: Neigt sich der Stängel – manche Arten unterstützen das, indem der Stängel mit einem Knick abtrocknet – durch Wind oder Berührung, fallen die Samen aus den Poren wie aus einem Salzstreuer. Die ölhaltigen Samen (früher Magsamen genannt[4]) sind schwarz, braun, dunkelgrau oder weiß, klein und nierenförmig.

Die Chromosomengrundzahl beträgt x = 7.[2]

Ökologie

Die Bestäubung erfolgt durch Insekten (Entomophilie).[5]

Systematik, botanische Geschichte und Verbreitung

In der Antike unterschieden die Römer und Gallier verschiedene „Arten“ von Mohn bzw. papaver. „Weißer Mohn“ und „Schwarzer Mohn“ wurden kultiviert, „Roter Mohn“ wuchs in bepflanzten Gegenden wild, ebenso Klatschmohn (Papaver rhoeas). Zudem wurden, ebenfalls wildwachsend, „Gehörnter Mohn“ (genannt auch Glaukion und Paralion, welcher heute zu den Glaucium-Arten gezählt wird) und zwei weitere wilde Mohnarten (Heraclion oder Aphron, woraus diacode und arteriaque zubereitet wurde, und Tithymale, genannt auch Mêcon oder „Seemohn“) unterschieden.[6]

Taxonomie

Die Gattung Papaver wurde durch Carl von Linné 1753 in Species Plantarum, Tomus I, S. 508[7] und 1754 in Genera Plantarum, 5. Auflage S. 224 aufgestellt. Als Lectotypus wurde 1913 von Nathaniel Lord Britton und Addison Brown in An illustrated flora of the northern United States, Canada and the British possessions, zweite Auflage, Band 2, S. 136 Papaver somniferum L. festgelegt.

Äußere Systematik

Die Gattung Papaver gehört zur Tribus Papavereae in der Unterfamilie der Papaveroideae innerhalb der Familie der Papaveraceae.[8]

Botanische Geschichte

Beispielsweise bei Kiger 1973[9] sowie 1985[10] wurde die Gattung Papaver in mehrere Sektionen gegliedert.

Bei 1988[11] wurde die Gattung Papaver in elf Sektionen gegliedert:[8]

  • Sektion Argemonidium Spach (Syn: Sektion Argemonorhoeades Fedde)
  • Sektion Californica Kadereit
  • Sektion Carinata
  • Sektion Horrida Elkan
  • Sektion Macrantha Elkan
  • Sektion Meconella Spach
  • Sektion Meconidium Spach
  • Sektion Papaver
  • Sektion Pilosa Prantl
  • Sektion Pseudopilosa Popov ex K.-F.Günther
  • Sektion Rhoeadium Spach

Bei Kadereit 1997 ist die Gliederung anders und dort wird diskutiert ob Papaver s. l. monophyletisch ist.[12] Bei Carolan 2006 wird herausgearbeitet, dass Papaver s. l. nicht monophyletisch ist.[13] Diese Verwandtschaftsgruppe wird kontrovers diskutiert.

Arten und ihre Verbreitung

Es gibt 50 bis 120 Papaver-Arten, hauptsächlich in den gemäßigten Gebieten Mittel- und Südeuropas und Asiens, außerdem in der Neuen Welt, in Ozeanien, Australien, im nördlichen Afrika und nur eine Art in Südafrika.[1][3][2][8] Hier eine Auswahl:

Nicht-Papaver

Je nach Autor gehören viele Arten nicht zu Papaver s. str. (Auswahl):

Opiate

Schlafmohnsamen an sich enthalten keine Opiate, allerdings können ihnen je nach Erntemethode Rückstände des opiathaltigen Milchsaftes der Samenkapseln anhaften. Daher wurde der Verzehr von mohnsamenhaltigen Nahrungsmitteln in deutschen Gefängnissen untersagt, da dieser bei Urinproben auf Opiate zu positiven Resultaten führen kann und nicht unterschieden werden kann, ob die Alkaloide durch Rauschgiftkonsum oder den Verzehr der genannten Nahrungsmittel aufgenommen wurden.[17]

In Deutschland sind nur zwei Sorten („Zeno morphex“ und „Mieszko“) mit einem sehr niedrigen Morphingehalt zum Anbau zugelassen.[18][19] In Österreich ist der Anbau von Schlafmohn legal und blickt auf eine jahrhundertelange Tradition zurück. Bekannt ist der Waldviertler Grau- und Blaumohn, der sich in vielen Rezepten der österreichischen Mehlspeisküche, aber auch in unzähligen Regalen von Lebensmittelmärkten wiederfindet.[20] Es wird heute aber auch verstärkt Mohn aus anderen Ländern im Handel angeboten, dessen Morphingehalt aufgrund zum Beispiel unsauberer Erntemethoden mit Belassung von Restanteilen an Opium stark erhöht sein kann. Aus diesem Grund sollte auf Verwendung von Mohn in Babynahrung verzichtet werden. Bei Mohnkuchen und Mohnbrötchen können die Opiate durch die Erhitzung im Ofen wirkungslos gemacht werden.[21]

Symbolik

Mohnfeld (Heinrich Assmann, 1914)

Mohn gilt als Nationalblume der Republik Polen. Unter anderem ist daher auch die Sorte Mieszko nach dem gleichnamigen polnischen Fürsten Mieszko I. aus dem 10. Jahrhundert benannt.

