Ilimmaasaq-Komplex

Der Ilimmaasaq-Komplex (auch Ilimaussaq-Komplex[1] oder englisch Ilímaussaq complex[2]) ist eine vorwiegend agpaitische, magmatische Intrusion im Südwesten Grönlands, die im Mesoproterozoikum eingedrungen war. Die Intrusion war in mehreren Phasen erfolgt und ihr Chemismus ist alkalisch bis peralkalisch.

Etymologie

Der Ilimmaasaq-Komplex ist nach dem Berg Ilimmaasaq (nach alter Rechtschreibung Ilímaussaĸ) bei Narsaq benannt. Dieser ist nach seiner Form benannt, der an den Zapfen einer Inuit-Harpune erinnert.

Geographie

Lujavrit mit Villiaumit, Ilimmaasaq-Komplex, Grönland

Der Ilimmaasaq-Komplex wird durch den Fjord Tunulliarfik an der südwestgrönländischen Küste zweigeteilt. Die Intrusion ist in die Südsüdost-Nordnordwest-Richtung ausgelängt, ihre Dimensionen sind 18 Kilometer Länge bei maximal 8 Kilometer Breite.

Einführung

Der Ilimmaasaq-Komplex in Südwestgrönland ist eine zusammengesetzte, mesoproterozoische Intrusion, die hauptsächlich aus Syeniten und Nephelinsyeniten aufgebaut wird. Der Komplex ist die Typlokalität für Agpaite – peralkalische Gesteine mit einem molaren Verhältnis (Na + K)/Al >1. Agpaitische Gesteine zeichnen sich durch sehr komplexe Natrium-Calcium-(Titan, Zirconium)-Silikate aus – mit Mineralen der Eudialyt-Gruppe als häufigste Vertreter.[3] Ihr Entstehungsmodus ist noch nicht vollständig geklärt, es wird jedoch jetzt angenommen, dass agpaitische Gesteine durch fraktionierte Kristallisationsprozesse aus Stammmagmen von Alkalibasalten und Nepheliniten hervorgegangen waren, welche ihren Ursprung im Lithosphärenmantel hatten. Im Ilimmaasaq-Komplex finden sich Gesteine, die aus extremen magmatischen Differentiationsprozessen hervorgegangen waren. Sie stellen daher sehr ungewöhnliche Magmatite dar – sowohl was ihre mineralogische als auch ihre geochemische Zusammensetzung betrifft.

Geologie

Kakortokit aus dem Ilimmaasaq-Komplex

Geologisch gehört der Ilimmaasaq-Komplex zur Provinz des Gardar-Rifts in Südwestgrönland. Das Gardar-Rift entstand im Mesoproterozoikum und bildet jetzt ein herausgehobenes und stark erodiertes, kontinentales Grabenbruchsystem.[4] Während der Anfangsstadien des Riftvorgangs zwischen 1.350 und 1.140 Millionen Jahre (Ectasium bis Stenium) wurde die Eriksfjord-Formation abgelagert – eine mächtige, rund 3.500 Meter dicke Abfolge von Laven und Sedimenten.[5] Ferner intrudierten eine große Anzahl von Gängen und zusammengesetzten Magmatiten in das Grundgebirge, das bereits im Archaikum und vor allem im Paläoproterozoikum konsolidiert worden war.

Das paläoproterozoische Grundgebirge im Hauptteil der Gardar-Provinz besteht überwiegend aus kalkalkalischen Granitoiden, die zusammen den Julianehåb-Batholithen aufbauen. Dieser Batholith des Anden-Typus wuchs innerhalb des Ketiliden-Gürtels heran. Er entstand im Zeitraum 1.850 bis 1.725 Millionen Jahre (Orosirium bis Statherium) und wird einer Subduktion zugeschrieben, entlang derer eine ozeanische Platte unter den archaischen Kraton im Norden abtauchte.[6]

Im Nordwestabschnitt bilden hochgradige Gneise des Archaikums das Anstehende der Gardar-Intrusiva.[7] In den Abschnitten Tuttutooq-Ilimmaasaq-Narsarsuaq und Nunarsuit-Isortoq nahmen größere Gangschwärme im Julianehåb-Batholith Platz. Sie besitzen eine sehr weit gestreute petrochemische Zusammensetzung und reichen von Basalten über Phonolithe, Rhyolithe, Lamprophyre bis hin zu Karbonatiten.[8]

