Uranprojekt

Mit Uranprojekt bezeichnet man allgemein die Versuche der deutschen Naturwissenschaft und Technik während des Zweiten Weltkrieges, die 1938 entdeckte Kernspaltung technisch nutzbar zu machen. Wesentliche Mitarbeiter des Projektes waren Paul Harteck, Kurt Diebner, Walther Gerlach, Otto Hahn, Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker.

Dieses Projekt wurde oft als deutsches Atombombenprojekt bezeichnet. Laut der offiziellen Geschichtsschreibung gab es allerdings nie konkrete Aktivitäten, eine Atombombe zu bauen, die bei den deutschen Wissenschaftlern Uranbombe genannt wurde. Albert Einstein befürchtete dies jedoch nach Gesprächen mit deutschen Physikern und ließ sich dazu bewegen, der amerikanischen Regierung vorzuschlagen, ihrerseits ein derartiges Projekt zu starten.

Ein (späteres) Ziel des Projektes war es (s.u.), einen Kernreaktor zu bauen, der einen kritischen Zustand erreicht, in dem also eine selbsterhaltende Kernreaktion wie in einem heutigen Kernkraftwerk abläuft. Der technische Ansatz war ein Natururanreaktor, der mit schwerem Wasser moderiert wird.

Die zunehmende Bombardierung deutscher Städte behinderte das Vorhaben schwer, aber es wurde bis zuletzt weitergeführt. Das letzte Labor befand sich in einem Bierkeller unterhalb der Schlosskirche in Haigerloch, das zu Kriegsende von den Amerikanern im Zuge der ALSOS-Mission beschlagnahmt und zerstört wurde.

Heute ist in dem Keller das so genannte Atomkeller-Museum eingerichtet.

Im Zusammenhang der Aktivitäten deutscher Kernphysiker am Uranprojekt und deren Motive ist ein Treffen zwischen Werner Heisenberg und Niels Bohr von großem Interesse. Dieses Treffen zum Inhalt hat das Theaterstück Copenhagen von Michael Frayn.

Es wurde wiederholt diskutiert, ob die deutschen Wissenschaftler bereit waren, für das NS-Regime eine Atombombe zu bauen. Die Frage stellte sich allerdings den Wissenschaftlern nicht, da eine derartige Bombe technologisch nicht in Reichweite war. Die oft zitierten Wunderwaffen der Propaganda waren Raketen und Strahlflugzeuge - ein Bereich in dem die deutsche Technik damals tatsächlich führend war. Andere Waffen, deren Einsatz in weiter Ferne war, wurden von der deutschen Rüstungsplanung schon bald nicht mehr berücksichtigt.

Der Weg zur Bombe bedeutete einen ungemein höheren Aufwand, wenn man das Manhattan-Projekt der USA dagegen hält.

Möglichkeit einer deutschen Atombombe

Seit dem Ende der 1990er Jahre wird die Möglichkeit der Existenz einer deutschen Atombombe kontrovers diskutiert, jedoch sehr oft vor einem verschwörungstheoretischen Hintergrund. Bereits drei deutschsprachige Bücher wurden zu diesem Thema veröffentlicht, z.B. 2005 das Buch Hitlers Bombe von Rainer Karlsch.

Am 12. Oktober 1944 soll demnach auf der Rügener Halbinsel Bug die erste Atombombe der Weltgeschichte gezündet worden sein. Der Autor Karlsch hat diese Behauptung am 25. Juni 2005 auf einem wissenschaftlichen Kolloquium der Geschichts- und Technologiegesellschaft Großraum Jonastal e.V. ohne nähere Begründung selbst zurückgenommen.

Am 4. März 1945 soll auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf in Thüringen vor geschätzten 700 KZ-Häftlingen eine weitere Atombombe gezündet worden sein. Augenzeugen unter Anwohnern berichteten von einem Blitz, der „die Nacht zum Tage“ gemacht haben soll, weitere Berichte erzählen von Massen verkohlter Leichen. Gegen eine Kernspaltung spricht jedoch, dass sich auf dem Gelände keine Radioaktivität oder sonstige Reste wie beispielsweise geschmolzener Sand nachweisen lassen.

Angeblich war Kurt Diebner an der Entwicklung dieser ersten Atombombe beteiligt. Die in dem Buch dargelegten Indizien lassen sich noch nicht abschließend bewerten. Die genaue Bauweise der angeblich getesteten Bomben ist bislang unbekannt.

