Verarbeitungsstufen landwirtschaftlicher Produkte

Verarbeitungsstufen landwirtschaftlicher Produkte sind die bei der Agrarproduktion typischen Verarbeitungsstufen.

Allgemeines

Diese haben insbesondere eine Bedeutung im gewerberechtlichen Sinne und auf dem Agrarmarkt. Die Verarbeitungsstufen unterscheiden sich nach der Bearbeitung, die ein Agrarprodukt erfährt, um Marktreife zu erlangen. Manche Produkte benötigen lediglich eine Verarbeitungsstufe (Ernte), viele müssen noch durch Mahlen, Rösten, Schälen, Trocknen oder Veredeln einer oder mehreren weiteren Verarbeitungsstufen unterzogen werden. Die Nutztierhaltung einschließlich Zucht und Veterinärmedizin ist Kern des Produktionsprozesses bei Nutztieren, zu dem auch die Herstellung von Milch, Käse oder Tierfetten in der zweiten Verarbeitungsstufe gehört. Die Weiterverarbeitung der Nutztiere geschieht durch ihre Schlachtung zu Fleischprodukten.

Schritte der Weiterverarbeitung

Man unterscheidet bei der Weiterverarbeitung drei Verarbeitungsstufen:

  • Urproduktion,
  • Erste Verarbeitungsstufe,
  • Zweite Verarbeitungsstufe.

Die Verarbeitungsstufen beziehen sich auf die Hauptlebensmittelgruppen und lassen sich in folgender Tabelle abbilden:[1]

Verarbeitungsstufen
Agrarprodukt Arbeitsvorbereitung Erste Verarbeitungsstufe Zweite Verarbeitungsstufe
Getreide Dreschen Ernte, Mahlen zu Mehl Brot, Backwaren, Kuchen
Eier Reinigen, Sortieren Kochen, Färben Nudeln, Eierlikör
Obst Pflücken, Reinigen Trocknen, Einlegen Fruchtsaft, Liköre, Konfitüren
Gemüse/Kartoffeln Reinigen Ernten, Einlegen, Konservieren, Schälen Herstellung von Fertiggerichten, Tiefkühlkost
Milch/Milchprodukte Melken der Rohmilch Molkerei zu Milch Butter, Joghurt, Käse, Quark, andere Erzeugnisse mit mindestens
75 % Milchanteil; Kondensmilch, Speiseeis, Milchpulver
Schweine, Schafe, Ziegen, Rinder, Wild Reinigen Schlachten in Hälften; Rinder in Vierteln weitere Zerlegung, Herstellung von Schinken, Schnitzel, Steaks, Wurst usw.
Nebenprodukte der Viehhaltung Reinigen Gerben zu Leder, Spinnen zu Wolle Strickwaren, Kleidung, Lederwaren
Hühner, Enten, Puten, Gänse Reinigen, Rupfen Schlachten und Zerlegen in Hälften weitere Zerlegung und Verarbeitung etwa zu Chicken Wings, Gänseleber

Das Dreschen des Getreides ist noch keine erste Verarbeitungsstufe, aber das Mahlen zu Mehl. Das Melken der Kühe zur Gewinnung von Rohmilch ist noch keine erste Verarbeitungsstufe, aber die Molkerei zu Milch. Die Kelter des Weines ist noch keine erste Verarbeitungsstufe, aber die Gärung zu Wein. Tätigkeiten wie Reinigung, Sortierung, Lagerung, Trocknung oder Verpackung werden in der Regel keine erste Verarbeitung des landwirtschaftlichen Naturprodukts darstellen.[2] Eine erste Verarbeitungsstufe liegt erst dann vor, wenn die Verarbeitung zu einem anderen Zustand des Produkts, wie etwa die Herstellung von Kondensmilch oder Milcherzeugnissen (Butter, Käse usw.) aus Rohmilch, geführt hat. Wann eine erste Verarbeitung vorliegt, muss nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden.[3] Die Schlachtung von Vieh gehört bereits zur ersten Verarbeitungsstufe.[4] Abgrenzungskriterium muss sein, ob die Erstverarbeitung geeignet ist, das Naturprodukt zu verändern oder ob sie nur das Ziel hat, das Produkt „naturrein“ dem Vertrieb mit wirtschaftlichem Zweck zuzuführen. Insoweit wird es wesentlich darauf ankommen, ob das Naturprodukt durch die Erstverarbeitung so beeinflusst wurde, dass dadurch von Natur aus nicht vorhandene Risikofaktoren entstanden sind.[5]

Bis Dezember 2000 waren Agrarprodukte von der Produkthaftung ausgeschlossen, solange sie nicht einer ersten Verarbeitung unterzogen wurden. Agrarprodukte seien produkthaftungsrechtlich erst dann mit Industrieprodukten vergleichbar, wenn sie die erste Verarbeitungsstufe passiert hätten.[6] Agrarprodukte unterliegen jedoch seit Dezember 2000 vollständig der Produkthaftung (§ 2 ProdHaftG), auch weil die Abgrenzung, was eine erste Verarbeitungsstufe bedeutet, nicht immer leicht gefallen ist.

EU-Recht

Die „erste Verarbeitungsstufe“ ist ein Rechtsbegriff im EU-Recht, denn in Art. 38 Abs. 1 AEUV ist vorgesehen, dass unter landwirtschaftlichen Erzeugnissen neben Erzeugnissen des Bodens und der Viehzucht auch die Fischerei sowie die mit diesen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Erzeugnisse der ersten Verarbeitungsstufe zu den Agrarprodukten gehören.

Einzelnachweise

  1. LWK Infoservice: Rechtsbestimmungen in der Direktvermarktung. (PDF) Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, September 2012, S. 2, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. August 2014; abgerufen am 22. Juli 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lwk-rlp.de
  2. BT-Drs. 11/2447 vom 9. Juni 1988, Entwurf eines Gesetzes über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz — ProdHaftG), S. 12
  3. BT-Drs. 11/2447 vom 9. Juni 1988, Entwurf eines Gesetzes über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz — ProdHaftG), S. 12
  4. Akademie-Verlag (Hrsg.), Tagungsbericht, Ausgaben 225–230, 1984, S. 224
  5. BT-Drs. 11/2447 vom 9. Juni 1988, Entwurf eines Gesetzes über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz — ProdHaftG), S. 12
  6. BT-Drs. 11/2447 vom 9. Juni 1988, Entwurf eines Gesetzes über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz — ProdHaftG), S. 12 und 17