Intrusion

Die Lage der Intrusion war tektonisch vorgezeichnet – was allein die Auslängung des Komplexes schon zu erkennen gibt. Es wird angenommen, dass ein blockartiges Einbrechen erfolgt war, dem sich sodann ein so genanntes Stoping anschloss – Magmen drangen von unten in entstandene Hohlräume ein.[9]

In der Nordhälfte der Intrusion ist die Dachregion der Magmenkammer freigelegt, die hier gleichzeitig die vulkanosedimentäre Schichtenfolge der Eriksfjord-Formation intrudiert. Auf der Südhälfte hingegen stehen stratigraphisch tiefere Niveaus an – so ist beispielsweise unterhalb der Diskordanz der Eriksfjord-Formation der Kontakt zwischen den Ilimmaasaq-Magmatiten und dem granitischen Nebengestein aufgeschlossen.

Petrologie

Gesteinstypen

Im Ilimmaasaq-Komplex können drei intrusive Hauptphasen unterschieden werden:

  • ein metaluminoser Augitsyenit an der Basis
  • ein peralkalischer Granit und Quarzsyenit
  • und schließlich peralkalische Nephelinsyenite.

Die meisten der Nephelinsyenite führen Minerale der Eudialyt-Gruppe und können somit als agpaitische Gesteine klassifiziert werden.[3] Volumometrisch dominieren die Nephelinsyenite eindeutig den Komplex. Sie können ihrerseits nun weiter unterteilt werden:

  • in eine grobkörnige Dachserie und in eine Bodenlage
  • in mehrere Typen von feinkörnigen und melanokratischen Lujavriten.

Die grobkörnige Dachserie baut sich aus Pulaskit, Foyait, Sodalithfoyait und Naujait auf. In der Bodenlage finden sich als Kumulatgesteine Kakortokite. Die Lujavrite besitzen eine sehr deutliches magmatisches Gefüge. Sie intrudieren den Dachbereich, jedoch nicht die Kumulate der Bodenlage.

Augitsyenit

Die älteste Einheit im Komplex ist der Augitsyenit. Er besteht mineralogisch aus perthitischem Alkalifeldspat, fayalitischem Olivin, calciumreichem Augit (Diopsid bis Hedenbergit), Eisen-Titanoxiden (ulvöspinellreicher Magnetit ± Ilmenit) und calciumreichem Amphibol (Hastingsit, Ferropargasit bis Ferroedenit). Vorhanden sein können auch noch kleinere Mengen von Nephelin, Biotit, Apatit, Zirkon/Baddeleyit und verschiedene Sulfide.[10]

Peralkalischer Granit und Quarzsyenit

Peralkalischer Granit und Quarzsyenit finden sich an verschiedenen Stellen im Komplex, ferner wird angenommen, dass die ursprüngliche Ausdehnung dieser Gesteine außerdem sehr stark durch Erosion reduziert worden ist.[11] Das größte Vorkommen befindet sich im Dachbereich des Komplexes. Hauptbestandteile der beiden Gesteinstypen sind Alkalifeldspat, Quarz, natriumreiches Amphibol (Arfvedsonit) und natriumreiches Pyroxen (Ägirin). Die perthitischen Alkalifeldspäte enthalten zahlreiche winzige Ägirinnädelchen, wodurch das Gestein eine grünliche Färbung annimmt. Seltenere Minerale sind Zirkon, Astrophyllit, Aenigmatit, Pyrochlor, Zinkblende, Fluorit, Elpidit, Epididymit und andere. Der peralkalische Granit und die assoziierten Quarzsyenite sind jünger als der Augitsyenit, jedoch älter als die agpaitischen Gesteine. Sie werden als Produkte eines unabhängigen, kieselsäure-übersättigten Magmenpulses angesehen.[12]

Peralkalische Nephelinsyenite

Die peralkalischen Nephelinsyenite stellen den volumenmäßig bedeutendsten Anteil des Komplexes und zeigen großflächige Lagenschichtung. Die obersten Nephelinsyenite des Dachbereichs liegen unterhalb dem eigentlichen Dach aus Augitsyenit. Ausgehend vom Hangenden zeigen sie eine graduelle Entwicklung von Pulaskit über Foyait und Sodalithfoyait hin zu Naujait – wobei Naujait mit rund 70 Volumenprozent dann die dominierende Petrofazies darstellt.

