Schiffsarzt

Schiffsärzte bei einer Leistenbruch-Operation an Bord der USS Harry S. Truman 2007

Als Schiffsarzt wird ein Arzt bezeichnet, der die medizinische und zahnmedizinische Versorgung an Bord von Schiffen im zivilen und militärischen Bereich sicherstellt und Verantwortung für die Einhaltung der Hygiene- und Sicherheitsvorschriften trägt. Ob ein Schiffsarzt an Bord sein muss, wird durch nationale Vorschriften geregelt. Die Internationale Arbeitsorganisation empfiehlt, bei Schiffen mit mehr als 100 Personen an Bord und Fahrten über mehr als drei Tage, einen Arzt an Bord mitzuführen.

Voraussetzungen

Rangabzeichen eines zivilen Schiffsarztes

Zivile Schifffahrt

Voraussetzung für eine Anstellung als Schiffsarzt im zivilen Bereich sind, nach abgeschlossenem Studium der Medizin mit ärztlicher Approbation, eine mehrjährige ärztliche Tätigkeit in mindestens einer Akutdisziplin sowie Erfahrungen in der Notfallmedizin.

Außerdem sind solide Sprachkenntnisse in Englisch[1][2] und die Seediensttauglichkeit nach §  81 Seemannsgesetz (SeemG) erforderlich[3].

Das Zertifikat Maritime Medizin der Ärztekammer Schleswig-Holstein, welches bei der Deutschen Marine vorgeschrieben ist, ist nicht verpflichtend. Eine abgeschlossene Facharztweiterbildung ist ebenfalls nicht vorgeschrieben. Eine fünf bis zehnjährige klinische Tätigkeit in Chirurgie und Innerer Medizin wird heute jedoch für eine Tätigkeit als Schiffsarzt erwartet. Erfahrung in Reise- und Tropenmedizin sowie Basiskenntnisse in Zahnmedizin sind ebenfalls erwünscht, um dem großen Spektrum der anfallenden Erkrankungen gerecht zu werden. Fachkundenachweise in Strahlenschutz sowie Rettungsdienst müssen vorliegen. Die Teilnahme am Lehrgang Einführung in die maritime Notfallmedizin nach den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Maritime Medizin (DGMM) wird dringend empfohlen.[4]

Was im Einzelnen an Anforderungen erfüllt werden muss, legen in Deutschland Empfehlungen des Arbeitskreises der Küstenländer für Schiffshygiene fest.[4] Zuständig für die Umsetzung der Empfehlungen ist der hafenärztliche Dienst im Heimathafen des jeweiligen Schiffes, welcher als Teil des öffentlichen Gesundheitswesens die behördlichen Aufgaben wahrnimmt. [2] Eine Anstellung als Schiffsarzt kann als Festanstellung oder auf begrenzte Zeit erfolgen. Dabei bezieht der Schiffsarzt von der Reederei ein festes Gehalt, oder ein Grundgehalt mit prozentualer Beteiligung. Alternativ ist teilweise das Anmieten von Behandlungsräumen des Schiffes und eine Rechnungsstellung nach deutscher Gebührenordnung für Ärzte möglich.[2]

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Rangabzeichen eines deutschen Stabsarzts mit dem Laufbahnabzeichen für Ärzte (Humanmedizin)

Deutsche Marine

Die Deutsche Marine verfügt derzeit über 71 Marineärzte, davon zehn Frauen. Als Schiffarzt an Bord dienen zurzeit 28.[5] Sanitätsoffizieranwärter der Marine durchlaufen gemeinsam mit den Offizieranwärtern des Truppendienstes eine auf sechs Wochen verkürzte Grundausbildung an Land und nehmen anschließend an einer Auslandsausbildungsreise mit dem Segelschulschiff Gorch Fock teil. Das Medizinstudium erfolgt dann an einer zivilen Hochschule. Nach dieser Ausbildung werden die jungen Sanitätsoffiziere (nach Erlangung der Approbation) zu einer drei Jahre dauernden, ersten Verwendung in der Klinik an die Bundeswehrkrankenhäuser Koblenz oder Ulm versetzt. Die klinische Ausbildung umfasst hier die Fachgebiete Chirurgie, Innere Medizin, Anästhesiologie und Radiologie. Daran anschließend erfolgt eine einjährige maritim-fachliche Ausbildung am Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine (SchiffMedInstM) in Kronshagen. In diesem Ausbildungsabschnitt werden der Schiffsarzt-, Taucherarzt- und Fliegerarztlehrgang absolviert und Ausbildungsabschnitte in Rettungsmedizin, Arbeitsmedizin, Tropenmedizin, Sonographie, Gynäkologie, Stressmanagement, Überleben auf See, Zahnmedizin für Schiffsärzte und Telemedizin durchlaufen. Für die absolvierte Schiffsarztausbildung erhalten die Teilnehmer das Zertifikat Maritime Medizin der Ärztekammer Schleswig-Holstein, welches am 6. Juni 2001 beschlossen wurde und in der Zwischenzeit Voraussetzung für den Einsatz als Schiffsarzt in der Deutschen Marine ist, aber auch allen anderen Ärztinnen und Ärzten offensteht.[6]

