Strahov-Evangeliar

Strahov-Evangeliar, fol. 68v: Der Evangelist Markus. Die Schrift unter dem Löwen lautet MARCUM TERRIBILIS DESIGNAT FORMA LEONIS (dt. Den Markus bezeichnet die Gestalt eines furchterregenden Löwen[1]). Auf der Schriftrolle befindet sich in einer für den Gregormeister typischen Kurzschrift der Anfang des Markusevangeliums

Das Strahov-Evangeliar (tschechisch Evangeliář strahovský) ist eine mittelalterliche Handschrift, die zu den Hauptwerken der Ottonischen Buchmalerei gezählt wird. Die Handschrift wird unter der Signatur Kloster Strahov, Ms. DF III 3 im Kloster Strahov in Prag aufbewahrt. Die kunsthistorische Bedeutung des Evangeliars macht der Buchschmuck aus, den sie um 980 vom sogenannten Gregormeister erhielt.

Geschichte

Auf fol. 2v enthält der Codex einen Besitzvermerk aus dem Kloster St. Martin in Trier mit einer Verwünschung gegen Bücherdiebe (... si quis eum abstulerit, anathematisatus sit, dt.: wenn einer es <das Buch> entwenden sollte, dann soll ihn das Anathem treffen). Über das Kloster Steinfeld kam die Handschrift 1143 nach Strahov.

Beschreibung

Die Handschrift

Die Handschrift misst 26,7 x 16,9 cm, sie umfasst 222 Blatt Pergament. Sie ist in einen aus dem 17. Jahrhundert stammenden Einband aus rotem Samt gebunden, an dem ältere Teile wie gegossene, vergoldete Figuren angebracht worden sind. Der Text des Evangeliars ist in Unziale geschrieben und war ursprünglich nur mit Explicit und Incipit-Titeln ausgestattet. Der Gregormeister, ein in Trier unter Bischof Egbert arbeitender Buchmaler, überarbeitete die Handschrift, wobei er teilweise die vorhandene Schrift abschabte. Er vergoldete Initialen, Kapitelzahlen und heilige Namen und legte Purpurseiten an, die teilweise in Goldschrift geschrieben sind. Im einzelnen ergänzte er auf fol. 4r die Worte Item Prologus in roter Capitalis rustica, fügte fol. 9r eine Incipit-Zierseite hinzu, schrieb 65v drei Zeilen neu, ergänze fol. 68r in Unziale mit Gold und Purpurgrund, schuf 70r eine Inzipit-Seite zum Marcusevangelium und übermalte auf fol. 71v die erste Zeile mit Purpur und schrieb sie neu mit Goldtinte. Auf demselben Blatt schrieb er die folgende Zeile neu. Fol. 108r und Fol. 108v sind von ihm neugeschaffene Zierseiten zum Johannes-Evangelium. Auf fol. 109r überschrieb er die alte Zierschrift in goldener Unziale auf Purpurgrund. Diese Überarbeitung reicht allerdings nur bis fol. 178r, fast das gesamte Johannes-Evangelium blieb unverändert [2]. Die hinzugefügten Titelseiten sind mit purpurnen und grünen Farbstreifen gestaltet und mit Goldschrift beschriftet. Die wichtigste Ergänzung des Gregormeisters bildeten die vier Evangelistenbilder auf Purpurgrund (fol. 8v, 69v, 107v, 176v). Den Evangelistenbildern ist gemeinsam, dass das Bildfeld durch einen Querstreifen mit einer erläuternden Beischrift unterteilt ist, so dass Evangelist und Symbol in zwei getrennten Feldern stehen, sie knüpfen dabei an Vorbilder aus Tours an. Auch die in den Querbalken befindlichen Beischriften kommen bereits in touronischen Evangelistenbildern vor.

Die Evangelistenbilder

Der Evangelist Matthäus sitzt mit gekrümmtem Rücken seitlich gewandt und anscheinend in Konzentration versunken auf einem Kastenthron, der wie Fußschemel und Schreibpult frei auf dem Hintergrund zu schweben scheint. Die Schreibfeder steckt noch im Tintenfass, während der Schreiber das Pergament mit einer Hand an sich herangezogen hat. In dem purpurnen Querbalken zwischen Evangelist und Engel steht in Goldschrift HOC EUANGELIUM QUOD PONITUR ORDINE PRIMUM (Dies ist das Evangelium, das in der Reihe an erster Stelle steht[1]).

Markus sitzt halb frontal auf einem Kastenthron, den Kopf zu dem links von ihm stehenden Schreibpult geneigt, von dem er die Schriftrolle, die mit dem Anfang des Markusevangeliums beschriftet ist, mit der linken Hand an sich heranzieht. Rechts vom Schreiber steht ein Pult mit Tintenfass, in das Markus die Feder taucht.