Die Nephelinsyenite sind grobkörnig und enthalten geringe Mengen derselben mafischen Minerale, wie sie auch im Augitsyenit zugegen sind (darunter Olivin, Augit, Magnetit und Apatit). Diese werden sukzessive durch Katophorit-Arfvedsonit, Ägirin-Augit, Ägirin und Aenigmatit ersetzt. Gleichzeitig erscheinen im zunehmenden Maße Nephelin und zusätzlicher Eudialyt. Sodalith tritt erstmals im Foyait als Zwickelfüllung auf, wird aber zur Kumulusphase im Sodalithfoyait und Naujait – wobei der Naujait zwischen 40 und 50 Volumenprozent an idiomorphen Sodalithkristallen von mehreren Millimetern Länge führen kann.

Lujavrite

Die Lujavrite legen sich zwischen den Naujait im Hangenden und die transitionellen Kakortokite im Liegenden. Sie werden rund 400 Meter mächtig. Die Lujavrite lassen sich (vom Hangenden zum Liegenden) wie folgt unterteilen:

  • Arfvedsonit-Lujavrit B
  • Ägirin-Lujavrit II b
  • Arfvedsonit-Lujavrit A
  • Ägirin-Lujavrit II a
  • Ägirin-Lujavrit I

Bodenlage mit Kakortokiten

Die Bodenlage baut sich aus mittel- bis grobkörnigen agpaitischen Nephelinsyeniten auf – den Kakortokiten. Diese lassen sich in drei Untereinheiten einteilen:

  • transitionelle lagige Kakortokite
  • nur mäßig lagige Kakortokite
  • untere lagige Kakortokite.

Die transitionellen lagigen Kakortokite gehen ihrerseits ins Hangende in recht typische feinkörnige, melanokratische Lujavrite über, bei denen die meisten ein sehr deutliches magmatisches Gefüge an den Tag legen.[13]

Geochemische Analysen

Oxid
Gew. %
AugitsyenitQuarzsyenitAlkaligranitPulaskitFoyaitSodalithfoyaitÄgirinlujavritArfvedsonit-Lujavrit
SiO253,2470,1771,0162,5458,5048,2452,3852,25
TiO22,440,260,230,100,320,330,220,23
Al2O314,7910,038,6516,9716,2118,9913,2012,23
Fe2O32,643,034,332,023,034,1610,906,06
FeO8,664,673,791,483,803,081,968,72
MnO0,240,180,210,120,190,200,370,64
MgO1,600,110,180,150,110,120,100,12
CaO4,940,380,241,531,761,671,200,27
Na2O4,685,284,678,197,5614,8710,729,25
K2O4,264,253,914,695,643,472,823,23
P2O50,740,020,070,050,040,060,180,54
H2O0,190,160,260,200,210,220,280,24
H2O+0,290,340,280,831,261,243,443,65
Al/K+Na1,200,750,730,910,870,670,640,65
Al/K+Na+Ca0,690,720,700,790,750,610,580,64

Die Gesteine des Ilimmaausaq-Komplexes sind mit Ausnahme des Augitsyenits alle peralkalisch (mit Al/K+Na < 1). Der Augitsyenit ist metaluminos (mit Al/K+Na > 1 und Al/K+Na+Ca < 1). Der SiO2-Gehalt schwankt zwischen 53 und 71 Gewichtsprozent und ist somit intermediär bis felsisch. Der Na2O-Gehalt erreicht im Sodalithfoyait enorm hohe Werte von nahezu 15 Gewichtsprozent. Sämtliche Gesteine sind natriumbetont.

Entstehungsalter

In den letzten Jahrzehnten wurden mehrere Versuche unternommen, die Gesteine des Ilimmaasaq-Komplexes zu datieren.[14] Die jeweiligen Ergebnisse von recht unterschiedlicher Qualität, deuten aber dennoch alle auf ein Entstehungsalter um 1.160 Millionen Jahre (Stenium) hin. Das Magmensystem des Komplexes ist somit eines der Jüngsten unter den Gardar-Intrusiva.[15]

Literatur

  • Michael A. W. Marks and Gregor Markl: Chapter 14: The Ilímaussaq Alkaline Complex, South Greenland. Hrsg.: B. Charlier et al., Layered Intrusions. Springer Geology, 2015, doi:10.1007/978-94-017-9652-1_14.

Einzelnachweise

  1. Ilimaussaq-Komplex. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 29. Juli 2024.
  2. Ilímaussaq complex, Kujalleq, Greenland. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 29. Juli 2024 (englisch).
  3. a b Michael A. W. Marks, K. Hettmann, J. Schilling, B. R. Frost und Gregor Markl: The mineralogical diversity of alkaline igneous rocks: critical factors for the transition from miaskitic to agpaitic phase assemblages. In: Journal of Petrology. Band 52, 2011, S. 439–455.
  4. B. G. J. Upton: Tectono-magmatic evolution of the southern branch of the Gardar rift in the late Gardar period. In: Geol. Surv. Den. Greenl. Bull. Band 29, 2013, S. 124.
  5. R. Halama, T. Wenzel, B. G. J. Upton, W. Siebel und Georg Markl: A geochemical and Sr–Nd–O isotopic study of the Proterozoic Eriksfjord Basalts, Gardar Province, South Greenland: reconstruction of an OIB-signature in crustally contaminated rift-related basalts. In: Mineral. Mag. Band 67, 2003, S. 831–853.
  6. A. A. Garde, M. A. Hamilton, B. Chadwick, J. Grocott und K. J. W. McCaffrey: The Ketilidian orogen of South Greenland: geochronology, tectonics, magmatism, and fore-arc accretion during Palaeoproterozoic oblique convergence. In: Canadian Journal of Earth Sciences. Band 39, 2002, S. 765–793.
  7. J. H. Allaart: Ketilidian mobile belt in South Greenland. Hrsg.: A. Escher und W. S. Watt, Geology of Greenland. Grønlands Geologiske Undersøgelse, 1976, S. 121–151.
  8. J. Köhler, J. Schönenberger, B. Upton und Georg Markl: Halogen and trace-element geochemistry in the Gardar Province, South Greenland: subduction-related metasomatism and fluid exsolution from alkalic melts. In: Litho. Band 113, 2009, S. 731–747.
  9. H. Sørensen: The position of the augite syenite and pulaskite in the Ilímaussaq intrusion, South Greenland. In: Bull. Geol. Soc. Den. Band 27, 1978, S. 15–23.
  10. Michael A. W. Marks und Georg Markl: Fractionation and assimilation processes in the alkaline augite syenite unit of the Ilímaussaq intrusion, South Greenland, as deduced from phase equilibria. In: Journal of Petrology. Band 42, 2001, S. 1947–1969.
  11. A. Steenfelt: Field relations in the roof zone of the Ilímaussaq intrusion with special reference to the position of the alkali acid rocks. In: Rapp. Grønl. Geol. Under. Band 103, 1981, S. 43–52.
  12. Michael A. W. Marks, T. Vennemann, W. Siebel und Georg Markl: Nd-, O-, and H-isotopic evidence for complex, closed-system fluid evolution of the peralkaline Ilímaussaq intrusion, South Greenland. In: Geochimica Cosmochimica Acta. Band 68, 2004, S. 3379–3395.
  13. K. Pfaff, T. V. Krumrei, Michael Marks, T. Wenzel, T. Rudolf und Georg Markl: Chemical and physical evolution of the ‘lower layered series’ from the nepheline syenitic Ilímaussaq intrusion, South Greenland: implications for the origin of magmatic layering in peralkaline felsic liquids. In: Lithos. Band 106, 2008, S. 280–296.
  14. T. V. Krumrei, I. M. Villa, Michael A. W. Marks und Georg Markl: A 40Ar/39Ar and U/Pb isotopic study of the Ilímaussaq complex, South Greenland: implications for the 40K decay constant and for the duration of magmatic activity in a peralkaline complex. In: Chemical Geology. Band 227, 2006, S. 258–273.
  15. B. G. J. Upton, C. H. Emeleus, L. M. Heaman, K. M. Goodenough und A. Finch: Magmatism of the mid-Proterozoic Gardar Province, South Greenland: chronology, petrogenesis and geological setting. In: Lithos. Band 68, 2003, S. 43–65.