Im kollektiven Gedächtnis der Briten ist der Mohn mit den vier Flandernschlachten des Ersten Weltkriegs verbunden. Er dekoriert in Form künstlicher Abbildungen entsprechend die beiden nationalen Grabmäler des unbekannten Soldaten. Wegen der Darstellung brennenden Mohns im Internet ist am 11. November 2012 im Vereinigten Königreich ein 19-jähriger Mann festgenommen worden.[22] In einem anderen Fall wurde ein Mann, der öffentlich Plastiknachbildungen von Mohn verbrannte, zu einer Geldbuße verurteilt.[23]

In den Mysterien von Eleusis wurde der Mohn als Symbol der Erde, des Schlafens und des Vergessens zu Ehren der Göttin Demeter eingesetzt.[24]

Literatur

  • Mingli Zhang, Christopher Grey-Wilson: In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven & Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China, Volume 7 – Menispermaceae through Capparaceae, Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis, 2008, ISBN 978-1-930723-81-8. Papaver Linnaeus., S. 278 - textgleich online wie gedrucktes Werk. (Abschnitt Beschreibung)
  • Robert W. Kiger, David F. Murray: In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico, Volume 3 – Magnoliidae and Hamamelidae, Oxford University Press, New York und Oxford, 1997, ISBN 0-19-511246-6. Papaver Linnaeus. - textgleich online wie gedrucktes Werk. (Abschnitt Beschreibung)
  • J. C. Carolan, I. L. Hook, M. W. Chase, J. W. Kadereit, T. R. Hodkinson: Phylogenetics of Papaver and Related Genera Based on DNA Sequences from ITS Nuclear Ribosomal DNA and Plastid trnL Intron and trnL–F Intergenic Spacers. In: Annals of Botany. Volume 98, Nr. 1, 2006, S. 141–155. Volltext online.
  • Datenblatt bei Western Australian Flora.
  • Eckehart J. Jäger, Friedrich Ebel, Peter Hanelt, Gerd K. Müller: Exkursionsflora von Deutschland. Band 5: Krautige Zier- und Nutzpflanzen. Spektrum Akademischer Verlag. Berlin/ Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-0918-8.
  • Walter Hartmann: Der Mohn, seine Kultur, Geschichte und geographische Verbreitung, sowie Art und Ausdehnung des Opiumgenusses. Jena 1915.
  • Peter Goldblatt: Biosystematic studies in papaver section oxytona. In: Annals of the Missouri Botanical Garden. Band 61, 1974, S. 264–296.
  • Joachim W. Kadereit, Andrea E. Schwarzbach, Kirstin B. Jork: The phylogeny of Papaver s.l. (Papaveraceae): polyphyly or monophyly? In: Plant Systematics and Evolution, Volume 204, Issue 1–2, 1997, S. 75–98|url=http://blue.utb.edu/aschwarzbach/publications/PapaveraceaeMonoPoly.pdf JSTOR:23642927
  • James C. Carolan, Ingrid L. I. Hook, Mark W. Chase, Joachim W. Kadereit, Trevor R. Hodkinson: Phylogenetics of Papaver and related genera based on DNA sequences from ITS nuclear ribosomal DNA and plastid trnL intron and trnL–F intergenic spacers. In: Annals of Botany, Volume 98, Issue 1, 2006, S. 141–155. DOI:10.1093/aob/mcl079
  • T. E. Díaz González: Papaver, S. 407–417. In: Flora Ibérica, RJB/CSIC, Madrid. XXXVIII.: PAPAVERACEAE PDF.
  • Zahra Tavakkoli, Mostafa Assadi: Evaluation of seed and leaf epidermis characters in the taxonomy of some annual species of the genus Papaver (Papaveraceae). In: Nordic Journal of Botany, Volume 34, Mai 2016. DOI:10.1111/njb.00833
  • M. V. Aghababyan: A revision of Papaver sect. Argemonidium Spach (Papaveraceae). In: Takhtajania, Volume 1, 2011, S. 38–42. PDF.