Lukas sitzt nach links gewendet auf einem Faltstuhl vor einem massiven Schreibpult, in das ein Fach für Schriftrollen integriert ist. Beide Füße ruhen auf dem Fußschemel. Lukas hält in der rechten Hand eine aufgerollte Schriftrolle, die linke stützt das Kinn des nachdenkenden Evangelisten. Unter dem Stier steht in dem Querbalken die Beischrift LUCAS AETHERII SPECIEM TENET ORE IUUENCI (Lukas hat das Aussehen eines himmlischen Stiers[1]).

Johannes ist frontal dargestellt. Er sitzt auf einem gepolsterten Kastenthron, neben dem ein massives Schreibpult steht, auf dem sich zwei zusammengerollte Schriftrollen sowie das Tintenfass mit darin steckender Feder befinden. Sein Evangelium hält Johannes in Form eines gebundenen Codexes in der linken Hand, wobei der Textanfang in der für den Gregormeister typischen Kurzschrift lesbar ist. In der rechten Hand hält Johannes eine Schreibfeder. Der Spruch im Querbalken zwischen dem Evangelisten und seinem Symbol lautet EST AQUILA ALTA PETENS NARRANS DIUINA IOHANNES (Johannes ist ein Adler, der in die Höhe strebt und himmlische Dinge berichtet.[1]).

Kunsthistorische Erkenntnisse

Strahov-Evangeliar, fol. 68r, Purpurseite mit Incipit zum Markus-Evangelium

Die Unzialhandschrift wurde ursprünglich in Tours im frühen 9. Jahrhundert geschrieben, Kuder [3] datiert sie um 860. Die Überarbeitung, die in Trier von Hand des Gregormeisters geschah, kann um 980 datiert werden. Die Evangelistensymbole des Evangeliars weisen große Ähnlichkeiten zu denen am Andreas-Tragaltar Bischof Egberts zu. Das Strahov-Evangeliar zählt damit zu den frühen Werken des Gregormeisters, der auch das ihm seinen Notnamen gebende Gregorblatt und der thronende Kaiser in Chantilly angehören. Für das Strahov-Evangeliar entwickelte der Gregormeister einen neuen Typus der Evangelistendarstellung, indem er die Evangelistensymbole und die Beischriften zufügte. Im wenig älteren Evangeliar in Manchester (John Rylands Library, Cod. 98) waren diese noch nicht Teil der Darstellung gewesen. Der Gregormeister knüpfte beim Strahov-Evangeliar an touronische Vorbilder an, die Plastizität der Figuren läßt den Einfluss spätantiker Vorbilder erkennen [4], Hoffmann lobt die „natürliche Lebendigkeit“ der Tiergestalten [5].

Auch handwerkliche Aspekte sprechen dafür, das Strahov-Evangeliar früh im Schaffen des Gregormeisters anzusetzen: Während es in der Buchmalerei üblich war, den Platz für die Darstellung beim Malen des Hintergrundes völlig auszusparen, ist im Strahov-Evangeliar die Darstellung nur teilweise ausgespart, so dass Teile auf den relativ dicken und dadurch beim Wenden der Seiten bruchgefährdeten Hintergrund gemalt wurden.[6]

Literatur

  • Pavel Brodský - Jan Pařez: Katalog iluminovoných rukopisů Strahovské Knihovny, Praha 2008, S. 121-123 Nr. 50 ISBN 978-80-86404-22-6
  • Hartmut Hoffmann: Buchkunst und Königtum im ottonischen und frühsalischen Reich, Stuttgart 1986, ISBN 3-7772-8640-0 (Schriften der Monumenta Germaniae Historica, Bd. 30)
  • Ulrich Kuder: Strahov-Evangeliar in: Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen. Katalog der Ausstellung Hildesheim 1993 (Band. 2, Katalog Nr. IV-30)
  • Carl Nordenfalk: Der Meister des Registrum Gregorii. In: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst 1950, S. 61-77
  • Franz J. Ronig (Hrsg.): Egbert - Erzbischof von Trier 977–993. Gedenkschrift der Diözese Trier zum 1000. Todestag. Selbstverlag des Rheinischen Landesmuseums Trier, ISBN 3923319274 (Band. 1, Katalog Nr. 5)
Commons: Strahov, Ms DF III 3 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Ulrich Kuder, Strahov-Evangeliar In: Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen, Bd. 2, S. 186
  2. Hartmut Hoffmann, Weitere ottonische Handschriften aus Trier in: Egbert - Erzbischof von Trier 977–993. Gedenkschrift der Diözese Trier zum 1000. Todestag., Bd. 2, S. 90
  3. Ulrich Kuder, Strahov-Evangeliar In: Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen, Bd. 2, S. 184
  4. Egbert - Erzbischof von Trier 977–993. Gedenkschrift der Diözese Trier zum 1000. Todestag., Bd. 1, S. 21
  5. Hartmut Hoffmann, Buchkunst und Königtum im ottonischen und frühsalischen Reich, S. 108
  6. Doris Oltrogge, „Materia“ und „Ingenium“ – Beobachtungen zur Herstellung des Egbertcodex, in: Egbert. Erzbischof von Trier 977-993, S. 131

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