Siehe auch

Aufgaben

Zum Aufgabenbereich eines Schiffsarztes gehören die allgemeinmedizinische, notfallmedizinische, präventivmedizinische und betriebsärztliche Versorgung, wie die Überwachung der Küchen- und Unterkunftshygiene, die Durchführung von Impfungen und Maßnahmen zur Vorbeugung Epidemien bei Infektionen. Ebenso weist das Berufsbild tropenmedizinische Aspekte auf.[7] Auch die Verwaltung des Sanitätsmaterials sowie die Pflege und Wartung des Sanitätsgerätes gehören zum Aufgabenbereich eines Schiffsarztes. Bei der Marine ist der Schiffsarzt zusätzlich mit der Durchführung der Sanitätsausbildung für die Besatzungsangehörigen betraut.[8] Im zivilen Bereich sind periodische Erste Hilfe- und Herz-Lungen-Wiederbelebungs-Kurse, wie auch Rettungsübungen, für die Besatzung ebenfalls Aufgabe des Schiffsarztes.[9]

Medizinische Versorgung

Das Spektrum der zu behandelnden Erkrankungen an Bord eines Schiffes ist breit und auch abhängig von Mannschaft und Passagieren.[10][11] Neben der Seekrankheit treten verschiedene andere gesundheitliche Probleme auf. Die häufigste Ursache ärztlicher Konsultationen sind dabei Atemwegserkrankungen von Passagieren, Hauterkrankungen der Crew, sowie Verletzungen. Dabei verletzen sich die Passagiere eher an Land, Besatzungsmitglieder an Bord.[12] Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten bei Passagieren häufiger auf als bei Crewmitgliedern.[13] Auch zahnärztliche Behandlungen sind, besonders bei Crewmitgliedern, häufig erforderlich und ziehen, öfter als bei anderen Erkrankungen, Behandlungen bei einem Zahnarzt im nächsten Hafen nach sich.[14]

Rolle der Telemedizin

Aufgrund der Vielfalt der möglichen zu behandelnden Krankheitsbilder wurde bereits ab 1931 eine funkärztliche Beratung von Medico Cuxhaven aufgebaut, welche den Schiffsärzten zur Verfügung steht. In der Zwischenzeit können durch verschiedene Systeme EKG-Werte, Bild- und Videomaterial an einen beratenden Arzt übertragen werden. Dies erhöht die Effektivität des Schiffsarztes, so dass das Risiko einer Fehldiagnose und der daraus resultierenden Fehlbehandlung deutlich gemindert wird. Neben dem medizinischen Vorteil für die Patienten können Kosten durch unnötige Evakuierungen und Rücktransporte eingespart werden.[15]

Rechtliche Grundlagen

Die Besetzung von Schiffen mit medizinischem Personal wird durch jeweilige nationale Vorschriften geregelt. Gültig sind die Vorschriften des Landes, unter dessen Flagge das Schiff fährt.[16] Die Internationale Arbeitsorganisation hat in § 8 der ILO Convention Nummer 164 von 1987 zum Gesundheitsschutz und der medizinischen Versorgung von Seefahrern empfohlen, dass bei Schiffen mit mehr als 100 Personen an Bord und Fahrten über mehr als drei Tage ein Arzt an Bord sein soll.[17] Die nationalen Vorschriften können jedoch davon abweichen. So wird es in den britischen The Merchant Shipping (Ships' Doctors) Regulations von 1995 zusätzlich zur Pflicht eines britischen Schiffseigners erklärt, bei Schiffen mit mehr als 100 Personen an Bord und einer Entfernung von mehr als 1,5 Tagen zum nächsten Hafen mit adäquater medizinischer Versorgung, einen qualifizierten Arzt an Bord zu haben.[18] In der türkischen Regulation on Sanitary Safety of Passengers on Ships vom 28. Januar 1943 ist dagegen festgelegt, dass erst bei mehr als 200 Passagieren ein Schiffsarzt mitzuführen ist.[19]