Einzelnachweise

  1. a b c Mingli Zhang, Christopher Grey-Wilson: In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven & Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China, Volume 7: Menispermaceae through Capparaceae, Science Press und Missouri Botanical Garden Press, Beijing und St. Louis, 2008, ISBN 978-1-930723-81-8. Papaver Linnaeus., S. 278 - textgleich online wie gedrucktes Werk.
  2. a b c d e f g h i Robert William Kiger, David F. Murray: In: Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico, Volume 3: Magnoliidae and Hamamelidae, Oxford University Press, New York und Oxford, 1997, ISBN 0-19-511246-6. Papaver Linnaeus. - textgleich online wie gedrucktes Werk.
  3. a b c Papaver bei Tropicos.org. In: Flora of Pakistan. Missouri Botanical Garden, St. Louis
  4. William Turner, James Britten: The names of herbes (A D 1548). London 1881. (Neudruck: Vaduz 1965, S. 59)
  5. Mohn. Abgerufen am 15. September 2023.
  6. D. Chabard (Hrsg.): Medizin im gallisch-römischen Altertum. La médecine dans l’antiquité romaine et gauloise. Exposition par le Museum d’histoire naturelle et le Musée Rolin dans le cadre du Bimillénaire de la Ville d’Autun. Musée d’Histoire Nauturelle, Ville d’Autun 1985 / Stadt Ingelheim/Rhein 1986, S. 26 (Die verschiedenen Mohnbenennungen und seine Extrakte).
  7. Carl von Linné: Species Plantarum, Tomus I, 1753, S. 508Erstveröffentlichung eingescannt bei biodiversitylibrary.org.
  8. a b c Papaver im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am November 2010.
  9. Robert W. Kiger: Sectional nomenclature in Papaver L. In: Taxon., Volume 22, Issue 5/6, 1973, S. 579–582. doi:10.2307/1218633 JSTOR:1218633
  10. Robert W. Kiger: Revised sectional nomenclature in Papaver L. In: Taxon, Volume 34, Issue 1, 1985, S. 150–152. doi:10.2307/1221582 JSTOR:1221582
  11. Joachim W. Kadereit: Sectional affinities and geographical distribution in the genus Papaver L. (Papaveraceae). In: Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Band 63, 1988, S. 139–156.
  12. Joachim W. Kadereit, A. E. Schwarzbach, K. B. Jork: The phylogeny of Papaver s.l. (Papaveraceae): polyphyly or monophyly? In: Plant Systematics and Evolution. Volume 204, 1–2, 1997, S. 75–98. doi:10.1007/BF00982533
  13. James C. Carolan, Ingrid L. I. Hook, Mark W. Chase, Joachim W. Kadereit, Trevor R. Hodkinson: Phylogenetics of Papaver and related genera based on DNA sequences from ITS nuclear ribosomal DNA and plastid trnL intron and trnL–F intergenic spacers. In: Annals of Botany., Volume 98, Issue 1, 2006, S. 141–155. doi:10.1093/aob/mcl079
  14. a b c d e f g h i Walter Erhardt, Erich Götz, Nils Bödeker, Siegmund Seybold: Der große Zander. Enzyklopädie der Pflanzennamen. Band 2, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8001-5406-7.
  15. a b c d Jaakko Jalas, Juha Suominen: Atlas Florae Europaeae. Band 9: Paeoniaceae to Capparaceae, Helsinki 1991, S. 41–53.
  16. P. P. Ferrer-Gallego: Lectotypification of Papaver cambricum L. (Papaveraceae). In: Candollea, Volume 7, 2015, S. 207–210. DOI:10.15553/c2015v702a5
  17. Gericht: Keine Mohnbrötchen für Strafgefangene. 28. August 2003. (123recht.net (Memento vom 23. Februar 2006 im Internet Archive))
  18. Zeno-Projekte: members.aon.at. Aufgerufen: 18. Januar 2008.
  19. Blaumohn (Papaver somniferum). (Memento vom 15. November 2008 im Internet Archive) In: DSV Deutsche Saatveredelung. Aufgerufen am 18. Januar 2008.
  20. Waldviertler Grau-Blaumohn (deutsch).
  21. Morphin in Mohnsaat und Mohnkuchen – Ein Risiko für den Verbraucher? Archiviert vom Original am 1. August 2012; abgerufen im Jahr 2011.
  22. Man due to be interviewed in connection with Facebook posting. Man from Aylesham arrested. (Memento vom 8. März 2013 im Internet Archive)
  23. Kent man arrested after picture of burning poppy posted on internet. In: The Guardian, 2012.
  24. Udo Becker: Lexikon der Symbole. Nikol Verlag, Hamburg 2012, ISBN 978-3-86820-139-0, S. 193.
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Wiktionary: Mohn – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen