Karl von Stengel (Jurist)

Karl von Stengel (Jurist)

Karl Michael Joseph Leopold Freiherr von Stengel (* 26. Juni 1840 in Peulendorf bei Bamberg; † 6. April 1930 in Freising) war ein deutscher Richter und Rechtswissenschaftler. Er war der erste preußische Professor auf einem alleinigen Lehrstuhl für Verwaltungsrecht.

Leben

Freiherr von Stengel wurde 1840 als Sohn des Försters Franz Freiherr von Stengel (* 1808; † 1860) und dessen Frau Friederike Frank (* 1816; † 1879)[1] in Peulendorf[2] geboren. Er studierte von 1859 bis 1863[3] Rechts- und Staatswissenschaften[4] an der Universität München und legte das Assessorexamen[2] ab. 1870 begann er im Bayerischen Justizministerium.[4] Danach wurde er Landgerichtsrat im Reichsland Elsaß-Lothringen[2] (Mühlhausen 1871 und Straßburg 1879).[4]

1881 wurde ihm aufgrund seiner umfangreichen Publikationen zum preußischen Verwaltungs- und Bodenrecht[4] die Doktorwürde verliehen und er an der Universität Breslau nach der Einführung des Lehrfachs (1881) zum ersten preußischen Ordinarius für nur Verwaltungsrecht berufen.[5] Er lehrte Verwaltungs-, Staats- und Kirchenrecht sowie Rechtsphilosophie; außerdem setzte er sich mit dem Kolonialrecht auseinander.[6] 1890 wurde er als Nachfolger von Joseph von Held an die Universität Würzburg berufen, wo er allgemeines, deutsches und bayerisches Staatsrecht, Rechtsphilosophie und Völkerrecht[7] lehrte; sein Nachfolger[6] war Robert Piloty. Ab 1895 war er Professor für Staats- und Kirchenrecht[2] an der Landesuniversität in München, wo er bis zu seinem Tode 1930 unterrichtete.[6]

1899 war er Deutscher Vertreter auf der Haager Friedenskonferenz. Er war Mitglied der Deutschen Kolonialgesellschaft, des Deutschen Flottenvereins und des Institut International Colonial. 1906 wurde er von Reichskanzler Bernhard von Bülow als Sachverständiger in die Untersuchungskommission zur Tätigkeit der Bergwerksgesellschaften in Südwestafrika berufen.[2]

Sein 1890/97 herausgegebenes Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts avancierte zu einem Standardwerk.[8]

Er war verheiratet seit 1871 mit Caroline Ott aus München. Das Ehepaar hatte eine Tochter Hedwig und zwei Söhne. Der jüngere Sohn Heinrich war 1905 kgl. bayr. Leutnant in Würzburg[9] und starb als Offizier höchstwahrscheinlich während des Maji-Maji-Aufstands in Deutsch-Ostafrika; Sohn Hermann trat in den Dienst des Auswärtigen Amtes ein,[2] war u. a. Gesandter in Bolivien.[10] Karl Freiherr von Stengel hatte des Weiteren die Schwester Katharina, die den Fabrikanten Hermann Escherich aus Schwandorf ehelichte, und sein Bruder Heinrich gründete auch eine Familie und wurde Mineralwerkbesitzer in Regensburg.

Schriften (Auswahl)

Nachfolgend eine Auswahl von Schriften (ohne Vorträge):

  • Die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte nach dem Preussischen Zuständigkeitsgesetze vom 1. August 1883 (zgest., 1884)
  • Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts (1886)
  • Die staats- und völkerrechtliche Stellung der deutschen „Kolonien“ und ihre zukünftige Verfassung (1886)
  • Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts (5 Bd. 1890/97; 2. Aufl. 1911/14, 3 Bd.: Wörterbuch des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, hrsg. mit Max Fleischmann)
  • Das Staatsrecht des Königreichs Preussen (1894)
  • Deutsche Kolonialpolitik (1899; 2. Aufl. 1900)
  • Rechtsencyclopädie zum Gebrauche für Forstmänner (1900)
  • Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete (1901)
  • Der Kongostaat (1903)
  • Quellensammlung zum Verwaltungsrecht des Deutschen Reiches (zsgest., 1907)
  • Weltstaat und Friedensproblem (1909)
  • Zur Frage der wirtschaftlichen und zollpolitischen Einigung von Deutschland und Oesterreich-Ungarn (1915)

Literatur

Einzelnachweise

  1. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser 1893. In: GGT. 43. Auflage. Stengel, Stammreihe. I. Linie in Bayern. Justus Perthes, Gotha 1892, S. 908 (google.de).
  2. a b c d e f Marc Grohmann: Exotische Verfassung. Die Kompetenzen des Reichstags für die deutschen Kolonien in Gesetzgebung und Staatsrechtswissenschaft des Kaiserreichs (1884–1914) (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Bd. 30). Mohr Siebeck, Tübingen 2001, ISBN 3-16-147532-1, S. 96.
  3. Walther Killy et al. (Hrsg.): Dictionary of German Biography. Vol 9: Schmidt – Theyer. K.G. Saur, München 2005, ISBN 3-598-23299-3, S. 521.
  4. a b c d Andreas Röpke: Die Würzburger Juristenfakultät von 1815 bis 1914. Rechtsstudium und Rechtslehre in Würzburg zwischen Restauration und Erstem Weltkrieg (= Würzburger rechtswissenschaftliche Schriften. Bd. 27). Ergon Verlag, Würzburg 2001, ISBN 3-935556-77-2, S. 220.
  5. Michael Stolleis: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Band 2: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft, 1800–1914. Beck, München 1992, ISBN 3-406-33061-4, S. 402.
  6. a b c Andreas Röpke: Die Würzburger Juristenfakultät von 1815 bis 1914. Rechtsstudium und Rechtslehre in Würzburg zwischen Restauration und Erstem Weltkrieg (= Würzburger rechtswissenschaftliche Schriften. Bd. 27). Ergon Verlag, Würzburg 2001, ISBN 3-935556-77-2, S. 221.
  7. Andreas Röpke: Die Würzburger Juristenfakultät von 1815 bis 1914. Rechtsstudium und Rechtslehre in Würzburg zwischen Restauration und Erstem Weltkrieg (= Würzburger rechtswissenschaftliche Schriften. Bd. 27). Ergon Verlag, Würzburg 2001, ISBN 3-935556-77-2, S. 281.
  8. Marc Grohmann: Exotische Verfassung. Die Kompetenzen des Reichstags für die deutschen Kolonien in Gesetzgebung und Staatsrechtswissenschaft des Kaiserreichs (1884–1914) (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Band 30). Mohr Siebeck, Tübingen 2001, ISBN 3-16-147532-1, S. 97.
  9. Heinrich Rudolf Leopold Freiherr von Stengel. Geb. 1. August 1876. Kgl. bayr. Leutnant im 9. Inf.- Reg. (Würzburg), in: Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser 1905, Jg. 55, Justus Perthes, Gotha 1904, S. 779.
  10. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser. Ungerader Jahrgang. Alter Adel und Briefadel. 1923. In: GGT. 73. Auflage. Stengel, I. Linie. Justus Perthes, Gotha 1922, S. 611 (archive.org).