Deutschland

Die Verordnung über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen (SchKrFürsV) schreibt in §15 für Schiffe mit mehr als 75 Personen bei Reisen in der Mittleren und Großen Fahrt sowie bei Probefahrten die Besetzung mit einem Schiffsarzt vor. Schiffe mit mehr als 100 Arbeitnehmern an Bord sind bei Reisen in der Kleinen Fahrt von mehr als 3 Tagen Dauer ebenfalls mit einem Schiffsarzt zu besetzen. Übersteigt die Zahl der Personen auf einem Schiff 800, so muss ein zweiter Schiffsarzt an Bord sein.[3]

Im militärischen Bereich gelten entsprechende Vorschriften der Bundeswehr. Boote der Marine haben nicht immer einen Arzt an Bord. In diesen Fällen wird die medizinische Versorgung über ein den Verband begleitendes Versorgungsschiff sichergestellt, welches über ein ärztlich geleitetes Lazarett verfügt. Bei kleinen militärischen Einheiten, wie Schnell- oder U-Boote ist der Schiffskoch als Sanitäter ausgebildet.[20] Dem Schiffsarzt oder dem Sanitäts-Meister stehen Sanitätsgasten als Gehilfe bei der Erfüllung seiner Aufgaben zur Seite.

Siehe auch

Geschichte

Schiffsarzt Beatty stellt an Bord der HMS Victory den Tod Admiral Nelsons nach der Seeschlacht von Trafalgar fest - Gemälde von A. Dewis
Quartier des Schiffsarztes auf dem Nachbau der Endeavour
Die medizinische Crew eines US. Kriegsschiffes im Jahr 1919, bestehend aus Schiffsärzten und "Hospital Corpsmen"
Schiffsärzte bei einer Operation an Bord der USS Kroonland im Jahre 1919

Schon in der Antike waren Schiffsärzte bekannt. Beispielsweise war es in der römischen Marine Vorschrift, für 200 Mann Besatzung einen Schiffsarzt als Duplicarii (Legionär mit doppeltem Sold) an Bord zu führen. Dessen Aufgabe lag vor allem darin, die Ruderer auf ihre körperliche Eignung zu untersuchen und in der Seeschlacht Pfeile aus den verwundeten Soldaten zu ziehen.


An Bord von Handelsschiffen waren Schiffsärzte bis in das Mittelalter hinein nicht sonderlich gern gesehen. Bei Arbeitsunfällen auftretende Brüche, Prellungen und Verrenkungen wurden teilweise vom Kapitän selbst behandelt. Mit den großen Entdeckungsreisen erfuhr die Schifffahrtsmedizin einen Aufschwung, wobei es letztlich keine akademischen Ärzte, sondern Chirurgen und Barbiere waren, die als Schiffsärzte zur See fuhren. Sie wurden in ihrer Tätigkeit durch den Schiffskoch und angelernte Gehilfen unterstützt.[21] Die Royal Navy verfügte 1814 über 14 Ärzte, 850 Chirurgen und 500 Assistenzchirurgen, die für 130.000 Mann verantwortlich waren.[22]


Der französische officier de santé an Bord von Kriegsschiffen war ein Dienstgrad mit medizinischer Grundausbildung als Ergebnis der Reform des medizinischen Systems wähend der Frühzeit der Napoléonischen Ära. In einem medizinischen Zwei-Klassen-System durchliefen die officiers de santé eine kürzere und wenig spezialisierte Ausbildung, die sie auf die Standardfälle des medizinischen Alltags auf dem Lande vorbereiten sollte. Im Gegensatz dazu deckte die Ausbildung zum regulären Arzt das ganze Spektrum der zeitgenössischen Medizin ab.[23]


Zu Zeiten der österreichischen Kaiserin Maria Theresia regelte die Editto politico di navigazione die Mitnahme und Ausrüstung von Arzneikisten auf Schiffen. 1851 wurde ein kaiserliches Reglement über die Organisation des Gesundheitswesens erlassen, welches auch die medizinische Versorgung an Bord, in Marinehospitälern und den Seuchenschutz regelte.[24]