Von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig wurden im Auftrag des ZDF im Jahre 2005 stichprobenhaft oberflächennah entnommene Bodenproben aus Ohrdruf auf Radionuklide untersucht. In einer Pressemitteilung vom 15. Februar 2006 (siehe hier) wurde festgestellt, dass die Messwerte keinerlei Hinweise ergeben hätten, „dass andere Quellen als der Fallout oberirdischer Atombomben-Tests in den 1950er/1960er Jahren und der Reaktorunfall in Tschernobyl im Jahr 1986 für die Bodenkontaminationen verantwortlich sind. Insgesamt zeigen die PTB-Messergebnisse für eine Kernexplosion 'keinen [sicheren] Befund'. [...] Eine endgültige Bewertung der historischen Zusammenhänge ist damit weiterhin offen." Karlsch antwortete darauf[1], daß es bei der beschriebenen Oberflächenuntersuchung aus dem Jahre 2005 von Anfang an für ihn wie das PTB aus technischen Gründen klar gewesen sei, daß diese keinen klaren Befund ergeben könne, da für die Menge an laut seiner Behauptungen an "schmutzigem" bzw. thermonuklearem explodierten Material, zumal hinsichtlich der zurückliegenden Zeitspanne und der Nachkriegsgeschehnisse, für eine endgültige Klärung von vornherein eine bereits zugesagte tiefergehende Bohrung vonnöten gewesen wäre, die dann allerdings nicht durchgeführt worden sei. Darüberhinaus habe das PTB weitergehende Befunde aus denselben Untersuchungen, die auf eine deutliche nukleare Verstrahlung des Truppengeländes Ohrdruffs vor Kriegsende hinwiesen, in obengenannter Pressemeldung unterschlagen.

Werner Heisenberg behauptete bis zu seinem Tod, dass in Deutschland nie eine Atombombe gebaut wurde. Die Gruppe um Heisenberg - insbesondere Carl Friedrich von Weizsäcker und Karl Wirtz - war jedoch unstrittig bis 1942 mit wissenschaftlichen Voruntersuchungen zum Bau einer Atombombe beschäftigt. Wie von Robert Jungk im Buch "Heller als tausend Sonnen" fälschlich behauptet, gab es jedoch nie eine Verabredung innerhalb der Gruppe, mit Sicherheit keine Atombombe zu bauen oder gar deren Entwicklung zu behindern. Über Weizsäcker wissen wir beispielsweise vom Frühsommer 1942, dass die Voruntersuchungen so weit fortgeschritten waren, dass Weizsäcker ein Patent anmeldete, dessen Punkt 5 lautete: Verfahren zur explosiven Erzeugung von Energie und Neutronen, ... das ... in solcher Menge an einen Ort gebracht wird, zum Beispiel in einer Bombe, ... (6 Patentansprüche des Weizsäcker, weiteres Schicksal dieser Anmeldung bisher unbekannt). Da die für den Bau einer Uranbombe für erforderlich geglaubten Mengen atomwaffenfähigen Urans des Isotops 235 jedoch unter Kriegsbedingungen nicht für herstellbar gehalten wurden, verlegte sich die Gruppe 1942 mit Billigung der Militärführung bzw. Albert Speers auf den Bau eines Kernreaktors für die Energiegewinnung.

Zeittafel

Literatur

  • Mark Walker: Eine Waffenschmiede? Kernwaffen- und Reaktorforschung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik Vorabdrucke aus dem Forschungsprogramm „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus“, Nr. 26, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin (download als PDF), darin viele weitere Arbeiten zitiert. Anm. 22: Weizsäckers Patentanmeldung "z.B. einer Bombe"
  • Mark Walker: Die Uranmaschine. Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe. Wolf Jobst Siedler Verlag Berlin 1992. (Übersetzung der Originalausgabe German National Socialism and the Quest for Nuclear Power. 1939-1949 Cambridge University Press) ISBN 3-442-12835-8
  • Michael Schaaf: Heisenberg, Hitler und die Bombe. Gespräche mit Zeitzeugen GNT-Verlag, Diepholz/Berlin 2001, ISBN 978-3-928186-60-5. Darin zahlreiche Interviews mit Teilnehmern aus dem Umkreis des „Uranvereins“ (u. a. Paul Harteck, Carl Friedrich von Weizsäcker, Erich Bagge und Manfred von Ardenne).
  • Rainer Karlsch: Hitlers Bombe München, 2005, ISBN 3-421-05809-1
  • Till Bastian: High Tech unterm Hakenkreuz. Von der Atombombe bis zur Weltraumfahrt Berlin: Militzke, 2005 ISBN 3861897407 (Weizsäckers Bombe: Dokument S. 219f)

Webseiten

Fußnoten

  1. http://www.petermann-heiko.de/aktuelles/aktuelles3.php