Die Schweizerische Ärztezeitung publizierte 2009 einen Beitrag über den Schweizer Facharzt für Seemedizin Urs Schifferli und berichtete darin über die Gründung der Schweizerischen Gesellschaft für Seemedizin die sich am 1. April 2007 konstituiert hätte.[25] Dieser Artikel erschien jedoch am 1. April 2009 und war ein Aprilscherz.[26]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Stellenbeschreibung auf hafenkarriere.de
  2. a b c Hannelore Gießen: Arzt und Beruf: Ärzte auf hoher See.
  3. a b Verordnung über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen
  4. a b Richtlinie Nr. 4 der Arbeitskreises der Küstenländer für Schiffshygiene, 12. November 2008
  5. Schiffsarzt bei der Marine - ein Hamburger erzählt von seiner Arbeit auf der Fregatte “Sachsen”. Mitteilung des Presse- und Informationszentrums Marine
  6. Wolfgang Sartorius: Der Marinesanitätsdienst nach der Umstrukturierung der Bundeswehr.
  7. Jäger H: Medizinische Versorgung an Bord von Schiffe. Kreuzfahrt-medizinische Erfahrungen. Fortschr Med. 27 (1979), 1191-4, PMID 457011
  8. Die Deutsche Marine. (III) In: Zeitschrift Truppendienst - Zeitschrift für Ausbildung, Führung und Einsatz im Österreichischen Bundesheer
  9. Schiffsarzt – ein realisierbarer Traum?, Medical Tribune 41 (2008), 12 (PDF-Dokument; 189 kB)
  10. Peake DE, Gray CL, Ludwig MR, Hill CD: Descriptive epidemiology of injury and illness among cruise ship passengers. Ann Emerg Med. 33 (1999), 67-72, PMID 9867889
  11. McKay MP: Maritime health emergencies. Occup Med (Lond). 57 (2007), 453-5, PMID 17652345
  12. e. Dahl: Medical practice during a world cruise: a descriptive epidemiological study of injury and illness among passengers and crew. Int Marit Health. 56 (2005), 115-28, PMID 16532590
  13. E. Dahl: Anatomy of a world cruise. J Travel Med. 6 (1999), 168-71, PMID 10467153
  14. E. Dahl: Crew referrals to dentists and medical specialist ashore: a descriptive study of practice on three passenger vessels during one year. Int Marit Health. 57 (2006), 127-35, PMID 17312701
  15. Volker Last: Telemedizin in der Seefahrt - Von den Anfängen der Telemedizin bis zum heutigen Einsatz. Seminar Medizin-Telematik, SS 2006, Eberhard Karls Universität Tübingen (PDF-Dokument; 1,3 MB)
  16. Jane N. Zuckerman: Principles and practice of travel medicine. John Wiley and Sons, 2001, ISBN 0-471-49079-2. in der Google-Buchsuche
  17. Convention (No. 164) concerning Health Protection and Medical Care for Seafarers. der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), 1987
  18. The Merchant Shipping (Ships' Doctors) Regulations, Großbritannien (1995)
  19. Regulation on Sanitary Safety of Passengers on Ships, Türkei (1943)
  20. Stefan Oppermann, Christoph Redelsteiner: Das Handbuch für Notfall- und Rettungssanitäter. Deutscher Ärzteverlag, 2009, ISBN 3-7691-1273-3. in der Google-Buchsuche
  21. Wolfgang Schwerdt: Ärzte an Bord - Schiffsmedizin von den Anfängen bis zum 19. Jahrhundert.
  22. Dean King, John B. Hattendorf, J. Worth Estes: A Sea of Words: Lexicon and Companion for Patrick O'Brian's Seafaring Tales Henry Holt, 2001, S. 31, ISBN 0-805-06615-2
  23. Marc Föcking: Pathologia litteralis: erzählte Wissenschaft und wissenschaftliches Erzählen im französischen 19. Jahrhundert. Gunther Narr, Tübingen 2002, ISBN 3-8233-5613-5. in der Google-Buchsuche
  24. Renate Basch-Ritter: Die Weltumsegelung der Novara 1857-1859: Österreich auf allen Meeren. ADEVA, Graz 2008, ISBN 3-201-01904-6. in der Google-Buchsuche
  25. Als Arzt in einer schwimmenden Praxis. Schweizerische Ärztezeitung, 90 (2009), 594 (PDF-Dokument, 110 kB)
  26. Mitteilung der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH (Berufsverband der Schweizer Ärzteschaft und Dachorganisation der kantonalen und fachspezifischen Ärztegesellschaften)

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